Johann Philipp Reiss, Antonio Meucci, Elisha Grey und Alexander Graham Bell einte vor gut 150 Jahren die Idee, mithilfe eines Apparates über weite Distanzen Gespräche führen zu können. Aber während die drei Erstgenannten noch unabhängig voneinander tüftelten, sogar funktionierende Fernsprechapparaturen vorzuweisen hatten, marschierte Bell schon mit einer Gemengelage von fremden und eigenen Ideen aufs Patentamt. Die Geschichte von der Erfindung des Telefons handelt von Patenten die versäumt, aus Geldnot nicht angemeldet oder geplündert wurden. Von Tricksereien unter Erfindern und einem Wettrennen, das Bell mit nur wenigen Stunden Vorsprung und der Patentnummer 174465 zum offiziellen Erfinder des Telefons machte. Sie lehrt: Wer seine Innovationen gegen den Wettbewerb nicht schützt, verliert Vorteile. Ein Fehler, den die Nachfahren von Johann Philipp Reiss nicht mehr zulassen. Von den Rund 160.000 Patentanmeldungen, die im Jahr 2016 beim Europäischen Patentamt (EPA) eingereicht wurden, stammen 25.086 aus Deutschland.
Tüftelst du noch oder patentierst du schon?
Spitzenreiter bei den Patentanmeldungen aus Deutschland sind die Bayern, wie das EPA in seinem Jahresbericht 2016 mitteilt. Mit 7.240 Anmeldungen und einem Wachstum von vier Prozent liegt das südlichste Bundesland im Ranking der europäischen Top-Regionen auf Platz eins, vor der Ile-de-France (7.090), Nordrhein-Westfahlen (4.893) und Baden-Württemberg (4.817). Insgesamt wurden aus Deutschland 1,1 Prozent mehr Patente eingereicht als im Vorjahr. Gemessen an der Einwohnerzahl ist die Schweiz mit 892 Anmeldungen das patentierfreudigste Land. Mit einem Anteil von 24 Prozent an allen Anmeldungen haben deutsche Unternehmen bei den Transporttechnologien die Nase vor. Den größten Zuwachs verzeichneten sie im Bereich Digitale Kommunikation (+ 13,3 Prozent).
Anmeldeaktivitäten 2016:
Technologiefelder | Anmeldungen | |
Medizintechnik | 12.263 | -2,1 % |
Digitale Kommunikation | 10.915 | -1,2 % |
Computer Technologie | 10.657 | +2,9 % |
Elektrische Maschinen, Geräte und Energie | 10.293 | +5,1 % |
Transport | 8.302 | +3,6 % |
Warum junge Unternehmen patentieren sollten
Deutschen Unternehmen wird gerne vorgeworfen, in Sachen Innovation die sichere Bank zu bevorzugen. Nämlich lieber ein Produkt, das sich beim Kunden etabliert hat, in technischen Weiterentwicklungen und verschiedenen Varianten auf auf den Markt zu werfen, als völlig Neues zu riskieren. Das betrifft Produkte wie Dienstleistungen und Geschäftsmethoden. Jungen Unternehmen und Start-ups ist die Angst vor dem Scheitern noch fremd. Im Gegenteil brauchen sie überraschende und aussichtsreiche Neuheiten, damit der Markt aufhorcht. Wettbewerber der großen Unternehmen beobachten die Aktivitäten der jungen Szene um deren Ideen willen sehr genau. "Nicht die Kosten des Patentschutzes stehen im Vordergrund, sondern die Opportunitätskosten des Nicht-Schützens", warnen deshalb die Springer-Autoren Oliver Gassmann und Martin A. Bader in "Grundlagen von gewerblichen Schutzrechten" (Seite 6).
Mit dem Patent wird Erfindern ein zeitlich limitiertes Monopol auf die Idee erteilt – etwa um eine Fertigung in die Wege zu leiten. Das Patent gewährt der Staat per Vertrag als Belohnung dafür, dass durch kreative Arbeit erworbenes Wissen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und der technische Fortschritt beflügelt wird. Die weiteren Ziele von Patentsystemen sind (Seite 8):
- Stimulierung von Erfindungen und Investitionen in Forschung und Entwicklung
- Stimulierung der wirtschaftlichen Verwertung von Erfindungen durch direkte
- Investitionen in Produktion, Marketing oder Technologiehandel.
- Stimulierung der Veröffentlichung von technischen Informationen.
Patente sind also sowohl Zeugnis von Zielstrebigkeit und Innovationsgeist eines Unternehmens als auch Wissensquelle. Davon lässt sich profitieren. Die Recherche in Patentdatenbanken gibt Auskunft über den Stand der Forschung, Lücken in der Entwicklung und zeigt Weiterentwicklungspotenziale auf. "Ein Start-up hat so die Möglichkeit, das Patent eines bestehenden Unternehmens zu erweitern, ohne selbst über ein Schlüsselprodukt zu verfügen" schreibt Springer-Autor Oliver Offenburger zum "Erfolg durch Patente und Patentmanagement" (Seite 15).