Die Nachfrage nach Kryptowährungen steigt, auch im Wealth Management. Doch verschiedene Faktoren hindern Investoren daran, diese hochvolatile Anlageform aktiv zu berücksichtigen. Markus Müller von der Internationalen Privatkundenbank (IPB) gibt eine Einordnung zu Potenzial und Faktenlage.
Springer Professional: Kryptowährungen sind zwar in aller Munde, doch als Anlageklasse spielen sie nur eine kleine Rolle. Warum ist das so?
Markus Müller: Kryptowährungen können streng genommen nicht als Anlageklasse bezeichnet werden. Es fehlen noch einheitliche Vorschriften und damit eine Regulierung. Dieser einheitliche Rahmen entwickelt sich bei Kryptowährungen gerade erst. Zudem sollte eine Anlageklasse, um als eigenständig zu gelten, weitestgehend dekorreliert, das heißt in einer gegenläufigen Wechselbeziehung zu anderen Anlagenklassen sein. Auch wenn sich diesbezüglich ein Trend zwischen Kryptowährungen und traditionellen Anlageklassen abzuzeichnen scheint, haben wir gerade zu Beginn der Corona-Pandemie gesehen, dass die Korrelation beispielsweise zu Aktien deutlich angestiegen ist.
Welche weiteren Gründe sprechen gegen Kryptowährungen als Anlageform?
Kryptowährungen werden aufgrund einer Vielzahl von Ursachen von vielen traditionellen Investoren nicht als Anlageklasse wahrgenommen. Hier spielt auch die hohe Volatilität eine Rolle. Die hohe Schwankungsbreite von Kryptowährungen macht es für viele Investoren, die ein festes Risikobudget managen, schier unmöglich, auch nur in geringe Mengen von Kryptowährungen zu investieren – es ist zu riskant für sie. Die hohe Volatilität ist ein wichtiges Argument für die Notwendigkeit einer verbesserten Regulierung und damit Transparenz. Diese würde Investoren und Verbraucher schützen, Regulierung ist also wichtig, da sicherere Märkte öffentliches Vertrauen fördern, auch wenn damit die Preise im Laufe der Zeit steigen. Auf Kryptohandelsplattformen kommt es auch immer wieder zu Betrugsfällen, von denen viele Anleger gleichzeitig betroffen sind. Das sorgt selbstverständlich für Verunsicherung, ebenso wie die Finanzstabilität und der sogenannte innere Wert. Zudem ist finanzielle Bildung essentiell. Hier besteht ein hoher Aufklärungsbedarf.
Wie sieht die Nachfrage bei Kunden im Wealth Management der Deutschen Bank nach der Anlagemöglichkeit aus? Fragen Ihre Kunden überhaupt danach? Vor allem jetzt, nach der Berg- und Talfahrt der Märkte im vergangenen Jahr?
Wir verzeichnen auch aufgrund der Preissteigerungen und Notenbankaktivitäten im Bereich digitaler Zentralbankwährungen in den vergangenen Monaten eine sukzessiv ansteigende Nachfrage. Investoren möchten Kryptowährungen einfach besser verstehen. Die Bekanntgabe traditioneller Zahlungsmittelanbieter, Transaktionen mit bestimmten Kryptowährungen zuzulassen, sorgte natürlich auch für Aufmerksamkeit. Es ist deutlich zu erkennen, dass sich die Wahrnehmung zugunsten von Kryptowährungen verändert hat. Sie werden per se nicht mehr nur als hoch spekulative Anlage wahrgenommen, deren Nutzen lediglich in einer möglichen Wertsteigerung besteht. Weitere Potenziale werden gesehen. Beispielsweise das Potenzial der vielen Kryptowährungen zugrunde liegenden Technologie, die sogenannte "Distributed Ledger Technology" (kurz: DLT). Insbesondere die jüngere Kundengruppe sieht in Kryptowährungen durchaus ein mögliches zukünftiges Zahlungsmittel. In unseren Gesprächen mit Kunden hat sich zwar die Nachfrage erhöht, die Bedenken sind dennoch nach wie vor größer. Neben der fehlenden Transparenz ist zum Beispiel die mangelnde Energieeffizienz einiger Kryptowährungen problematisch. Deren Energiekonsum hat mittlerweile das Verbrauchsniveau ganzer Staaten erreicht. Unter Umweltaspekten ein sehr kontroverser Punkt, den auch wir als Bank kritisch betrachten.
Sie haben gerade eine Publikation zum Thema herausgebracht und bewerten darin die sich schnell entwickelnde Landschaft von Kryptowährungen und Zentralbank-Digitalwährungen (CBDC) aus Investorensicht. Worin besteht Ihrer Ansicht nach das größte Potenzial?
Die Potenziale sind vielfältig und beschränken sich dabei nicht nur auf anlagebezogene Themen; das wäre zu kurz gedacht. Kryptowährungen und digitale Zentralbankwährungen dürften einen Beitrag dazu leisten, dass diverse Bereiche des alltäglichen Lebens sich verändern werden, wie etwa der Zahlungsverkehr. Wir sehen seit Ausbruch der Corona-Pandemie, dass bargeldlose Transaktionen verstärkt zunehmen, auch hierzulande, und das, obwohl in Deutschland kulturell eine enge Verbindung zu Bargeld besteht. Es wächst also der Bedarf nach kostengünstigen und gleichzeitig effizienten Zahlungsmöglichkeiten. Insbesondere Zentralbanken versuchen mit einer möglichen Einführung eines digitalen Zentralbankgelds diesen Bedarf zu adressieren. Ähnliches gilt für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr. Bereits jetzt können Kryptowährungen gegenüber herkömmlichen Zahlungsmitteln einen Kosten- und Geschwindigkeitsvorteil im internationalen Zahlungsverkehr bieten. Kryptowährungen funktionieren dabei wie ein Netzwerk. Je mehr Personen sie verwenden, desto höher ihr Nutzen. Auch wenn sich viel getan hat, stehen wir jedoch immer noch am Beginn dieser Entwicklung.
Welche weiteren Qualitäten stecken in Krypto- und digitalen Zentralbankwährungen?
Ein weiteres großes Potential geht von der Nachverfolgbarkeit von Transaktionen aus. Die bereits erwähnte DLT-Technologie könnte bei einer breiten Anwendung erhebliche Effizienzsteigerungen mit sich bringen. Deren Anwendung in anderen Kontexten, beispielsweise bei der Nachverfolgung von Zahlungen, könnte in vielen Bereichen, bei denen Informationsasymmetrien zwischen Zahlungsgeber und -empfänger vorherrschen, als Trendbeschleuniger wirken, beispielsweise im Kontext von ESG-Bonds. Bei diesem Argument geht es darum, dass Zahlungen /Transaktionen mit einem bestimmten Zweck transparent verbunden werden können, der glaubhaft nachgewiesen und nachverfolgt werden kann. Dadurch könnte beispielsweise dem Thema "Greenwashing" noch stärker entgegen gewirkt werden, wenn der Verwendungszweck klar nachvollziehbar wird. Nicht zu vernachlässigen sind auch die sozialen Aspekte, die von Kryptowährungen und digitalem Zentralbankgeld ausgehen. Insbesondere in Staaten, in denen der Zugang zu einem Bankkonto komplexer ist als der Erwerb eines Smartphones, bieten beide die Möglichkeit der sozialen Teilhabe von Bevölkerungsgruppen, die weitestgehend von Finanzdienstleistungen abgeschottet sind. Dies wiederum hat das Potential erheblicher gesamtwirtschaftlicher Wohlstandsgewinne insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer.
Welche Entwicklungen hat es in puncto Regulierung gegeben? Wie wird es weitergehen?
Nach den Preisanstiegen und der damit einhergehenden wachsenden Bedeutung von digitalen Anlageformen haben auch die Regulatoren weltweit das Thema Kryptowährungen verstärkt ins Auge gefasst. Denn mit ihrer jetzigen Bewertung stellen Kryptowährungen bereits eine wahrnehmbare Größe in der Finanzwelt dar, die allein schon aufgrund ihrer Marktkapitalisierung durchaus mit der von Edelmetallen verglichen werden kann. Die Möglichkeit eines ernstzunehmenden parallelen Währungssystems hat darüber hinaus den Bedarf eines adäquaten regulatorischen Rahmens für diese digitalen Anlageformen nochmals beschleunigt. Zu nennen wäre hier beispielsweise die "Markets In Crypto Assets"-Regulierung in Europa oder das "Framework for Digital Assets" in den USA. Andere Länder, beispielsweise Indien oder auch China, sind schon länger dabei, mit strikteren Regulierungen Teile des Kryptohandels einzuschränken oder sogar zu verbieten. Wie in unseren bisherigen Publikationen zum Thema erwähnt, erwarten wir, dass sich die Dynamik fortsetzt – die zugrundlegende Idee ist nicht mehr wegzudenken – und der Bedarf eines einheitlichen Regelrahmens an Fahrt gewinnt. So kritisch man dem Thema gegenüberstehen mag, ist es auch sehr spannend zu fragen, ob wir überhaupt ohne die Entwicklung von Kryptowährungen bereits jetzt digitale Zentralbankwährungen diskutieren würden. Die Entwicklung war wichtig für die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs. Kryptowährungen sind gekommen, um zu bleiben.