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2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Kapitel 16: Rechtsordnungseigenes oder rechtsordnungsfremdes Recht: Der Streit in Kadi um den „richtigen“ Kontrollmaßstab

verfasst von : Andrej Lang

Erschienen in: Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der vernetzten Weltordnung

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Zusammenfassung

Die Ausübung einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle des rechtsordnungsfremden inter- und supranationalen Rechts muss stets die Balance wahren zwischen dem Schutz rechtsordnungseigener Belange, die in der fremden Rechtsordnung unterrepräsentiert sein können, und dem gebotenen Respekt vor der Autonomie inter- und supranationaler Institutionen. Die Diskussion zur Kontrollfunktion und zum Kontrollgegenstand hat dabei gezeigt, dass es unter den Bedingungen der vernetzten Weltordnung geboten ist, grundsätzlich eine Kontrolle über rechtsordnungsfremdes Recht auszuüben. Diese Einsicht bildet sich schrittweise zu einer rechtsordnungsübergreifenden Hintergrundnorm heraus. Die entscheidende Frage ist dann nicht, ob Kontrolle über rechtsordnungsfremdes Recht auszuüben ist, sondern wie diese Kontrolle ausgestaltet werden soll. Ein maßgebliches Instrument zur Feinsteuerung der angesprochenen Balance ist dabei der Kontrollmaßstab, den Verfassungsgerichte heranziehen. Dabei stellt sich die Frage, ob ein rechtsordnungseigener oder ein rechtsordnungsfremder Kontrollmaßstab heranzuziehen ist.

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Fußnoten
1
Oben Zweiter Teil, Kap. 10.
 
2
Oben Dritter Teil, Kap. 14 und Kap. 15.
 
3
Vgl. oben Dritter Teil, Kap. 14, A.​, I. und Kap. 15, A.​, I.
 
4
Diesen Aspekt reflektiert die Eurocontrol I-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts erkennbar, wenn es dort heißt, dass „eine derart weitgehende Ausrichtung der rechtlichen Ausgestaltung einer zwischenstaatlichen Einrichtung an den innerstaatlichen Bestimmungen eines beteiligten Staates letztlich der in Art. 24 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Verfassungsentscheidung für eine internationale Zusammenarbeit (Klaus Vogel) zuwider [liefe]; sie wäre gegenüber den anderen beteiligten Staaten schwerlich durchzusetzen und würde die Bundesrepublik Deutschland im Bereich der Einrichtungen im Sinne des Art. 24 GG nicht selten faktisch ‚vertragsunfähig‘ machen“. Siehe BVerfGE 58, 1 (40) – Eurocontrol I (1981). Dezidiert auch die Senatsminderheit im Solange I-Beschluss: „Kein Mitgliedstaat kann verlangen, dass die Grundrechte auf Gemeinschaftsebene gerade in der Gestalt gewährleistet werden, wie sie die nationale Verfassung kennt.“ BVerfGE 37, 271 (297) – Solange I (1974).
 
5
Entsprechend diskutiert Yang das Urteil des EuGH weiterführend unter dem Topos der Leitentscheidung. Siehe Nele Yang,
Die Leitentscheidung. Zur Grundlegung eines Begriffs und seiner Erforschung im Unionsrecht anhand des EuGH-Urteils Kadi, 2018.
 
6
Verordnung Nr. 881/2002, ABl. EU 2002 L 139/9.
 
7
Siehe unten Dritter Teil, Kap. 16, A.​, I.​, 1.
 
8
Unten Dritter Teil, Kap. 16, A.​, II.
 
9
Unte Dritter Teil, Kap. 16, A.​, I.​, 1.
 
10
Oben Dritter Teil, Kap. 15, A.​, I.​, 2.​, b.
 
11
Oben Dritter Teil, Kap. 15, A.​, I.​, 2.​, a.
 
12
EuG, Urt. v. 21.09.2005, Rs. T-315/01 – Kadi v. Rat und Kommission („Kadi I“), ECLI:EU:T:2005:332, Rn. 292.
 
13
Ebd., Rn. 221 ff.
 
14
Ebd. Rn. 226 ff.
 
15
Ebd., Rn. 230.
 
16
Ebd., Rn. 282 f.
 
17
Ebd., Rn. 242 und Rn. 286.
 
18
Soweit das EuG einen Verstoß der Sicherheitsratsresolution bejaht hätte, bestünde keine Durchführungsverpflichtung der Mitgliedstaaten aus der UN-Charta, so dass der Anwendungsbereich der Unionsgrundrechte nicht mehr „gesperrt“ gewesen wäre und das Gericht die Verordnung dann ohne Weiteres am Maßstab dieser Unionsgrundrechte hätte prüfen können. Kirsten Schmalenbach, Bedingt kooperationsbereit: Der Kontrollanspruch des EuGH bei gezielten Sanktionen der Vereinten Nationen, JZ 64 (2009), 35 (36).
 
19
Instruktiv zum Kadi-Urteil des EuG: Helmut Aust/Nina Naske, Rechtsschutz gegen den UN-Sicherheitsrat durch europäische Gerichte? Die Rechtsprechung des EuG zur Umsetzung „gezielter Sanktionen“ aus dem Blickwinkel des Völkerrechts, ZÖR 61 (2006), 587 ff.
 
20
Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 14.01.2007, BGE 133 II 450 (457) – Nada v. SECO.
 
21
Ebd., 460.
 
22
Ebd., 460 f.
 
23
Ebd., 461 f.
 
24
Oben Dritter Teil, Kap. 15, A.​, I.​, 2, b.
 
25
EuGH, Urt. v. 03.09.2008, Rs. C-402/05 P, C-415/05 P – Kadi v. Rat und Kommission („Kadi I“), ECLI:EU:C:2008:461, Rn. 298.
 
26
Ebd., Rn. 282, 285.
 
27
Allerdings gibt es in dem Urteil auch einen sog. Solange-Teil, in dem sich der Gerichtshof mit dem UN-Sanktionsregime auseinandersetzt. Dazu unten Dritter Teil, Kap. 18, A.​, I.​, 4.
 
28
Oben Erster Teil, Kap. 3, A.​, I.
 
29
Oben Dritter Teil, Kap. 15, A.​, II.
 
30
Andreas von Arnauld, UN-Sanktionen und gemeinschaftsrechtlicher Grundrechtsschutz, AVR 44 (2006), 201 (210).
 
31
BVerfGE 73, 339 (387) – Solange II (1986). Siehe auch BVerfGE 102, 147 (162 f.) – Bananenmarkt (2000).
 
32
Diese Neigung, sich institutionell als Wächter der Unionsgrundrechte zu profilieren, lässt sich auch in der weiten Auslegung des in Art. 51 GRC geregelten Anwendungsbereichs der Grundrechte-Charta im Fransson-Urteil erkennen. EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Rs. C-617/10 – Aklagare v. Åkerberg Fransson, ECLI:EU:C:2013:105, Rn. 16 ff.
 
33
EuGH, Urt. v. 03.09.2008, Rs. C-402/05 P, C-415/05 P – Kadi v. Rat und Kommission („Kadi I“), ECLI:EU:C:2008:461, Rn. 281 f., 316, 326.
 
34
Zum Zusammenhang zwischen ius cogens und völkerrechtlicher Wertegemeinschaft: Christian Tomuschat, Reconceptualizing the Debate on Jus Cogens and Obligations Erga Omnes – Concluding Observations, in: ders./Jean-Marc Thouvenin (Hrsg.), The Fundamental Rules of the International Legal Order: Jus Cogens and Obligations Erga Omnes, 2006, 425 ff.; Elena Katselli, Holding the Security Council Accountable for Human Rights Violations, Hum. Rts. & Int’l L. Discourse 1 (2007), 301 (323).
 
35
Jan Klabbers, Setting the Scene, in: Jan Klabbers/Anne Peters/Geir Ulfstein (Hrsg.), The Constitutionalization of International Law, 2009, 1 (2).
 
36
Grundlegend zur Normkategorie des ius cogens: Stefan Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992.
 
37
Oscar Schachter, The Invisible College of International Lawyers, Nw. U. L. Rev. 72 (1977), 217 ff.
 
38
Kritisch Yoram Dinstein, The Interaction Between Customary International Law and Treaties, RdC 322 (2006), 243 (426).
 
39
Nach Art. 53 WVRK setzt ius cogens voraus, dass die Norm von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt wird.
 
40
Mit einem weiten Verständnis aber: Erika de Wet/André Nollkaemper, Review of Security Council Decisions by National Courts, GYBIL 45 (2003), 166 ff.
 
41
Schweizerisches Bundesgericht, Urt. v. 14.01.2007, BGE 133 II 450 (460 f.) – Nada v. SECO.
 
42
Als Ausdruck der legitimatorischen Bedeutung eines hinreichenden Grundrechtsschutzes durch die europäischen Institutionen lässt sich der Umstand erkennen, dass nach der gescheiterten Verabschiedung des ambitionierten Europäischen Verfassungsvertrages zumindest der Grundrechte-Charta (durch den Vertrag von Lissabon) Rechtsverbindlichkeit zugesprochen wurde.
 
43
Bereits oben Dritter Teil, Kap. 15, B.​, II.
 
44
Oben Erster Teil, Kap. 8, C.​, I.
 
45
Zwar erklärt das EuG ausschließlich die EU-Verordnung zum Kontrollgegenstand, betont den inzidenten Charakter seiner Prüfung und lehnt eine eigene Verwerfungsbefugnis ausdrücklich ab. Der dogmatische Sinn hinter dieser Inzidenzprüfung scheint allerdings darin zu liegen, die Anwendbarkeit der Unionsgrundrechte zu prüfen, die nur dann gegeben zu sein scheint, soweit die Resolution wegen Verstoßes gegen ius cogens ungültig ist und damit keinen Vorrang vor dem Unionsrecht haben kann.
 
46
Zur Kontrollfunktion inter- und supranationaler Gerichte in der vernetzten Weltordnung: Oben Zweiter Teil, Kap. 10, B.
 
47
Kritisch Jörn Kämmerer, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall „Kadi“: Ein Triumph der Rechtsstaatlichkeit?, EuR 2009, 114 (117).
 
48
A.A. Andreas von Arnauld, UN-Sanktionen und gemeinschaftsrechtlicher Grundrechtsschutz, AVR 44 (2006), 201 (210).
 
Metadaten
Titel
Kapitel 16: Rechtsordnungseigenes oder rechtsordnungsfremdes Recht: Der Streit in Kadi um den „richtigen“ Kontrollmaßstab
verfasst von
Andrej Lang
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-61442-6_16

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