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03.04.2017 | Umwelt | Interview | Online-Artikel

"Der Tiefseebergbau wird die Umwelt nachhaltig schädigen"

verfasst von: Günter Knackfuß

5:30 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Dr. rer. nat. Matthias Haeckel

forscht im Bereich marine Biogeochemie in der Forschungseinheit marine Geosysteme am Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

Selbst kleinste Störungen sind nach Jahrzehnten am Meeresboden noch nachweisbar. Dr. Matthias Haeckel, Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung, berichtet über Auswirkungen des Tiefseebergbaus.

Springer Professional: Geomar erkundet die Ozeane als Rohstofflager und Energielieferant. Was steht gegenwärtig auf der Forschungsagenda?

Dr. Matthias Haeckel: Das Geomar untersucht die mineralischen und energetischen Rohstoffe in den Ozeanen nicht, um die Vorkommen zu erschließen oder abzubauen. Wir Forscher versuchen zu verstehen, wie die verschiedenen Stoffe sich über die vergangenen Jahrmillionen gebildet haben und welche Rolle sie im Erdsystem oder als Habitat für Meeresorganismen spielen. Nehmen wir zum Beispiel die Gashydrate, eine eisartige Substanz, die sich typischerweise in Wassertiefen von mehr als 500 Metern aus Methan und Wasser in den Sedimenten entlang der Kontinentalhänge bildet. 
Gashydrate sind als ein sehr großer Zwischenspeicher in den globalen Kohlenstoffkreislauf eingebunden. Da sie empfindlich auf die Erwärmung der Meere reagieren, wird u.a. diskutiert, welchen Einfluß sie bei den Klimaänderungen in der Erdgeschichte, z.B. vor 57,5 Millionen Jahren, durch Freisetzung des gespeicherten Methangases ausgeübt haben. In diesem Zusammenhang wird auch analysiert, ob sich dies infolge der jetzt zu beobachtenden globalen Klimaerwärmung wiederholen wird und auf welchen Zeitskalen die Methanhydrate sich zersetzen werden. Wir untersuchen Methanhydrate aber auch, weil sie mit Methanaustritten am Meeresboden, sogenannten kalten Quellen, in Verbindung stehen. In bezug auf die zukünftige, aber auch die teilweise schon stattfindende Nutzung der Ozeane und Tiefsee, beschäftigen wir uns am Geomar vor allem mit den zu erwartenden langfristigen Auswirkungen auf die Ökosysteme und erarbeiten Vorschläge für nationale und internationale Regularien.

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Brennendes Eis – Gashydrate

Schon seit langem weiß man, dass sich aus Wasser und Gas unter bestimmten Bedingungen eisähnliche Substanzen bilden können. Doch erst Mitte der 1980er Jahre rückten diese so genannten Gashydrate in den Mittelpunkt der Forschung.


Ihr Spezialgebiet sind Marine Geosysteme. Worum geht es dabei speziell?

Wie schon angedeutet, möchten wir verstehen, wie der Ozean, inklusive des Meeresbodens, in das Erdsystems eingebunden ist: welche Rolle spielt er bei den globalen Stoffflüssen, wie reguliert er das globale Klima, wie haben sich die Prozesse in der Erdgeschichte verändert und welche Entwicklungen können wir daraus für die Zukunft unseres Planeten aufgrund der menschlichen Eingriffe abschätzen. Diese übergeordneten Fragen lassen sich runterbrechen auf einzelne Meeresregionen und detaillierte Prozesse, die wir uns anschauen, um sie später wieder in den großen Kontext einzubinden.  

Zum Tiefseebergbau haben sie an einem Langzeitexperiment im Ostpazifik teilgenommen. Welche Methoden kamen dort zum Einsatz?

Das Störungsexperiment wurde bereits 1989 von deutschen Meereswissenschaftlern durchgeführt und dann in Abständen von einem halben, 3 und 7 Jahren untersucht. Wir haben das Gebiet 2015, also nach 26 Jahren, wieder besucht, um einen Eindruck von den zu erwartenden längerfristigen Auswirkungen des Tiefseebergbaus zu gewinnen. Wir haben nahezu alle uns zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden eingesetzt: Mit einer Unterwasser-Drohne wurde der Meeresboden zum Beispiel auf einer Fläche von mehreren Fussballfeldern mit einer Auflösung von weniger als einem Zentimeter fotografiert, so dass wir die größeren Lebewesen zählen und identifizieren können. Mittels eines Unterwasser-Roboters haben wir direkt am Meeresboden Experimente zur Toleranz der Organismen in bezug auf freigesetzte toxische Metalle durchgeführt sowie mikrobiologische Untersuchungen und Sedimentproben an kleinen strukturellen Unterschieden am Meeresboden genommen. Dies sind alles Technologien, die uns bis vor 10 Jahren noch nicht zur Verfügung standen und uns nun ein viel detaillierteres Bild der Tiefsee und der Ökosysteme geben. Wir können signifikante Unterschiede schon auf weniger als einem Kilometer feststellen und in den Störungsspuren von damals gibt es Unterschiede auf weniger als einem Meter. Mit den heutigen Methoden ist es daher auch möglich, das Gebiet des Störungsexperimentes und seine Umgebung auf einer Fläche von 20 bis 30 Quadratkilometern in zwei Monaten umfassend zu untersuchen – und das in einer Wassertiefe von über vier Kilometern.

Zu welchen Ergebnissen ist das Forscherteam gekommen?

Das wichtigste Ergebnis ist sicher, dass selbst diese vergleichsweise kleinen Störungen den Lebensraum Tiefseeboden auch nach mehreren Jahrzehnten noch deutlich beeinträchtigen. Dies in allen Kompartimenten des Ökosystems, von den Mikroorganismen bis zur Makrofauna, wie z.B. Schwämmen, Seesternen und Seegurken. Das zeigt sich unter anderem in einer deutlich niedrigeren Artenvielfalt und niedrigeren Stoffumsätzen im belebten Meeresboden. Dieses Ergebnis war im Grunde wegen des geringen Nahrungseintrags in die Tiefsee zu erwarten gewesen.
Die Manganknollen selbst stellen zudem einen besonderen Lebensraum für viele Organismen dar. Zum einen nutzen z.B. Schwämme und Korallen die Knollen als Hartsubstrat, um auf ihnen zu wachsen, zum anderen bieten diese wiederum ein Habitat, auf dem Seepocken wachsen, Schlangensterne leben oder kleine Tiefsee-Oktopusse ihre Eier ausbrüten. Dieser Lebensraum wird beim Abernten der Manganknollen durch den Tiefseebergbau unwiederbringlich zerstört, denn die Manganknollen benötigen mehrere Millionen Jahre um nachzuwachsen.

Sie befürworten vehement einen globalen Mining Code. Wie sollte künftig ein Bergbauunternehmen an die Gewinnung von Rohstoffen aus der Tiefsee herangehen? 

Diese Entscheidung sollte nicht den Firmen alleine überlassen werden. Das muss international mit den höchst möglichen Umweltstandards geregelt werden. Genau das ist die Aufgabe der Internationalen Meeresbodenbehörde und Aufgabe der Wissenschaft ist es, die notwendige Informationsbasis hierfür zu schaffen. Klar ist, dass der Tiefseebergbau die Umwelt in den Abbaugebieten und in gewissem Ausmaß auch die nähere Umgebung nachhaltig schädigen bis zerstören wird – bei Manganknollen auf riesigen Flächen von der Größe Münchens pro Jahr pro Abbaugebiet, bei Massivsulfiden wird die direkt zerstörte Fläche deutlich kleiner sein. Da die Schädigung zeitlich mindestens viele Jahrzehnte bis Jahrhunderte wirken wird, erscheint eine regulierte Raumplanung für die jeweiligen Gebiete, besser noch für den gesamten Meeresboden, angebracht.

Sie beschäftigen sich auch mit natürlichen Gashydraten als potentiellem Energieträger. Welche Chancen bestehen für eine effiziente Nutzung?

Dass das Methangas aus den Gashydraten mit den konventionellen Techniken der Erdgasindustrie gefördert werden kann, wurde bereits mehrfach gezeigt. Zwei Offshore-Tests finden gegenwärtig in Japan und China statt. Derzeit geht es dabei weniger um das Erreichen kommerzieller Produktionsraten, obwohl die in den bisherigen Feldtests erreichten Raten nur um den Faktor 10 darunter lagen, als vielmehr darum, zu zeigen, dass über mehrere Monate aus einer Bohrung Gas gefördert werden kann. Insbesondere Japan verfolgt konsequent seine langfristig angelegten Planungen in Sachen kommerzieller Erdgasförderung aus eigenen Methanhydrat-Lagerstätten ab 2020, da es mit seinen Vorkommen für viele Jahrzehnte unabhängig von Energieimporten werden könnte. Gashydrate könnten eine sinnvolle Rolle in der Energieversorgung einiger Länder spielen, um zügiger von Kohle auf Erdgas umzustellen und so die CO2-Emissionen zu halbieren. Am Ende muss im Sinne der CO2-Vermeidung aber auch der fossile Energieträger Gashydrat durch CO2-neutrale Energien ersetzt werden. Eine wirklich nachhaltige Strategie ist das also auch nicht.

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