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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

5. Die Evolution des polizeilichen Führungsdenkens: Von der „inneren Führung“ zum Kooperativen Führungssystem

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Zusammenfassung

Anders als die Literatur suggeriert, markiert das KFS nicht den Beginn des polizeilichen Führungsdiskurses. Vielmehr lassen sich in polizeilichen Publikationen Diskussionen zu Führungsthemen schon in den 1960er Jahren ausmachen. In diesem frühen Führungsdiskurs wurden zudem Aspekte und Ansätze behandelt, die später auch bei Altmann und Berndt eine Rolle spielen.

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Fußnoten
1
Zur Erläuterung des methodischen Vorgehens siehe die Ausführungen im Anhang.
 
2
Beide Begriffe stehen nicht in einem konsistenten Verhältnis zueinander. In einigen Beiträgen wird nur einer der beiden Ausdrücke verwendet, in anderen beide, ohne aber das Verhältnis zwischen ihnen zu klären und in wieder anderen Artikeln entsteht der Eindruck, dass beide Begriffe synonym verwendet werden.
 
3
Diese Unterscheidung übernimmt Schorn von Stiebitz (ohne diesen zu nennen) und erläutert die Begriffe fast in wortgleicher Weise.
 
4
Weinhauer stellt dar, dass diese Position zur Autorität bereits 1957 von Stiebitz auf einer Tagung vertreten worden sei, merkt dazu aber kritisch an, dass trotz des Postulates der Leistungsautorität Autorität zu dieser Zeit nach wie vor statisch gedacht worden sei (Weinhauer, 2003a, S. 103 f.).
 
5
Hier nennt er als Besonderheiten des öffentlichen Dienstes gegenüber der Privatwirtschaft etwa das Berufsbeamtentum und die durch Rechtsverordnungen stark eingeschränkte Autonomie der Verwaltung (Loschelder, 1963, S. 375 f.).
 
6
Auch die Zuspitzung des Gegensatzes zwischen autoritärer Führung und Führung im Mitarbeiterverhältnis scheint nicht aus polizeilichen Erfahrungen, sondern aus Höhns Schriften zu entstammen. Deutlich wird das etwa an der Erfolgskontrolle: So führt Burghard aus, dass die autoritäre Dienstkontrolle als Totalkontrolle konzipiert sei, bei der Vorgesetzte ständig ihre Mitarbeiter kontrollierten, während die Dienstaufsicht bei der Führung im Mitarbeiterverhältnis in Form von Stichproben erfolge, hier also nicht permanent kontrolliert werde (Burghard, 1967b, S. 174).
 
7
Der Begriff „Kybernetik“ wurde von Norbert Wiener begründet und bezeichnet eine wissenschaftliche Disziplin, die sich der Regelung und Steuerung von Systemen verschrieben hat. Dabei ist die zentrale Annahme, dass technische, biologische und soziale Systeme sich formal in der gleichen Weise beschreiben lassen. Grundprinzip der klassischen Kybernetik ist der Regelkreis, der über Rückkopplungen den Ist-Zustand des Systems ermittelt, sodass der Input des System so verändert wird, damit ein gewünschter Soll-Wert erreicht wird (Henn, 1969, S. 164 ff.). Für ein ausführlicheres Beispiel eines kybernetischen Steuerungsmodells siehe die Diskussion zum KFS in Abschn. 5.2.3.
 
8
Hierbei nennt Herold in erster Linie Gesetze, Anordnungen, Erlasse, Weisungen etc. (Herold, 1968, S. 261).
 
9
Ob Herold nun das Recht oder konkretes Handeln, Kultur etc. meint, geht aus der Passage nicht klar hervor.
 
10
Der oben dargelegte Grundsatz, dass Reorganisationsvorhaben in der Polizei nur durch die Landesebene entschieden werden können, galt in Nürnberg 1971 nicht, da die Polizei hier noch auf kommunaler Ebene organisiert war. Erst am 01.10.1974 wurde die Polizei Nürnberg durch Integration in die Bayrische Landespolizei verstaatlicht (Bayrisches Staatsministerium des Innern, für Integration und Sport, 2014).
 
11
Auch wenn es sich hierbei um einen Beitrag aus lokaler Sicht handelt, ist der Text von Dorn von hoher Relevanz für die Entstehung des KFS. Dies hängt damit zusammen, dass zu der Zeit der Entwicklung des „Nürnberger Modells“ der spätere BKA-Leiter Herold Polizeichef in Nürnberg war, der als wichtiger Einfluss zu betrachten ist. Und zugleich handelt es sich um einen wichtigen Grundlagentext von Altmann und Berndt, der viele Aspekte vorwegnimmt, die später im „Grundriß“ bearbeitet werden. Siehe dazu Fußnote 30.
 
12
Dabei führt Dorn aus, dass MbE den Normalbetrieb den Nachgeordneten überlasse, während der Vorgesetzte nur in Ausnahmefällen eingreife. Grundlage für die Festlegung des Normalfalles sei eine klare Gliederung mit Stellenbeschreibungen Dorn (1971). MbS sei die Vereinheitlichung von Handlungsgrundsätzen, was in der Verwaltung bereits realisiert sei Dorn (1971). MbO ziele auf die gemeinsame Zieldefinition ab, die dann von den Mitarbeitern eigenverantwortlich bearbeitet werde, sodass die gesamte Verwaltung durch aufeinander bezogene Ziele durchstrukturiert sei Dorn (1971).
 
13
Hiermit ist erneut das Prinzip der Delegation angesprochen.
 
14
Siehe dazu Abschn. 4.​1.
 
15
Siehe hierzu Winter (1998).
 
16
Hier sind insbesondere die PDV 100, das Programm Innere Sicherheit sowie der Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz zu nennen (Winter, 1998, S. 199 f., S. 228 f.).
 
17
Für eine Analyse der sechs Elemente siehe etwa Heidemann und Barthel (2014b, S. 28 ff.).
 
18
Die Entmilitarisierung des Bundesgrenzschutzes wurde erst in den 1990er Jahren abgeschlossen. Erst 1994 erfolgte die Aufhebung des Kombattantenstatus (Winter, 2003, S. 532).
 
19
Dies lässt sich etwa anhand von Werten zeigen. Zum Gegensatz zwischen konkreten Programmvorgaben und abstrakten Wertformulierungen siehe Kap. 6.
 
20
Auf den expliziten Bezug zum Grundgesetz wird in Kap. 6 näher eingegangen.
 
21
Dirk Baecker weist darauf hin, dass die Motivation zu dieser scheinbar „freiwilligen Unterordnung“ widersprüchlich ist, da die Mitarbeiter nach wie vor durch die Führungskraft zu einem erwünschten Verhalten gebracht werden sollen (Baecker 1994, S. 121). Auch wenn dies durch Überreden erreicht werden soll, handelt es sich nicht um ein Handeln, welches die Beschäftigten von sich aus vornehmen, sondern das durch die Führungskraft ausgelöst werden soll.
 
22
Diese Asymmetrie in der Konzeption der Führungsinteraktion kommt ferner bei der Diskussion des Kommunikationsverständnisses sowie der Darlegung des Führungsprozesses im zweiten Band zum Ausdruck. Altmann und Berndt verstehen Kommunikation als Weitergabe von Information zwischen Sender und Empfänger zum Zwecke der organisationalen Aufgabenerfüllung (Altmann & Berndt, 1983, S. 68 ff.). Dabei wird deutlich, dass die Führungskraft primär als Sender gedacht wird, während Beschäftigten der Platz des Empfängers zukommt. Barthel und Heidemann folgern aufgrund dieser asymmetrischen Konzeption, dass bei Altmann und Berndt implizit die autoritäre Vorstellung vorhanden sei, dass die Führungskraft ihren Nachgeordneten überlegen sei (Barthel & Heidemann, 2017a, S. 31 ff.). Bei der Beschreibung des Führungsprozesses (Altmann & Berndt, 1983, S. 14 ff.) fällt auf, dass dieser als Managementkreislauf gedacht wird, der allein durch die Führungskraft zu steuern ist (Barthel & Heidemann, 2017a, S. 43 f.).
 
23
Zur Kritik an dieser Darstellung von Altmann und Berndt siehe Barthel und Heidemann (2017a).
 
24
Altmann und Berndt verstehen Zwecke als etwas der Organisation von außen Vorgegebenes, während Ziele von der Organisation selbst festgelegt würden (Altmann & Berndt, 1983, S. 117 f.). Mit der Formulierung von Zielen werden die Zwecke in diesem Verständnis in eine arbeitsfähige Form operationalisiert. Beispielsweise gibt das Dezernat A der zugeordneten Abteilung 1 einen Zweck vor, den letztere dann in ein bearbeitungsfähiges Ziel überführt.
 
25
Altmann und Berndt sprechen durchgehend von der „Organisationsstruktur“, in den Begrifflichkeiten dieser Arbeit diskutieren sie aber fast ausschließlich die formale Seite der Organisation. Nach dem in Kap. 3 skizzierten Organisationsverständnis sind neben formellen Regeln auch informelle Erwartungen sowie die Schauseite unter den Begriff der „Organisationsstruktur“ zu subsumieren.
 
26
Dieser Eifer, eine konsistente Formalstruktur zu schaffen, setzt sich in der weiteren Darstellung fort: So fordern Altmann und Berndt etwa für die Einrichtung eines Kommunikationssystems, also der formalen Kommunikationswege, den Informationsbedarf jeder einzelnen Stelle zu ermitteln (Altmann & Berndt, 1983, S. 202 f.).
 
27
Barthel und Heidemann deuten den namensgebenden Begriff des „Führungssystems“ als Ausdruck dieses Versuches einer wissenschaftlichen Fundierung des Konzeptes (Barthel & Heidemann, 2014a, S. 65 f.).
 
28
Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass Altmann und Berndt „Beteiligung“ als eines ihrer sechs Elemente benennen (Altmann & Berndt, 1982, S. 199 ff.). Denn auch wenn der Begriff suggeriert, dass Führungsinteraktionen sowohl von den Führenden als auch den Geführten gestaltet werden, ist die Führungstheorie des KFS sehr einseitig auf die Führungskraft ausgerichtet. Altmann und Berndt (1982) versuchen diesem Eindruck entgegenzuwirken, indem sie den Führungsprozess als „zweiseitigen sozialen Prozess“ beschreiben. Jedoch hat die Führungskraft nicht nur im Rahmen des kybernetischen Regelkreismodells das Monopol auf die Gestaltung des Führungsprozesses, sondern ebenso im Rahmen der Kommunikationstheorie des KFS, die die Mitarbeiter nur als passive „Empfänger“ betrachtet (Barthel & Heidemann, 2017a, S. 31 ff.).
 
29
Die Auswahl dieser Elemente ist recht willkürlich, denn es gibt keinen Grund, nicht auch andere Aspekte in den Mittelpunkt zu stellen (Barthel, 2010, S. 41). Gleichzeitig sind die von Altmann und Berndt unterschiedenen Elemente weniger klar abgrenzbar als die Autoren suggerieren: Beispielsweise deuten sie selbst darauf hin, dass Transparenz sich bereits durch Beteiligung erreichen ließe und Beteiligung selbst Delegation voraussetzt. Wenn einzelne Elemente anderen vorgeschaltet sind, lässt sich nicht von einer Gleichwertigkeit aller sechs Elemente sprechen. Aus wissenschaftlicher Sicht mag diese Inkonsistenz beklagt werden, jedoch ist die Funktion der sechs Elemente – ähnlich wie bei Erfolgsformeln anderer Konzepte – primär darin zu sehen, dass sie Gestaltbarkeit demonstrieren. Damit lassen sie sich von dem Management heranziehen, um (ggf. umstrittene) Entscheidungen zu legitimieren.
 
30
Zu diesem Erfolgsglauben kann vor allem auf den Beitrag von Bleck (1970) verwiesen werden. Auch Dorn (1971) spiegelt diesen Steuerungsoptimismus wieder und scheint zugleich eine wichtige Inspiration für Altmann und Berndt zu sein, da dieser Text im Literaturverzeichnis der Erstauflage des ersten Bandes des „Grundriß“ zu finden ist (Altmann & Berndt, 1976, S. 195).
 
31
Das wird neben den bereits diskutierten Aspekten auch bei der Darstellung der Leistungsautorität deutlich. Denn im Zusammenhang mit der Annahme dieser neuen Legitimationsbasis für polizeiliches Führen ist zugleich die Forderung verbunden, dass die Führungskraft eine „sachlich-fachliche Überlegenheit“ aufweisen und diese auf ihre Mitarbeiter übertragen solle (Altmann & Berndt, 1976, S. 171 f., 1982, S. 45 f.). Hiermit wird das asymmetrische Verhältnis von Vorgesetzten und Nachgeordneten des KFS prägnant auf den Punkt gebracht.
 
32
Die Ideen von Herold waren Altmann und Berndt definitiv bekannt, weshalb es durchaus plausibel ist, anzunehmen, dass die Autoren des KFS von Herolds Steuerungsoptimismus beeinflusst wurden. In der Erstauflage des ersten Bandes des „Grundriß“ zitieren sie etwa Herolds Forderung, dass die Polizei sich an gesellschaftliche Veränderungen anpassen müsse (Altmann & Berndt 1976, S. 17).
 
Metadaten
Titel
Die Evolution des polizeilichen Führungsdenkens: Von der „inneren Führung“ zum Kooperativen Führungssystem
verfasst von
Norman Dürkop
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38629-0_5