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2024 | Buch

Handbuch Politik USA

herausgegeben von: Christian Lammert, Markus B. Siewert, Boris Vormann

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Über dieses Buch

Zum Ende der Amtszeit Joe Bidens als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wurde dieses Handbuch grundlegend überarbeitet, aktualisiert und erweitert. In den einzelnen Aufsätzen legen ausgewiesene Expertinnen und Experten der sozialwissenschaftlichen USA-Forschung die grundlegenden Strukturen, Akteure und Mechanismen der US-amerikanischen Politik dar, und verorten diese kritisch in ihrem historischen Kontext. Die 49 Beiträge bieten somit eine problemorientierte Einführung in das politische System der USA.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung Handbuch Politik USA

Frontmatter
Demokratie in Amerika: Zwischen Zerfall und Rekonsolidierung

Der Artikel ordnet Joe Bidens erste Amtszeit in die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung in den USA ein und kontrastiert die unterschiedlichen politischen Ansätze der Administrationen Biden und Trump. Die jüngsten politischen Entwicklungen werden im Kontext der multiplen sozialen, ökonomischen und politischen Probleme in den USA diskutiert und auch die Wirkungen innenpolitischer Probleme auf die Außenpolitik und die Stellung der USA in der liberalen Weltordnung skizziert.

Christian Lammert, Markus B. Siewert, Boris Vormann

The Liberal Tradition in America: Gesellschaft und Ideologie

Frontmatter
American Exceptionalism. Vom Exzeptionalismus der Werte zu einem Exzeptionalismus der Stärke

American Exceptionalism ist ein Begriff, der sich seit dem 2. Weltkrieg, und insbesondere mit Beginn dieses Jahrhunderts, in Politik und Wissenschaft eingebürgert hat, um die Idee einer historischen Sonderrolle der USA zum Ausdruck zu bringen. Mit dem Begriff kann sowohl gemeint sein, dass sich die USA von Anfang an in einer Reihe von signifikanten Merkmalen von anderen Nationen unterschieden haben, als auch, dass sie aufgrund einer Reihe von Eigenschaften einzigartig sind und sich darin anderen Nationen als überlegen erwiesen haben – eine Überlegenheit, die politischer, moralischer, ökonomischer oder auch militärischer Art sein kann. Der exzeptionalistische Anspruch stützt sich auf einen reichhaltigen Korpus von amerikanischen Selbstbeschreibungen, die vom puritanischen Bild einer city upon a hill über imperiale Selbstrechtfertigungen wie der eines Manifest Destiny, der Beschreibung kontinentaler Expansion als offenkundiger Bestimmung der USA, bis in die Gegenwart reicht, in der sich die USA als indispensible nation sehen, als eine für den Weltfrieden unentbehrliche Nation. Die Konjunktur des Begriffs nach dem 2. Weltkrieg hat zu einer „exzeptionalistischen“ Geschichtsschreibung geführt, die das nationale Selbstbild bis heute stark prägt. Sie hat die amerikanische Außenpolitik maßgeblich beeinflusst und ist in den letzten Jahren zunehmend zu einem Bezugspunkt auch innenpolitischer Auseinandersetzungen geworden. Damit stellt sich aktuell die Frage, welche Rolle dem Konzept amerikanischer Exzeptionalität in der Präsidentschaft von Donald Trump zugekommen ist und nunmehr auch in der seines Nachfolgers Joseph Biden.

Winfried Fluck
Religion in der US-amerikanischen Politik

Im Laufe ihrer Geschichte haben die USA eine ganz eigentümliche Form von Religiosität entwickelt, die eng mit der Entstehung ihrer nationalen Identität gekoppelt war und ist. In einem komplexen, mehrfach dialektischen Spannungsfeld von calvinistischer Erweckungsreligiosität, protestantischem Mainstream, Katholizismus, Judentum, Säkularismus und Minderheitenreligionen kam es zu einer einzigartigen Fülle rivalisierender und sehr lebendiger religiöser Angebote, die sowohl politisch als auch kulturell und gesellschaftlich Wirkung entfalteten, ohne aber je Gefahr zu laufen, eine Form von Staatskirchentum hervorzubringen.

Michael Hochgeschwender
Geschichte und Struktur sozialer Bewegungen in den USA

Das Kapitel präsentiert die Eigenheiten US-amerikanischer Konflikttraditionen und sozialer Bewegungen im Kontext der spezifischen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungsbedingungen der USA. Es fokussiert auf einige zentrale progressive wie rechte Bewegungskomplexe, um jeweilige Mobilisierungen im Kontext polit-ökonomischer Entwicklungen transparent zu machen und dadurch typische Merkmale US-amerikanischer Protestbewegungen zu verdeutlichen: ihre Verankerung in der libertär-individualistischen Kultur, ihre Orientierung auf Gleichberechtigung innerhalb des liberalen Paradigmas, ihre starke Ausrichtung auf Single Issues, das vergleichsweise schnelle Erstarken sowie relativ leichte Hineinwirken in die politischen Institutionen.

Margit Mayer
Der institutionelle Aufbau des amerikanischen Parteiensystems: Garant der Dominanz der Großparteien?

Der Aufbau US-amerikanischer Parteien ist grundsätzlich anders als der ihrer europäischen Pendants. Strukturell erheblich schwächer aufgestellt, kontrollieren sie nicht einmal die eigene Kandidatenwahl. Als Wahlkampfdienstleister leisten die Organisationen der beiden Großparteien auf der nationalen Ebene sowie innerhalb der Einzelstaaten jedoch wichtige Arbeit, während externe Gruppierungen und Kleinspender in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen haben. Auch wenn die innere ideologische Geschlossenheit der Parteien stärker wird, bietet ihre vergleichsweise lose Konstitution weiterhin genügend Einfallstore für Außenseiter und Strömungen, um eine wettbewerbsfähige Drittpartei zu vermeiden.

Philipp Adorf
Populismus in den Vereinigten Staaten von Amerika

Die Vereinigten Staaten sind die Wiege des Populismus. Er entstand aus Konflikten zwischen einer Farmer-Arbeiter-Koalition und der Regierung in Washington D.C. Die Wurzeln dieser Fehden reichen jedoch bis in das 17. Jahrhundert zurück. In seiner Reinform war der Populismus ökonomischer Natur und weder klar als rechts noch als links zu verorten. In seiner rechten Form kam jedoch spätestens seit den 1950er-Jahren eine kulturelle Dimension hinzu, die mitunter nativistische Züge aufweist. Das politische Establishment und die progressive Kultur gelten bis heute als Hauptgegner. Im linken Populismus wird vor allem gegen die Finanzelite sowie eine korrumpierte politische Klasse agitiert – diese hätten einen Verrat am Volk und dem amerikanischen Traum begangen.

Michael Oswald
Politische Theorie und demokratisches Selbstverständnis

Der Beitrag gibt einen Überblick über wichtige Strömungen und Themen in der politischen Theorie der USA und skizziert ihre Stellung in der US-amerikanischen Politikwissenschaft und Gesellschaft. Die politische Theorie ist eng mit dem demokratischen Selbstverständnis der USA verbunden. Zugleich bewegt sie sich in einem internationalen Kommunikations- und Wirkungshorizont. Thematisch stehen die Begründung und die kritische Reflexion einer demokratischen Idee des politischen Liberalismus im Zentrum der US-amerikanischen politischen Theorie. Zu den wichtigsten Entwicklungstendenzen der aktuellen Debatte gehören theoretische Auseinandersetzungen mit den zentralen Herausforderungen der US-amerikanischen Demokratie und entsprechende Krisendiagnosen einerseits und Versuche einer Globalisierung der politisch-theoretischen Perspektive andererseits.

Hans-Jörg Sigwart
Neoliberalismus in den USA von Reagan bis Biden

Ausgehend von einer Erörterung der historischen Ursprünge und theoretischen Grundlagen des Neoliberalismus analysiert der vorliegende Beitrag zunächst die Neoliberalisierungsprozesse der US-amerikanischen Gesellschaft von der Reagan-Ära bis zum Vorabend der Finanzkrise 2008. Auf dieser Grundlage wird zunächst diskutiert, inwiefern sich die Finanzkrise auch als Krise des Neoliberalismus verstehen lässt und ob es zu entsprechenden politischen Reformen als Reaktion auf diese Krise gekommen ist. Im abschließenden Teil werden die wirtschaftspolitischen Maßnahmen und Reformen der Administrationen von Donald Trump und Joe Biden beleuchtet. In beiden Fällen stellt sich die Frage, ob hier tatsächlich eine (partielle) Abkehr von neoliberaler Politik zu verzeichnen ist, was im einen Fall plausibler erscheint als im anderen.

Thomas Biebricher
Sozialstruktur der USA: Soziale Mobilität zwischen Mythos und Realität

Die Sozialstruktur einer Gesellschaft zeigt uns spezifische Entwicklungsdynamiken in der Zusammensetzung der Gesellschaft nach unterschiedlichen Kriterien, die auch wichtig sind für das Verständnis der Politik und die auch die Grundlage zahlreicher Politikfelder wie z. B. der sozial- und Gesundheitspolitik, aber auch der Arbeitsmarktpolitik ist. Der folgende Artikel gibt einen kurzen Einblick in die Sozialstruktur der US-amerikanischen Gesellschaft der Gegenwart.

Christian Lammert

Checks and Balances: Institutionen, Akteure und Strukturen

Frontmatter
Die verfassungspolitischen Grundlagen des amerikanischen Regierungssystems

Die Entstehung der Verfassung der Vereinigten Staaten war von einer heftigen Debatte über das richtige Republikanismus-Verständnis, die Reichweite des Föderalismus, die konkrete Umsetzung der Gewaltenteilung begleitet. Die Verfassung selbst stellt sich als ein „Bündel von Kompromissen“ dar, in dem die divergierenden Interessen zum Ausgleich gebracht wurden. In dieser Kompromissfähigkeit der Verfassungsväter und in einer flexiblen Auslegung der Verfassung liegt wohl auch deren Anpassungsfähigkeit begründet.

Barbara Zehnpfennig
Zentralisierungsdynamiken des US-amerikanischen Staatsapparats

In jüngerer Vergangenheit hat eine politikwissenschaftliche Renaissance der Staatstheorie und empirisch-historischen Staatsanalyse eingesetzt, die oft unter dem Label American Political Development (APD) firmiert. In diesem interdisziplinären Feld wird, entgegen der Tradition des US-Exzeptionalismus, die Bedeutung des Zentralstaats seit der frühen Republik herausgestellt. Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Debatten undersucht der vorliegende Beitrag staatliche Interventionsmuster seit den Anfängen und hebt gewisse Kontinuitäten, vor allem militärischer und kommerzieller Natur hervor.

Boris Vormann
US-amerikanische Staatlichkeit zwischen Polizeistaat, Rechtstaat und Sozialstaat

Dieser Beitrag zeigt auf, dass der amerikanische administrative Staat in der Tradition der frühneuzeitlichen europäischen Polizeiwissenschaft gesehen werden muss. Die klare Trennlinie zwischen Polizeistaat und Rechtsstaat, die von der liberalen politischen Theorie, welche auch für die amerikanische Verfassung Pate stand, gezogen wurde, und die auch heute noch von konservativen KritikerInnen bedient wird, erweist sich bei näherer Untersuchung als hochgradig problematisch. Der administrative Staat ist demnach gleichermaßen Rechtsstaat, Polizeistaat und Sozialstaat. Darüber hinaus legt dieser Beitrag dar, dass sich der administrative Staat in den USA vor dem Hintergrund einer Krise des frühen industriellen Kapitalismus formierte und seither sowohl eine Krisenlösung als auch ein Krisenproblem darstellt, das auf das Engste mit der ökonomischen, sozialen und politischen Krisenhaftigkeit des Kapitalismus verwoben ist.

Markus Kienscherf
Der Kongress – Die legislative Gewalt im Belagerungszustand

So alt wie der Kongress selbst sind auch die Parteien bzw. die Fraktionen, in denen sich die Abgeordneten und Senatoren der beiden Kammern der „First Branch of Government“ organisieren. Während zum Ende des 19. Jahrhunderts von Woodrow Wilson ebenso wie in der Mitte des 20. Jahrhunderts von der American Political Science Association ein more responsible party-system nach dem Modell parlamentarischer Demokratien gefordert wurde, wird heute im Zeitalter der Polarisierung bezogen auf den Kongress die Existenz von starken und homogenen Parteien kritisiert, die den Gesetzgebungsprozess lähmen. Nach einer verfassungsrechtlichen Einordnung legt der Beitrag seinen Schwerpunkt auf die Bedeutung von Parteien bzw. von Fraktionen für die Arbeit des Kongresses.

Christoph M. Haas
Präsident: Möglichkeiten und Grenzen präsidentieller Führung

Dieser Beitrag zeigt auf, unter welchen Bedingungen und mit welchen Strategien und Instrumenten der US-Präsident eine Führungsposition im politischen Prozess einzunehmen vermag. Dabei werden die Möglichkeiten und Grenzen präsidentieller Führung vor allem aus zwei Perspektiven betrachtet: Zum einen mit Blick auf die grundlegende Funktionslogik der „separated institutions sharing and competing for powers“ im politischen System der USA. Zum anderen in Bezug auf die Hyperpolarisierung, welche den Konflikt um die Frage der präsidentiellen Führung in den vergangenen Dekaden verschärft. Der Beitrag geht dabei auf die verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Präsidenten ein und beleuchtet die Position des Präsidenten in drei zentralen Politik-Arenen: der exekutiven, legislativen und öffentlichen Arena.

Markus B. Siewert
Der Supreme Court – dritte Gewalt unter drei Gleichen

Der Supreme Court gilt als das älteste und zugleich mächtigste Verfassungsgericht der Welt, dessen Entscheidungen immer wieder weitreichende politische Konsequenzen gehabt haben. Oftmals treten die Urteile sogar als Ersatz an die Stelle ausbleibender Entscheidungen der politischen Gewalten. Umgekehrt steht das Gericht daher auch in der Kritik der Öffentlichkeit. Untersucht werden Aufbau, Funktionsweise und Urteilsfindung des Supreme Court im Rahmen des politischen Systems der USA.

Michael Dreyer
Das Militär: Herausforderungen demokratischer Kontrolle und das zivil-militärische Verhältnis in den USA

Das Militär in den USA nimmt eine hervorgehobene Stellung in der Außen- und Sicherheitspolitik ein. Der vorliegende Beitrag stellt zunächst die verfassungsrechtlichen Prinzipien dar, die auch für den Bereich des Militärs eine demokratische Kontrolle im Rahmen von checks and balances vorsieht. Neben den institutionellen und gesetzlichen Strukturen nimmt der Beitrag drei Herausforderungen demokratischer Kontrolle in den Fokus: i) die Auseinandersetzungen um die war powers zwischen Präsident und Kongress, ii) die Verzahnung wirtschaftlicher, politischer und bürokratischer Akteure im sogenannten „militärisch-industriellen Komplex“; und iii) die Friktionen im zivil-militärischen Verhältnis. Es zeigen sich dabei eine in der Tendenz zunehmende Machtkonzentration bei der Exekutive, die Politisierung der Außen- und Sicherheitspolitik, die auch auf die zivil-militärischen Beziehungen übergreift sowie die nach wie vor erhebliche politische und wirtschaftliche Bedeutung des Militärs für die Gesellschaft der USA insgesamt.

Florian Böller
Das föderale System der USA: Vom losen zum engen aber polarisierten Bund

Die USA mit ihrer noch gültigen Verfassung von 1789 können nicht nur als die älteste kontinuierliche Republik, sondern auch den ältesten modernen Bundesstaat gelten. Das Alter der Bundesverfassung erinnert eine revolutionäre Errungenschaft, die mehr als zwei Jahrhunderte zurückliegt. Sie bedeutet jedoch auch Herausforderungen an die Anpassungsfähigkeit insbesondere der Bundesebene und der föderalen Kompetenzverteilung, zumal die US-Verfassung außergewöhnlich hohe Hürden zur Abänderung vorsieht. Der Beitrag behandelt die strukturellen und funktionalen Grundzüge der föderalen Ordnung der USA. Er geht auch auf Entwicklungsdynamiken zwischen Regierungsebenen und einige Herausforderungen im US-Föderalismus ein, die in einem Verfassungsrahmen ablaufen, der bis heute weitgehend gleich gebliebenen ist.

Jared Sonnicksen
Metropolregionale Akteure

Abgesänge auf den Nationalstaat gingen nach Ende des Kalten Krieges oft einher mit dem Verweis auf erstarkende globale Städte und subnationale Regionen. Die Globalisierung schien Regionalismen ökonomisch und politisch zu begünstigen. Dieses Kapitel befasst sich historisch einordnend mit der Frage, inwiefern globale Metropolregionen in den USA tatsächlich eine eigenständige Regionalpolitik und eigene politische Institutionen entwickelt haben, um den neuen Realitäten globaler Märkte im 21. Jahrhundert zu begegnen.

Boris Vormann
Die lokale Regierungsebene

Die Kommunalpolitik genießt in den Vereinigten Staaten von Amerika als Versuchsraum der Demokratie hohes öffentliches Ansehen. Auch wenn sich die Vielfalt kommunalpolitischer Strukturen im Laufe des vergangenen Jahrhunderts weitgehend erhalten hat, bergen jedoch Kompetenzverlagerungen neben einem Steuerungsverlust die Gefahr, die Funktion der Kommunalpolitik als Ort demokratischer Partizipation und als Legitimationsquelle demokratischer Politik zu unterlaufen. Auf eine Erläuterung der wichtigsten Strukturen und Prozesse der kommunalen Ebene folgt ein Überblick über die historischen Entwicklungstendenzen der Kommunalpolitik im Kontext einer sich wandelnden föderalen Ordnung.

Boris Vormann, Christian Lammert

Et pluribus unum? Öffentlichkeit und Teilhabe

Frontmatter
Amerikanische Öffentlichkeit und ihre Infrastrukturen

Der Begriff der Öffentlichkeit ist zentral für die Analyse der modernen, amerikanischen Gesellschaft. An ihm kristallisieren sich exemplarisch gesellschaftliche Aushandlungsprozesse über demokratische Teilhabe, politische Willensbildung und die technologischen Grundlagen von öffentlicher Kommunikation. Dieser Beitrag behandelt die Medien und Infrastrukturen dieser Öffentlichkeit in den USA seit dem 19. Jahrhundert in Bezug auf Journalismus und soziale Medien der Gegenwart. Im ersten Teil wird die Anfangsphase der Massenpresse als eine grundlegende Konstellation der journalistischen Öffentlichkeit erläutert, die mit dem Aufkommen des Internet und der sozialen Medien seit Beginn der 2000er-Jahre in eine fundamentale Krise geraten ist. Im zweiten Teil wird dann der problematische Charakter von sozialen Medien diskutiert, die sich als neutrale Plattformen für die Vermittlung von Kommunikation zwischen einzelnen Nutzer_innen sehen, jedoch gleichzeitig eine algorithmen- und datenbasierte Infrastruktur der digitalen Öffentlichkeit schaffen, in der Journalismus nur noch ein Akteur unter Vielen ist.

Christoph Raetzsch
Die Medien in den USA: Spannungsfelder und Wandlungsprozesse

Die Rolle der Medien im politischen System der USA kann nicht mit einer einheitlichen Definition erfasst werden. Die Verfassung fordert lediglich eine Presse, die sich ohne staatlichen Einfluss frei entfalten soll. Durch technologischen, kulturellen und gesellschaftlichen Wandel treten so im Laufe der Zeit unterschiedliche Aspekte verstärkt in den Vordergrund, welche das US-Mediensystem maßgeblich prägen. Im Zuge der Digitalisierung und der Umstrukturierung des Medienmarktes vollzog sich zuletzt eine Fragmentierung einstiger gesamtgesellschaftlicher Begegnungsräume, hin zu einer zunehmend politisierten Medienlandschaft. Die Rolle der Medien im politischen System der USA wird hier in Anbetracht derartiger Spannungen und in Hinblick auf drei gesellschaftspolitische Themenfelder untersucht: den US-amerikanischen Pluralismus, den marktwirtschaftlichen Liberalismus und das Verhältnis zwischen Medien und politischem Betrieb. Dabei werden jeweils Wandlungsprozesse und historische Kontexte aufgezeigt und erläutert.

Curd Knüpfer
Ungleichheiten und die US-amerikanische Demokratie
Demokratie und Ungleichheit in den USA

Dieser Beitrag erläutert die Entwicklung sozialer, politischer und ökonomischer Ungleichheiten in den Vereinigten Staaten von Amerika im Laufe des 20. und 21. Jahrhunderts. Er leistet einen Überblick über die empirischen Details und die entscheidenden Faktoren und Dynamiken wachsender sozio-ökonomischer Ungleichheiten und bespricht deren Auswirkungen auf politische Prozesse. Wir argumentieren, dass die neuen Ungleichheiten nur erklärt werden können, wenn jüngere neoliberale Entwicklungstendenzen zusammengedacht werden mit ungelösten strukturellen Problemen des demokratischen Systems in den Vereinigten Staaten. Dabei betonen wir, in welcher Weise ökomische und politische Ungleichheiten miteinander einher gehen und wie sie die US-amerikanische Demokratie bedrohen.

Christian Lammert, Boris Vormann
Rassismus und Segregation

Rassismus und Segregation sind Entwicklungen der Moderne: Exportiert aus Europa im Siedlungskolonialismus und dem transatlantischen Sklav*innenhandel, entwickelten die britischen Kolonien ab Mitte des siebzehnten Jahrhunderts ein ökonomisches, soziokulturelles und gesetzliches Rahmenwerk zur Rassifizierung und Hierarchisierung sozialer Gruppen, dessen Echo auch im 21. Jahrhundert zu vernehmen ist. Zugleich erreichte insbesondere die Schwarze Befreiungsbewegung des 20. Jahrhunderts revolutionäre Erfolge gegen Segregation und systematische Diskriminierung, auch, indem Aktivist*innen das Paradoxon zwischen liberal-demokratischen Idealen und rassifizierter Gesellschaftsordnung offen legten.

Rebecca Brückmann
Democrats und die GOP: Historische Entwicklung der Parteien und ihre heutigen Herausforderungen

Trotz Alternativen und Unzufriedenheit in der US-Bevölkerung ist die Dominanz der beiden Großparteien in den USA ungebrochen. In der Vergangenheit oft als profillose Patronageparteien deklariert, weisen die Demokraten und Republikaner heutzutage klare ideologische Unterschiede auf, unterscheiden sich in ihrer Wählerbasis und stehen sich in einem polarisierten Parteiensystem bei den meisten wichtigen politischen Themen nahezu diametral gegenüber. Dies ist insbesondere die Folge einer ideologischen Neuausrichtung der beiden Parteien seit dem Zweiten Weltkrieg und dem Wechsel der amerikanischen Südstaaten-Wähler aus dem Demokratischen in das Republikanische Lager. Diese Entwicklungen erschweren eine parteiübergreifende Zusammenarbeit, insbesondere die zunehmend rechtspopulistische und illiberale Ausrichtung der Republikanischen Partei entwickelt sich zu einer Belastung für die amerikanische Demokratie.

Sarah Wagner, Philipp Adorf
Soziale Bewegungen der Gegenwart: Progressive und rechte Bewegungen

Das Kapitel präsentiert die aktuelle Bewegungslandschaft in den USA: es untersucht progressive wie erstarkende rechte Bewegungen im Kontext ihrer gesellschaftspolitischen Bedingungen und ihrer Beziehungen zum Parteiensystem. Von der Sanders-Mobilisierung, über die sich gegen Trump formierenden Protestbewegungen, bis hin zur Black Lives Matter-Bewegung erlebten progressive Bewegungen z. T. nie dagewesene Mobilisierungen und Effekte in der Öffentlichkeit sowie im politischen System. Auch die Faktoren, die zu deren Demobilisierung beigetragen haben, werden untersucht. Am anderen Ende des politischen Spektrums stellt das Kapitel Aufstieg und Radikalisierung neu aufgetretener rechtsextremer Organisationen sowie ihre jeweiligen Agenden dar. Dabei werden neue Konfliktlinien und Veränderungen im Bewegungssektor deutlich, die eine Abkehr von den Versprechen des ‚Amerikanischen Traums‘ verkünden.

Margit Mayer
Die Christliche Rechte und die Republikanische Partei

Der vorliegende Beitrag beleuchtet das Verhältnis von Religion und Politik in den USA anhand der Allianz zwischen der Christlichen Rechten und der Republikanischen Partei seit den 1980er-Jahren. Es werden sowohl historische Vorläufer, vor allem der Einfluss der countercultural revolution der Long Sixties auf das Aufkommen des Neo-Evangelikalismus, und aktuelle Entwicklungen, besonders das Erstarken des Weißen Christlichen Nationalismus unter Obama und Trump, erläutert.

Maren Freudenberg
Gewerkschaften

Über die Hälfte der nicht-organisierten Beschäftigten in den USA wünschten sich eine Gewerkschaft. Doch 2022 sank der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder weiter auf nur noch 10,1 % insgesamt und in der Privatwirtschaft auf 6 %. Hauptgrund für die Diskrepanz sind die im Vergleich zu beinahe allen anderen westlichen Industrieländern schwierigen Organisationsbedingungen der US-Gewerkschaften. Zu den historisch gewachsenen kulturellen, rechtlichen, institutionellen und politischen Hürden kommen organisatorische Schwächen der Gewerkschaften selbst.

Thomas Greven
Politik in der Krise? Polarisierungstendenzen im politischen Prozess der USA

Polarisierung gehört seit über zwanzig Jahren zu den am meisten diskutierten politischen Phänomenen in den USA. Doch was zeichnet Polarisierung aus und wo liegen deren Ursachen? Dieser Artikel entwickelt eine Definition von Polarisierung und sieht deren Ursachen in einer Vielzahl von Faktoren, u. a. in der programmatischen Entwicklung der beiden großen Parteien und dem Aufstieg des Populismus, den ideologischen Positionen in Teilen der Gesellschaft, dem Zuschnitt der Wahlkreise und den Regeln und Verhaltensweisen im US-Kongress. Die möglichen Folgen für das politische System der USA werden abschließend erörtert.

David Sirakov
Umkämpftes Wahlrecht und reformbedürftiges Mehrheitswahlsystem

Die Akzeptanz von Wahlergebnissen und der friedliche Machtwechsel sind in den USA keine demokratische Selbstverständlichkeit mehr – und waren es nie. Der Beitrag zeichnet die umkämpfte Entwicklung des Wahlrechts dar, in der Phasen seiner Ausweitung immer auch von Versuchen der Beschränkung und Diskriminierung begleitet waren. Ein auslösender Faktor für die Ungleichzeitigkeit und Vielfalt der Wahlsysteme ist die extrem dezentralisierte Struktur US-amerikanischer Wahlen, in der die Einzelstaaten über weitreichende Gesetzgebungsbefugnisse verfügen und der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis sparsamen Gebrauch macht, weil er einen politischen Konsens nur in Ausnahmefällen herbeiführen kann. Das führt zu dem Paradox, dass zwar einerseits unzählige kleinere Reformen auf einzelstaatlicher Ebene ausprobiert wurden, sich andererseits aber bis heute auf bundesstaatlicher Ebene institutionelle Anachronismen erhalten haben, die der friedlichen Austragung politischer Konflikte nicht zuträglich sind. Dringend reformbedürftig wären neben der Abschaffung des Electoral College und der Einführung der Direktwahl des Präsidenten auch die Abschaffung des Mehrheitswahlsystems in Einerwahlkreisen zum Repräsentantenhaus und der Übergang zu einem Proporzwahlsystem.

Patrick Horst
Lobbyismus und Wahlkampffinanzierung – „It’s all about the Money“

Die USA gelten nicht nur als Mutterland des Lobbyismus, sondern auch als Land, das über eines der am weitesten deregulierten Wahlkampffinanzierungssysteme verfügt. Wenig verwunderlich ist die daraus resultierende Verflechtung von Geld und Politik permanenter Gegenstand öffentlicher Kritik. In diesem Beitrag werden zum einen die zentralen Akteur:innen, Instrumente sowie Regulierungsversuche beider Einflussnahmepraktiken thematisiert. Zum anderen stehen auch die unmittelbaren politischen Implikationen der in beiden Fällen beachtlichen Geldströme im Zentrum der Analyse.

Jörg Hebenstreit

Policies Matter: Regieren im 21. Jahrhundert

Frontmatter
US-Amerikanische Bildungspolitik zwischen Wettbewerb und sozialem Zusammenhalt

Seit Jahrzehnten wird das Bildungssystem der USA von zwei Herausforderungen gekennzeichnet, einerseits als zentraler Wirtschafts- und Wohlstandsfaktor zu fungieren und andererseits Chancengleichheit, soziale Integration und gleichen Bildungszugang zu gewährleisten. Die US-Bildungspolitik der letzten Jahrzehnte ist nicht zuletzt deshalb von starkem Aktionismus geprägt, der jedoch – wie von diversen Leistungsvergleichen belegt – nur selten seine Ziele erreichte. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über Strukturen und Steuerungsformen des Bildungssystems, seinen hohen Dezentralisierungsgrad und marktorientierten Charakter, sowie seine historische Entwicklung von sozialer Segregation zu Integration. Vor dem Hintergrund politischer Steuerung und Finanzierung des heutigen Bildungssystems sowie der Rolle verschiedener politischer Akteure werden die jüngsten bildungspolitischen Reformen zur Steigerung von Qualität und Rechenschaft und zur Kostenreduktion des Hochschulstudiums skizziert. Im Kontext von Internationalisierungsprozessen und innenpolitischer Polarisierung werden die veränderten Rahmenbedingungen für die Gestaltung von Bildungspolitik in den USA aufgezeigt.

Michael Dobbins, Tonia Bieber
Gesundheitspolitik in den USA: Zwischen Markt und Staat

Das US-amerikanische Gesundheitssystem gehört zu den teuersten und komplexesten der Welt. Gleichzeitig liegt der Abdeckungsgrad der Gesundheitsversorgung in den USA deutlich unter dem anderer entwickelter Wohlfahrtsregime. In diesem Artikel werden in einem ersten Schritt die zentralen Akteure und historischen Entwicklungen der US-amerikanischen Gesundheitspolitik skizziert. Anschließend werden die Zugangschancen zum Gesundheitssektor kritisch analysiert, um so die Defizite der Gesundheitspolitik herauszuarbeiten.

Betsy Leimbigler, Christian Lammert
Sozialpolitik: Programme, Strukturen, Probleme

Der Beitrag bietet eine problemorientierte Skizze der Sozialpolitik in den USA. Aus einer vergleichenden Perspektive werden dabei sowohl konzeptionelle als auch empirische Besonderheiten des US-amerikanischen Wohlfahrtsregimes diskutiert. Anhand der Bereiche Alterssicherung und Sozialhilfe werden die Kernmerkmale von US-Sozialpolitik herausgearbeitet, die sich insbesondere im Bereich der privaten Absicherung und der staatlichen Subventionierung von Sozialpolitik über das Steuersystem zeigen.

Laura Kettel, Christian Lammert
US-Arbeitsmarktpolitik: Regionale Herausforderungen

Im liberalen Wohlfahrtsregime der USA kommt dem Arbeitsmarkt eine besonders maßgebliche Rolle für die Lebensstandards der Menschen zu. Durch den schnell voranschreitenden Strukturwandel ist Anpassungsfähigkeit an immer neue Bedingungen über die verschiedensten Ausbildungsniveaus die allgegenwärtige Norm geworden und ausschlaggebend für eine erfolgreiche Teilnahme am Arbeitsmarkt. Zudem sind Herausforderungen und Chancen am US-Arbeitsmarkt zunehmend ungleich auf bestimmte Regionen verteilt. Der ortsbezogene Fokus von Präsident Bidens industriepolitischen Initiativen greift diese aktuellen Entwicklungen auf und versucht, die stark dezentralisierten arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen besser zu koordinieren. Insbesondere die job training Komponente der Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinn könnte ein geeignetes Instrument bieten, um den Herausforderungen ständigen Wandels erfolgreich zu begegnen.

Julia Püschel
Bidenomics: Renaissance der Industriepolitik

Der 46. Präsident der Vereinigten Staaten – Joe Biden – trat im Januar 2021 ein schweres wirtschaftspolitisches Erbe an: Nicht nur befand sich die US-Wirtschaft in Folge der Covid-19 Pandemie in einer schweren Krise. Sein Vorgänger Donald Trump hatte in vielen Bereichen mit der klassischen Wirtschafts- und Außenwirtschaftspolitik der USA gebrochen und die USA auf einen „Amerika First“-Kurs gelenkt, der zahlreiche Handelskonflikte auch mit engen Partnern der USA zur Folge hatte. Präsident Biden wollte dies ändern. Sein Motto war „Build Back Better“ – dies galt nach innen wie nach außen. Er wollte die Corona-Pandemie überwinden, die Wirtschaft wiederbeleben, den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und eine stark polarisierte US-Gesellschaft versöhnen. Was hat der Präsident in seinen ersten beiden Amtsjahren erreicht? Biden konnte ein milliardenschweres Konjunkturpaket, ein nicht mindergroßes Infrastrukturpaket, den CHIPS Act und den Inflation Reduction Act (IRA) für sich verbuchen. Mit ihm erleben die USA eine Renaissance der Industriepolitik. Ein Trend, der sich bereits während der Trump-Administration zeigte, intensivierte sich auch unter Biden: Die Versicherheitlichung der Wirtschafts- und Außenwirtschaftspolitik, getrieben vom Systemwettbewerb der USA mit China.

Stormy-Annika Mildner
Technologischer Wandel und die Zukunft der Arbeit in den USA – Zwischen Innovation, Verunsicherung und Reform

Im Bereich des technologischen Wandels haben die USA seit Mitte des 20. Jahrhundert eine entscheidende Rolle gespielt. Doch dies hat auch zu Herausforderungen geführt. Technologischer Fortschritt und Globalisierung, sowie die neoliberale Wende in der Wirtschaftspolitik seit den 1970er-Jahren führten zu steigender Ungleichheit, einem Verlust an wirtschaftlicher Absicherung und ausbleibende Reformen zu einem Misstrauen gegenüber der etablierten Politik. Um heute der technologischen Entwicklung effektiver zu begegnen, bringt Präsident Joseph Biden nun die größte industriepolitische Wende seit Jahrzehnten auf den Weg. Doch viele Sozial- und Arbeitsmarktreformen sind im politisch polarisierten Umfeld der USA weiter schwer umsetzbar.

Natalie Rauscher
Umwelt- und Klimapolitik

Umwelt- und Klimaschutz repräsentieren in den USA ein junges und gleichzeitig äußerst spannungsgeladenes Politikfeld. Der nationale wie auch internationale Umgang mit den Herausforderungen von Klimawandel, Artensterben oder Verschmutzung, der Beziehung zwischen Umweltschutz und Wirtschaftswachstum oder der Rolle des Staates als solchen, symbolisiert ein stetig zunehmendes gesellschaftliches Auseinanderdriften der Vereinigten Staaten von Amerika wie auch die diametrale Opposition bei umweltpolitischen Themen zwischen Demokraten und Republikanern.

Simone M. Müller
Energiepolitik

Die USA sind weiterhin einer der größten Energieproduzenten der Welt. Dabei hat US-Präsident Joe Biden einen deutlich anderen energiepolitischen Kurs eingeschlagen als sein Vorgänger Donald Trump. Während Trump die Deregulierung der Öl- und Gasindustrie und eine protektionistische America First-Vision der Energieunabhängigkeit verfolgte, setzt Biden auf nachhaltige Energien. Dies ist nicht allein klimapolitisch motiviert. Energiepolitik ist ein wichtiger Baustein in Bidens Build Back Better-Programm: Er will die heimische Produktion von erneuerbaren Energietechnologien fördern, um so zukunftsfähige Arbeitsplätze gerade auch für die Mittelschicht zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der USA zu stärken. Biden nutzte zu diesem Zweck politische und wirtschaftliche Gelegenheitsfenster um große Ausgabenpakete zu verabschieden. In der Energieaußenpolitik nutzt die Biden-Administration in der Ukraine-Krise Flüssiggasexporte als Machtdemonstration gegen Russland. Handelskonflikte sowohl im Bereich der sauberen Energietechnologien als auch fossiler Energieträger schlagen sich auch unter Biden nieder.

Sonja Thielges, Stormy-Annika Mildner, Kirsten Westphal
Die zwiegespaltene „nation of immigrants“: Einwanderungspolitik zwischen Integration und Ausgrenzung

Der politische Umgang mit dem Thema Immigration steht in den USA in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Selbstverständnis als Einwanderernation, wirtschaftlichen Interessen und xenophobischen Tendenzen. So hat Washington zwar die Einwanderung prinzipiell gefördert, andererseits dabei immer wieder einzelne Gruppen diskriminiert. Die Attraktivität der USA als beliebtestes Auswanderungsziel weltweit ist dennoch ungebrochen. Mit zunehmendem politischem Gewicht der migrantischen Bevölkerung erwächst langfristig die Chance auf eine umfassende Reform der Einwanderungspolitik. Dies wird jedoch erst realisierbar sein, wenn die Polarisierung des Kongresses durch eine Änderung gesellschaftlicher Haltungen aufgeweicht wird.

Henriette Rytz
Terrorismus und Sicherheitspolitik – US-Terrorismusbekämpfung zwischen innerer und äußerer Bedrohung

Die Bedrohung durch terroristische Gewalt war in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung für die USA. Die katastrophalen Anschläge des 11. September 2001 hatten auf institutioneller Ebene eine Reihe von Reformen zur Folge, deren Ziel es war, die Aufgabenstellung bestehender Institutionen neu auszurichten, besser zu koordinieren oder gänzlich neu zu schaffen. Im zweiten Jahrzehnt nach 9/11 trat dann die Frage in den Vordergrund, inwieweit die Verknüpfung der Terrorismusbekämpfung mit anderen Feldern der Innen- und Außenpolitik (wie beispielsweise der Migrationspolitik und der weiteren Nah-/Mittelostpolitik) notwendig oder gar hinderlich ist. Die Erstürmung des US-Kapitols und der NATO-Rückzug aus Afghanistan im Jahr 2021 versinnbildlichten schließlich die Verschiebung in der Wahrnehmung terroristischer Gewalt als zunehmend aus der US-Gesellschaft selbst stammender Bedrohung.

Lars Berger
Zwischen Rückzug und fortgesetztem globalen Engagement. Wohin steuert die US-Außenpolitik?

Zum Selbstverständnis der USA gehört bis heute, dass US-amerikanische Präsidenten, gleichgültig ob Republikaner oder Demokraten, zugleich die „Führer der freien Welt“ sind. Erst unter Präsident Trump schien diese Grundprämisse erstmals insofern in Frage gestellt, als für viele Beobachter diese „freie Welt“ ohne US-amerikanische Führung aufgehört hatte zu existieren. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass sich die USA auch unter Trump unverändert in der Rolle des Garanten internationaler Stabilität und als unentbehrliche Ordnungsmacht sahen. Damit unterschied sich seine Agenda trotz unbestrittener Abkehr von den Grundprinzipien des liberalen Internationalismus zumindest in einem Punkt gar nicht so erheblich von der seines Amtsvorgängers. Seit der zweiten Amtszeit Obamas ist der Trend einer größeren Zurückhaltung in Bezug auf Amerikas globales Engagement unverkennbar. Zwar mag er unter Trump seinen vorläufigen Höhepunkt erfahren haben. Auch unter der Administration von Joe Biden aber setzt sich „America first“ unter dem Label „buy American“ fort und spiegelt den Willen wider, künftig amerikanische und nicht globale Interessen in den Mittelpunkt zu stellen, gleichzeitig aber am Führungs- und Gestaltungswillen der USA in einer multipolaren Welt festzuhalten.

Stefan Fröhlich

Empire of Liberty: Die USA in der Welt

Frontmatter
Die USA und das Völkerrecht: Kontinuität und Wandel in einer schwierigen Beziehung

Nach der turbulenten Amtszeit von US-Präsident Trump scheint sich das Verhältnis der USA zur Völkerrechtsordnung unter Präsident Biden wieder zu entspannen. Allerdings ist die US-amerikanische Position zum Völkerrecht inzwischen regelmäßig innerstaatlich einer erheblichen Politisierung ausgesetzt. Der Beitrag ordnet diese Entwicklung in eine breitere historische Perspektive ein, wobei sowohl das Verhältnis der US-Außenpolitik zur Völkerrechtsordnung untersucht wird als auch die methodischen Besonderheiten der US-amerikanischen Völkerrechtslehre gewürdigt werden.

Helmut Philipp Aust
Die USA und Internationale Organisationen

Nach dem Zweiten Weltkrieg schufen die Vereinigten Staaten gemeinsam mit anderen Partnern eine Nachkriegsordnung mit umfangreichen neuen Sicherheits- und Wirtschaftsinstitutionen. Die zentrale Rolle der USA in dieser institutionellen Ordnung ist nicht nur ein Ausdruck, sondern auch eine Quelle ihrer Vormachtstellung. Die leitende Rolle der USA wird derzeit stark in Frage gestellt. Amerikas Ambivalenz gegenüber dem liberalen Internationalismus ist allerdings keine neue Erscheinung; vielmehr stellt die Spannung zwischen Unilateralismus und Multilateralismus ein entscheidendes Merkmal der amerikanischen Außenpolitik dar. Dieser Ambivalenz lag der stetige Versuch zugrunde, die Unverzichtbarkeit einer regelbasierten Zusammenarbeit mit der Wahrung staatlicher Souveränität in Einklang zu bringen. Der relative hegemoniale Niedergang der USA in Verbindung mit neuen strategischen Prioritäten wird Amerikas Ambivalenz gegenüber internationale Organisationen voraussichtlich eher verstärken als abschwächen, gleichviel ob die US-Wähler in Zukunft für einen weltgewandten oder eher populistischen Präsidenten stimmen werden.

Lora Anne Viola, Nele Marianne Ewers-Peters
Die USA und Europa

Nach der turbulenten Präsidentschaft von Donald Trump erholte sich die europäisch-amerikanische Partnerschaft unter seinem Nachfolger Joe Biden. Insbesondere seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Beziehung eng wie seit den Tagen des Kalten Kriegs nicht mehr. Auch Chinas Streben nach einer postwestlichen, illiberalen Weltordnung befördert eine transatlantische Annäherung. Trotz der externen Zwänge bleiben die bekannten inneren Probleme des liberalen Westens – darunter die Spaltung der USA und das europäische Defizit an Strategie- und Handlungsfähigkeit – beschränkende Faktoren.

Gerlinde Groitl
Russland und die USA – ewige Antagonisten?

Das Kapitel analysiert die USA-Russland-Beziehungen insbesondere seit dem Ende des Ost-West-Konflikts. Die Autorinnen gehen der Entwicklung des Verhältnisses unter den verschiedenen US-amerikanischen (und drei russischen) Präsidenten nach und kommen zum Schluss, dass sich die Beziehungen seit 1999 kontinuierlich verschlechtert haben. Dies liegt an falschen Annahmen sowie an fehlendem Vertrauen auf beiden Seiten, aber auch daran, dass das Verhältnis im Wesentlichen auf den Sicherheitsbereich konzentriert ist. Die Beziehungen sind stark personalisiert. Die Chemie zwischen den jeweiligen Präsidenten spielt mangels institutioneller Verflechtung eine entscheidende Rolle. Mit seinem erneuten, groß angelegten Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat Putin jeder konstruktiven Wendung im Verhältnis zu den USA und ihren westlichen Verbündeten die Grundlage entzogen. Eine Normalisierung in der Zukunft ist nicht ausgeschlossen. Aber sie ist angesichts des auf Vernichtung angelegten russischen Krieges extrem voraussetzungsreich geworden.

Sabine Fischer, Susan Stewart
Die USA und China

Der internationale Führungsanspruch der Vereinigten Staaten von Amerika auf dem asiatischen Kontinent war lange Zeit unangefochten, doch diese Zeiten sind vorbei. Chinas enormes Wirtschaftswachstum in den letzten 30 Jahren gepaart mit seinem wachsenden Machtanspruch treffen auf eine Vielzahl von Sicherheitsherausforderungen, schwelende Rivalitäten und ungelöste Territorialkonflikte in der gesamten Region. Hier ist von den USA strategische Weitsicht und eine für die Verbündeten verlässliche Haltung gefordert. Ziel dieses Beitrags ist es die Strategien Washingtons im Umgang mit Peking, aber auch mit der gesamten Sicherheitsarchitektur in Asien zu beleuchten und kritisch zu hinterfragen. Hierfür werden die Beziehungen der USA zu China, aber auch zu ganz Asien sowohl historisch als auch aktuell beleuchtet und strategisch eingeordnet.

Iris Wurm
Zwischen Rückzug und Engagement: Die amerikanische Nahostpolitik vor dem Hintergrund regionaler und globaler Machtverschiebungen

Stand der Nahe Osten lange im Zentrum US-amerikanischer Außenpolitik, verliert die Region zunehmend an Bedeutung. Auch Joe Biden setzt daher eine Politik fort, die darauf zielt US-amerikanisches Engagement und Ressourceneinsatz zu reduzieren. Die Instabilität und Fragilität der Region sowie die nach wie vor dominante Rolle der USA in der Region begrenzen jedoch die Möglichkeiten eines Rückzugs. Vor allem bei engen Bündnispartnern, deren Sicherheit von den USA garantiert wird, löst das verringerte amerikanische Engagement in der Region Unsicherheit und Sorge aus. Sie versuchen zum einen, Einfluss auf die amerikanische Nahostpolitik zu nehmen, setzen zum anderen auf eine zunehmend aktive Rolle in der Region und eine Diversifizierung ihrer Sicherheitsbeziehungen.

Steffen Hagemann
Die USA und die Amerikas

Das Kapitel behandelt Grundzüge der US-Außenpolitik gegenüber Lateinamerika, und will dabei helfen, die Politik der gegenwärtigen Regierung besser zu verorten. Es analysiert die sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen der USA in Lateinamerika; und geht auf die amerikanischen Reaktionen auf die wachsende Präsenz Chinas in der Region ein. Ein weiterer Schwerpunkt ist die enge Vernetzung von Innen- und Außenpolitik, die es in vergleichbarer Weise nicht mit anderen Weltregionen gibt.

Detlef Nolte
Die Afrikapolitik der USA im Wandel

In diesem Beitrag werden die Konstanten und Umbrüche der Afrikapolitik der USA sowie zentrale thematische und regionale Schwerpunkte dieses Politikfeldes behandelt. Zunächst werden die Hauptachsen der Afrikapolitik vorgestellt und im zweiten Teil historisch eingebettet. Nach einer kurzen Abhandlung des Kalten Krieges werden vor allem Oszillationen unter den Präsidentschaften von Bush Senior bis Biden herausgearbeitet. Im dritten Teil wird näher auf die Vielzahl der staatlichen und nicht staatlichen Akteure auf Seiten der USA eingegangen. Der vierte Teil hebt regionale Schwerpunkte in Afrika hervor, bevor im Fazit Erfolge und Schwächen der Afrikapolitik ausgeführt werden.

Frank Mattheis
Metadaten
Titel
Handbuch Politik USA
herausgegeben von
Christian Lammert
Markus B. Siewert
Boris Vormann
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-39686-2
Print ISBN
978-3-658-39685-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-39686-2

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