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1984 | Buch | 4. Auflage

Ethnosoziologie

verfasst von: Prof. Dr. phil. Dieter Goetze, Prof. Dr. phil. Claus Mühlfeld

Verlag: Vieweg+Teubner Verlag

Buchreihe : Studienskripten zur Soziologie

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Zur Bestimmung des Stellenwertes einer Ethnosoziologie
Zusammenfassung
Es mag überraschen, wenn ein Text zur Einführung in die Ethnosoziologie explizit mit dem Versuch beginnt, den Stellenwert des Gegenstandes zu bestimmen, in den eingeführt werden soll. Fachkollegen, sowohl Soziologen, wie auch Ethnologen, werden diesem Vorgehen aber vermutlich Verständnis entgegenbringen und es als eine notwendige Auseinandersetzung betrachten, vor allem angesichts der Begriffswahl „Ethnosoziologie“. An diesem Punkt dient diese Abgrenzung des Inhalts auch der Entlastung des schlechten Gewissens der Verfasser. Dieses schlechte Gewissen ist nur allzu begründet, denn allein schon die gewählte Begrifflichkeit schafft Ambivalenzen, mindestens die zwischen Soziologie und Ethnologie, und weckt Erinnerungen, die z.T. schon verdrängt schienen, nämlich an die Arbeiten von R. THURNWALD (1931 – 1935), in denen explizit von “ethno-soziologischen” Grundlagen menschlicher Gesellschaft die Rede ist.
Dieter Goetze, Claus Mühfeld
2. Theorien und Schulen
Zusammenfassung
Die theoretische Bestimmung des Gegenstandes der Ethnosoziologie, also der sozialen und kulturellen Gegebenheiten und Phänomene in vorkapitalistischen und vorstaatlichen Gesellschaften, ist niemals frei von Kontroversen gewesen. Noch viel intensiver als in der Soziologie selbst sind in der Ethnosoziologie der Niederschlag und die Konsequenzen der verschiedenen theoretischen Debatten in der Ethnologie, der Soziologie, der (amerikanischen) „cultural anthropology„ und der (britischen) “social anthropology“, sowie des (französischen) Strukturalismus spürbar, die — um nur einige Beispiele zu nennen — insofern ihre Spuren hinterlassen haben, als sie einerseits allesamt Beiträge zur theoretischen Erklärung relevanter Erscheinungen leisten wollten und geleistet haben, andererseits aber auch — oft durchaus gewollt — Gräben aufgerissen haben, die die theoretischen Verständigungsmöglichkeiten äußerst erschwerten.
Dieter Goetze, Claus Mühfeld
3. Forschungsmethoden der Ethnosoziologie
Zusammenfassung
Das Selbstverständnis sowie die Ausrichtung ihres Instrumentariums gliedert die Ethnosoziologie nicht aus dem Bereich der empirischen Sozialwissenschaften aus, in einem gewissen Umfang wird man mit der Problematik der Feldforschung kontextspezifischer konfrontiert. 1) Der Methodenpluralismus entlastet die Ethnosoziologie keineswegs, die möglichen Verzerrungen durch die Forschungstechniken treten akzentuierter hervor, geht es doch primär um die Problematik kulturellen Fremdverstehens, die den Forscher mit den Sinnhorizonten (HUSSERL) seiner Kultur und Lebenswelt konfrontiert und Interpretationen veranlaßt, die bewußte Distanz zu Erkenntnisobjekt und dem Hintergrundphänomen des Alltagswissens voraussetzt.
Dieter Goetze, Claus Mühfeld
4. Ethnosoziologie der Wirtschaft
Zusammenfassung
Mit diesem Kapitel zu ökonomischen Fragestellungen werden gleichzeitig die Grundlagen geschaffen für die nachfolgende Erörterung politischer, verwandtschaftlicher, religiöser und anderer Zusammenhänge, die fast alle in irgendeiner Form in Verbindung gebracht werden können mit dem Diskussionsstand, der sich um die ökonomischen Sachverhalte herausgebildet hat. Die grundlegende Bedeutung der wirtschaftlichen Prozesse in den hier behandelten Gesellschaften und deren kulturellen Regelungen ergibt sich zunächst aus dem stofflichen Inhalt dieser Prozesse, nämlich der Produktion und Verteilung der gesellschaftlich existenznotwendigen und kulturüblichen Lebensmittel. Damit ist vorerst die Subsistenz der betreffenden ethnischen Gruppe und deren Sicherung festgelegt als Ziel der ökonomischen Transaktionen, was allerdings nur als vorläufige Bestimmung dienen soll. 1)
Dieter Goetze, Claus Mühfeld
5. Ethnosoziologie der Politik
Zusammenfassung
Im Zusammenhang mit der Diskussion ökonomischer Phänomene, insbesondere auf der Ebene der Austauschbeziehungen, ist schon auf die Bedeutung der relevanten politischen Regelungen hingewiesen worden. Damit ist auch die intensive Verflechtung von „Politik“ und „Ökonomie“ in den hier behandelten Gesellschaften deutlich geworden, die nicht nur den besonderen Charakter derselben deutlich macht, sondern auch erhebliche analytische Schwierigkeiten bereitet hat. An mindestens drei Stellen wird die wechselseitige Funktionalität von „Ökonomie“ und „Politik“ erkennbar: zum einen machen die über entsprechende Subsistenztechnologie und soziale Austauschbeziehungen gewonnenen „Überschüsse“ in der Produktion die Freisetzung und Spezialisierung von Personen für soziale Positionen möglich, deren Geschäft explizit „Politik“, bzw. entsprechende Tätigkeit, ist. Zum anderen tragen diese sozialen Positionen und deren explizite Sanktionsbefugnisse entscheidend dazu bei, die genaue Verwendung dieser „Überschüsse“ festzulegen und zusätzliche auf Dauer erbringen zu lassen. Schließlich sichern alle Maßnahmen, die im Zuge dieser Reglementierungen vorgenommen werden, auch die Weiterexistenz der gesellschaftlichen Gruppe, die von ihnen betroffen ist nach außen, d.h. im Verhältnis zu anderen analogen oder übergeordneten, bzw. fremden Gruppen. Eine solche Veranschaulichung der Funktionsverflechtungen ist — obwohl Bestimmungen eines Gegenstandes über seine Wirkungen eigentlich nicht sehr hilfreich sind — geeignet, aufzuzeigen, wie schwierig es ist, sinnvoll „Politik“ in Gesellschaften abzugrenzen, in denen es einen solchen besonderen „politischen“ Bereich nicht gibt. Für unsere Zwecke mag er vorläufig festgelegt werden, als die Gesamtheit aller Regelungen und Ordnungen in einer sozialen Gruppe (Gesellschaft), die nach innen hin die sozialen Beziehungen, nach außen hin die Existenzbedingungen gegenüber anderen Gruppen gewährleisten sollen.
Dieter Goetze, Claus Mühfeld
6. Familie, Inzest und Verwandtschaftsformen
Zusammenfassung
In seinem berühmten Essay “Die Gabe” kennzeichnet Marcel MAUSS (1978) diese als totale, soziale Institution, die zur systematischen Erleichterung des sozialen Verkehrs führt und schließt die Verwandtschaftsbeziehungen in diesen Prozeß mit ein. „Das Kind (ein mütterliches Gut) ist also das Mittel, wodurch sich die Güter der mütterlichen Familie gegen die der männlichen Familie austauschen lassen. Und wenn man feststellt, daß das Kind, da es bei seinem Onkel mütterlicherseits lebt, offensichtlich ein Recht hat, dort zu leben, und folglich ein allgemeines Recht auf den Besitz des Onkels, so erkennt man, daß dieses System des ‘fosterage’ dem Recht sehr ähnlich zu sein scheint, das in Melanesien dem mütterlichen Neffen auf die Besitztümer seines Onkels allgemein zugestanden wird“.1) Verwandtschaft scheint in der Sprache von M. MAUSS dem Phänomen eines „fait social total“ (totale soziale Institution) sehr nahe zu kommen, denn mit dieser Begrifflichkeit werden gesellschaftliche, religiöse, ökonomische, rechtliche, moralische und emotionale Befindlichkeiten umschrieben, allgemeine und spezielle Normen einer Gesellschaft gekennzeichnet.
Dieter Goetze, Claus Mühfeld
7. Ethnische Minoritäten
Zusammenfassung
Vom Forschungsinteresse her mag die Thematik nicht eindeutig einordbar erscheinen, da die Schwerpunktsetzungen oft von politischen Ereignissen bestimmt sind. Besonders im Anschluß an den Antisemitismus in seiner nationalsozialistischen Variante versuchte man Erklärungsansätze in Verbindung mit Persönlichkeitstheorien zu entwickeln, bei denen das Minoritätenproblem vereinfachend auf Stereotypen, Vorurteile etc. reduziert oder auch auf Nationalcharakterstudien eingeengt wurde. So wichtig für die empirische Sozialforschung die Untersuchungen zur autoritären Persönlichkeitsstruktur auch waren (ADORNO et.al. 1950), der Vielschichtigkeit des Themas konnten sie nur bedingt entsprechen, denn gerade die Ethnosoziologie muß vor holzschnittartigen Argumentationen warnen, die in der Thematik bei einer Zentrierung des Problems auf Vorurteile und ihre (macht-)politische Umsetzbarkeit begründet liegen. Ob z.B. die F-scale zur Eruierung autoritärer Persönlichkeitsstrukturen zureicht, muß zumindest nach den Ergebnissen des Milgram-Experimentes als problematisch eingestuft werden. 1)
Dieter Goetze, Claus Mühfeld
8. Religion, Magie und normative Ordnung
Zusammenfassung
Die ethnosoziologische Faszination mit dem Phänomen der Religion und ähnlichen Erscheinungen hat augenblicklich mit der Herausbildung der charakteristischen Fragestellungen eingesetzt. Sie läßt sich dementsprechend bereits im klassischen Evolutionismus des 19. Jhdts. als ein zentrales Thema nachweisen, dem gerade im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der evolutionären Karrieren und „Ursprünge“ von Institutionen besonderes Gewicht beigemessen wurde. Das kann nun nicht weiter erstaunen angesichts der bereits erwähnten Besonderheit des Evolutionismus‘, sich von theologischen Erklärungen menschlicher Kultur und -entwicklung lösen zu wollen — da mußte Religion zwangsläufig einen be — sonderen Stellenwert gewinnen. Ein großer Teil des Werkes von E.B. TYLOR (1871) befaßt sich folgerichtig mit der Evolution von Religion und TYLORs Theorie dieser Evolution ist über lange Zeit hinweg ein nicht wegzudenkender Bezugspunkt der späteren Diskussionen gewesen. Unter Zugrundelegung transkultureller Vergleiche bildete TYLOR eine Skala, die am einen Ende mit dem frühesten Stadium der rationalen Folgerung auf die Existenz von Geistern durch den „primitiven Menschen“ („Animismus“), am anderen Ende mit dem entwickelten Stadium des Monotheismus der Hochkulturen bezeichnet ist. Zwischen diesen Endpunkten sind zahlreiche Zwischenstadien angesiedelt: z.B. Vorstellungen der Seelenwanderung und die Grundidee eines Lebens nach dem Tode, der Glaube an die Besetzung von Dingen (Pflanzen, Steinen, Tieren) mit Geistern, die Vorstellung von Wächtergeistern, die den Menschen helfen, die Herausbildung eines Glaubens an ein Götterpantheon mit funktional spezialisierten Einzelgottheiten (Polytheismus, usw.).
Dieter Goetze, Claus Mühfeld
Backmatter
Metadaten
Titel
Ethnosoziologie
verfasst von
Prof. Dr. phil. Dieter Goetze
Prof. Dr. phil. Claus Mühlfeld
Copyright-Jahr
1984
Verlag
Vieweg+Teubner Verlag
Electronic ISBN
978-3-322-94923-3
Print ISBN
978-3-519-00123-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-94923-3