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2002 | Buch

Internet, Telekomliberalisierung und Wirtschaftswachstum

10 Gebote für ein digitales Wirtschaftswunder

verfasst von: Professor Dr. Paul J. J. Welfens, Dr. Andre Jungmittag

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Am Beginn des 21. Jahrhunderts wandelt sich die alte Industriegesellschaft in eine digitale Wissensgesellschaft. In diesem Buch wird dieser grundlegende Wandel analysiert. Festnetz- und Mobilanwendungen des Internet werden vor dem Hintergrund der europäischen und globalen Deregulierung dargestellt. Aus empirischer Sicht werden erstmals die Wachstumseffekte der Telekommunikation für Deutschland untersucht; zudem die Wirkungen des Internet für Wachstum und Beschäftigung quantifiziert. Die Herausforderungen an die Wirtschaftspolitik werden in 10 Geboten für die Internet- und Bildungspolitik formuliert. Es wird gezeigt, dass sich bei richtigen Weichenstellungen erhebliche Expansionspotentiale in Deutschland und Europa ergeben.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
A. Das Ende der alten Industriegesellschaft
Zusammenfassung
In den 90er Jahren ist in den USA und Westeuropa eine „New Economy“ entstanden, die durch enorme Produktivitätsfortschritte im computerproduzierenden Sektor und hohe Innovationsdynamik in der Telekommunikationswirtschaft charakterisiert ist. Der Anteil des Sektors Informations- und Kommunikationstechnologie (I&K) an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ist von etwa 2 % in 1990 auf Anteile von 4–7 % zu Ende der 90er Jahre gestiegen. Drastisch sinkende Preise von PCs und Telekommunikationsdiensten einerseits und die im I&K-Sektor neu entstehenden innovativen Dienste andererseits steigern die Nachfrage nach Produkten und Diensten des I&K-Sektors. Durch das seit Ende der 90er Jahre zunehmend populäre Internet entsteht dabei eine vernetzte Wirtschaft, in der sich die Wertschöpfungsketten — auch in der Old Economy — ändern und in der Firmen und Unternehmen zunehmend digitale Dienstleistungen abrufen können. Informationen werden dabei durch das Internet allgemein zugänglich, im Rahmen von firmeninternen Intranets werden aber auch spezielle Informationen und Anwendungen verbreitet. Dabei wirken moderne PCs und das Internet möglicherweise phasenweise kapitalsparend, wodurch sich die relativen Faktorpreise ändern. Soweit eine verstärkte Nachfrage nach qualifizierten Arbeitnehmern entsteht, dürften dabei insbesondere gut ausgebildete und lernbereite Arbeitskräfte profitieren, wobei in den OECD-Ländern die Bildungssysteme in ihren Reaktionsfähigkeiten auf die neuen Herausforderungen deutlich unterschiedlich sind — mit Deutschland eher im hinteren Feld, soweit es um den OECD-Vergleich bei den Bildungsausgaben relativ zum Bruttoinlandsprodukt geht.
Paul J. J. Welfens, Andre Jungmittag
B. Neue Chancen durch das Internet
Zusammenfassung
Deutschland verfügt zu Beginn des 21. Jahrhunderts über wenige dynamische, weltmarktorientierte Industrien: Automobilbau, Chemie und Maschinenbau sind Branchen, die aufgrund ihrer Qualitätsprodukte bzw. der hohen Forschungsintensität und des Einsatzes von qualifizierter Arbeit auch langfristig gute Wachstumschancen haben dürften. Andere traditionelle Industrien — Stahl, Bergbau, Textil und Schiffbau — sind auf viele Jahre hin als Schrumpfungsbranchen anzusehen. Denn es gibt viele Schwellen- und Transformationsländer, die ähnliche komparative Vorteile — bei weit geringeren Lohnkosten und Regulierungsintensitäten — anbieten können wie Deutschland. An die Stelle der schrumpfenden Industrien müssen in europäischen Hochlohnländern vermehrt expansive Dienstleistungsfirmen treten, wenn ein Ansteigen der Arbeitslosigkeit verhindert werden soll. Ein industrieller Kern wird sicher auch in Zukunft in Deutschland aus vielen Gründen eine wichtige Rolle spielen, aber selbst in Industriesektoren wird das Internet bei der Vernetzung von Mitarbeitern, Produktionsstandorten und Zulieferern sowie auf der Absatzseite eine Rolle spielen. Das Internet hat beim Übergang auf eine Informations- und Dienstleistungsgesellschaft strategisch, möglicherweise aber auch beim Abarbeiten des Problemstaus bei der Arbeitslosigkeit — via Internet-basierter und -orientierter Qualifizierung von Arbeitslosen — eine Schlüsselfunktion.
Paul J. J. Welfens, Andre Jungmittag
C. Telekomderegulierungsimpulse und Internet-Spezifika
Zusammenfassung
Die starke Expansion des Internet in der zweiten Hälfte der 90er Jahre und danach ist kaum vorstellbar ohne das Wachstum der nationalen und internationalen Telekommunikationsnetze in Verbindung mit stark fallenden Preisen — beides wesentlich angestoßen durch die Liberalisierung der Telekommunikation in Europa und weltweit. Die technologische Konvergenz von Wort, Audio und Video aufgrund der Digitalisierung hat zudem sekundäre Innovations- und Anpassungsimpulse gegeben. Zugleich bedeutet die Kombinierbarkeit von Wort, Audio und Video in der Computer- bzw. Internet-Welt, daß neuartige Möglichkeiten der Telekomnetznutzung für alle Teilbereiche unternehmerischer Leistungserstellung entstehen. Für Forschung und Entwicklung dürften digitale Bibliotheken und Datenbanken in Zukunft eine große Rolle spielen (OECD, 1999), wobei Universitäten bzw. Wissenschaftler(innen) vielfach Pioniere in der Internet-Anwendung sind. Es lassen sich dank Internet virtuelle Forschergemeinschaften international organisieren, was einen Produktivitätsschub in der Wissenschaft ermöglicht. Auch in der industriellen Forschung wird das Internet vielfältig genutzt. Dies betrifft in der Praxis im wesentlichen die OECD-Staaten und einige Schwellenländer.
Paul J. J. Welfens, Andre Jungmittag
D. Wachstumseffekte der Telekommunikation
Zusammenfassung
Die Bedeutung von technologischen Aktivitäten als einer wesentlichen Determinante der ökonomischen Leistungsfähigkeit industrialisierter Volkswirtschaften ist heutzutage weitestgehend anerkannt. Genauso unumstritten ist inzwischen, daß der Information und Kommunikation als übergreifenden Funktionen im wirtschaftlichen Ablauf eine beständig wachsende Bedeutung zukommt. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Telekommunikation. Im klaren Widerspruch zur theoretischen Einsicht und wirtschaftspolitischen Relevanz steht aber die Berücksichtigung des technologischen Standes bzw. des technologischen Fortschritts und der Information und Kommunikation in makroökonometrischen Produktionsmodellen. So wird bei der Schätzung von Produktionsfunktionen (z. B. vom Cobb-Douglas-Typ) der technische Fortschritt gängigerweise nur durch einen linearen Zeittrend approximiert. Nur relativ wenige Autoren haben den Versuch unternommen, den technischen Fortschritt durch geeignetere Indikatorvariablen zu berücksichtigen (vgl. z.B. BUDD/ HOBBIS, 1989, BUDD/HOBBIS, 1989a und COE/MOGHADAM, 1993). Eine formale Erfassung des Einflusses der Information und Kommunikation in makroökonometrischen Produktionsfunktionen durch geeignete Indikatorvariablen ist leider kaum vorgenommen worden. Nach unserem besten Wissen haben bisher nur RÖLLER/WAVERMAN (1996 und 1996a) im Rahmen eines Produktionsfunktionsansatzes den Einfluß der Telekommunikationsinfrastruktur auf das Wirtschaftswachstum empirisch untersucht.
Paul J. J. Welfens, Andre Jungmittag
E. Wachstum und Beschäftigung durch das Internet
Zusammenfassung
Die Telekommunikationswirtschaft in Deutschland bzw. den EU-Ländern ist nach 1998 auf breiter Ebene liberalisiert worden, wobei Deregulierung, Privatisierung und Internationalisierung zusammenwirkten (WELFENS/GRAACK, 1996 und WELFENS/GRAACK, 1997; WELFENS, 1999). Die Liberalisierung von Telekomnetzbetrieb und -diensten hat in den ersten zwei Jahren in der EU erhebliche Fortschritte gemacht, auch wenn es einige Bereiche mit Problemen gibt, die den Binnenmarkt beeinträchtigen: so etwa überhöhte Preise für Mietleitungen, fehlende Konkurrenz auf der Ortsnetzebene in vielen Mitgliedsländern und das umfassende Eigentum des Ex-Monopolisten am Kabel-TV-Netz in einigen wenigen Ländern (EUROPÄISCHE KOMMISSION, 1999).
Paul J. J. Welfens, Andre Jungmittag
F. Herausforderungen der Wirtschaftspolitik: Zehn Gebote für die Internet- und Bildungsgesellschaft
Zusammenfassung
Die Internationalisierung der Telekommunikationswirtschaft wird von den Ex-Monopolisten im Festnetzbereich mit vorangetrieben; allerdings sind EU-Firmegegenüber den US-Giganten AT&T und Worldcom MCI deutlich im Hintertreffen. Große Telekomfirmen aus großen OECD-Ländern sowie hochprofitable und innovative Anbieter aus den Niederlanden (KPN) und Schweden (Telia) haben kleinere Telekomgesellschaften in Industrieländern übernommen. Gleichwohl ist es in der EU schwierig, durch Fusion ein den US-Giganten AT&T, WorldCom oder Sprint vergleichbares Unternehmen aufzubauen. Denn wenn sich Ex-Monopolisten aus EU-Ländern zusammenschließen wollten, ist dies wettbewerbspolitisch höchst bedenklich, da sie in der Regel Marktanteile auf dem Heimatmarkt von 70–80 % aufweisen. Es dauert aber erfahrungsgemäß Jahrzehnte, bis die dominante Position eines ehemaligen Monopolisten auf einen Marktanteilswert von unter 50 % abschmilzt.
Paul J. J. Welfens, Andre Jungmittag
G. Einige Schlußfolgerungen
Zusammenfassung
Zwar ist davon auszugehen, daß das Internet bzw. der Übergang zu einer digitalen Wirtschaft mit vielen neuen netzbasierten Diensten bzw. „Produkten“ auf lange Sicht erhebliche Produktivitätsgewinne in den OECD-Ländern bringen wird. Aber zugleich ist vor einer naiven Euphorie zu warnen. Denn einerseits verschärft sich der Druck beim Strukturwandel, wofür Deutschland bzw. die meisten EU-Länder — mit verkrusteten Arbeitsmarktstrukturen — nur begrenzt gerüstet sind. Zudem intensiviert sich der Standortwettbewerb, in dem gerade Länder mit wenig wettbewerbsintensiven Telekommunikationsmärkten zurückfallen dürften. Solange die Deutsche Telekom AG im Ortsnetzbereich 98 % Marktanteil (Schätzwert für 2000) hat bzw. das Kabel-TV-Netz nicht zu einer unabhängigen Plattform für Telekommunikation+TV+Internet ausgebaut worden ist, dürfte sich in der kritischen Ortsnetzfrage in Deutschland wenig ändern. Mit der Genehmigung eines günstigen DSL-Angebotes der DT AG hat der Regulierer die Anreize zu Investitionen alternativer Breitbandanbieter- wie etwa Kabel-TV-Netze- begrenzt. Sollte der DSL-Preis -wie vermutet — Dumping darstellen, so wären große volkswirtschaftliche Wohlfahrtsverluste zu erwarten. Im übrigen muß darauf verwiesen werden, daß ein Internetpauschaltarif für die Internetdichte in Deutschland quantitativ gewichtig ist (Anhang III ).
Paul J. J. Welfens, Andre Jungmittag
Backmatter
Metadaten
Titel
Internet, Telekomliberalisierung und Wirtschaftswachstum
verfasst von
Professor Dr. Paul J. J. Welfens
Dr. Andre Jungmittag
Copyright-Jahr
2002
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-642-56064-4
Print ISBN
978-3-642-62730-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-642-56064-4