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Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte 4/2024

Open Access 06.03.2024 | Originalarbeit

Kann Robotisierung den Untertage-Strecken-Sprengvortrieb wesentlich beschleunigen?

verfasst von: Univ.-Prof. DI. Dr. mont. Nikolaus August Sifferlinger, Michael Berner, Eric Fimbinger

Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte | Ausgabe 4/2024

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Zusammenfassung

Im konventionellen Sprengvortrieb in der Streckenauffahrung im Untertagebergbau begrenzt die Notwendigkeit zum Auswettern der Sprenggase die Anzahl der Vortriebszyklen pro Tag.
Wenn es gelingt, den gesamten Vorgang mittels Roboter und Teleoperation auszuführen, kann dies geändert werden. Roboter benötigen keine Atemluft und können auch in Sprengschwaden ihre Arbeit verrichten. Die Sprengschwaden müssen dafür durch ein entsprechendes mobiles Wetterschottsystem bis zur nächsten Auswetterungsmöglichkeit in der Vortriebsstrecke gehalten werden. Das Wetterschottsystem muss dem Gasdruck der Sprengungen wiederstehen können.
Ein entsprechender mobiler Zwischenspeicher nimmt das gelöste Vortriebsmaterial auf und wird während der Auswetterungsphase entleert. Wenn der Zwischenspeicher das Material von zwei Abschlägen aufnehmen kann, wären bis zu drei Abschlägen zwischen den Auswetterungsphasen möglich, im konventionellen Sprengvortrieb bisher nur ein Abschlag.
Eine Verdoppelung der Vortriebsgeschwindigkeit ist also erreichbar.
Im Detail ist noch einiges zu lösen, aber die Voraussetzungen für Robotisierung und Teleoperation sind bereits vorhanden.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Derzeit ist der tägliche Vortriebsfortschritt in Untertage-Strecken im Bergbau in Hartgestein (UCS > 160 MPa und hohe Abrasivität) im Sprengvortrieb beschränkt. Das notwendige Auswettern der giftigen Sprenggase kann nur erfolgen, wenn der Ventilationsweg frei von Personen ist. In größeren Teufen ist das meist nur zum Schichtwechsel möglich. Daher können unter guten Bedingungen im Dreischichtbetrieb täglich nur bis zu drei Sprengschüsse abgetan werden, was bei einer Abschlaglänge von 4 m pro Sprengung einer maximalen täglichen Vortriebsleistung von 12 m entspricht.
Daher gibt es seit Jahren Entwicklungen von Hartgesteinsmaschinen mit Disken im Teilschnittprinzip, um diese Leistungsbegrenzung zu überwinden. Die Einsätze im letzten Jahrzehnt haben aber gezeigt, dass diese Maschinen bisher in Hartgesteinen im besten Fall nicht über 10 m Vortriebsleistung pro Tag hinauskommen. Es ist noch viel Forschung und Entwicklung in die Lösemethode und die Werkzeuge notwendig.
Vollschnitttunnelbohrmaschinen können zwar mit ihrem Diskenschneidrad durchaus 25 m Vortrieb pro Tag und mehr erreichen – aber sie sind mit ihrem Schneidrad bei längerem Stillstand (etwa größer zwei Tage) immer in Gefahr, vom sich setzenden Gebirge eingeklemmt zu werden. Der Kurvenradius von mindestens 60 m ist für den Bergbau meist nur für lange gerade Strecken geeignet, und natürlich muss das kreisrunde Profil erst mit einer Fahrbahn ausgerüstet werden. Das ist aber meist keine Option für den tiefen Bergbau bei durchschnittlicher Gebirgsqualität.

2 Idee

Wenn es gelingt, das Personal aus einer Vortriebsstrecke durch Robotisierung und Teleoperation zu entfernen und die Sprenggase solange im betroffenen Vortriebsbereich zu halten, bis es wie bisher bei Schichtwechsel möglich ist, diese auszuwettern, ist es möglich mehr als einen Abschlag pro Schicht durchzuführen.
Roboter können in den giftigen Sprenggasen arbeiten.
Damit können die Vortriebsleistungen im tiefen Bergbau zumindest verdoppelt werden.

3 Konzept

Abb. 1 zeigt ein erstes Konzept, wie ein robotisierter Streckenvortrieb in einem 5 × 5 m Profilquerschnitt aussehen könnte.
Bei einer 5 × 5 m Strecke werden bei einer Abschlaglänge von 4 m rund 100 m3 Material pro Sprengung gelöst. Bei einem Auflockerungsfaktor von 2 ergibt das etwa 200 m3 gelöstes Material, welches nach der Sprengung weggeladen werden muss.
Wenn ein Zwischenspeichersystem für zwei Abschläge ausgelegt wird, muss Platz für rund 400 m3 Material vorhanden sein.
Fahrzeuge für das Bohren der Sprenglöcher, ein Roboterfahrzeug für das Laden und Verkabeln der Sprenglöcher, Radlader für die Ladearbeit und ein Fahrzeug für die Gebirgssicherung. Alle Fahrzeuge werden über Teleoperation fernbedient und Teilaufgaben an Bord teilweise durch Roboterarme ausgeführt.
Es existieren bereits Lösungen für die Teleoperation für das Bohren (Drill jumbos), den Betrieb von Radladern und das Einbringen von Gebirgsankern und Spritzbeton. Auf diese Lösungen wird in diesem Beitrag daher nicht eingegangen.

3.1 Robotersystem zum Laden des Sprengstoffs

Seit 2014 befasst sich ABB mit der Idee eines Robotersystems für das Laden von Sprengstoffen im Untertagevortrieb basierend auf robusten Industrierobotersystemen. Der Erstautor dieses Artikels war 2014/15 der Projektleiter in der Konzeptentwicklung für ein solches System im Rock Tech Center in Schweden, die Ende 2015 einen detaillierten Konzeptvorschlag ablieferte [1]. ABB hat dieses Konzept über die Jahre weiter weiterentwickelt und Prototypen in Labor und Testbergwerken erprobt [2].
Im Oktober 2023 gaben ABB, Boliden und LKAB die erfolgreiche Erprobung eines automatisierten Robotersystems für das Laden des Sprengstoffes und die Zündverkabelung der Sprengung bekannt [3].
Damit ist in Zukunft für diese schwere und gefährliche Arbeit keine Anwesenheit von Personen an der Ortbrust mehr notwendig. Natürlich wird es noch einige Zeit dauern, bis dieses System in Serie gehen kann, aber es ist klar, dass die Aufgabe gelöst werden kann.
Die Abb. 2 zeigt das Ladefahrzeug mit der Roboterarmausrüstung und den entsprechenden Speichern für Sprengstoff und Zündmittel beim Prototypeinsatz untertage.
Ein Roboterarm ist zuständig für das Laden des Sprengloches, der zweite Arm übernimmt das Manipulieren der Zündmittel, und gemeinsam werden die Zündkabel angebracht.
Funkgesteuerte Zünder könnten in Zukunft die Verwendung von Zündkabeln vermeiden.

3.2 Mobiles Zwischenspeichersystem

Das mobile Zwischenspeichersystem ist bei einer Kapazität von 400 m3 und einer Ladeflächengröße von 2 m Breite und 3 m Höhe rund 80 m lang und hat einen Eingangsbrecher. Zum Verfahren ist es auf Raupenkettenmodulen mobil.
Der Austrag auf das Förderband außerhalb des wettertechnisch abgeschotteten Bereichs kann nur während der dafür vorgesehenen Zeiten sicher erfolgen und erfordert während der anderen Zeit auch eine wettertechnische Abschottung.

3.3 Mobiles Wetterschottsystem

Um die Sprenggase bis zum Auswetterzeitpunkt in der Arbeitssektion zu halten, ist ein mobiles Wetterschottsystem notwendig. Dieses muss sowohl ein ungeplantes Ausströmen der giftigen Gase verhindern als auch der Druckwelle der Sprengung standhalten können [4, 5].
Die Entfernung des mobilen Wetterschottsystems zum Ort der Sprengung beträgt je nach Vortriebsfortschritt zu Beginn ca. 130 m und nach entsprechende Arbeitszyklen etwa 250 m.
Dann muss das gesamte System nachgezogen werden.
Die genaue Auslegung des mobilen Wetterschottsystems ist nicht Inhalt dieses Artikels und erfordert weitere Forschung und Entwicklung.

3.4 Teleoperation und Automation

Der gesamte Betrieb einer solchen robotisierten Vortriebseinrichtung würde über Teleoperation von einer Leitzentrale aus geführt. Die technischen Einrichtungen für Teleoperation und Automation sind verfügbar und müssten nur an die Anforderungen angepasst werden.

3.5 Wartung

Eine hohe Verfügbarkeit ist Voraussetzung für diese vorgeschlagene Methode. Ein Ausfall einer Komponente während der Zeit, in der wegen fehlender Bewetterung kein Zugang für Menschen für die Reparatur und Wartung möglich ist, würde zum Stillstand bis zur nächsten Bewetterungsphase führen. Redundante zusätzliche Einrichtungen könnten hier die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls während dieser Zeit reduzieren.
Der Mensch ist wohl noch Jahrzehnte für die Aufgaben von Wartung und Reparatur nicht ersetzbar.

4 Ausblick

Durch Robotisierung des Sprengvortriebes und den Einrichtungen wie mobiler Zwischenspeicher und mobiles Wetterschottsystem kann die Vortriebsgeschwindigkeit im tiefen Bergbau zumindest verdoppelt werden. Nach dem derzeitigem technischen Stand ist dies innerhalb des nächsten Jahrzehntes umsetzbar.
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Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Rock Tech Centre: Final report “Safer Charging”. Rock Tech Centre, Stockholm (2015) Rock Tech Centre: Final report “Safer Charging”. Rock Tech Centre, Stockholm (2015)
Metadaten
Titel
Kann Robotisierung den Untertage-Strecken-Sprengvortrieb wesentlich beschleunigen?
verfasst von
Univ.-Prof. DI. Dr. mont. Nikolaus August Sifferlinger
Michael Berner
Eric Fimbinger
Publikationsdatum
06.03.2024
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte / Ausgabe 4/2024
Print ISSN: 0005-8912
Elektronische ISSN: 1613-7531
DOI
https://doi.org/10.1007/s00501-024-01451-x

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