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2011 | Buch

Leitformeln und Slogans in der Kulturpolitik

verfasst von: Max Fuchs

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Sowohl in der Politik, aber auch im Management von Kultureinrichtungen und -verbänden braucht man überzeugende Argumente für das eigene Anliegen. Bei solchen Argumentationen, die eine Zwischenstellung zwischen Legitimation, seriöser Begründung und Werbung haben, spielen immer wieder Leitbegriffe eine Rolle. Der Bezug auf solche Begriffe (z. B. „Kultur für alle“, „Bürgerrecht Kultur“, „Kultur als Wirtschaftsfaktor“) erspart oft langwierige Ausführungen. Das Buch zeigt anhand praktischer Beispiele, welche Dimensionen sich im Umgang mit solchen Leitformeln unterscheiden lassen und was man im Umgang mit ihnen beachten muss.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Zur Einleitung: Assoziationen und Zugänge

1. Zur Einleitung: Assoziationen und Zugänge
Zusammenfassung
„Weniger ist leer“, so lautet ein Plakat-Slogan, der über einer mit nur wenigen Reiskörnern gefüllten Schale steht. Das Plakat ist Teil einer aktuellen Kampagne der Aktion „Brot für die Welt“. Jeder versteht die Botschaft, ohne dass gesondert dazu aufgefordert werden muss: Man soll spenden. Beides wirkt hierbei, die sprachliche Form, die den Alltagsspruch „weniger ist mehr“ raffiniert umformt, und das Bildmotiv der fast leeren Schale. Die erste Botschaft wurde schon genannt: Der Appell zum Spenden, also eine Aufforderung zu einem spezifischen Handeln. Es hätte gar nicht mehr des klein geschriebenen Untertitels bedurft („Ein Stück Gerechtigkeit“), um die moralische/moralphilosophische Dimension aufzuzeigen. Dahinter steckt ein spezifisches Bild vom Menschen, nämlich zum einen die Überzeugung, dass Menschen nicht hungern dürfen. Man könnte dies im Vorgriff auf spätere Überlegungen formulieren: Genügend Essen für alle! Und es steckt die Vorstellung dahinter, dass man Menschen zu einem altruistischen Akt bewegen kann: Der Mensch ist nicht grundsätzlich schlecht, sondern moralisch ansprechbar.
Max Fuchs

Werkzeugkiste zur Analyse von Leitformeln und Slogans

Frontmatter
2. Die Macht der Sprache
Zusammenfassung
Dass die Sprache als Zeichensystem wichtig ist für das Erkennen der Welt, weiß man schon lange. Spätestens seit Kant (1974, Bde. III und IV) hat dieses Wissen eine systematische Form und Begründung erhalten. Erkennen war nunmehr nämlich nicht mehr bloß mechanisches Abbilden dessen was ist (Sensualismus), sondern individuelle Konstruktion nach Maßgabe der im Subjekt vorhandenen Kategorien. Die Realität wurde in ihrer Existenz zwar nicht bestritten („Ding an sich“), war aber im Grundsatz nicht erkennbar. Seither unterscheidet man diese Realität von „der Wirklichkeit“, die sich das Subjekt selber schafft. Dabei ist es nicht nur eine einzige Wirklichkeit. Ernst Cassirer hat sich in seiner „Philosophie der symbolischen Formen“ (zusammenfassend in 1990) ausführlich mit den Möglichkeiten der Weltwahrnehmung befasst und ist daher auf einen ganzen Katalog von Weltzugangsweisen gestoßen: Neben der Sprache werden Mensch und Welt auch noch über Wissenschaft, Technik, Wirtschaft, Politik, Religion, Mythos und Kunst vermittelt. Jede dieser symbolischen Formen erfasst die Welt auf ihre eigene Weise, mit einem spezifischen „Brechungswinkel“, wobei Welterfassung, Weltgestaltung und Selbstgestaltung eine Einheit bilden. In Bezug auf Sprache wurde die These von der Abhängigkeit des Weltbildes von der Sprache sogar zu einem Determinismus, also einer unvermeidbaren Abhängigkeit des Weltbildes von der Sprache zugespitzt. Diese Frage wird etwa im Kontext der Sapir-Whorf-Hypothese (oft auch: Humboldt-Sapir-Whorf-Hypothese) und unter dem Stichwort „linguistischer Determinismus“ diskutiert.
Max Fuchs
3. Die Beeinflussung der Vielen
Zusammenfassung
Dass Sprache nicht nur wertfreies Mittel der Kommunikation ist, sondern vielfältig für soziale und politische Prozesse verwendet wird, wusste man praktisch immer schon. Die frühen Hochkulturen vor allem in Griechenland und Rom pflegten diesen Aspekt in besonderer Weise. Die Sophisten waren geradezu berüchtigt für eine manipulativ überzeugen wollende Sprachverwendung. Rhetorik gehörte für den gebildeten Griechen und Römer zum selbstverständlichen Bildungskanon, wenn er seine Pflicht als Polisbürger bzw. bei den Versammlungen auf dem Forum nachkommen wollte. Welche Sprache und Sprachform wird gewählt? Wie sind Argumente geschickt anzuwenden? Wie sind die logischen Ableitungszusammenhänge zwingend zu gestalten? Wie werden die Argumente präsentiert? Es liegt auf der Hand, dass gerade in einer Mediengesellschaft und vor allem in einer Mediendemokratie all diese Aspekte eine besondere Relevanz erhalten. Mit der sozialen Bedeutung von Sprache befassen sich einige soziologische Teildisziplinen. Einige ausgewählte Ansätze sollen nunmehr vorgestellt werden.
Max Fuchs
4. Die individuelle Seite: Bildung, Erziehung, Habitusentwicklung und Mentalitäten
Zusammenfassung
Die Wirksamkeit von Slogans und Leitformeln bei dem Einzelnen hängt davon ab, ob die individuelle Überzeugung, der Geschmack, die Neugier angesprochen werden. Eine solche Wirksamkeit muss zwar je individuell hervorgerufen werden (einschließlich der Situation einer Massenhysterie bei Popstars oder bei politischen Demagogen), ist jedoch eingebettet in kulturelle Kontexte. Die individuell vorliegenden Dispositionen (z.B. ästhetische und moralische Werte oder Stilempfinden) liegen in der Persönlichkeit und haben sich über Jahre hinweg entwickelt. Was liegt also näher, als zu versuchen, gute Voraussetzungen für die Akzeptanz bei dem Individuum zu schaffen. Damit ist man in dem Bereich der Bildung, Erziehung und Sozialisation angelangt. Wie relevant dieses Feld ist, mag man daran erkennen, wie sehr der jeweilige Staat versucht, über das Bildungs- und Erziehungssystem seine jeweiligen wertemäßigen Grundlagen zu vermitteln. Das gilt für Diktaturen, es gilt aber auch für Demokratien.
Max Fuchs
5. Der systematische Ertrag:
Zur Anwendung des Werkzeugkastens auf die Kulturpolitik
Zusammenfassung
Wir können nunmehr versuchen, die im vorliegenden Werkzeugkasten vorgestellten Zugangsmöglichkeiten bzw. Hintergrundtheorien auf die Kulturpolitik und das Kulturmanagement anzuwenden.
Max Fuchs

Theorie und Praxis von Slogans und Leitformeln

Frontmatter
6. Slogans und Leitformeln in der Praxis
Zusammenfassung
Zurzeit verwendet man in der kulturpolitischen Debatte unterschiedliche Begriffe. Auf Basis der Generationsuntersuchungen von Göschel (vgl. Abb. 8) lässt sich die größere Bedeutung, die Slogans und Leitformeln seit Mitte der 60er Jahre spielen, damit begründen, dass erst jetzt eine aktive Kulturpolitik entsteht. Man musste gegen die verbreitete Vorstellung, Kulturpolitik erschöpfe sich in Kulturpflege, also der Bewahrung klassischer Kulturbestände auf den Bühnen und in den Museen, starke Argumente ins Spiel bringen und viel Überzeugungsarbeit leisten, um ein Konkurrenzprogramm zu etablieren. Zwei Slogans und Leitformeln sind bis heute im Gespräch: Das „Bürgerrecht Kultur“ (Hermann Glaser) und „Kultur für alle“ (Hilmar Hoffmann). Der argumentative Aufwand zur Begründung der jeweiligen Leitformel war beträchtlich. Glaser bezog sich dabei bewusst auf den Klassiker Friedrich Schiller und seine „Briefe zur ästhetischen Erziehung“, hebelte also die sich auf Bewahrung der Klassik berufende „Kulturpflege“ quasi mit ihren eigenen Waffen aus, wobei man Friedrich Schiller recht leicht zu einem sozialdemokratischen Reformanhänger hat machen können: Auch er wehrte sich nach einer anfänglichen Begeisterung schließlich gegen die Französische Revolution und den „terreur“ von Robespierre und plädierte stattdessen für eine friedliche Reform.
Max Fuchs
7. Slogans und Leitformeln und die Grundlagen von Kulturpolitik – eine explorative Fallstudie
Zusammenfassung
Slogans und Leitformeln haben einen praktischen Nutzen. Sie sind praktisch unvermeidbar für eine erfolgreiche Kulturarbeit und Kulturpolitik. Einige Hilfsmittel zur Analyse erfolgreicher Slogans und Leitformeln wurden im ersten Teil vorgestellt. Im zweiten Teil habe ich einige Beispiele aus der Praxis gezeigt.
Max Fuchs
Backmatter
Metadaten
Titel
Leitformeln und Slogans in der Kulturpolitik
verfasst von
Max Fuchs
Copyright-Jahr
2011
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-92644-5
Print ISBN
978-3-531-17107-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-92644-5

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