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04.10.2023 | Energiewende | Schwerpunkt | Online-Artikel

Gebäudeenergiegesetz bleibt inkonsequent und verhilft Fossilen zum Boom

7:30 Min. Lesedauer

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Anfang nächsten Jahres tritt das Gebäudeenergiegesetz in Kraft. Letztlich haben sich in einem langwierigen Prozess die Betreiber fossiler Energieinfrastrukturen weitgehend durchgesetzt. Das lag aber auch am dilettantischen Agieren der Regierung.

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) wird in die Geschichte dieser Republik eingehen als ein Beispiel dafür, wie man ein Gesetz nicht machen sollte. Die Misere begann mit der Personalie Patrick Graichen. Der war jahrelang Chef der Denkfabrik Agora Energiewende, die sowohl im Mobilitäts- als auch im Wärmemarkt auf ein All-Electric-Szenario setzte. Das war nicht unverdächtig. Die Geldgeber des Think Tanks kamen aus den USA und sind dort vor allem im Bereich Green Tech aktiv.

Keine Chance für all electric

Graichen nun, als frisch gebackener Energiestaatssekretär unter Robert Habeck im Bundeswirtschaftsministerium, machte das, was er bei Agora schon vertreten hatte: einen Gesetzentwurf zur Reform des Wärmemarktes bis in jeden einzelnen Haushalt hinein, der – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ein All-Electric-Szenario vorsah. Wer hätte das vorhersehen können?

Aber auch hier gilt, und das verstärkt, das Struck'sche Gesetz, das schließlich besagt: Kein Gesetzentwurf verlässt den Bundestag so, wie er eingebracht wurde. Von wem auch immer durchgestochen, fiel sofort eine Allianz aus Koalitionspartner SPD und FDP, allen Oppositionsparteien und den Medien, angeführt von Bild, darüber her.

Und das zu Recht. Letztlich war das Vorgehen der Regierung sogar kontraproduktiv. Im Zuge des Krieges gegen die Ukraine gab es einen Absatzboom bei Wärmepumpen – wohl auch, weil man nicht auf eine sichere Gasversorgung vertraute. Wobei diese Krise übrigens vom Kabinett Habeck, so viel Lob muss sein, bravourös gemeistert wurde.

Entwurf vor aller Augen zerpflückt

Doch als der Entwurf in der Öffentlichkeit zerpflückt wurde, schwenkte das Heizungsvolk um. Im ersten Halbjahr 2023 stiegen die Verkaufszahlen von Gaskesseln (+29 Prozent und immer noch Marktführer im Wärmemarkt) und Ölkesseln (+102 Prozent, Zahlen: BDH) kräftig an. Kaum verwunderlich: 41 Millionen Haushalte in Deutschland werden nach wie vor mit fossilen Energieträgern beheizt. Und das wird wohl auch mittelfristig so bleiben. Da bleibt es nur ein schwacher Trost, dass die Wärmepumpe das größte Wachstum mit 105 Prozent erfuhr – aber eben vorrangig im Neubau.

Vielleicht kann man Graichens Vorhaben sogar als löblich betrachten, muss die Ampelkoalition doch in kurzer Zeit Dinge bewältigen, die in 16 Jahren Merkel einfach liegen geblieben sind. Dennoch: Mit der Brechstange geht bei einem so sensiblen Thema wie Eigenheim oder Mietwohnung gar nichts. Wärmeversorgung ist immer auch eine soziale Frage. Und sie muss für alle bezahlbar bleiben. Wenn jetzt ein All-Electric-Szenario im Neubau ab 2024 Gesetz wird (mit wenigen Ausnahmen wie Bioenergie), dann war das für den Bestand zu keinem Zeitpunkt realistisch – und ist es auch heute und in naher Zukunft nicht. Zwar könnten Wärmepumpen auch in eher einfachen Häusern gut funktionieren. Aber eben nicht mit den deutschen Strompreisen von derzeit 40 Cent je kWh. Das käme einer unsozialen Wärmewende gleich.

Was gilt?

Doch was ist nun erlaubt oder erzwungen ab 1. Januar 2024? Ab 2024 müssen neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Diese Regelung gilt ab dem 1. Januar 2024 direkt für Neubaugebiete. Für bestehende Gebäude und Neubauten außerhalb von Neubaugebieten gelten längere Übergangsfristen:

  • In Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern wird der Einsatz klimafreundlicher Energien beim Heizungswechsel spätestens bis zum 30. Juni 2026 zur Pflicht.
  • In kleineren Städten ist der Stichtag der 30. Juni 2028.
  • Frühere Fristen können gelten, wenn die Kommunen bereits eine Entscheidung zur Gebietsausweisung, wie zum Beispiel für ein Wärmenetz, getroffen haben und dies in einem kommunalen Wärmeplan berücksichtigen.

Funktionierende Heizungen können weiterhin betrieben werden. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Heizung defekt ist, aber noch repariert werden kann. Erdgas- oder Ölheizungen müssen nur dann komplett ausgetauscht werden, wenn sie nicht mehr repariert werden können oder älter als 30 Jahre (bei einem Konstanttemperatur-Kessel) sind. Es sind pragmatische Übergangslösungen und mehrjährige Übergangsfristen vorgesehen.

In Härtefällen können Eigentümer von der Verpflichtung zum Einsatz erneuerbarer Energien bei der Heizung befreit werden.

Öl- oder Gasheizungen, die zwischen dem 1. Januar 2024 und dem Ablauf der Fristen für die Wärmeplanung 2026 bzw. 2028 eingebaut werden, müssen ab 2029 einen steigenden Anteil erneuerbarer Energien wie Biogas oder Wasserstoff nutzen:

•    2029: mindestens 15 Prozent
•    2035: mindestens 30 Prozent
•    2040: mindestens 60 Prozent
•    2045: 100 Prozent

Für Öl- oder Gasheizungen, die nach Ablauf der Fristen für die Wärmeplanung eingebaut werden, gelten besondere Regelungen: Wenn diese Heizungen mit 65 Prozent grünem Gas (Biomethan oder grünem/blauem Wasserstoff) betrieben werden, können sie weiterhin eingebaut werden. 

Falls ein verbindlicher Fahrplan für den Ausbau oder die Umstellung eines bestehenden Gasnetzes auf Wasserstoff vorliegt und die Gasheizung auf 100 Prozent Wasserstoff umgerüstet werden kann, ist der Betrieb mit bis zu 100 Prozent fossilem Gas erlaubt. Wenn die Umstellung nicht wie geplant erfolgt, muss innerhalb von drei Jahren auf eine Heizung umgerüstet werden, die zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben wird.

Mieter sind vor hohen Kosten geschützt: Vermieter können bis zu zehn Prozent der Kosten für eine neue Heizungsanlage oder Modernisierung auf die Mieter umlegen. Diese Umlage ist jedoch auf maximal 50 Cent pro Quadratmeter und Monat begrenzt. Wenn die Modernisierungsmaßnahme vom Bund gefördert wurde, muss die Fördersumme von den Gesamtkosten abgezogen werden, bevor die Kosten auf die Mieter umgelegt werden dürfen.

Förderung umfangreich oder nicht ausreichend?

Eine genereelle Anpassung der Förderlandschaft ans GEG gibt es noch nicht, wird aber erwartet. Deswegen gelten noch die bisherigen Förderinstrumentarien.

Ab 2024 erhalten Personen, die eine umweltfreundliche Heizung installieren, durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude - Einzelmaßnahmen (BEG EM) eine Grundförderung in Höhe von 30 Prozent der Kosten. Zusätzlich gibt es bis einschließlich 2028 einen Geschwindigkeitsbonus von 20 Prozent für den Austausch einer alten fossilen Heizung. Haushalte mit einem zu versteuernden Einkommen von bis zu 40.000 Euro pro Jahr erhalten einkommensabhängig einen weiteren Bonus von 30 Prozent. Diese Boni können miteinander kombiniert werden, dürfen jedoch insgesamt 70 Prozent der Kosten nicht überschreiten.

Die Finanzierung einer Energieberatung durch einen Energieeffizienz-Experten oder eine Energieeffizienz-Expertin kann über die Bundesförderung Energieberatung Wohngebäude (EBW) gefördert werden.

Seit März 2023 können Anträge für Unterstützung aus dem neuen Förderprogramm "Klimafreundlicher Neubau" (KFN) über einen Finanzierungspartner gestellt werden.

Wie dieses Programm für das neue GEG gefördert wird, ist noch offen. Einiges ist jedoch schon durchgesickert. Für Einfamilienhäuser liegt die Obergrenze bei 30.000 Euro (vormals 60.000 Euro), während für Mehrfamilienhäuser eine gestaffelte Grenze je nach Anzahl der Wohneinheiten gilt. Die Förderung umfasst: eine Grundförderung von 30 Prozent der Gesamtkosten, einen Einkommensbonus von 30 Prozent, der bis zu einem maximalen Haushaltseinkommen von 40.000 Euro gewährt wird und einen zeitlich gestaffelten Geschwindigkeitsbonus von 20 Prozent. Die maximale Förderung könnte dann insgesamt 70 Prozent betragen.

Markus Staudt, Hauptgeschäftsführer des BDH, drängt auf eine rasche Klärung der zukünftigen Förderbedingungen, zumal sich ein Boom wie im Jahr 2023 für die Heizungsindustrie 2024 kaum wiederholen wird. So sollten die Investitionskosten auf 45.000 Euro angehoben werden.

Andernfalls könnten Bürger trotz höherer Fördersätze letztendlich weniger Fördermittel erhalten. Zusätzlich fordert der Verband, dass Effizienztechnologien wie energieeffiziente Heizungs- und Umwälzpumpen, Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung sowie dezentrale Kraftwärmekopplung so schnell wie möglich im GEG berücksichtigt werden sollten.

Kommunaler Wärmeplan verzögert Entscheidungen

Das GEG ist kein Solitär. Denn wie bereits erwähnt, muss gerade in den innerstädtischen Gebieten auf einen kommunalen Wärmeplan gewartet werden. Ein entsprechendes Gesetz ist wesentlich geräuschloser durch den bisherigen Prozess gegangen und wird wohl auch nicht mehr in diesem Jahr für den Start ab 1. Januar 2024 verabschiedet werden.

Letztlich kann nun jeder Hauseigentümer oder Vermieter in Städten ab 10.000 Einwohnern je nach Größe bis 2026 oder 2028 abwarten, ob an seinem Standort ein Wärmenetz gebaut wird oder eine Gasleitung in Zukunft mit Biogas oder Wasserstoff betrieben werden kann. Letzteres wird kaum möglich sein, da der Wasserstoff dafür aus Elektrolyseuren kommen müsste, die mit regenerativem Strom betrieben werden müssten – ein Verfahren, das wohl deutlich zu teuer ist, um der sozialen Komponente im Wärmemarkt gerecht zu werden.

Wie dem auch sei: Das EEG wird keinesfalls zu einer Beschleunigung der Wärmewende beitragen können, eben weil der deutsche Wärmemarkt seit Jahrzehnten wie festgezurrt ist und die Politik in den letzten Jahren wenig unternommen hat, um hier gegenzusteuern – anders als etwa bei unseren Nachbarn in Dänemark oder Österreich.

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