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02.08.2023 | Baufinanzierung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Einbruch auf dem Immobilienmarkt trifft Banken hart

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

6 Min. Lesedauer

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Hohe Zinsen und Preise, strenge Effizienzvorgaben und zu wenige Fachkräfte am Bau haben den Immobilienmarkt einbrechen lassen. Banken kämpfen nun mit Umsatzverlusten im Finanzierungsgeschäft. Experten fordern deshalb ein ganzes Bündel staatlicher Maßnahmen gegen den Stillstand.

Die Preise für Eigentumswohnungen und -häuser haben sich 2022 um durchschnittlich 9,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr verteuert. "Damit kostete Wohneigentum Ende 2022 knapp 80 Prozent mehr als 20210", konstatieren die Ökonomen von BVR Reserach in der aktuellen Ausgabe von "Volkswirtschaft kompakt". Relativ zum verfügbaren Einkommen seien die Preise für die eigenen vier Wände in den Städten um 50 Prozent gestiegen. Aber auch im ländlichen Raum verzeichneten die Experten seit 2010 einen Anstieg von einem guten Drittel mehr als bei Löhnen und Gehältern. 

Immobilienpreise sinken 2023 nur leicht

Für das laufende Jahr erwarten die Analysten des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in ihrer Marktstudie für selbst genutztes Wohneigentum nur einen Preisrückgang von rund sechs Prozent. 

Die moderate Preiskorrektur am Wohnimmobilienmarkt war vorhersehbar und ist eine unmittelbare Folge der gestiegenen Lebenshaltungskosten und der zügigen Zinswende. Auch 2024 dürfte es keinen Einbruch der Preise geben, denn angebotener Wohnraum bleibt nicht zuletzt angesichts des stockenden Neubaus knapp", kommentiert BVR-Präsidentin Marija Kolak die Schätzung. 

Für diese haben die Ökonomen Daten von insgesamt 401 Land- und Stadtkreise der Immobilienmarktforschungsgesellschaft des Verbands deutscher Pfandbriefbanken sowie Zahlen zur Bevölkerungs- und Lohnentwicklung als auch zum Wohnungsneubau des Statistischen Bundesamtes ausgewertet. 

Neugeschäftsvolumen langfristig niedriger

Zwar sei der erste durch die Zinswende hervorgerufene Schock abgeklungen. Doch liegen die Kosten für den Erwerb von Eigentum noch immer deutlich höher als vor dem ersten Zinsschritt im Juni 2022. "Das Neugeschäftsvolumen und damit der Eigentumserwerb dürfte die Höhen der Niedrigzinsphase daher nicht ohne Weiteres wieder erreichen", so die Studienautoren. 

Hinzu kommen hohe Kosten für Baumaterial, was die Entstehung neuer Wohneinheiten in Mehr- und Einfamilienhäusern drastisch dämpft. Schätzungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung vom Juli gehen davon aus, dass nach 295.000 neuen Wohneinheiten 2022 im laufenden Jahr im schlechtesten Fall nur 223.000 Einheiten fertiggestellt werden. 2024 könnten es sogar nur noch 177.000 sein. Der Plan der Bundesregierung liegt eigentlich bei jährlich 400.000 neuen Eigenheimen. 

Umsatzeinbußen in der Baufinanzierung

Diese Entwicklung belastet auch zunehmend das Geschäft von Banken und Sparkassen mit privaten Häuslebauern und Immobilienkäufern. "In der Baufinanzierung sind die fetten Jahre zunächst einmal beendet", folgert deshalb Bankmagazin-Autor Jan F. Wagner in der Titelgeschichte der Juli-August-Ausgabe. Dabei bescherte dieser Geschäftsbereich den Instituten in den Jahren der Niedrigzinsphase kräftige Umsätze: 

So hat zum Beispiel das Beratungshaus Barkow Consulting ausgerechnet, dass Banken und Sparkassen in diesem Segment jeweils zum März in den vergangenen acht Jahren ein Geschäftsvolumen zwischen 20 und 30 Milliarden Euro generierten. Hochgerechnet auf jedes der acht Jahre bedeutete die Baufinanzierung also ein Geschäft von einigen Hundert Milliarden Euro", schreibt Wagner. 

Mehr Effizienz in der Baufinanzierung nötig

Ulrich Hoyer, Partner beim Beratungshaus Zeb, geht davon aus, dass Banken und Sparkassen aufgrund der nicht zu erwartenden schnellen Erholung in diesem Bereich ihre Effizienz steigern müssen. "Das reduzierte Neugeschäft, die veränderte Kanalnutzung der Kunden und die kontinuierliche Prozessdigitalisierung führen zu einem deutlichen Veränderungsbedarf - sowohl auf der Marktseite als auch in den Marktfolgeeinheiten", sagt er gegenüber dem Bankmagazin. "Gleichzeitig muss die Flexibilität erhöht werden, um auf Marktschwankungen und Themen wie energetische Sanierung schnell reagieren zu können."

So berichtete unter anderem die "Immobilien Zeitung" Ende November, dass sich der zur ING gehörende Baufinanzierungsvermittler Interhyp von etwa 100 seiner rund 1.700 Mitarbeiter trennt, um sich an die geänderte Marktlage anzupassen. 

Bauzins muss nicht zwingend weiter steigen

"Doch könnte es für die Institute noch enger werden, wenn die EZB bei der Inflationsbekämpfung weiter an der Zinsschraube drehen wird?", fragt Bankmagazin-Autor Wagner. Mitte Juni hatte die Zentralbank den Leitzins auf vier Prozent angehoben. Dies führte zu einem Anstieg der Bauzinsen auf zwischen 3,9 und 4,5 Prozent. Ende Juli folgte ein erneuter Zinsschritt der EZB auf nunmehr 4,25 Prozent. 

Der stark gestiegene Bauzins führt dazu, dass sich viele Kunden das Bauen nicht mehr leisten können. Auch legen einige Privatinvestoren Bauprojekte auf Eis, weil die Nachfrage nicht mehr da ist", bewertet Dietmar Dertwinkel, Vorstand für das Privatkundengeschäft der Volksbank Münsterland Nord, die aktuelle Lage im Bankmagazin-Gespräch. 

Allerdings gehen laut Bankmagazin-Autor Wagner Branchenexperten nicht zwangsläufig von einem weiteren Anstieg des Bauzinses auf mehr als vier Prozent aus. Sie erwarten, dass sich das Geschäft auf dem derzeitigen Niveau, also der Hälfte des Rekordvolumens von 2022, stabilisiert. "Der Bauzins orientiert sich an der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe und diese hat nach den jüngsten Zinserhöhungen der EZB keinen großen Sprung nach oben gemacht", so Tomas Peeters, Vorstandsvorsitzender der Kreditvermittler-Gruppe Baufi 24, gegenüber dem Bankmagazin. 

180 Milliarden Baufi-Neugeschäft 2023 möglich 

Laut Peeters sei vorstellbar, dass die Institute 2023 rund 180 Milliarden Euro an Neugeschäft in der Baufinanzierung schreiben werden. "Das wäre ein Trost für deutsche Banken und Sparkassen. Schließlich machen Baukredite in der Regel die Hälfte aller Kredite eines gewöhnlichen Instituts aus", urteilt Wagner. 

Bitter bleibt das aktuelle Umfeld dagegen für Menschen, die eine Immobilie erwerben wollen. Nicht nur der kräftige Anstieg des Bauzinses, sondern auch die hohen Preise für Wohnobjekte vor allem in den Ballungsräumen und Metropolen sowie üppige Nebenkosten, die mit der Grunderwerbsteuer oder dem Notar verbunden sind, sowie hohe Effizenzstandards lassen für viele den Traum vom Eigenheim platzen. 

Mehr Innovation und KI im Baugewerbe

Ein Patentrezept, mit dem sich der Druck aus dem Immobilienmarkt nehmen lässt, gibt es nicht. Allerdings haben Branchenexperten eine Vielzahl möglicher Ansätze, die sich vor allem an die Politik richten: Angesichts einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung benötigt Deutschland laut der BVR-Analysten zum Beispiel deutlich höhere Investitionen in Innovation, Automatisierung und Produktivität. 

"Das gilt auch im Baugewerbe etwa hinsichtlich des seriellen Bauens oder anderer innovativer Methoden, die Zeit, Personal und Kosten einsparen könnten." Volksbank-Vorstand Dertwinkel plädiert im Bankmagazin beispielsweise für eine Standardisierung des Baus durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), um insbesondere dem Wohnungsbau zu helfen. 

Auch mehr finanzielle Anreize für den Hauskauf durch den Staat ist den Experten wichtig - etwa über Zulagen für Familien: "Der Staat könnte noch die Grunderwerbsteuer unter bestimmten Voraussetzungen streichen. Die Steuer könnte dann zum Beispiel entfallen, wenn wir es mit einer Familie mit Kindern und einem Hauspreis von bis zu 300.000 Euro zu tun haben", so Immobilienfachmann Peeters.

Abbau bürokratischer Hürden

Der BVR spricht sich zudem für den Abbau bürokratischer Hürden aus. Dies könne etwa durch die Angleichung der verschiedenen innerdeutschen Bauordnungen gelingen. Zudem verdeutliche das Gebäudeenergiegesetz aufgrund der damit verbundenen Kosten einen Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Umsetzbarkeit. Ein umfassender, einheitlicher und ausreichend hoher CO2-Preis sei das bessere Instrument, um Energieefizienz zu erreichen. 

"Die schädlichen Folgen der Treibhausgasemission würden internalisiert. Jedem bliebe die Wahl, welchen Teil zu welchem Preis einzusparen oder die Emissionskosten zu tragen", so die Studienautoren. 

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