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2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Die Entstehungsbedingungen des KFS: Polizei und Umwelt im Wandel

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Zusammenfassung

Viele Darstellungen zur Entstehung des KFS sind sehr knapp gehalten und empirisch kaum gedeckt. Wie in Kap. 2 bereits gezeigt, wird das KFS u. a. als Reaktion auf die 68er gesehen oder gilt als zentrales Moment zur Überwindung des autoritären Führungsstils. Weiterhin erscheint das KFS sinnbildlich dafür, dass humanere Formen des Führens sich etabliert hätten und Mitte der 1970er Jahre nun auch in die Polizei übertragen worden seien.

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Fußnoten
1
In der Polizeiforschung ist für die Begriffe „Schauseite“ und „Informalität“ das Begriffspaar „Polizeikultur“ und „Polizistenkultur“ geläufiger. Die Polizeikultur gilt als die offizielle Darstellung der Organisation durch die leitende Ebene, während die Polizistenkultur sich auf Subkulturen bezieht, die sich im Dienstalltag am unteren Ende der Hierarchie herausbilden und in der Regel in Konflikt mit den offiziellen Darstellungen stehen. Siehe dazu Behr (2000).
 
2
Zu methodischen Fragen hinsichtlich der Erforschung von Informalität siehe die Erläuterungen im Anhang.
 
3
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchten die Westalliierten, eine erneute politische Instrumentalisierung der Polizei, wie sie im Nationalsozialismus stattgefunden hatte (Wilz, 2012, S. 116), zu verhindern, indem sie Elemente eigener Polizeitraditionen in den Westzonen implementierten. Dabei scheiterten die Westalliierten jedoch letztendlich am Widerstand westdeutscher Innenpolitiker, die an Weimarer Polizeitraditionen festhielten (Winter, 2003, S. 525 f.).
 
4
Die Alliierten setzen zwar anfangs eine Dezentralisierung der Polizei durch, indem die Behörden in den Westzonen anfangs unter kommunale Kontrolle gestellt wurden, um diese dem Zugriff des zu errichtenden deutschen Staates zu entziehen. Diese „Kommunalisierung“ bzw. „Entstaatlichung“ wurde jedoch vor dem Hintergrund einer Zuspitzung des Kalten Krieges bereits ab Anfang der 1950er Jahre wieder fallen gelassen, indem die Polizeihoheit von der Kommunal- auf die Länderebene übertragen wurde (Wilz, 2012, S. 116; Schulte, 2017, S. 27; Dams, 2008, S. 12). Dieser Prozess lief jedoch sehr uneinheitlich ab. Beispielsweise wurde die Polizeihoheit in München erst 1975 an das Land Bayern übertragen (Dams, 2008, S. 12; Schulte, 2017, S. 27).
 
5
Mit der Einrichtung der Bereitschaftspolizeien und des Bundesgrenzschutzes 1951, welche aus geschlossenen, kasernierten Einheiten bestanden, fanden erneut militärisch orientierte Verbände Eingang in bundesdeutsche Polizeistrukturen. Der Bundesgrenzschutz sollte offiziell die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland schützen, wurde aber vielmehr dazu genutzt, Einheiten zur Niederschlagung von Aufständen bereitzustellen. Die Einrichtung des Bundesgrenzschutzes wurde letztendlich vor dem Hintergrund eines drohenden Generalstreiks zur Rettung der Montan-Mitbestimmung 1950 forciert, welcher als Gefahr kommunistischer Umsturzversuche gedeutet wurde (Winter, 2003, S. 525 ff.).
 
6
Die „Traditionalisten“ schließen die Polizisten ein, die Weinhauer als „Patriarchen“ bezeichnet. Letztere beschränken sich jedoch auf Beamte, die in den Polizeien der Weimarer Republik sozialisiert worden waren. Weinhauer zufolge umfassen die Patriarchen hauptsächlich die Geburtenjahrgänge 1908 bis 1912 (Weinhauer, 2003a, S. 115). Diese Kohorten wurden somit Ende der 1960er bzw. Anfang der 1970er Jahre pensioniert.
 
7
Hier wären die Schwabinger Jugendkrawalle von 1962 zu nennen, auf die die Polizei mit enormer Härte reagierte, was zu einer heftigen öffentlichen Kritik führte. Im Anschluss daran wurde die „Münchner Linie“ entwickelt, die stärker auf Deeskalation setzt. Zusätzlich wurden die Öffentlichkeitsarbeit und die Ausstattung für die Einsätze ausgebaut (Winter, 1998, S. 193 f.).
 
8
Dazu gehört insbesondere die „Münchner Linie“, die infolge der Schwabinger Jugendkrawalle entwickelt wurde. Siehe dazu Fußnote 4.
 
9
Mit „Remilitarisierung“ verweist Pongratz darauf, dass die Nationalsozialisten versuchten, militarisierte Umgangsformen, die im deutschen Raum Ende des 19. Jahrhunderts verbreitet waren, wieder in die Privatwirtschaft einzuführen (Pongratz, 2002, S. 41 ff.). Dabei stellt er fest, dass das nationalsozialistische Projekt der Remilitarisierung der innerbetrieblichen Arbeitsbeziehungen nur in Grenzen realisiert wurde, da seit der Weimarer Republik ein militärisches Führungsverhalten kaum noch Akzeptanz besaß (Pongratz, 2002, S. 66 f.).
 
10
Ab den 1980er Jahren kommt in diesem Zusammenhang auch den Diskussionen um „Organisationskultur“ eine hohe Bedeutung zu (Pongratz, 2002, S. 110 f.). Da Konzepte unter dieser Bezeichnung allerdings erst nach Schaffung des KFS zirkulierten, sollen sie in der folgenden Darstellung nicht weiter berücksichtigt werden.
 
11
Nach Angaben der Akademie haben etwa 250.000 Führungskräfte aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung bis 1972 die Lehrgänge und Seminare der Akademie besucht (Pongratz, 2002, S. 73).
 
12
Auffällig ist dabei, wie sehr Höhn den Neuheitswert seiner Schöpfung betont: So präsentiert er etwa die Verlagerung von Entscheidungsgewalt von ganz oben auf unterschiedliche Ebenen der Organisation und die damit einhergehende Autonomie von Mitarbeitern im eigenen Fachbereich als etwas grundlegend Neues (Höhn, 1969, S. 6 ff., 1970, S. 120 f.). Dabei lässt sich mit guten Gründen bezweifeln, dass das Harzburger Modell eine komplette Neuschöpfung war: So wird das Konzept als bundesdeutsche Variante von US-amerikanischen Diskursen wie etwa „Management by Objectives“ (Grunwald & Bernthal, 1983, S. 233) oder auch „Management by Delegation“ (Hilger, 2004, S. 250; Schmid, 2014, S. 76 f.) gesehen. Außerdem wird gegen Höhns Neuheitsanspruch eingewandt, dass zentrale Elemente des Harzburger Modells wie allgemeine Führungsgrundsätze bereits in den 1920er Jahren formuliert worden seien (Breisig, 1990, S. 70, 146 f.).
 
13
Kontrolle soll dabei insbesondere durch die Dienstaufsicht erfolgen: Hierbei handelt es sich um eine stichprobenartige Kontrolle des Verhaltens von Mitarbeitenden. Ein weiteres Instrument ist die „verschärfte Dienstaufsicht“, die auch nur eine stichprobenartige Verhaltenskontrolle darstellt, allerdings höher frequentiert ist. Schließlich gibt es noch die Erfolgskontrolle, welche nicht auf das Verhalten von Beschäftigten abzielt, sondern auf die von ihnen erreichten Resultate in einer bestimmten Zeitspanne (Blume & Breuer, 1972, S. 22 f.).
 
14
Tatsächlich gehören noch einige weitere Aspekte in die Stellenbeschreibung. Da Höhn hierzu eine Auflistung von Aspekten über eine ganze Seite vorlegt (Höhn, 1969, S. 27), wurde aus Platzgründen darauf verzichtet, alle Elemente hier im Text zu nennen.
 
15
Die Stabsarbeit leitet Höhn aus dem Militär ab, was in der Literatur oftmals zur Unterstützung des Argumentes herangezogen wird, dass das Harzburger Modell trotz Abgrenzung auch in gewisser Kontinuität zu militärischen Führungsidealen im Nationalsozialismus steht (Wildt, 2011, S. 262 f.). Aus Platzgründen wird hier nicht vertieft auf die Stabsarbeit eingegangen. Siehe dafür etwa Höhn (1969).
 
16
Die Verbreitung lässt sich neben der hohen Teilnahmezahlen der Seminare (siehe Fußnote 11) daran ablesen, dass bereits während der 1960er Jahre das Harzburger Modell in 400 bekannten bundesdeutschen Unternehmen implementiert wurde (Schmid, 2014, S. 79).
 
17
Dieser Befund wird teilweise aber auch relativiert. Breisig (1990) etwa sieht den Import von Human-Relations-Konzepten in deutsche Managementkreise bereits in den 1940er und 50er Jahren und deutet diese als Renaissance der Idee der Werksgemeinschaft der 1920er Jahre.
 
18
Hier ist neben der bereits erwähnten Zunahme politischen Protestes in den späten 1960er Jahren der in den 1970er Jahren einsetzende Niedergang des Fordismus und das mit diesem verbundene Wohlstandsmodell zu nennen (Schimank, 2012, S. 24 ff.).
 
19
In eine ähnliche Richtung geht die Kritik von Pongratz, welcher anmerkt, dass Höhns Verständnis von „mehr Eigenverantwortung“ keinesfalls mit „Demokratisierung“ oder „Abbau von Hierarchien“ gleichzusetzen sei. Vielmehr ginge diese erhöhte Eigenverantwortung einher mit einer deutlichen Darstellung von betrieblichen Hierarchien durch einen Fokus auf formale Regelungsinstrumente wie Stellenbeschreibungen, anstatt diese auch nur partiell abzubauen (Pongratz, 2002, S. 74 f.).
 
20
Interessanterweise verwies auch Höhn im Rahmen seiner Kritik der kooperativen Führung bereits spätestens ab 1971 auf die Diffusität des Begriffes (Höhn & Böhme, 1971, S. 35 ff.) – was ihn aber nicht davon abhielt, sich diesen 1978 aber selber zu eigen zu machen (Höhn, 1978). Siehe dafür auch Abschn. 4.2.3.
 
21
Dieser gemeinsame Ausgangspunkt ist auch der Grund dafür, dass Höhn das Narrativ, bei dem Harzburger Modell handle es sich um kooperative Führung, so wirkungsvoll verbreiten konnte. Wenn die Entfaltung der Mitarbeiter und das Ende der „Alleinherrschaft“ von Leitungspersonen gefordert werden, ist es plausibel, dafür das Label „kooperative Führung“ zu verwenden.
 
Metadaten
Titel
Die Entstehungsbedingungen des KFS: Polizei und Umwelt im Wandel
verfasst von
Norman Dürkop
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-38629-0_4