Seit den 1970er-Jahren wurde im Daimler-Konzern an der Idee eines kleinen Stadtautos getüftelt. Anlass dafür waren erste ökologische Themen, die rund um die Studie über „Grenzen des Wachstums“ die damalige politische Diskussion prägten und im Unternehmen entsprechende Projektionen veranlassten, was diese veränderte Situation für die urbane Mobilität der Zukunft bedeuten würde. Dies führte zur Gründung der Corporate-Foresight-Abteilung des Konzerns, in der das Konzept des Smarts – ohne Vorbilder – entwickelt wurde. Die Fallstudie zeichnet typische Konfliktfelder mit klassisch betriebswirtschaftlichen Zugriffen auf Innovationsmanagement nach, stellt demgegenüber Prinzipien zukunftsforscherischer Erneuerungen heraus und ordnet diesen Innovationstypus in die aktuelle Debatte über schwindende Planungssicherheit bzw. eine globale „VUCA-Welt“ ein.
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Hier in etymologisch korrekter Schreibweise verwendet. Antezipieren/vorwegnehmen, von lat. antecapio: ante = vor(her) und capere = nehmen (nicht: anti-zipieren im Sinne von etwas-entgegensetzen). Zum wissenschaftstheoretischen Hintergrund vgl. Müller-Friemauth und Kühn (2017, S. 188–204).
An diesen schon damals verhandelten Themenfeldern lässt sich ablesen, wie lange sich der heute unter schein-radikalen Schlagwörtern wie „Disruption“ verhandelte Wandel bereits vollzieht: Er war und ist weder plötzlich noch revolutionär, sondern vielmehr Ergebnis einer stetigen Evolution von Mobilität entlang langläufigem, über viele Jahrzehnte sich erstreckendem, kontinuierlich unternehmerisch beobachtetem und bewertetem gesellschaftlichen Wandel.
Radikalisiert hat diese Perspektive (bzw. Perspektivenpräferenz) das Silicon Valley, das heute idealtypisch ein „Moonshot“-Denken repräsentiert, welches teilweise weit über betriebswirtschaftlich legitimierte Vorschauen hinausgeht vgl. Müller-Friemauth und Kühn 2016, 2019).
Dieser „Clash of Logics“ spielt sich in nahezu jedem Foresight-Projekt ab. Hier zeigte er sich daran, dass der Smart, gesamtgesellschaftlich betrachtet, um mehrere Jahre zu früh kam; und darüber hinaus an Positionierung und Zielgruppenbestimmung: Attraktiv waren die ersten Produktgenerationen nicht, wie angenommen, für junge, urbane Milieus, sondern für Frauen mittleren und höheren Alters – die First User wichen von der ursprünglichen Erwartung deutlich ab. Was jedoch, wie dargestellt, nicht an sachlogischen Inkorrektheiten der Projektionen lag, sondern an einem Konflikt zwischen Sache und Zeit, der grundsätzlich nicht aufhebbar ist. Prognosen können Antezipationen „erden“, mehr nicht. Logisch liegen sie jedoch auf unterschiedlichen Ebenen. Für die deutsche Konsensorientierung, Anhänger „smarter“ Ziele und disziplinierte strategische Planer eine erhebliche praktische Hürde (und Provokation).
Deswegen sehen Zukunftsforscher wie Bertrand de Jouvenel oder Ossip K. Flechtheim den zukunftsforscherischen Planungs- und Handlungsmodus deutlich näher bei der Kunst als in der Wissenschaft (vgl. Müller-Friemauth und Kühn 2017, S. 1–5).