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2014 | Buch

Corporate Social Responsibility

Verbindliche Standards des Wettbewerbsrechts?

herausgegeben von: Reto M. Hilty, Frauke Henning-Bodewig

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : MPI Studies on Intellectual Property and Competition Law

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Über dieses Buch

Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise wird verstärkt diskutiert, welcher Mechanismen es bedarf, um die Interessen aller Marktteilnehmer im Wirtschaftsleben zu wahren. Große Bedeutung gewonnen hat dabei der Aspekt der „business ethics“. So richten immer mehr Unternehmen sog. Compliance-Abteilungen ein, die die Einhaltung von unternehmensinternen Grundsätzen wie namentlich die der „Corporate Social Responsibility“ (CSR) zur Aufgabe haben. Kaum untersucht ist bislang jedoch die rechtliche Verbindlichkeit solcher CSR-Standards, obgleich sie zunehmend von Unternehmen auf ihrer Website verkündet oder auf anderem Wege zu Public Relations- und Marketingzwecken – bis hin zur Werbung – eingesetzt werden.

Sind CRS damit nur wohlklingende Absichtserklärungen, oder handelt es sich um rechtlich verbindliche Standards – und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen entsteht ein Rechtsanspruch gegen Unternehmungen, wenn diese die sich selbst gegebenen Standards nicht einhalten? Anders gefragt: Gibt es ein „corporate right to lie“, oder setzt das (deutsche, europäische, internationale) Recht Grenzen? Im Fokus steht hierbei das Recht zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, im deutschen Sprachgebrauch kurz auch Lauterkeitsrecht genannt, das in allen entwickelten Wirtschaftsnationen – wenn auch mit unterschiedlichem Ansatz – Markthandlungen unter dem Gesichtspunkt der „Fairness“ überprüft.

Die Autoren der Beiträge dieses Buches sind ausgewiesene Fachleute des Europa-, Wirtschafts- und Wettbewerbsrechts. Sie diskutieren auf der Grundlage rechtstatsächlicher Erkenntnisse alle mit der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von CSR zusammenhängenden Fragen, insbesondere unter Berücksichtigung der Rolle, die CSR für Unternehmen, Abnehmer und die Gesamtwirtschaft spielt.

Auch die Vorstellungen anderer Rechtsordnungen und Kulturkreise sind einbezogen. Gefragt wird letztlich, ob es ein Unternehmerleitbild gibt, das die Beachtung ethischer Standards einschließt und das über das Lauterkeitsrecht auch rechtliche Verbindlichkeit erlangt.

Mit Keynote von Gesine Schwan.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Vorwort und Einführung

Frontmatter
Vorwort und Einführung in die Thematik
Zusammenfassung
Wirtschaftsethik ist eines der spannendsten Themen der letzten Jahre. Es beschäftigt nicht nur Ökonomen und Politologen, sondern auch die Juristen und hier insbesondere die Wettbewerbsrechtler. Im Fokus steht dabei das Recht zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, im deutschsprachigen Rechtskreis kurz auch Lauterkeitsrecht genannt. Es hat nicht nur in Deutschland große praktische Bedeutung erlangt. Vielmehr kennen alle entwickelten Wirtschaftsnationen – wenn auch mit unterschiedlichem Ansatz und mit unterschiedlicher Bedeutung – eigenständige Regeln zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
Reto M. Hilty, Frauke Henning-Bodewig

Keynote

Frontmatter
Keynote
Zusammenfassung
Liebe Frau Henning-Bodewig, lieber Herr Hilty, meine Damen und Herren, es ist mir eine Freude, als Politologin einmal vor Juristen sprechen zu dürfen, denn das Thema der „Corporate Social Responsibility“ (CSR) ist ja nicht nur aus juristischer, sondern auch aus politologisch/philolosophischer Sicht von großem Interesse. Das Verhältnis der Juristen zu den Politologen, zu denen ich mich zähle, ist leider häufig nicht ganz spannungsfrei. So wurde zum Beispiel einer der bekanntesten Professoren der Politikwissenschaft, Ernst Fraenkel, der nicht nur in Deutschland, sondern auch noch im amerikanischen Exil juristische Examina abgelegt und sogar im Auftrag der Amerikaner an der koreanischen Verfassung mitgewirkt hat, von den traditionellen Juristen immer etwas von oben herab angesehen, da er ja nicht an einer Juristischen Fakultät, sondern „nur“ an einem politikwissenschaftlichen Institut, dem Otto-Suhr-Institut an der FU Berlin, lehrte.
Gesine Schwan

CSR aus gesellschaftspolitischer Perspektive, aus Unternehmer- und Verbrauchersicht

Frontmatter
A Socio-Political Perspective on Corporate Social Responsibility: Understanding Regulatory Substitution and the Persistence of Irresponsibility
Abstract
Corporate Social Responsibility (CSR) reflects a socio-political shift toward private self-regulation based on voluntarism and market-based pressures of enforcement. CSR initiatives have been linked to political demands for market liberalization and the absence of regulation, and legitimated increasingly in terms of a “business case” or positive-sum relationship between social responsibility and good business performance. The institutionalization of CSR as voluntary realm suggests several paradoxes observed in empirical evidence: between CSR as a complement or substitute of regulation, between responsible and irresponsible corporate actions, and between the diffusion and implementation of CSR. Empirical evidence suggests that CSR adoption is driven by substitution for formal regulation associated and business activities falling into regulatory voids. Moreover, its adoption is highly correlated with corporate irresponsibility. However, efforts to improve implementation through legal regulation or multi-stakeholder initiatives may threaten to undermine the business case that legitimated its initial adoption.
Gregory Jackson
Moral in der Marktwirtschaft: Hat der „ehrbare Kaufmann“ ausgedient?
Zusammenfassung
In jüngerer Zeit bemühen sich mehrere Organisationen und Literaturstimmen um eine Wiederbelebung des Leitbilds des „ehrbaren Kaufmanns“. Dieses Leitbild bestimmte lange Zeit – nicht nur in Deutschland – das Wirtschaftsleben, wurde jedoch zunehmend als überholt angesehen. Im Folgenden wird die These vertreten, dass eine „Wiederbelebung“ zwar grundsätzlich zu begrüßen ist, dass aber eine direkte Übertragung von Kaufmannstugenden und hergebrachten Sitten auf die moderne Wirtschaft in der Globalisierung nicht möglich ist. Vielmehr muss das Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ in einen größeren Rahmen von Wirtschaftsethik und Corporate Social Responsibility gestellt werden.
Christoph Lütge
Corporate Social Responsibility und die Konsumenten
Zusammenfassung
Konsumenten achten bei ihren Kaufentscheidungen vermehrt auf die Unternehmen, die hinter den Produkten und Marken stehen. Produkte und Unternehmen werden von ihnen auch nach ethisch-moralischen Gesichtspunkten beurteilt. Die von den Unternehmen signalisierte Corporate Social Responsibility (CSR) kann vor diesem Hintergrund zu einem mitentscheidenden Wettbewerbsvorteil im Rennen um die Gunst der Konsumenten werden. Bei vergleichbaren Preis- und Qualitätseigenschaften des Produktangebotes beeinflusst die wahrgenommene „CSR-Qualität“ der die Produkte in den Verkehr bringenden Unternehmen das Kaufverhalten eines Teils der Konsumenten. Studien weisen darauf hin, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine gute CSR-Qualität auch mit einer guten Produktqualität einhergeht. Sie verweisen auf ein beträchtliches Irreführungspotential der CSR-Kommunikation, die von Konsumenten nicht überprüft werden kann.
Ingo Schoenheit

Rahmenbedingungen der rechtlichen Beurteilung von CSR

Frontmatter
Corporate Social Responsibility-Standards: Rechtstheoretische Aspekte und die Frage, was den „Markenkern“ der Rechtswissenschaft ausmacht
Zusammenfassung
Corporate Social Responsibility Standards etablieren sich in der Wirtschaft als eigenständige Form der Regulierung. Rechtstheoretisch sind sie schwierig zu erfassen, da nach traditionellem Verständnis in diesen Verhaltenskodizes keine Rechtsnormen zu sehen sind. Durch diese rechtstheoretische Abschottung gerät die Rechtswissenschaft in Gefahr, den Zugriff auf diese Form von regelbasierter Ordnung zu verlieren. Das ist angesichts der engen Verknüpfung solcher Standards mit klassischem Recht nicht mehr zeitgemäß. Ein Ausweg ist, entsprechende Verhaltenskodizes als autonome Setzungen mit Rechtsnormcharakter anzusehen, sie also vertragsrechtlich zu analysieren. Das würde den Zugriff der Rechtstheorie (und auch des UWG in § 4 Nr. 11) ermöglichen. Die Rechtswissenschaft ist dann gefordert, die unternehmerischen Selbstverpflichtungen dogmatisch zu durchdringen. Ansätze dazu bietet das Konzept der Meta-Regulierung.
Rupprecht Podszun
Implementing and Enforcing Corporate Social Responsibility: The Potential of Unfair Competition Rules in International Law
Abstract
The paper explores the potential of unfair competition rules contained in Article 10bis of the Paris Convention on the Protection of Industrial Property (Paris Convention) as incorporated in the Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights of the WTO (TRIPS Agreement). It is submitted that these provisions offer implicit disciplines on private standards and conduct. Today, commitments made by multinational companies (MNCs) under corporate social responsibility (CSR) are at best considered to be part of soft law, short of mandatory compliance. Strategies have largely depended upon voluntary compliance, reporting, naming and shaming and public pressure. We submit that while formally soft law, CSR instruments may develop binding effects in terms of unilateral promises to consumers which render companies liable under rules of unfair competition law. In other words, States and MNCs are bound by the principle of good faith and the protection of legitimate expectations upon which unfair competition rules and the emerging law on labelling rely. These disciplines form part of WTO law and provide the basis for enforcing appropriate rules on CSR vis-à-vis Members of the Organization.
Thomas Cottier, Gabriela Wermelinger
Europäisches und deutsches Verfassungsrecht: Erfassung von geschäftlicher Werbung („commercial speech“)
Zusammenfassung
Wirtschaftliche Werbung („commercial speech“) wird sowohl durch das nationale Verfassungsrecht (Grundgesetz) als auch das europäische Verfassungsrecht, nämlich die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Europäischen Union und die EU-Grundrechtecharta (GRCh) unter Einbeziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), geschützt. Einschlägig sind nicht nur die Berufsfreiheit (Art. 12 GG, Art. 15 GRCh) und die unternehmerische Freiheit (Art. 16 GRCh) sondern auch die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 5 GG; Art. 10 EMRK, Art. 11 GRCh). Allerdings unterscheiden sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und der Gerichtshof der Europäischen Union zwischen wirtschaftlichen Informationen, die der Werbung für ein Produkt oder eine Dienstleistung dienen, und Meinungsäußerungen mit gesellschaftlicher, insbesondere politischer Relevanz hinsichtlich der Kontrolldichte dahingehend, dass bei „lediglich“ wirtschaftlichen Informationen dem jeweiligen Gesetzgeber ein weiterer Einschätzungs- und Bewertungsspielraum eröffnet wird. Dies wirkt sich auch auf das Verbraucherleitbild aus, das Regelungen wie der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken oder der Lebensmittelinformationsverordnung zugrunde liegt. Generell bestehen Differenzierungen je nach dem Schutzgut und der Schutzbedürftigkeit der Adressaten. Dabei ist gegenüber „paternalistischen“ Tendenzen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Gesetzlich zulässige oder gar geforderte Bezeichnungen dürfen nicht als „gefühlte Irreführung“ verboten werden.
Rudolf Streinz
Corporate Social Responsibility und die Vorgaben des Unionsrechts
Zusammenfassung
Der folgende Beitrag baut auf den Ausführungen zu den sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Grundlagen, zur Rechtstheorie sowie den institutionenrechtlichen Grundlagen des Europarechts auf. Es soll im Wesentlichen entwickelt werden, weshalb das Europarecht keine eindeutigen Vorgaben hinsichtlich der Behandlung von Maßnahmen der Corporate Social Responsibility (CSR) macht. Das Europarecht wirkt vielmehr ambivalent, sowohl als Bremse für CSR-Maßnahmen wie auch als ihr Motor.
Jochen Glöckner
Corporate Social Responsibility und Kartellrecht
Zusammenfassung
Während sich das Lauterkeitsrecht tendenziell dazu eignet, Maßnahmen der Corporate Social Responsibility (CSR) wohlwollend zu begleiten, indem es den damit verfolgten Zwecken zur rechtlichen Anerkennung verhilft, gilt das Kartellrecht als potentieller Störenfried. In den – nicht allzu zahlreichen – juristischen Beiträgen zur CSR scheint das Kartellrecht eher die Rolle eines Bremsers, wenn nicht sogar eines Hindernisses einzunehmen. In der Tat weckt die Verpflichtung des Kartellrechts auf die Aufrechterhaltung des Wettbewerbs als Ziel den Verdacht, dass dieses Rechtsgebiet sich der Verfolgung nichtwettbewerblicher Zwecke, wie sie für CSR kennzeichnend sind, widersetzt. Diesen Verdacht wird der folgende Beitrag nicht komplett ausräumen, aber zumindest durch eine spezifischere Beschreibung der kartellrechtlichen Implikationen für CSR-Maßnahmen relativieren.
Thomas Ackermann

CSR und das deutsche Lauterkeitsrecht

Frontmatter
Mitteilungen über Corporate Social Responsibilty – eine geschäftliche Handlung?
Zusammenfassung
Mitteilungen eines Unternehmens über Maßnahmen der Corporate Social Responsibility (CSR) unterliegen nur dann einer Kontrolle durch das deutsche Lauterkeitsrecht, wenn sie eine „geschäftliche Handlung“ i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG darstellen. Dazu muss die Mitteilung objektiv und vorrangig darauf gerichtet sein, geschäftliche Entscheidungen von Verbrauchern und sonstigen Markteilnehmern zu beeinflussen.
Helmut Köhler
Irreführung über CSR – Informationspflichten über CSR?
Zusammenfassung
Die Vorschriften zur Verhinderung von Täuschungen durch geschäftliche Handlungen, im deutschen Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (UWG) in den §§ 5 und 5a UWG zu finden, stehen regelmäßig im Mittelpunkt der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung unternehmerischer Aktivitäten im Bereich der Corporate Social Responsibility (CSR). Dieser Beitrag behandelt das Thema in drei Schritten. Er beginnt mit der Skizze zweier Grundpositionen zum Verhältnis von CSR und UWG (1). Danach folgt ein Überblick über die unterschiedlichen unternehmerischen Aktivitäten, die man mit dem Begriff CSR in Verbindung bringt und die Relevanz für das Unlauterkeitsrecht haben können (2). Der dritte Punkt, auf den ich mich konzentrieren will, ist die Frage nach einer etwaigen Verpflichtung der Unternehmen, über CSR-Maßnahmen zu informieren (3). Den Abschluss bildet ein Fazit in Thesenform (4).
Axel Birk
Corporate Social Responsibility und das Irreführungsverbot nach den §§ 5, 5a UWG
Zusammenfassung
Kommunikation über Corporate Social Responsibility (CSR) ist marktrelevant und generell am allgemeinen lauterkeitsrechtlichen Irreführungsmaßstab zu messen. Die Diskussion, ob es sich bei CSR-Selbstverpflichtungen um Kodizes im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 UWG handelt, ist im Ergebnis für den Irreführungstatbestand wenig ergiebig. Es bleibt das allgemeine Irreführungsverbot, an dem sich jede Entsprechenserklärung messen lassen muss. Unabhängig von der Frage nach echten Informationspflichten aus § 5a Abs. 2 ff. UWG kann im Einzelfall aus der CSR-Kommunikation heraus eine Aufklärungspflicht aus § 5a Abs. 1 UWG als eigenveranlasste Aufklärungspflicht erwachsen. Da die Komplexität der hinter der CSR stehenden ethischen, sozialen und ökologischen Verflechtungen bei der CSR-Kommunikation notwendigerweise reduziert werden muss, könnte ein situationsadäquates abgestuftes Informations-/Aufklärungskonzept, vergleichbar den Anforderungen an die Blickfangwerbung, als Maßstab zur Beurteilung unter Irreführungsgesichtspunkten dienen.
Axel von Walter
Corporate Social Responsibility: unmittelbare Beurteilung auf der Grundlage der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel?
Zusammenfassung
Kann die lauterkeitsrechtliche Generalklausel unverbindlichen Corporate Social Responsibility (CSR)-Standards unabhängig von Praktiken jenseits des Irreführungsverbots und von Informationspflichten zur Verbindlichkeit verhelfen? Methodisch wirft diese Frage ein Schlaglicht darauf, wie die Generalklausel nach der UWG-Reform außerhalb bekannter Fallgruppen zu konkretisieren ist. Rechtspolitisch zwingt sie unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben zur Entscheidung zwischen einem marktfunktionalen und einem ordnungsrechtlichen Verständnis des Lauterkeitsrechts.
Ansgar Ohly, Diana Liebenau

CSR aus der Sicht anderer Rechtsordnungen

Frontmatter
Corporate Social Responsibility und Lauterkeitsrecht aus asiatischer Sicht
Zusammenfassung
Der folgende Beitrag untersucht das ursprünglich aus den Vereinigten Staaten von Amerika kommende Konzept der Corporate Social Responsibilty (CSR) im Rahmen des chinesischen Lauterkeitsrechts. Insbesondere seit 2005, als der damalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas und Staatspräsident Hu Jintao die Politik einer Harmonischen Gesellschaft ausrief, gewinnt die Frage nach der sozialen und gesellschaftspolitischen Verantwortung von Unternehmen in China zunehmend an Bedeutung. Inwiefern das chinesische Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Anknüpfungspunkte für die Verwirklichung von CSR bietet, wird jedoch kaum in der chinesischen Rechtswissenschaft diskutiert. Die folgenden Ausführungen versuchen diese Forschungslücke zu schließen. Eine Analyse des chinesischen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sowie der Blick auf die weitere Gesetzeslage in China zeigen aber, dass das Konzept CSR noch keine grundlegende gesetzliche Rezeption in China erfahren hat. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die fortschreitende wirtschaftliche Entwicklung Chinas und die damit einhergehende Entstehung einer ihrer Rechte bewussten chinesischen Mittelschicht dem Konzept der CSR schließlich zur Durchsetzung verhelfen wird.
Yuanshi Bu, Berrit Roth
Corporate Social Responsibility-Standards and the Belgian and French Perspective
Abstract
Although both in France and Belgium Corporate Social Responsibility (CSR)- communications can be apprehended to a large extent by the legal rules on unfair commercial practices, there is no significant case law on the application of legal provisions to CSR-advertising. These questions are more often left to advertising self-regulation bodies which apply a detailed set of rules on sustainable development (France) respectively environmental claims (Belgium).
Jules Stuyck
Die Rechtsrelevanz der Sittlichkeit der Wirtschaft- am Beispiel der Corporate Social Responsibility im US-Recht
Zusammenfassung
Marktverhalten folgt nicht allein rationalen Kosten-Nutzen-Kalkülen. Vielmehr kann mit Jens Beckert zwischen der marktermöglichenden, der marktbegleitenden und der marktbegrenzenden Sittlichkeit der Wirtschaft unterschieden werden. Der Beitrag erörtert anhand der Bedeutung der Corporate Social Responsibility (CSR) im US-Recht, inwieweit diese ethischen Normen des Wirtschaftens verrechtlicht sind, also durch Rechtsvorschriften sanktioniert werden. Im Ergebnis wird sich ein Zusammenhang zwischen der Rechtsrelevanz sittlicher Maßstäbe und ihrer Komplementarität mit dem wettbewerblichen Marktgeschehen ergeben. Die marktermöglichende Sittlichkeit genießt demnach intensiven Rechtsschutz, der jedoch immer lückenhafter wird, je stärker die marktbegrenzende Dimension ethischer Normen zu Tage tritt.
Alexander Peukert

Zukunftsperspektiven

Frontmatter
Corporate Social Responsibility und das Lauterkeitsrecht: Braucht es ein „Europäisches Unternehmerleitbild“?
Zusammenfassung
Beim Corporate Governance-Kodex geht es bislang allein darum, die Unternehmen zur Rechtstreue zu verpflichten. Unbeachtet bleiben ökologische und soziale Ziele, soweit diese (noch) nicht zum Inhalt der Rechtsordnung geworden sind. Die Vorstellung, dass Preisbildung und Markt nicht von der Ethik dirigiert werden sollten, war eines der großen Dogmen des klassischen Liberalismus. Das Regelwerk der UNO „The Responsibility of National Corporations and other Business Enterprises with regard to Human Rights” und die Corporate Social Responsibility-Richtlinien der EU wollen diese Ideologie überwinden aus der Erkenntnis heraus, dass eine moderne Zivilgesellschaft auch auf nicht in Rechtsnormen verdichteten gemeinsamen sozialen, ökologischen und kulturellen Grundüberzeugungen beruht, die ein Unternehmen beachten muss, wenn es langfristig erfolgreich sein will. Eine Beschränkung von Compliance auf die strikte Einhaltung von Rechtsnormen ohne ethische Fundierung i.S. eines auch sozial und ökologisch verantwortungsvollen Handelns würde auf Dauer jedes Corporate Governance System zu einem als lästig empfundenen Überbau machen. Das Corporate Governance-Konzept sollte deshalb stärker mit den Grundsätzen von Corporate Social Responsibility verbunden werden.
Franz Jürgen Säcker
Die Berücksichtigung von Corporate Social Responsibility bei der Urteilsfindung – Sind ethische Aspekte justiziabel?
Zusammenfassung
Auch wenn Recht und Moral strikt voneinander zu trennen sind, dürfen und können Gerichte ethische Aspekte berücksichtigen. Zu einer unmittelbaren Anwendung kommt es bei der Verrechtlichung moralischer Pflichten, durch Verhaltenskodizes, durch die moralisch handelnde Person als Leitfigur, bei der Auslegung von Generalklauseln, bei der Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe und bei der ergänzenden Vertragsauslegung; zu einer mittelbaren Anwendung durch das Irreführungsverbot und durch Offenlegungsvorschriften. Dabei haben sich die Gerichte an den Grundrechten und am Schutzzweck des Gesetzes zu orientieren; widerstreitende Interessen sind offenzulegen und gegeneinander abzuwägen. Ethische Aspekte sind demnach justiziabel, wenn das positive Recht ihre Berücksichtigung zulässt und sie nachvollziehbar dargelegt werden können.
Irmgard Griss
Backmatter
Metadaten
Titel
Corporate Social Responsibility
herausgegeben von
Reto M. Hilty
Frauke Henning-Bodewig
Copyright-Jahr
2014
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-54005-9
Print ISBN
978-3-642-54004-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-54005-9