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2014 | Buch

Kultur, Gesellschaft, Migration.

Die reflexive Wende in der Migrationsforschung

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Über dieses Buch

Der Sammelband arbeitet den Beitrag von Reflexivität für das Verständnis der Beziehung von Kultur, Gesellschaft und Migration anhand von drei Schwerpunkten heraus: 1. Politiken kultureller Differenz 2. Transnationale Perspektiven 3. Ethnizität und Diversität. Dafür werden Autorinnen und Autoren mit unterschiedlichen disziplinären Hintergründen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA zusammengeführt. Im Zentrum steht die Beziehung zwischen der intellektuellen Krise, welche die bisherigen Grundbegriffe der Integrations- und Migrationsforschung erfasst hat, und der Entwicklung neuer thematischer Zuschnitte, theoretischer Konzepte und Forschungsansätze.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung: Die reflexive Wende in der Migrationsforschung
Zusammenfassung
In diesem gleichsam einführenden wie programmatischen Beitrag wird die These verfolgt, dass sich in den letzten Jahrzehnten in der Integrations- und Migrationsforschung eine intellektuelle Krise ereignet hat, die vor allem die zentralen Grundbegriffe – Migration, Kultur und Gesellschaft – kritisch hinterfragt. Im Rahmen der daran anknüpfenden „reflexiven Wende“ geht es verstärkt darum, die Wissens- und Bedeutungszusammenhänge zum Thema zu machen, durch die Migration als abgrenzbares Phänomen in Erscheinung tritt. Den Konstruktcharakter wissenschaftlichen Wissens über Migration klarer zu erkennen, führt aber nicht zu einer Abkehr von empirischer Forschung, sondern stimuliert, wie dieser Sammelband zeigt, die Entwicklung neuer thematischer Zuschnitte, theoretischer Konzepte und Forschungsansätze, denen bei aller Pluralität gemein ist, dass sie sich aus den empirischen und intellektuellen Begrenzungen des ehemals dominanten Integrations- und Ungleichheitsparadigmas herausgelöst haben. Sie stehen in diesem Sinne für einen sich immer deutlicher abzeichnenden Paradigmenwechsel der Migrationsforschung.
Boris Nieswand, Heike Drotbohm

Politiken kultureller Differenz

Frontmatter
Post-Multikulturalismus und „repressive Autonomie“: sozialanthropologische Perspektiven zur Integrationsdebatte
Zusammenfassung
Der Begriff Post-Multikulturalismus soll in diesem Beitrag in seiner Entstehungsgeschichte und in seinen Effekten beleuchtet werden. Können die neuen Maßnahmen der Politik nach dem ausgerufenen Ende des Multikulturalismus das oft genannte Ziel erreichen, im Inneren der Europäischen Union bzw. des Schengen Raumes Inklusion und Chancengleichheit zu verbessern? Werden dadurch differenziertere Antworten auf die Herausforderungen durch eine zunehmende Diversität der Bevölkerung umsetzbar? Oder werden durch diese neuen Maßnahmen nur, wie einige befürchten, die Regulierung von Zuwanderung und die Kontrolle von Zugewanderten verstärkt? Nach einer kurzen Darstellung unterschiedlicher Anwendungen und Verwerfungen multikulturalistischer Politiken und wissenschaftlicher Kontroversen lenkt dieser Beitrag den Fokus auf Debatten um das Geschlechterverhältnis im Post-Multikulturalismus. Es wird gezeigt, wie Argumente des Feminismus in der post-multikulturalistischen Ära weniger der egalitären Inklusion von minorisierten Frauen, als der Abwertung, Ungleichbehandlung und Ausgrenzung von kulturell konstruierten und ethnisch segregierten Gruppen dienen.
Sabine Strasser
Vom „Ausländer“ zum „Migrationshintergrund“: Die Modernisierung des deutschen Integrationsdiskurses und seine neuen Verwerfungen
Zusammenfassung
Seit der Jahrtausendwende hat die Migrations- und Integrationspolitik in Deutschland überraschend Fahrt aufgenommen. Politisch ist nun offiziell, dass Deutschland von Zu- und Abwanderungen (mit)geprägt ist und auch künftig Einwanderung brauchen wird. Parallel sind jedoch auch neue Verwerfungen zu beobachten, welche die Bemühungen um stärkere Inklusion und Gleichberechtigung unterminieren. Diese gegenläufigen Entwicklungen diskutiert der Beitrag am Beispiel der konzeptionellen Verschiebungen in der sozialen Konstruktion des „Anderen“ in der deutschen Gesellschaft vom „Ausländer“ zum „Migrationshintergrund“. Das Kapitel zeigt zunächst kurz den Modernisierungsprozess auf, den die deutsche Politik in diesem Bereich im vergangenen Jahrzehnt durchlaufen hat. Anschließend analysiert es die Ausdrucksformen des Unbehagens, das parallel dazu von bestimmten Teilen der bürgerlichen Öffentlichkeit in Deutschland artikuliert wird. Im dritten Teil werden die zu Grunde liegenden Konstruktionen von Differenz in ihren Funktionen und alltagsweltlichen Wirkungen beleuchtet. Dabei zeigt sich, dass neue Widersprüche im Umgang mit Migration erzeugt werden, was die politische Neuausrichtung teilweise verdeckt.
Sabine Mannitz, Jens Schneider
„Kultur“ als Form symbolischer Gewalt: Grenzziehungsprozesse im Kontext von Migration am Beispiel der Schweiz
Zusammenfassung
Die Schweiz gilt international als Modell eines gelungenen Multikulturalismus, dann nämlich wenn es das Zusammenleben der vier Sprachgruppen (Romands, DeutschschweizerInnen, TessinerInnen, RäteromanInnen) betrifft. Ein sprachlicher wie auch religiöser Pluralismus ist und war stets ein Grundbaustein des Selbstverständnisses der „Willensnation“ Schweiz. Geht es aber um MigrantInnen präsentiert sich die Geschichte anders, denn in diesem Falle erscheinen religiöse und ethnisch-kulturelle Pluralität vorwiegend als problematisch. MigrantInnen gehören entsprechend den öffentlichen und politischen Diskursen nicht zum multikulturellen Staat, vielmehr sind Prozesse kollektiver Grenzziehungen und damit Schließungsmechanismen zu beobachten, in denen Ethnizität, Religion und Kultur zu den wichtigsten Differenzierungsmerkmale werden, wie Gemeinsamkeiten gegen innen (SchweizerInnen) und Barrieren gegen außen (Ausländer, Migranten, Muslims, etc.) hergestellt werden. Ich argumentiere in diesem Kapitel, dass sich dieser „Kulturdiskurs“ im letzten Jahrzehnt verstärkt hat und gleichzeitig semantischen Verschiebungen unterworfen war. Mittels der Grenzziehungsperspektive wird historisch nachvollzogen, wie Zuwanderung und Integration in politischen Debatten und Gesetz zunehmend kulturalisiert und ethnisiert wurden. Ein Fallbeispiel aus der Forschung dient mir anschließend der Veranschaulichung dieser theoretischen Perspektive und dieses „neuen“ Essentialismus.
Janine Dahinden
Egalität, Autonomie und Integration: Post-Multikulturalismus in Österreich
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beleuchtet die Migrations- und Integrationsdebatten in Österreich vor dem Hintergrund rezenter europäischer „post-multikulturalistischer“ Entwicklungen: dem Zusammenhang zwischen dem ausgerufenen „Misserfolg“ multikulturalistischer Politik und einer zunehmend restriktiven Regulierung von Migration. Der Darstellung von rezenten konvergierenden europäischen Initiativen und Maßnahmen zur „Integration neu“ folgt ein historisch-diskursiver Rückblick über die Entwicklung des österreichischen Migrations- und Integrationsregimes von der aktiven Anwerbung von Migrantinnen, über ein restriktives Quotensystem bis hin zum rezenten selektiven Leistungs-Punktesystem. Der Beitrag schließt mit ethnographischen Einblicken in die komplexen und paradoxen Auswirkungen der österreichischen „Spielart“ der europäischen „Integration-Neu“. Warum diese Maßnahmen weder auf europäischer Ebene noch in Österreich zur Förderung von Gleichheit und Autonomie beitragen, sondern mitunter sogar als Bedrohung von Frauen, Jugendlichen, sexuellen Minderheiten in minoritären Kontexten wie auch als restriktive Maßnahmen gegen Zuwanderung und Zugewanderte wirken, wird in diesem Beitrag diskutiert. Deutlich werden dadurch insbesondere die ambivalente Rolle von staatlichem Recht, öffentlichen Institutionen und seinen lokalen RepräsentantInnen, sowie die häufige Ausblendung des Widerstands und der Handlungsfähigkeit von – dem staatlichen „Schutz“ ausgesetzten – Migratinnen.
Sabine Strasser, Jelena Tošić

Transnationale Perspektiven

Frontmatter
Das transnationale Migrationsparadigma: Globale Perspektiven auf die Migrationsforschung
Zusammenfassung
Der Artikel fasst wichtige Begriffe und Ergebnisse der Transnationalismusforschung der letzten 20 Jahre zusammen und schlägt einen Bogen zu aktuellen Debatten. Er konzentriert sich vor allem auf die Kritiken des methodologischen Nationalismus, der „ethnischen Brille“ (ethnic lens) und des „Fetischs der ethnischen Vereine“. Vor diesem Hintergrund wird argumentiert, dass die aktuellen und scheinbar widersprüchlichen Migrationsdiskurse, nach denen Migrantinnen einerseits als eine Gefahr für die globale und nationale Sicherheit repräsentiert werden und andererseits als transnationale Akteure gefeiert werden, die aufgrund ihrer finanziellen Rücküberweisungen zur Entwicklung ihrer Heimatländer beitragen, einer eingehenderen Analyse bedürfen. Hinter diesen Diskursen kommen globale sozialraumstrukturierende und durchmachtete Prozesse zum Vorschein, wie das im Wandel begriffene System der Allokation von Kapital und Arbeit, die Prekarisierung von Migrantinnen und neue Formen der Gouvernementalität von Mobilität. Durch diese Analysen werden die humanitären Kosten der neoliberalen Restrukturierungen sichtbar, die durch die dominanten Sicherheits- und Entwicklungsdiskursen verdeckt werden.
Nina Glick Schiller
Familie als zentrale Berechtigungskategorie der Migration: Von der Transnationalisierung der Sorge zur Verrechtlichung sozialer Bindungen
Zusammenfassung
Dieser Beitrag befasst sich mit dem Zusammenspiel von grenzüberschreitend gelebten Familienbeziehungen auf der einen Seite und familienbezogenen Einwanderungspolitiken auf der anderen. Anhand empirischer Daten wird ein Entscheidungskonflikt erläutert, der sowohl zwischen einer staatlichen Kinder- und Jugendschutzeinrichtung in Kap Verde als auch zwischen Mitgliedern einer kapverdischen Familie ausgetragen wird, die auf den kapverdischen Inseln, in Portugal und in den USA leben. Es wird gezeigt, dass die Frage, was ‚Familie‘ ist, welche Beziehungen dazu gezählt werden und welche Beziehungsinhalte damit verbunden werden, von Seiten dieser Akteure unterschiedlich beantwortet wird. Der Beitrag problematisiert, dass im Zuge der Regulation grenzüberschreitender Mobilität, die über spezifische Berechtigungskategorien erfolgt, eine rechtliche Konkretisierung sozialer Bindungen stattfindet, die den sozialen Konventionen und Konzeptionen von MigrantInnen und ihren Angehörigen widersprechen kann. Im Zentrum der Betrachtung stehen sowohl die administrativen Entscheidungen über grenzüberschreitende Mobilität, deren normative Kategorien ins Innere des Sozialen zurückwirken, als auch die familialen Praxen, die auf diese Kategorisierungen reagieren.
Heike Drotbohm
Verstrickt im Nationalstaat – Transnationalismus in der Entwicklungspolitik
Zusammenfassung
Der Artikel beleuchtet, wie entwicklungspolitische Akteure im Themenfeld „Migration und Entwicklung“ in den vergangenen Jahren Argumente des Transnationalismus übernommen haben und dadurch Rückkopplungen in die Wissenschaft entstanden. In der Rezeption des Transnationalismus in Policy-Dokumenten erkennen sich Transnationalismusforscher jedoch kaum selbst wieder. Der Artikel vertritt die These, dass Erkenntnisse des Transnationalismus nicht durch politische Akteure angewendet werden können, die nationalstaatlich strukturiert sind und in einer Nationalstaatenlogik arbeiten, welche der Transnationalismus jedoch zu überwinden hofft. An konkreten Beispielen wie Brain Drain und zirkulärer Migration wird gezeigt, wie im Themenfeld Migration und Entwicklung Positionen ausgehandelt und Widersprüche hingenommen werden.
Andrea Riester
Diaspora und soziale Mobilisierung: Kaschmiris in England und Aleviten in Deutschland im Vergleich
Zusammenfassung
Der Beitrag geht von der Kritik eines verdinglichenden Begriffs von Diaspora aus, bei dem Diaspora stets von einem Herkunftsland aus gedacht wird, und schlägt stattdessen vor, Diaspora als einen Prozess der sozialen und politischen Mobilisierung zu betrachten, der mit Konzepten der Theorie sozialer Bewegungen analysiert werden kann. Zwei Fallbeispiele der Mobilisierung von Diaspora werden untersucht: der weitgehend erfolglose Versuch der Mobilisierung einer Kaschmiri-Diaspora in Großbritannien sowie die sehr erfolgreiche Mobilisierung der alevitischen Diaspora in Deutschland. Die vergleichende Analyse beider Fälle arbeitet Unterschiede in den Mobilisierungsbedingungen heraus und macht deutlich, dass aus einer Mobilisierungsperspektive betrachtet Diaspora weniger eine Gruppe oder Gemeinschaft bezeichnet, als einen komplexen politischen Prozess von Identitäts- und Gemeinschaftsbildung, der in lokale, nationale und transnationale Kontexte eingebunden ist.
Martin Sökefeld

Ethnizität und Diversität

Frontmatter
Diversität?! Postethnische Perspektiven für eine reflexive Migrationsforschung
Zusammenfassung
Der Beitrag problematisiert die Adaption des Diversitätsbegriffs in der Migrationsforschung: Denn damit wird eine Abkehr von den üblichen ethnischen Sortiermustern suggeriert, die jedoch empirisch nicht wirklich eingelöst wird. So bezeichnet Diversität in der deutschsprachigen Migrationsforschung und im öffentlichen Diskurs zur „Integration“ weiterhin meist das, was damit eigentlich überwunden werden soll: nämlich die „Vielfalt“ ethnischer Herkünfte in der Einwanderungsgesellschaft. Unter Rückgriff auf die (bislang hauptsächlich in den Genderstudien geführte) Debatte über eine „Intersektionalität“ von Diversitäten und Differenzmarkierungen setzt sich dieser Beitrag für eine postethnische Revision der Migrationsforschung, ihrer Subjektkategorien und Forschungsdesigns, ein. Ziel ist eine reflexive Neuausrichtung, die die engen Grenzen des „Sonderforschungsbereichs“ Migration durchbricht zugunsten einer „postmigrantischen“ Querschnittsperspektive auf Kultur und Gesellschaft.
Regina Römhild
Über die Banalität ethnischer Differenzierungen
Zusammenfassung
Anhand von argumentativen Grundfiguren der Migrations- und Ethnizitätsforschung wird gezeigt, wie die wissenschaftliche Wahrnehmung von Migranten und Migrantinnen lange Zeit durch Dramatisierungen der Relevanz von ethnischer Differenz geprägt wurde. In Abgrenzung dazu wird in diesem Artikel eine Banalitäts-Optik auf ethnische Phänomene entwickelt. Dabei geht es darum, die Normalisierungen im Umgang mit ethnischer Differenz, die sich vor allem in den ethnisch diversen Großstädten ereignet haben, aber oft von sozialtheoretischen Dramatisierungen von Ethnizität überlagert werden, sichtbar zu machen. Die Banalitäts-Optik wird auf den empirischen Fall jugendamtlicher Praxis angewandt. Vor dem Hintergrund alltagssoziologischer und diversitätstheoretischer Überlegungen werden in der Fallanalyse Interaktionen und Übergange zwischen der Banalität und der Banalisierung ethnischer Differenz herausgearbeitet. Dabei zeigt sich eine spannungsreiche Ambivalenz von Marginalität und Implizität, die im Rahmen von jugendamtlicher Praxis oftmals in Form von kollaborativer Schweigsamkeit bearbeitet wird.
Boris Nieswand
Nach dem Multikulturalismus: Aspekte des aktuellen Umgangs mit ‚Diversität‘ und Ungleichheit in der Bundesrepublik Deutschland
Zusammenfassung
Der Beitrag zeichnet die Abkehr vom Multikulturalismus hin zum Paradigma der Diversität nach, die sich in Deutschland hinsichtlich des Umgangs mit gesellschaftlich relevanten Formen von Differenz und Ungleichheit in den letzten beiden Jahrzehnten vollzogen hat. Im Gegensatz zu Multikulturalismusdiskursen, die relevante soziokulturelle Unterschiede weitgehend an ethnisch definierbaren Minderheiten festmachen und auf diese begrenzen, verhandeln Diversitätsdiskurse unterschiedliche Dimensionen von Vielfalt und Differenz, wobei zusätzlich zu den Kriterien Ethnizität und Einwanderung insbesondere Geschlecht und sexuelle Orientierung thematisiert werden. Diversitätsdiskurse stellen somit Beziehungen zwischen unterschiedlichen Formen von Differenz und Vielfalt her und füllen sie semantisch. Mit den Begriffen der Inwertsetzung und der Konterkarierung wird in diesem Beitrag versucht, die Implikationen dieses Paradigmenwechsels zu verstehen und sie für die Analyse empirischer Phänomene anhand von ausgewählten Beispielen kulturanthropologischer Forschung fruchtbar zu machen. Wie werden Differenzen unter dem Leitbild Diversität in Deutschland konstruiert und zum Sprechen gebracht, gefeiert, skandalisiert oder unsichtbar gemacht? Vielfalt, Differenz und Ungleichheit, so die These, werden ‚nach dem Multikulturalismus‘ in Deutschland anders diskutiert und mobilisiert, um Unterschiede zu skandalisieren, zu legitimieren, oder zu nivellieren.
Kira Kosnick
Cosmopolitics, oder: Migration als soziale Bewegung: Von Bürgerschaft und Kosmopolitismus im globalen Arbeitsmarkt
Zusammenfassung
Der Beitrag untersucht die Karriere des Kosmopolitismus-Konzepts in der ethnologischen Migrationsforschung seit den 1990er Jahren. Dabei zeigen wir, dass sowohl normative als auch deskriptive Ansätze des Kosmopolitischen erweitert werden müssen. Wir argumentieren mit Étienne Balibar für ein Konzept der Kosmopolitik, das uns Migration als soziale Bewegung begreifen lässt und gegenwärtigen Konflikten um Bürgerschaft einen zentralen Stellenwert einräumt. So lenkt der Begriff der Kosmopolitik die Aufmerksamkeit auf Prozesse der konfliktiven Aushandlung sozialer Ansprüche und Rechte in einem auf sozialen Ungleichheiten basierenden Weltmarkt. Wir verdeutlichen dies anhand unserer jeweiligen Forschungen zu (religiösen) Subjektivierungsprozessen philippinischer Hausarbeiterinnen in Israel und Kämpfen um Bürgerschaft im post-jugoslawischen Raum. Ausgehend von der methodologischen Perspektive der Autonomie der Migration lassen sich die gegenwärtigen Aushandlungsprozesse von Bürgerschaft so detailliert beschreiben. Eine rein normative Forderung nach einer multikulturellen Weltgesellschaft kann durch eine auf diese Weise kosmopolitisch inspirierte ethnographische Analyse ersetzt werden.
Manuela Bojadžijev, Claudia Liebelt
Metadaten
Titel
Kultur, Gesellschaft, Migration.
herausgegeben von
Boris Nieswand
Heike Drotbohm
Copyright-Jahr
2014
Electronic ISBN
978-3-658-03626-3
Print ISBN
978-3-658-03625-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-03626-3