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11.03.2024 | Automobilproduktion | Schwerpunkt | Online-Artikel

So werden Autos langlebiger

verfasst von: Christiane Köllner

6 Min. Lesedauer

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Für eine effektive Kreislaufwirtschaft muss neben dem Recycling auch die Lebensdauer von Produkten verlängert werden. Das gilt auch für Pkw. Welche Ansätze gibt es, Autos langlebiger und wertstabiler zu machen? 

Bislang basiert das Geschäftsmodell der OEMs vor allem auf dem Verkauf neuer Pkw. Hat das Fahrzeug seien Dienst getan, landet es nach rund 18 Jahren auf dem Schrottplatz. Zwar ist die durchschnittliche Lebensdauer im Laufe der Zeit leicht gestiegen, doch wirklich nachhaltig erscheint das Modell des "Wegwerfautos" nicht. Das könnte sich mit modularen, kreislaufwirtschaftsfähigen Fahrzeugen ändern. Denn mit verschiedenen Maßnahmen ließen sich Autos technisch und optisch auf dem neuesten Stand halten. Also Update statt Neuwagen?

Klar ist: Mobilität kann nur nachhaltig sein, wenn sie zirkulär, werterhaltend und nicht als aktualisierungsunfähiger "Einmalartikel" gedacht wird. Zentral ist dabei, dass das Produkt Auto in einen Erneuerungs- und Wiederverwendungskreislauf eingebracht wird. Um das zu erreichen, muss die Konstruktion des Fahrzeugs genauso wie die Automobilproduktion neu betrachtet werden. 

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01.09.2023 | Titelthema

Wertstabile Pkw in der Kreislaufwirtschaft

Um die Nachfrage nach ressourcen- und umweltschonenden Automobilen bedienen zu können, muss die Dimension der Nachhaltigkeit unabhängig vom verwendeten Antrieb genauer betrachtet werden. Mit dem Modell einer Kreislaufwirtschaft zeigen die Autoren der TU Darmstadt, welche Prozesse aus Produkt- und Prozesssicht zu langlebigen und wertstabilen Pkw führen.

Produkt- und Prozesssicht: Wie gelingt ein langlebiges Auto?

Doch welche Prozesse führen aus Produkt- und Prozesssicht zu langlebigen und wertstabilen Pkw? Gedanken dazu haben sich Ingenieure und Wissenschaftler der TU Darmstadt gemacht, die sie im ATZ-Artikel Wertstabile Pkw in der Kreislaufwirtschaft erläutern. Für die Forscher stellen sich hinsichtlich der künftigen Fahrzeug- sowie Produktionsforschung zwei Kernfragen:

  • "Wie können ein Fahrzeug und seine wertbestimmenden Bestandteile über Jahrzehnte und damit über Generationen von Besitzern hinweg so attraktiv gehalten werden, dass sie wertstabil sind und im besten Fall gar kein neues Fahrzeug produziert werden muss? (Produktsicht)"
  • "Wie muss das Produktionssystem eines OEMs und das umgebende Netzwerk aus Zulieferern gestaltet sein, um eine zirkulare Wertschöpfung realisieren zu können? (Prozesssicht)."

Modularität hält aktuell

Die Antworten lauten Modularität und Re-Assembly. Im Prinzip wird dabei das Fahrzeug durch eine modulare Konstruktion mit regelmäßigen Updates aktuell gehalten. Verschließteile rund um Antrieb, Fahrwerk und Elektronik lassen sich austauschen, viele Funktionen, die auf Sensorik, Rechner sowie Mensch-Maschine-Schnittstellen angewiesen sind, mit Software-Updates Over-the-Air aktualisieren oder nachrüsten. Allerdings: Lassen sich Fahrwerkskomponenten wie Querlenker, Schwingungsdämpfer und Federn noch einfach austauschen, gilt dies nicht für die Anbindungspunkte zwischen Fahrwerk und Karosserie oder für passive Crashstrukturen. "Hier werden Entwicklungsveränderungen eventuell bis zur Auslegung als dauerfeste Bauteile notwendig", so die Darmstädter Forscher.

Auch für das Exterieurdesign existieren Möglichkeiten eines Upgrades. So seien zum Beispiel Aktualisierungen und Aufwertungen der Formensprache im Zeitverlauf vorstellbar, betonen die Forscher. Schwieriger werde es bei batterieelektrischen Fahrzeugen und deren Hochvoltbatterien. Hier schlagen die Darmstädter Forscher analog zu Beispielen aus der Luftfahrt ein "Form, Fit, Function, Interface Drop-in Replacement" vor. "Hierzu wird bei einem nötigen Austausch der Batterie in der ferneren Zukunft eine Zellchemie verwendet, wie sie zum dann aktuellen Zeitpunkt vorhanden ist", erklären die Wissenschaftler. Immerhin: Das Konzept des Wechselakkus heutiger E-Fahrzeuge macht deutlich, dass es bereits funktionierende Modulschnittstellen und Geschäftsmodelle gibt.

Innovationen müssen abwärtskompatibel sein

Möchte man nachhaltige Pkw für Generationen entwickeln, so wird schnell klar: Eine Abwärtskompatibilität von Innovationen muss weitestgehend gegeben sein. "Dieser Gedanke der modellgenerationenübergreifenden Modularisierung ist vergleichbar mit den heutigen Anforderungen durch Gleichteilestrategien, Skaleneffekte über verschiedenste Baureihen und Modelljahre zu erzielen", so die Forscher der TU Darmstadt. Er sei in der zeitlichen Dimension aber deutlich extremer.

Fazit: "Für ein nachhaltiges Fahrzeug, das über Generationen wertstabil und damit attraktiv bleiben muss, ist zum einen ein Teilevorhalten erforderlich, zum anderen wird eine einfache Upgrademöglichkeit der Rechen- und Speichermöglichkeiten zwingend", bringen es die Wissenschaftler auf den Punkt. Und: Der Wert eines Produkts über den gesamten Kreislauf hinweg muss im Fokus eines Produktionssystems stehen. Jedoch seien die Wertströme in vielen produzierenden Unternehmen heute linear gestaltet, so die Forscher, und nicht darauf ausgelegt, dass Produkte nach der Nutzung zurückkommen, demontiert, befundet, aufbereitet und wieder einer Fertigung zugeführt werden. Das ganzheitliche Management einer kreislauffähigen Herstellung stecke noch in den Kinderschuhen.

Von "Eterna" bis hin zu "e.Volution"

Nichtsdestotrotz gibt es bereits erste Projekte und Ideen für langlebige Fahrzeuge und nachhaltige Fabrikkonzepte: 

Im Verbundprojekt "Next Generation Car" (NGC) haben DLR-Forscher das Urban Modular Vehicle (UMV) entwickelt, ein modulares Fahrzeugkonzept, das im Stadtverkehr in unterschiedlichen Versionen eingesetzt werden kann: als Transporter für die Familie, als Handwerkerfahrzeug oder als Lieferwagen. "Die Plattform aus Knotenelementen, geradlinigen Profilen und Sandwichplatten begünstigt die Möglichkeit, unterschiedliche Derivate aufzubauen", erklären die DLR-Forscher im ATZ-Artikel Modulare Karosseriebauweise für ein Stadt-Elektrofahrzeug.

Das Studententeam TU/ecomotive von der Technischen Universität Eindhoven hat indes einen Weg gefunden, die Lebensdauer von Autos zu verlängern und letztlich die gesamten CO2-Emissionen während des Produktionsprozesses um ein Drittel zu reduzieren. Dazu hat das Team ein Fahrzeug aus zwei separaten Teilen gebaut und es als zwei getrennte Lebenszyklen betrachtet. Das Ergebnis ist das modulare Auto "Eterna", mit dem die Studenten durch Westeuropa fahren wollen.

Um maximale Nachhaltigkeit geht es auch bei e.Volution: Das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen hat zusammen mit dem Spin-off "e.Volution" ein Circular-Economy-Fahrzeug entwickelt, das 50 Jahre halten soll. Das Konzept erfordert ein modulares Auto, in dem die selbsttragende Karosserie durch ein langlebiges Chassis und austauschbare kurzlebigere Exterieur- und Interieur-Komponenten ersetzt wird. Der Elektromotor mache das möglich, weil er 4 bis 5-mal so lange lebe wie ein Verbrennungsmotor. In einer "Upgrade Re-Assembly Factory" können die Fahrzeuge alle fünf Jahre industriell erneuert und aktualisiert werden, etwa Displays, die Außenhaut, Sitze oder das Interieur. Professor Günther Schuh, der schon StreetScooter und e.GO gegründet hat, will zeigen, dass damit ein "Next-Generation-Fahrzeugbau-Konzept" möglich wird, mit dem E-Fahrzeuge wesentlich günstiger und nachhaltiger gebaut und betrieben werden können.

Wer kauft Update-fähige Fahrzeuge?

Technisch scheint also schon Vieles möglich zu sein, doch es gibt regulatorische und sicherheitstechnische Hürden. Denn: Veränderungen an Fahrzeugen erfordern eine neue Typgenehmigung. Im Falle von Update-fähigen Fahrzeugen, die sich alle paar Jahre erneuern, würde das einen enormen Aufwand bedeuten. Gesetze und Ratingprogramme, wie etwa Euro-NCAP, müssen eingehalten werden. 

Des Weiteren ist zu erwarten, "dass ein kreislauffähiges Fahrzeug in seiner ersten Ausführung zunächst höhere Kosten als auch Preise verursacht", so die Darmstädter Forscher. Letztendlich ergibt "sich die Frage, durch welche monetären Anreize Automobilhersteller und Kundschaft zur Akzeptanz kreislauffähiger Produkte und Prozesse bewegt werden können – das Versprechen der Wertstabilität könnte dies zumindest im Premium- und Luxussegment sein", heißt es weiter. Attraktiv könnte das Konzept aber auch für Flottenbetreiber sein und dort, wo das Nutzen und nicht das Besitzen eine Rolle spielt, also beim Sharing, Leasing und der Vermietung.

Schlussendlich handelt es sich beim kreislauffähigen Fahrzeug "um einen disruptiven Ansatz, der die 'Spielregeln' ändert", wie es die Darmstädter Forscher bezeichnen. Dieser biete allerdings die Chance, Kunden langfristig durch eine erweiterte Nutzungsphase zu binden. Auch für die Unternehmen ergeben sich Vorteile: Sie könnten über den gesamten Lebenszyklus eines Automobils kontinuierlich Umsätze erzielen.

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