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16.08.2021 | Batterie | Schwerpunkt | Online-Artikel

So gelingt eine klimaneutrale Batterieproduktion in Deutschland

verfasst von: Christiane Köllner

5:30 Min. Lesedauer

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Batterien in der EU sollen nachhaltiger werden. Doch wie lassen sie sich über alle Prozessstufen hinweg klimaneutral herstellen? Agora Verkehrswende zeigt mehrere Ansatzpunkte für Fahrzeugbatterien auf. 

Brüssel stellt die Weichen in Richtung Klimaneutralität bei Fahrzeugbatterien. Mit dem Entwurf der Batterieverordnung der Europäischen Union (EU) soll der Klimakurs deutlich verstärkt werden. Der Entwurf sieht einen nachhaltigen Rahmen für alle Phasen des Lebenszyklus einer Batterie vor: von einer energiesparenden Zellfertigung über den Einsatz von erneuerbarem Energien bis zum Recycling der Rohstoffe sowie ökologischen und sozialen Standards entlang der Lieferketten. Doch wie lassen sich die Vorgaben umsetzen und Batterien für die Elektromobilität über alle Prozessstufen hinweg klimaneutral herstellen? Antworten gibt eine Studie des Thinktanks Agora Verkehrswende, die die Perspektiven für eine klimaneutrale Batterieproduktion in Deutschland beleuchtet.

Nach der Batteriestudie, die das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag von Agora Verkehrswende erstellt hat, werden die bisher in Deutschland bestehenden oder geplanten Zellfabriken bis 2030 eine jährliche Produktionskapazität von etwa 280 GWh erreichen. In keinem anderem europäischen Land seien aktuell größere Kapazitäten geplant. Grund genug also, sich hierzulande mit der Klimabilanz von Elektroautos zu beschäftigen. Die Zellfertigung habe sich dabei neben den CO2-Emissionen aus der Erzeugung des Ladestroms als ein entscheidender Faktor herausgestellt, wenn es darum geht, den "ökologischen Rucksack" der Elektromobilität zu reduzieren.

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In der Automobilindustrie wird die Umweltfreundlichkeit zu einem immer wichtigeren Thema. Das bislang übliche Vorgehen zur Erstellung von Ökobilanzen deckt allerdings einige bedeutsame Faktoren nicht ab und erlaubt zudem nur die Bewertung bereits konfigurierter Produkte. Vitesco Technologies und die Universität Erlangen-Nürnberg haben daher eine Zusammenarbeit gestartet, um mathematische Optimierungsmodelle für ein umweltfreundliches Produktdesign zu entwerfen.

Energiebedarf senken, Anteil erneuerbarer Energien erhöhen

Die Studie geht vor allem darauf ein, wie sich die Umwelt- und Klimabilanz in der Batterieproduktion verbessern lässt und was die Politik tun kann, um den Klimakurs zu stärken. Die Batterie sei für rund 30 bis 60 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich, die bei der Herstellung eines Elektroautos entstehen. Die Emissionen bei der Batterieherstellung gingen wiederum zu einem wesentlichen Teil auf den hohen Energieverbrauch bei der Produktion der Batteriezellen zurück. Dieser Energieverbrauch könne mit bereits bekannten, aber heute noch nicht marktreifen Verfahren zukünftig um bis zu 50 % gesenkt werden.

Verfahren, die die Studie nennt, sind die Trockenbeschichtung und die Verwendung von Mini-Environments. Mit dem Einsatz der Trockenbeschichtung haben sich zum Beispiel bereits Forschende des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) beschäftigt und eine neue Trockentransfertechnologie entwickelt. Dabei beschichten sie die Elektroden der Energiespeicherzellen mit einem trockenen Film statt mit flüssigen Chemikalien. Das soll Energiekosten sparen und giftige Lösungsmittel in diesem Prozessschritt überflüssig machen. Durch die Verwendung von Mini-Environments, prozessspezifische, bauraumoptimierte Rein- und Trockenräume, könnte der Energieverbrauch des Trockenraumes (in Abhängigkeit von Größe und Taupunkt) um 40 bis 60 % reduziert werden, so die Agora-Studie. Damit Investitionen in diese Verfahren und in die Verbesserung der Energieeffizienz fließen, empfiehlt Agora Verkehrswende, die Treibhausgasemissionen von Batterien zu kennzeichnen und CO2-Grenzwerte vorzugeben.

Neben der Energieeffizienz sei es entscheidend, die für die Batterieproduktion erforderliche Energie soweit wie möglich aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft und Solarenergie zu decken. Hier habe Deutschland mit seinem Strommix bereits heute einen Vorteil. Im Vergleich zu China, dem aktuell wichtigsten Batteriestandort, fielen in Deutschland etwa 40 % weniger Treibhausgasemissionen pro Kilowattstunde an. Durch einen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien ließe sich die Bilanz in Deutschland kontinuierlich verbessern, so Agora Verkehrswende. Wenn über den allgemeinen Strommix hinaus erneuerbarer Strom extra für die Batterieproduktion angerechnet werden soll, müsse die Politik hohe allgemeingültige Anforderungen dafür definieren.

Rohstoffeffizienz durch Recycling und Wiederverwendung

Die Effizienz bei der Verwertung der Rohstoffe könne vor allem durch hohe Recyclingstandards verbessert werden, sowohl für die Stoffe in den Batterien sowie für Stoffe, die für Batterien verwendet werden können, aber in anderen Anwendungen gebunden sind. Gefragt seien insbesondere Rohstoffe wie Nickel, Kobalt, Lithium und Grafit. Neben einer Recyclingquote in der EU-Batterieverordnung lohne sich der Ausbau der Recyclinginfrastrukturen.

Bevor jedoch überhaupt ein stoffliches Recycling in Erwägung gezogen wird, sollten Möglichkeiten zur Wiederverwendung ausgeschöpft werden, meinen die Springer-Autoren um Stefan Wolf im Artikel Wie Industrieproduktion nachhaltig gestaltet werden kann des Buchs Klima. Bei Batterien von Elektrofahrzeugen sei eine Wiederverwendung in einem anderen Nutzungskontext, also als Second-Life-Batterie, möglich. Der Großteil der Fahrzeughersteller garantiere nach acht Jahren beziehungsweise 160.000 gefahrenen Kilometern eine Restkapazität von mindestens 70 %, schreiben die Autoren. Beispielsweise setze BMW Batteriezellen aus der Modellreihe des i3 in der Speicherfarm im Werk Leipzig als stationäre Stromspeicher ein.

Bei den Lieferketten plädiert Agora Verkehrswende für möglichst weit gefasste und rechtlich verbindliche Sorgfaltspflichten in der Rohstoffförderung. Auch hier biete die EU-Batterieverordnung die Möglichkeit, ökologische und soziale Standards zu definieren und damit Anreize für Investitionen zu setzen. Zum Beispiel führt Mercedes-Benz gemeinsam mit dem Start-up Circulor ein Pilotprojekt zur Transparenz über CO2-Emissionen in der Kobaltlieferkette durch. Dazu greifen die Projektpartner auf die Blockchain-Technologie zurück, um den Ausstoß klimaschädlicher Gase sowie den Anteil an Sekundärmaterial entlang der komplexen Lieferketten von Batteriezellenherstellern nachvollziehbar zu machen. 

Planungssoftware für umweltfreundliches Produktdesign

Wie sich die Optimierung einer Ökobilanz von Lithium-Ionen-Batterien in der Praxis umsetzen lässt, haben Vitesco Technologies und die Universität Erlangen-Nürnberg erarbeitet. Dazu haben sie eine Planungssoftware für ein umweltfreundliches Produktdesign entwickelt, die Ratschläge bei der Auswahl der Rohstoffquellen und Produktionsstandorte sowie weiterer Entscheidungen entlang des Produktlebenszyklus gibt. So lassen sich zum Beispiel Transportwege entlang des Gesamtlebenszyklus reduzieren, um Umweltbelastung und Kosten gleichermaßen zu senken. Oder sie zeigt die Möglichkeit auf, in der Zellproduktion etwas mehr CO2-Ausstoß zuzulassen, aber dafür in der Nutzungsphase sehr viel Treibhauspotenzial einzusparen. 

Letztendlich wird sich eine klimaneutrale Batterieproduktion für den Standort Deutschland lohnen, so Agora Verkehrswende: "Deutschland ist auf dem Weg, Europas wichtigster Standort für die Produktion von Batteriezellen für Elektroautos zu werden. Klimaneutralität kann dabei ein entscheidender Wettbewerbsvorteil sein", sagt Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. "Deutschland verfügt in allen Teilen der Wertschöpfungskette über wichtige Kompetenzen und mit der Automobilindustrie über einen vielversprechenden Absatzmarkt", so Hochfeld. Weltweit werde die Nachfrage nach umwelt- und klimaschonend hergestellten Batterien steigen. "Aus unseren zusätzlichen Arbeiten zur automobilen Arbeitswelt 2030 geht hervor, dass allein in der Batteriezellproduktion in Deutschland 20.000 neue Arbeitsplätze entstehen können", sagt Hochfeld. Diese Chance gelte es für Klimaschutz und Wirtschaft zu nutzen.

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