Wer hat in den sozialen Medien die Nase vorn, welche Themen werden am meisten diskutiert und welche News auf Nachrichtenseiten werden am häufigsten geteilt? Mit diesen Fragen beschäftigt sich eine Langzeitstudie der Universitäten Darmstadt und Dresden, die jährlich einen Blick auf die vergangenen zwölf Monate wirft.
Demnach wurden die in 2015 untersuchten 487.000 Artikel insgesamt 123 Millionen Mal weitergegeben. Das entspricht einem Zuwachs von 48 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Weitergabe erfolgte 116,7 Millionen Mal über Likes auf Facebook, 4,3 Millionen Mal über Tweets auf Twitter und 2,8 Millionen Mal über Google+.
Bild.de wird am häufigsten geteilt
Am häufigsten teilen die User Nachrichten von "Bild.de". Auf Platz zwei und drei folgen "Focus Online" und "Spiegel Online".
Rang 2015 (Rang 2014) | Website | Anzahl der Weiterleitungen |
1 (1) | Bild.de | 24.458.218 |
2 (4) | Focus Online | 22.128.132 |
3 (2) | Spiegel Online | 20.130.998 |
4 (5) | Welt.de | 14.389.119 |
5 (8) | N-TV.de | 9.798.478 |
6 (3) | Zeit.de | 9.580.278 |
7 (7) | Faz.net | 7.371.610 |
8 (9) | Sueddeutsche.de | 6.257.745 |
9 (10) | Sport1.de | 3.751.061 |
10 (-) | Handelsblatt | 2.183.274 |
Je häufiger ein Artikel weitergeleitet und kommentiert wird, desto relevanter und lesenswerte ist der Inhalt, so die langläufige Meinung. Diese These widerlegen Ines Engelmann und Manuel Wendelin im Beitrag "Relevanzzuschreibung und Nachrichtenauswahl des Publikums im Internet" der Zeitschrift "Publizistik". Die Autoren fanden in einer Untersuchung heraus, dass hohe Kommentarzahlen zwar zu einer höheren Relevanzeinschätzung führen, aber nicht die Lesewürdigkeit eines Beitrags steigern (Seite 179).
"Nine to Five" funktioniert in sozialen Medien nicht
Doch wie gelingt es Redaktionen, für nutzerrelevante Inhalte in den sozialen Medien zu generieren? Ein zentraler Erfolgsfaktor ist die Einstellung der Verlage. "Verlage müssen sich ganzheitlich auf Social Media einstellen – und das nicht nur werktags zu den normalen Bürozeiten“ fordert Christian Lindner. Der Springer-Autor und Chefredakteur der "Rhein-Zeitung" bezeichnet in seinem Beitrag "Social Media als Verlagsaufgabe - People, nicht User" die sozialen Medien als "Wissens-Korkenzieher“, "Reichweiten-Einfädler" und "Produkt-Veränderer".
Seiner Ansicht nach müssen Verlage, die es mit Social Media ernst meinen, "der Redaktion bei dem helfen, was über diesen Weg zusätzlich an Informationen, Erwartungen und Kommunikation ins Haus kommt“. So brauchen Redaktionen für redaktionsferne Fragen und Themen Ansprechpartner im Unternehmen. "Wenn in Facebook die Zustellung moniert wird, darf das nicht Tage später mit einer Standardformulierung beantwortet werden. Wenn ein Abonnent via Direct Message am Samstag ein Problem mit seinem E-Paper meldet, hilft ihm eine Reaktion am Montag nicht. Wenn etwas schief gelaufen ist und der Kunde sich via Social Media meldet, ist es noch wichtiger als sonst, darauf generös zu reagieren. Redaktionen, die vom Verlag nicht in diesem Sinne unterstützt werden, stehen schnell im digitalen Regen", schreibt er auf Seite 200.
Crossmediale Arbeitsweise in Redaktionen
Wie gravierend sich die Arbeitsweisen für Redaktionen in digitalen Zeiten verändert haben, erläutert Christian Weiß in seinem Beitrag "Apps, Online, Print: Crossmediale Content-Führung". Er zeigt, wie eine Timeline für eine crossmediale Berichterstattung aussehen könnte (Seite 134):
- Noch während des Termins ein erstes Bild auf der Facebook-Seite der Redaktion wie auch des Autors posten
- Kurznachricht per Twitter
- Meldung im 24-Stunden-Blog
- Nach dem Termin eine erste Schnell-Meldung auf der Internetseite
- Ausführliche Meldung für die Internetseite
- Video/ O-Ton für die Internetseite
- Video für die mobile Plattform
- Audiobeitrag für den Podcast
- Multimedialer Beitrag für die Internetseite mit interaktiven Grafiken und Verlinkungen zu weiterführenden Informationen und Seiten
- Ausführliche Geschichte für die Tageszeitung am folgenden Tag
Fazit: Gute Inhalte allein genügen also nicht, um im Social Web erfolgreich zu sein. Erfolgsentscheidend sind ausreichende redaktionelle Ressourcen, eine crossmedialen Arbeitsweise und eine zielgerichteten Strategie.