Im BMWi haben zwei Diskurse die Institutionalisierung von Internetpolitik geprägt. Im Kontext des Diskurses zur Informationsgesellschaft der 1990er-Jahre baute das Ministerium erste internetpolitische Zuständigkeiten auf. 2015 kamen schließlich neue Kompetenzen vor dem Hintergrund des Diskurses zur Digitalisierung und der Digitalen Agenda hinzu. Eine eigene Abteilung für Internetpolitik entstand.
4.1.1 Beginnende Institutionalisierung: Der Weg in die Informationsgesellschaft (1995–1999)
Die Idee der Informationsgesellschaft geht auf akademische Debatten seit den 1970er-Jahren zurück und wurde in den 1990er-Jahren zu einem Diskurs mit hoher politischer Relevanz. Internationale und europäische Gremien sowie Regierungen griffen ihn auf, etwa im Bericht einer EU-Expertengruppe (vgl. Bangemann-Report European Commission
1994), einer G7-Konferenz (1995) sowie in einer Reihe von Policy-Initiativen. Kern des Diskurses war die Annahme eines Wandels von der Industrie- zur Informationsgesellschaft. Die Gremien und Regierungen verbanden mit diesem Wandel eine optimistische Erwartung – insbesondere hinsichtlich des wirtschaftlichen Wachstums und der gesellschaftlichen Entwicklung (Audenhove et al.
2003, S. 82). Um dieses Potenzial auszuschöpfen, das den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zugeschrieben wurde, sollten soziale und organisatorische Hürden überwunden werden (Jørgensen
2012). In Deutschland bildete der Diskurs um die Informationsgesellschaft in den 1990er-Jahren den Bezugsrahmen, unter dem das Internet erstmals im politischen Feld diskutiert und strategisch adressiert wurde (vgl. BT-Drs. 13/4000).
Der Diskurs zur Informationsgesellschaft wurde 1995 im BMWi in einer Arbeitsgruppe eingeschrieben. In der Abteilung „Gewerbliche Wirtschaft, Industriepolitik“ im BMWi war bereits vor 1995 ein Referat mit Verantwortlichkeiten für die IKT angesiedelt. Aus dieser Abteilung ging 1995 die Idee zur Einrichtung der Arbeitsgruppe „Informationsgesellschaft“ hervor (I3 2016). Die Arbeitsgruppe war ein lokales Experiment außerhalb der ordentlichen Hierarchie. Die Kompetenzen der Gruppe wurden 1996 in die ordentliche Hierarchie überführt und verstetigt. 1999 wurde aus diesen Zuständigkeiten die Unterabteilung „Informationsgesellschaft, Medienrecht“, die nun außerhalb der Industrieabteilung ausschließlich für Belange der Informationsgesellschaft zuständig war (vgl. Online-Dokument 1). Hier deutet sich die Entwicklung eines eigenständigen Kompetenzbereichs für die Informationsgesellschaft und eine zunehmende Relevanz des Themas an.
Aus der industriepolitischen Sichtweise auf die Informationsgesellschaft entwickelten sich erste internetpolitische Kompetenzen. Ihr gegenüber stand eine wettbewerbs- und infrastrukturpolitische Perspektive. Die damit zusammenhängenden Kontroversen, die innerhalb des BMWi sowie zwischen dem BMWi und dem damaligen Bundesministerium für Post und Telekommunikation (BMPT) geführt wurden, bilden den Kontext der genannten Einschreibungen in die Organisationsstruktur. Inhaltlich bestanden Spannungen zwischen einem ökonomischen Diskurs, der Wettbewerb und Deregulierung stark betonte, und dem Diskurs zur Informationsgesellschaft, der eine eigene, ganzheitliche Strategie verlangte, z. B. eine Wirtschaftsförderung und Anpassungen von Datenschutz und Urheberrecht. Vertreter des rein ökonomischen Diskurses, unter anderem im bis 1998 bestehenden BMPT, betrachteten die Informationsgesellschaft eher als Fantasie und abstraktes Zukunftsthema (I6 2016). Dagegen wurden im BMWi reale Veränderungen der Wirtschaft durch die Informationstechnologien wahrgenommen und eine Strategie zur Begleitung dieser Umwälzungen als erforderlich angesehen (I3 2016; I6 2016). Der Konflikt wurde auch als Spannung zwischen einer wettbewerbs- und infrastrukturpolitischen Perspektive und einem anwendungsbezogenen Denken „vom Ende her“ wahrgenommen (I6 2016). Nicht zuletzt fühlten sich die Protagonisten des Diskurses um die Informationsgesellschaft im BMWi vom globalen Wettbewerb herausgefordert, und sie hielten daher industriepolitische Maßnahmen für notwendig, um den Anschluss nicht zu verpassen und die Versprechungen der Informationsgesellschaft realisieren zu können (I3 2016). Somit stand das Schutzgut „Wettbewerb“ dem Schutzgut „Informationsgesellschaft“ gegenüber, womit die IKT – inklusive Internet – schützenswert wurden, um die künftige Dividende der Informationsgesellschaft nicht zu gefährden.
Diese Spannungen spiegelten sich auch in Diskussionen innerhalb des BMWi wider. Der damalige Wirtschaftsminister Günter Rexrodt nahm eine vermittelnde Rolle ein, insofern er beide Positionen für bedeutend hielt (I3 2016). Damit hatte der Diskurs zur Informationsgesellschaft Unterstützung durch einen Akteur mit politischer und administrativer Autorität.
Weitere Ereignisse außerhalb des BMWi waren jedoch ebenfalls bedeutend für die Gründung der Arbeitsgruppe „Informationsgesellschaft“ und deren Entwicklung zur Unterabteilung. Mitte der 1990er-Jahre beteiligte sich das BMWi an Expertengremien
7. Vertreter aus Gesellschaft, Wirtschaft, Politik und öffentlicher Verwaltung erarbeiteten in ihnen ihre Expertise zum Thema „Informationsgesellschaft“. Die Gremien wurden auf Drängen der deutschen Industrie sowie auf Initiative des damaligen Forschungsministers Jürgen Rüttgers eingerichtet. Akteure, die für alternative Konzepte zur Informationsgesellschaft wie z. B. das der Kommunikationsgesellschaft (Tangens
1999) eintraten und die wirtschaftspolitische Einhegung des Diskurses der Informationsgesellschaft kritisierten
8, waren nicht in den Gremien vertreten. Dazu gehörten NGOs wie der Chaos Computer Club (CCC) und das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF). Ebenso wenig vertreten waren Datenschützer.
Im Anschluss an diese Gremienarbeit folgte ein Kompetenzstreit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) um die Federführung hinsichtlich des ersten internetrelevanten Gesetzes, dem sogenannten Multimedia-Gesetz
9 von 1997 (BGBl. I, S. 1870), und hinsichtlich der Regierungsstrategie für die Informationsgesellschaft (BT-Drs. 13/4000; I3 2016). Diese Strategie gilt als ein wesentlicher Bezugspunkt für das Gesetz. Der Streit war auch ein Ringen darum, was für ein Thema die Informationsgesellschaft eigentlich ist: ein abstraktes Zukunftsthema, verbunden mit Forschung und Entwicklung, oder ein wirtschafts- und industriepolitisches Thema (I3 2016). Der Kompromiss zwischen den Häusern verschob die Federführung für das Gesetz in das BMBF und für die Strategieausarbeitung in das BMWi. Nach dem Regierungswechsel Ende 1998 wurden die Kompetenzen des BMBF dem BMWi übertragen. Die alleinig für die Informationsgesellschaft zuständige Unterabteilung „Informationsgesellschaft, Medienrecht“ entstand. Diese Zuständigkeitsverlagerung war eine Folge von Positionskämpfen im parteipolitischen Feld während der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen (I2 2015; I3 2016) und lediglich sekundär durch eine fachlich-inhaltliche Handlungsorientierung bedingt.
Die Thematisierung der Informationsgesellschaft durch internationale Institutionen (EU, G7) in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre steht für die hohe Relevanz, die dem Diskurs dort beigemessen wurde. Der Diskurs diffundierte über den Bangemann-Bericht auf die nationale Ebene, wo er sich in der Arbeit von Expertengremien niederschlug und u. a. im Wirtschaftsminister Rexrodt einen Unterstützer fand. Auch deshalb ließen sich Deutungen, die mit dem Diskurs der Informationsgesellschaft verbunden waren, innerhalb des BMWi und gegenüber dem BMBF und BMPT nicht marginalisieren. Die Spannung zwischen den Deutungen außerhalb und innerhalb der Ministerien bildete den Kontext der Institutionalisierung des Diskurses. Die Informationsgesellschaft wurde im BMWi als industriepolitisches und gesellschaftspolitisches Thema verstanden, nicht bloß lediglich als Thema der Forschung oder Wettbewerbsregulierung. Das Thema bedürfe vielmehr einer eigenen Strategie. Ein Ministerialbeamter beschreibt die Zuständigkeit wie folgt:
Wir sind ja das Ministerium für Wirtschaft. Es besteht ein recht breiter Anspruch auf allgemeine Wettbewerbspolitik über Energiepolitik, Industriepolitik, Außenwirtschaftspolitik. Und ein neuer Strang, übergreifend als Konzept, war dann Informationsgesellschaft, als Sektor IT-Wirtschaft breiter gedacht, also wirtschaftlich gute gesellschaftliche Entwicklung. (I3 2016)
Das Thema „Informationsgesellschaft“ hat sich im Denken des Beamten zu einem abgrenzbaren Zuständigkeitsbereich – parallel zu anderen Bereichen wie z. B. dem der Energiepolitik – entwickelt, der seine materielle Entsprechung in der Unterabteilung „Informationsgesellschaft, Medienrecht“ mit alleiniger Zuständigkeit für die Informationsgesellschaft fand.
Mit der Entwicklung vom lokalen Experiment zur eigenen Unterabteilung begann im BMWi die Institutionalisierung der Internetpolitik als eigenständiger Kompetenzbereich. Über die Arbeit in Expertengremien, und unter weitgehendem Ausschluss von Diskurs-Kritikern, wurde der Diskurs der Informationsgesellschaft in das BMWi eingeschrieben und wirkte dort performativ. Das Ministerium war auf der Grundlage der in der ordentlichen Hierarchie verstetigten Arbeitsgruppe „Internetgesellschaft“ an der Einschreibung des Diskurses in eine Regierungsstrategie beteiligt, die als ein Bezugspunkt für das erste internetrelevante Gesetz in Deutschland gilt. Es positionierte sich somit in der entstehenden Internetpolitik, reproduzierte den Diskurs und trug dadurch zu dessen weiterer Institutionalisierung in der Breite bei. Jenseits von reinen wettbewerbs- oder forschungspolitischen Erwägungen betrieb das BMWi die Institutionalisierung eines Diskurses, in dem das Internet aus ökonomischem Kalkül als besonders und schützenswert galt, um die Versprechungen des Diskurses zu realisieren. Darin zeigen sich der heteronome Charakter der Positionierung sowie ein schwacher Autonomieanspruch.
4.1.2 Institutionalisierung zwischen Digitalisierungs- und Innovationsdiskurs (seit 2014)
In den 2000er-Jahren blieb die Zusammensetzung der Unterabteilung „Informationsgesellschaft, Medienrecht“ relativ stabil (vgl. Online-Dokument 1). Erst ab 2014 fanden im Ministerium eine umfassende Reorganisation und auch Neuordnung von Zuständigkeiten statt, die in der Umbenennung der Abteilung VI „Innovations‑, IT- und Kommunikationspolitik“ in „Digital- und Innovationspolitik“ mündeten. Maßgeblich für diese Form der Institutionalisierung von Internetpolitik sind zum einen die Einschreibung des Diskurses zur Digitalisierung und zum anderen die Positionierung des Ministeriums im Innovationsdiskurs US-amerikanischer Prägung.
In technischer Hinsicht ist Digitalisierung die Überführung von analogen in digitale Signale. Seit ca. 2012 wird unter Digitalisierung aber ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel verstanden, der, wie immer wieder betont wird, alle Lebensbereiche betrifft, wobei vor allem die Bereiche Wirtschaft und Arbeit hervorgehoben werden. Es ist das wirtschaftliche Potenzial, das vorwiegend mit der Digitalisierung assoziiert wird: die Hoffnung auf eine Steigerung von Effektivität, Effizienz und Wohlstandsgewinnen (Hofmann und Kniep
2018; König
2018, S. 402 ff.). Das Internet bzw. die digitale Vernetzung allgemein ist ein Bezugspunkt für diese wirtschaftlichen Hoffnungen und wird entsprechend gedeutet. Der Diskurs suggeriert jedoch auch, dass sich die Gesellschaft bereits inmitten der Digitalisierung befinde, der Prozess also unumkehrbar sei. Es gilt deshalb, die Chancen und Risiken zu antizipieren und sich neu zu erfinden, um in Zukunft bestehen zu können (Süssenguth
2015; BMWi
2017; I2 2015). Insofern weist der Diskurs durchaus einige Parallelen zum Diskurs der Informationsgesellschaft der 1990er-Jahre auf. „Digitalisierung“ – z. T. in Verbindung mit „Digitalpolitik“ – ist vor allem ein regierungs- und wirtschaftsnaher Begriff in Abgrenzung zum eher oppositions- und zivilgesellschaftsnahen Begriff „Netzpolitik“, der zwischen 2006 und 2013 Konjunktur hatte (Hösl und Reiberg
2016; Hofmann und Kniep
2018). Unter beiden Begriffen wurden ähnliche Themen diskutiert. Es ist jedoch die wirtschaftliche Dimension, die Digitalisierung von Netzpolitik unterscheidet (Stemmer
2016, S. 11). Die Rede von Netzpolitik ist dagegen eher auf den Konflikt „Freiheit versus Sicherheit“ bezogen und hebt das freie und offene Internet in Verbindung mit Grund- und Bürgerrechten als Schutzgut hervor (Ganz
2018, S. 270; Sell
2017, S. 241 ff.).
Der Diskurs der Digitalisierung wird 2014 in die Abteilung „Digital- und Innovationspolitik“ eingeschrieben, nachdem er 2014 in der Regierungsstrategie „Digitale Agenda“ verankert wurde (BMWi et al.
2014). Die Unterabteilung „Nationale und europäische Digitale Agenda“ befindet sich 2016 in der vierzügigen Abteilung „Digital- und Innovationspolitik“ (vgl. Online-Dokument 2). Sie besteht weitgehend aus den Zuständigkeiten für die Informationsgesellschaft aus den 1990er-Jahren. 2014 erhielt sie ein neues Referat mit Zuständigkeiten für „Ökonomische Fragen der Digitalen Agenda und gesellschaftliche Entwicklungen, Digitale Souveränität“.
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Die Änderung der Denomination von Abteilung VI hin zur „Digitalpolitik“ geht auf einen ministeriumsinternen Vorschlag zu den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD 2013 zurück (I3 2016). Mit dem Bezug auf das Digitale sollte ein umfassenderer Begriff genutzt und „mehr zum […] Paradigma“ gemacht werden, um dem sektorenübergreifenden Charakter der Digitalisierung gerecht zu werden (I3 2016). Die Entscheidung für „Digitalpolitik“ ist auch eine Entscheidung gegen „Netzpolitik“. Im Ministerium wurde „Digitalpolitik“ als neutral wahrgenommen, während „Netzpolitik“ mit der Zivilgesellschaft assoziiert wurde oder als ein zu enger Begriff empfunden wurde, weil er auf die (Netz‑)Infrastruktur ziele (I2 2016; I6 2016).
Der organisatorische Wandel durch das neue Referat „Ökonomische Fragen der Digitalen Agenda und gesellschaftliche Entwicklungen, Digitale Souveränität“
11 steht im Kontext des hohen symbolischen Werts der Digitalisierung für die Regierung während der Koalitionsverhandlungen 2013 (I2 2015). Die Rolle des BMWi, als eines der drei hauptverantwortlichen Ministerien für die Digitale Agenda, war dabei ebenfalls ausschlaggebend. Für diese Wertschätzung der Digitalisierung ist aus Sicht der Ministerialbeamten die Bedrohung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit verantwortlich. Vor diesem Hintergrund sollte zuvor vernachlässigten Themen wie z. B. der Sharing Economy und den digitalen Plattformen durch ein eigenes Referat mehr Gewicht gegeben werden (I3 2016). Es fand ein nachholender Aufbau von Kompetenzen und Expertise statt, der durch die Hausleitung unterstützt wurde.
Die öffentliche Positionierung des BMWi in diesen Zuständigkeitsbereichen erfolgte 2017 mit dem „Weißbuch Digitale Plattformen“ (BMWi
2017). Es wurde in einem Konsultationsverfahren erarbeitet, wodurch das BMWi die Expertise der Feldakteure konzentrierte und sich dadurch positionierte. Diese Publikation verdeutlichte die Relationalität der Positionierung mitunter durch die explizite Abgrenzung von der Idee der „Disruption“ und von den als marktbeherrschend wahrgenommenen Internetplattformen.
Das BMWi grenzte sich mit der Forderung „Transformation statt Disruption“ (ebd., S. 41 ff.) vom technikoptimistischen Innovationsdiskurs US-amerikanischer Internetunternehmen ab. Innovation und die Kreativität des Menschen gelten in diesem Diskurs als hohe Güter. Ihnen sollen keine (regulativen) Grenzen gesetzt werden, um mit disruptiven Technologien, die die bestehenden Institutionen aufbrechen, einen lebensbereichernden Fortschritt voranzutreiben (Dotson
2015). Allerdings macht sich das Ministerium zum Teil die Denkweise der Internetunternehmen selbst zu eigen, etwa wenn es temporäre „Experimentierräume“ ohne regulative Hürden vorschlägt (BMWi
2017, S. 79).
Das BMWi stellte sich jedoch nicht nur gegen die Disruption, die mit Unternehmen der Sharing Economy verbunden wird (z. B. Uber, AirBnB; I2 2015; I3 2016). Es positionierte sich auch gegen die dominante Stellung großer US-Internetunternehmen, indem es einen „offenen, innovationsfördernden Wettbewerb“ im Internet statt „inkompatible Insellösungen“ forderte (BMWi
2017, S. 57). Damit sind geschlossene Plattformen gemeint (z. B. Facebook), die durch „Lock-in“-Praktiken Nutzer, Interaktionen und Daten vom Rest des Internets abzuschotten versuchen. Das Ministerium näherte sich durch diese Positionierung der Kritik der netzpolitischen Zivilgesellschaft an geschlossenen Plattformen an (Gerloff
2011) und so mittelbar deren Position eines Schutzes des offenen Internets.
Der Diskurs der Digitalisierung ähnelt dem Diskurs der Informationsgesellschaft der 1990er-Jahre hinsichtlich der Relevanz von ökonomischen Kategorien und der Betonung der Notwendigkeit des Wandels. Die Einschreibung des Diskurses in die Unterabteilung „Nationale und europäische Digitale Agenda“ und das Referat „Ökonomische Fragen der Digitalen Agenda und gesellschaftliche Entwicklungen, Digitale Souveränität“ stehen für eine Positionierung des BMWi, die gekennzeichnet ist vom Spannungsverhältnis von Autonomie und Heteronomie bzw. dem Spannungsverhältnis zwischen Internetpolitik und Wirtschaftspolitik. Das Ministerium nähert sich im Untersuchungszeitraum der Position „Schutz des offenen Internets“ an, jedoch aus ökonomischer Rationalität. Damit grenzt es sich von der Betonung von Netzfreiheit als Wert an sich und der Zivilgesellschaft ab, auch semantisch. Eine Einschreibung des Netzpolitik-Diskurses fand nicht statt bzw. lediglich marginal (vgl. BMWi
2017, S. 91). Trotz der Abgrenzung vom Konzept der Disruption übernimmt das Ministerium Teile des US-Innovationsdiskurses, der internetspezifische Geschäftsmodelle zu Schutzgütern erklärt. Auch hierin manifestiert sich eine heteronome Positionierung, jedoch unter Bezugnahme auf eine autonome Position, die etablierte nationale Institutionen (etwa Datenschutz oder Gewerbe) herausfordert.