Skip to main content

06.03.2024 | Elektrifizierung | Im Fokus | Online-Artikel

Energiewende: Direkte oder indirekte Elektrifizierung?

verfasst von: Christiane Köllner

4 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Elektrifizierung oder Wasserstoff? Potsdamer Forscher haben die Rolle beider Strategien für die europäische Energiewende untersucht. Das Ergebnis überrascht nicht. 

Elektrifizierung und Wasserstoff gelten als Schlüsselstrategien, um bis 2050 Klimaneutralität in der Europäischen Union (EU) zu erreichen. Forscher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) haben jetzt die Rolle der direkten und indirekten Elektrifizierung in modellierten Szenarien für die europäische Energiewende untersucht. Die Studie zeigt: Bis 2050 ist ein Anteil von 42 bis 60 % des Gesamtenergieverbrauchs aus Strom und 9 bis 26 % aus wasserstoffbasierter Energie erforderlich.

Zur Elektrifizierung von Gebäuden sowie im Industrie- und im Verkehrssektor stehen grundsätzlich zwei Optionen zur Verfügung: Zum einen die direkte Elektrifizierung, die Strom direkt als Energiequelle nutzt, wie zum Beispiel Wärmepumpen oder batterieelektrische Fahrzeuge (BEV). Zum anderen ist die indirekte Elektrifizierung durch grünen Wasserstoff und E-Fuels (strombasierte, synthetische Kraftstoffe) möglich. Hier kann über E-Fuels elektrische Energie in chemische Energieträger umgewandelt und zum Beispiel in konventionellen Verbrennungsmotoren eingesetzt werden, wie David Bothe von Frontier Economics im Buchkapitel Indirekte Elektrifizierung mittels eFuels erklärt.

Direkte Grünstrom-Nutzung effizienter und breiter einsetzbar

Nach Angabe der Potsdamer Forscher hätten frühere Forschungsarbeiten bereits gezeigt, dass sich das Energiesystem kostengünstig und umweltschonend auf erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne umstellen lasse. Die Frage, die sich aktuell stellt, sei aber: Wie lässt sich dieser knappe, erneuerbare Strom optimal nutzen, um fossile Brennstoffe in Gebäuden, im Industrie- und im Verkehrssektor zu ersetzen? Die Analyse macht deutlich: Die direkte Nutzung von Strom, zum Beispiel durch Elektroautos und Wärmepumpen, sei für viele Sektoren ganz entscheidend. Während die Umwandlung von Strom in Wasserstoff nur für wenige Anwendungen wichtig sei.

Klar wird: Es gibt höhere Potenziale für die Elektrifizierung und einen begrenzteren Einsatzbereich für wasserstoffbasierte Energie. Die Analyse der PIK-Forschenden basiert auf dem Energie-Ökonomie-Modell "REMIND", mithilfe dessen plausible Kombinationen beider Strategien in den Transformationspfaden des EU-Energiesystems in verschiedenen Szenarien untersucht worden sind. Über alle Szenarien hinweg sei die direkte Nutzung von Strom die dominierende Strategie etwa für Autos oder beim Heizen von Gebäuden und in der Industrie. Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe aus Strom würden vor allem für die Luftfahrt, die Schifffahrt, die chemische Industrie und als Stromspeicher benötigt. Elektrifizierung und Wasserstoff würden sich im Gesamtenergiemix somit weitgehend ergänzen, während sie um einen geringen Anteil von etwa 15 % der Endenergie konkurrieren würden. Das betreffe vor allem Sektoren wie den Lkw-Verkehr und die industrielle Hochtemperatur-Prozesswärme.

Bereits 2022 ist eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, die drei Szenarien zur Schaffung einer fossilfreien Energieversorgung (Elektrifizierung, Wasserstoff und synthetisches Gas) vergleicht, zu dem Ergebnis gekommen, dass auch die Kosten für die direkte Elektrifizierung der Wirtschaft niedriger seien als der umfangreiche Einsatz von Wasserstoff oder synthetischen Gasen. "Wenn nachhaltig produzierter Strom erst noch in grünen Wasserstoff oder grüne synthetische Gase umgewandelt wird, statt ihn direkt zu nutzen, ist das Ganze letztlich auch deutlich teurer", so Studienautorin Claudia Kemfert. 

Stromnachfrage steigt

Auch für die PIK-Forscher bietet die direkte Elektrifizierung Effizienz- und Kostenvorteile. "Der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und die Umstellung auf elektrische Technologien, wo immer dies möglich ist, ist bei weitem der schnellste und billigste Weg, um die Kohlenstoffemissionen in den meisten Sektoren zu senken. Wir gehen daher davon aus, dass der Anteil von Strom am Endenergieverbrauch von 20 Prozent auf 42 bis 60 Prozent bis 2050 steigen muss, um Klimaneutralität in der EU zu erreichen", sagt Studienautor Gunnar Luderer, Leiter der Gruppe Energiesysteme am PIK. 

Ursache hierfür sei, dass elektrische Technologien zunehmend verfügbar sind und Strom sehr effizient nutzen, während die Umwandlung in Wasserstoff und synthetische Brennstoffe und deren Verbrennung mit erheblichen Energieverlusten verbunden seien. Insgesamt soll die Stromnachfrage in der EU in den Szenarien bis 2050 um 80 bis 160 % steigen, so die Forscher, je nach Umfang der Wasserstoffimporte und der Rolle der Elektrifizierung und des Wasserstoffs in unsicheren Sektoren. Bis dahin müsste somit etwa doppelt so viel Strom erzeugt werden wie heute.

Beide Strategien berücksichtigen

Spricht auch vieles für die direkte Elektrifizierung, so sollte man die indirekte Elektrifizierung nicht abschreiben. Aus einer systemischen Betrachtung hätten E-Fuels zahlreiche Vorteile gegenüber einer direkten Elektrifizierung, so David Bothe. Für diese sprächen eine bessere Speicherbarkeit, der Möglichkeit zum Import sowie der Nutzung vorhandener Infrastruktur mit den damit verbundenen Akzeptanzvorteilen. Diese Vorteile würden mögliche Nachteile durch höhere Umwandlungsverluste mehr als aufwiegen.

Letztendlich unterstreichen jedoch sowohl Bothe als auch die PIK-Studie, dass politische Entscheidungsträger die unterschiedlichen sektoralen Rollen beider Strategien berücksichtigen sollten. Daher sei laut Bothe ein Energieträgermix aus Strom und E-Fuels die wirtschaftlichste Lösung für die Energieversorgung. Entsprechend seien Politik und Unternehmen gefordert, einen breiten, technologieoffenen Mix von Lösungen für eine De-Fossilisierung des Verkehrssektors zu ermöglichen.

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Umweltbilanz von Elektrofahrzeugen

Quelle:
Elektromobilität

2019 | OriginalPaper | Buchkapitel

Indirekte Elektrifizierung mittels eFuels

Notwendiger Bestandteil einer erfolgreichen Energiewende im Verkehrsbereich
Quelle:
Zukünftige Kraftstoffe

2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

Anwendungen für Wasserstoff

Quelle:
Wasserstofftechnik

Das könnte Sie auch interessieren

13.02.2024 | Wasserstoff | Im Fokus | Online-Artikel

Internationale Wasserstoffstrategien im Vergleich

19.01.2024 | Wasserstoff | Infografik | Online-Artikel

2030 sind 12 % des Wasserstoffs "grün"

12.12.2023 | Batterie | Nachricht | Nachrichten

VDI-Studie untersucht Klimabilanz von E-Autos

20.02.2024 | Batterie | Im Fokus | Online-Artikel

Batteriestrategien verschiedener Länder im Vergleich

    Premium Partner