1985 | OriginalPaper | Buchkapitel
Clara Zetkin und die proletarische Frauenbewegung Sozialismus als Familienschicksal
verfasst von : Friedheim Boll
Erschienen in: Die geteilte Utopie Sozialisten in Frankreich und Deutschland
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Enthalten in: Professional Book Archive
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Für die sozialistische Frauenbewegung im Deutschen Kaiserreich dürfte niemand beispielhafter sein als Clara Zetkin. Ihre kämpferische Grundeinstellung, ihre Hochschätzung der proletarischen Organisationen als Vehikel der Emanzipation, die Zurücksetzung der Frauenemanzipation hinter die Klassenemanzipation, die polemische Ablehnung der Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Frauenbewegung und nicht zuletzt ihr ausgeprägter Internationalismus sind Grundkonstanten der Vorkriegssozialdemokratie, die Clara Zetkin in besonders einprägsamer Weise verkörperte. Die von ihr apostrophierte „berühmte deutsche Disziplin“1 fand jedoch gerade in ihrer Person auch ihre Begrenzung: Revolutionäre Zielsetzung und reformistisches Handeln fallen bei ihr nicht — wie bei vielen anderen Sozialdemokraten — auseinander. Sie bleibt dem linken internationalistischrevolutionär gesinnten Flügel der sozialistischen Arbeiterbewegung treu, geht zur KPD über und glaubt im Aufbau der Sowjetunion ein großes Stück proletarischer Revolution und Frauenbefreiung verwirklicht zu sehen. Ihre Übersiedlung nach Moskau, wo sie leitende Funktionen im Exekutivkomitee der Komintern wahrnahm, und ihr Auftreten als — wie abschätzig gesagt wird — weibliche Gallionsfigur des internationalen Kommunismus scheinen eine weitgehende Identifikation mit dem Sowjetkommunismus anzudeuten, die es in ihren letzten Lebensjahren nicht mehr gegeben hat. So lehnte sie die von Moskau diktierten „opportunistischen“ Wendungen der deutschen Kommunisten in der Weimarer Republik ebenso ab wie die überzogene Sozialfaschismusthese, die der SPD letztlich die Schuld am Aufstieg des Nationalsozialismus zuschob. Diese Kritik sowie ihre haßerfüllte Ablehnung Stalins drangen jedoch nicht mehr nach außen.2 Sie lassen auch Zweifel aufkommen, ob das ihr nach ihrem Tod 1933 zudiktierte Staatsbegräbnis und das damit verbundene Grab an der Kremlmauer ihrer innersten Überzeugung entsprachen.