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Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 1-2/2023

Open Access 09.12.2022 | Originalbeitrag

Kiesinseln an der Donau – naturbasierte Lösungen zum Erhalt der Wasserstraße

verfasst von: DI J. Binder, DI Dr. M. Glas, PD DI Dr. C. Hauer, DI Dr. M. Liedermann, Univ.-Prof. DI Dr. H. Habersack, Ass.-Prof. PD DI Dr. M. Tritthart

Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Ausgabe 1-2/2023

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Zusammenfassung

Kiesinseln können als naturbasierte Lösungen die ökologische Funktion von Gewässern verbessern und nachhaltig Habitate für aquatische und terrestrische Lebewesen schaffen. Ihre Anwendung als hydraulische Maßnahmen mit Auswirkungen auf die Hydrodynamik und Morphologie des Hauptstroms muss jedoch weiter untersucht werden. Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Eignung von Kiesinseln zur Niederwasserregulierung im Rahmen der Schifffahrt zu bewerten. Zu diesem Zweck wurden verschiedene geometrische Variationen von Kiesstrukturen unter verschiedenen hydrologischen Bedingungen in der österreichischen Donau mit dem hydrodynamischen Modell RSim-3D und dem Sedimenttransportmodell iSed analysiert. Geschüttete Kiesinseln zeigen ähnliche Wirkungen in Bezug auf die Hydro- und Morphodynamik des Gewässer-Hauptstroms wie Buhnen. Die Implementierung der Insel verursacht eine lokale Abnahme des Wasserspiegels und eine lokale Erhöhung der Sohlschubspannung entlang der Struktur. Parallel zur Kiesstruktur treten relative Erosionstendenzen auf, die flussabwärts zu relativen Sedimentationstendenzen führen. Darüber hinaus treten in den untersuchten Gebieten keine Beeinträchtigungen der Schifffahrt und des Hochwasserschutzes auf. Neben ihrer flussbaulichen Funktion dienen künstliche Kiesstrukturen auch als Geschiebedepots und -quelle und bieten durch die fortschreitende Morphodynamik ökologisch wertvolle Lebensräume. Die gewonnenen Erkenntnisse verdeutlichen, dass Kiesinseln als effektive Alternative zu Buhnen für die Niederwasserregulierung eingesetzt werden können. Daher können die Ergebnisse dieser Studie in die zukünftige Forschung und Planung ökologischer Flussbaumaßnahmen einfließen.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Die Binnenschifffahrt stellt einen wichtigen Verkehrsträger im Donauraum dar. Gleichzeitig beeinflussen verschiedene Faktoren das Auftreten von Niederwasserperioden und somit die Fahrwasserbedingungen. Nautische Engpässe können nicht nur durch natürliche geologische Formationen entstehen, sondern auch durch wasserbauliche Maßnahmen mit nachteiligen Folgen auf die Flussmorphologie, zum Beispiel entstandene Sedimentationszonen (Scholten und Rothstein 2016). Auch der menschengemachte Klimawandel wirkt sich auf die Abflussbedingungen in Flüssen aus. Sein Einfluss auf die Intensität und Häufigkeit von Niederwasserperioden wird derzeit in der Wissenschaft untersucht. Während einige Studien schlechtere Schifffahrtsbedingungen im Sommer aufzeigen (Stahl et al. 2022), andere bessere Schifffahrtsbedingungen in der nahen Zukunft durch höhere Niederwasserstände im Winter prognostizieren, herrscht Konsens über negative Folgen in der fernen Zukunft (Mauser und Stolz 2018). Um diese Herausforderungen zu adressieren und ein Maßnahmenprogramm zu planen, wurden verschiedene strategische Aktionspläne mit dem Ziel des Erhalts der Wasserstraße initiiert (BMK 2015; Europäische Kommission 2010). Nur durch eine integrative Betrachtungsweise, die die Anforderungen von Schifffahrt, Wasserkraft, Ökologie und Hochwasserschutz aufeinander abwägt und abstimmt, kann eine nachhaltige Gestaltung des Donaukorridors erreicht werden.
Naturbasierte Lösungen (englisch „Nature based solutions“) als besondere Form der Renaturierung stellen von der Natur abgeleitete prozessbasierte Maßnahmen dar, die ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Verbesserungen unterstützen und initiieren sollen (Cohen-Shacham et al. 2019). In diesem Sinne sollen bestehende Ökosysteme geschützt beziehungsweise wiederhergestellt und neue Ökosysteme geschaffen werden (Vereinte Nationen 2018). Erfolgreiche Renaturierungen von Gewässer-Ökosystemen sollten die folgenden fünf Prinzipien berücksichtigen (Palmer et al. 2005):
  • Renaturierung sollte auf einem dynamischen ökologischen Leitbild basieren, um die Maßnahme(n) zu lenken.
  • Der ökologische Zustand des Gewässers sollte auf eine messbare Weise verbessert werden.
  • Die Resilienz des Gewässer-Ökosystems gegenüber äußeren natürlichen und anthropogenen Störfaktoren sollte erhöht werden.
  • Die Implementierung von Maßnahmen darf keine langzeitigen negativen Folgen auf das Ökosystem bewirken.
  • Vor und nach der Implementierung der Renaturierung sollte ein Monitoring-Konzept durchgeführt werden, um die Maßnahme zu bewerten. Die Ergebnisse des Monitorings sollten öffentlich publiziert werden.
Um diese Ziele zu erreichen, ist es beim dynamischen System „Fluss“ besonders wichtig, natürliche Prozesse in der Planung, Implementierung und Erhaltung von wasserbaulichen Maßnahmen zu berücksichtigen. Insbesondere die natürliche Hydro- und Morphodynamik soll durch Maßnahmen geringstmöglich verändert werden, um negative Auswirkungen auf die Ökologie zu verhindern.
Künstlich geschüttete Kiesinseln stellen Habitate sowohl für aquatische (Lechner et al. 2014), als auch für terrestrische Lebewesen (Vanbergen et al. 2017) dar und verbessern dadurch die ökologische Funktionsfähigkeit von Gewässersystemen. Weiters können sie durch ihre natürliche Morphodynamik im Sinne von naturbasierten Lösungen gut in den Fluss integriert werden. Außerdem können schlechte hydromorphologische Zustände durch ihre Eignung als Sedimentquelle und Sedimentsenke verbessert werden. Diese Vorteile führen dazu, dass Kiesinseln vermehrt zur Verklappung und Rückführung von Sediment genutzt werden.
Im Kontext der Niederwasserregulierung werden traditionell Buhnen eingesetzt. Diese Strukturen reduzieren die Fläche des Abflussquerschnitts und sollen dadurch den Wasserstand in Niederwasserperioden anheben. Der Einfluss von Buhnen auf die Hydro- und Morphodynamik wurde in der Wissenschaft bereits ausführlich analysiert (Henning und Hentschel 2013; Tritthart et al. 2014; Glas et al. 2018).
Ziel dieses Artikels ist die Untersuchung der Eignung von Kiesinseln als Maßnahme zur Niederwasserregulierung als Alternative zu Buhnen. Kiesinseln als naturbasierte Lösungen würden damit zusätzlich zu ihren bereits genannten Vorteilen die verschiedenen Ansprüche von Ökologie, Schifffahrt und Sedimentmanagement vereinen.

2 Untersuchungsgebiet

Für die Untersuchung der hydro- und morphodynamischen Effekte von Kiesinseln wurde als Modellgebiet der Abschnitt Schönbühel in der Wachau gewählt. Die dort bestehende Kiesinsel (Abb. 1a) wurde großteils im Zeitraum 2012 bis 2014 mit Kiesmaterial aus einer naheliegenden Seitenarmanbindung geschüttet. Mittlerweile konnte sich eine Pioniervegetation auf der Kiesstruktur entwickeln (Abb. 1b).
Das modellierte Gebiet erstreckt sich von Stromkilometer 2030,2 bis 2027,0. Die laterale Ausdehnung wurde so gewählt, dass Abflüsse bis zum HQ100 innerhalb des Modellrands abgebildet werden können. In Abb. 2 ist das digitale Geländemodell (DGM) des Ist-Zustands ersichtlich. Die bestehende Kiesinsel wurde rot gekennzeichnet.

3 Methoden

Zur Evaluierung der hydro- und morphodynamischen Effekte von Kiesinseln wurden numerische Modellierungen durchgeführt. Die Hydrodynamik wurde mit der Simulationssoftware RSim-3D (Tritthart 2005) modelliert. Für die Simulation des Sedimenttransports und der Morphodynamik wurde die Simulationssoftware iSed (Tritthart et al. 2011a) verwendet.

3.1 Hydrodynamisches Modell RSim-3D

Das dreidimensionale numerische Strömungsmodell RSim-3D ist eine Software zur Berechnung von Strömungsgeschwindigkeiten und Wasserspiegellagen an Fließgewässern, die durch turbulente und komplexe Strömungssituationen gekennzeichnet sind. Das Modell löst die Reynolds-Averaged-Navier-Stokes-Gleichungen (RANS) mithilfe der Finiten-Volumen-Methode. Das Rechennetz wird durch unstrukturierte polyhedrale Zellen abgebildet (Tritthart und Gutknecht 2007). Der SIMPLE-Algorithmus liefert Näherungslösungen durch eine Verknüpfung der Druck- und Geschwindigkeitsfelder. Die Modellierung der Turbulenz wird mithilfe des Standard-k-ε-Modells vollzogen (Launder und Spalding 1974). Die freie Wasseroberfläche wird durch Lösung des Druckfeldes an der Oberfläche iterativ berechnet.

3.2 Integriertes Sedimenttransportmodell iSed

Das integrierte Sedimenttransportmodell iSed (Tritthart et al. 2011a) löst Gleichungen zum Sedimenttransport, zur Morphodynamik und zu Sortierungsprozessen auf Basis der Ergebnisse zur Hydrodynamik. Der Geschiebetransport wird in diesem Untersuchungsgebiet durch eine kalibrierte Mehrkorn-Version der Meyer-Peter & Müller-Gleichung berechnet (Tritthart et al. 2011b). Der Schwebstofftransport wird durch die zugrunde liegende Advektions-Diffusions-Gleichung beschrieben. Die zeitlichen Sohlhöhenänderungen werden durch die Sohlevolutionsgleichung (Exner-Gleichung) abgebildet. Ein Mehrschicht-Modell liefert Lösungen für die Schichtung und Sortierung des Flussbetts.

3.3 Modellaufbau und untersuchte Varianten

Für die beiden numerischen Modelle RSim-3D und iSed sind einige Eingangsdaten notwendig:
  • Digitales Geländemodell (DGM): Ein digitales Geländemodell wurde aus verschiedenen Datengrundlagen erstellt: Laserscan für das Umland (Dezember 2015), Multibeam für den Hauptstrom (Juni 2018), Multibeam für den linken Seitenarm am Modelleinlauf (Jänner 2018), Singlebeam für den rechten Uferbereich stromauf der Kiesinsel (November 2016) und digitales Höhenmodell für den Altarm Aggsbach (Jänner 2013). All diese Punktdaten wurden mit der räumlichen Interpolationsmethode „Triangulation mit linearer Interpolation“ flächig interpoliert, um ein Raster-DGM zu erhalten.
  • Durchflüsse und Wasserspiegelhöhen: Als Durchflussszenarien wurden insgesamt vier stationäre Durchflusswerte der Pegelmessstelle Kienstock (Stromkilometer 2015,21) modelliert und als obere Randbedingung im Modell definiert: RNQ (930 m3/s), MQ (1875 m3/s), HSQ (4870 m3/s) und HQ100 (11170 m3/s). Die entsprechenden Wasserspiegelhöhen am unteren Modellrand wurden den kennzeichnenden Wasserständen der Donau (KWD) entnommen (via donau 2010).
  • Geschiebetransport: Messungen zum Geschiebetransport wurden in den Jahren 2019 und 2021 in Weißenkirchen von der Rollfähre aus (Stromkilometer 2013,60) durchgeführt. Zum Zeitpunkt dieser beiden Messungen herrschten Durchflüsse von 880 m3/s und 2490 m3/s.
  • Schwebstofftransport: Der Schwebstofftransport wurde nicht gesondert im Untersuchungsgebiet erhoben. Stattdessen wurden Erfahrungswerte aus dem Nationalpark Donau-Auen östlich von Wien entsprechend adaptiert.
  • Sedimentproben im Hauptstrom und auf der Kiesinsel: Volumetrische Sedimentproben im Hauptstrom wurden im Herbst 2018 erhoben (Abb. 3b). Deckschicht-Unterschicht-Analysen auf der Kiesinsel wurden im Sommer 2019 durchgeführt (Abb. 3c).
Bei der Sedimenttransportmodellierung wurden die Durchflussszenarien MQ (1875 m3/s) für 30 Tage stationär und HSQ (4870 m3/s) für 2 Tage stationär modelliert. RNQ und HQ100 wurden – aufgrund hoher Unsicherheiten wegen fehlender Kalibrierungsmessungen des Geschiebetransports bei diesen Abflussbedingungen – nicht mit iSed modelliert.
Die Belegung des Sedimenttransportmodells zum Startzeitpunkt der Simulationsdauer ist in Abb. 4 ersichtlich. Links sind die mittleren Korndurchmesser der Deckschicht dargestellt und rechts die mittleren Korndurchmesser der Unterschicht.
Für das Modellgebiet wurde ein unstrukturiertes Rechennetz aus polyhedralen Zellen erstellt (Abb. 5) und gegebenenfalls für einzelne Geometrie-Varianten aufgrund der Verschiebung von Kiesinselstrukturen angepasst. Die durchschnittliche horizontale Gitterweite reicht von 15 bis 20 m im Hauptstrom bis zu 3 bis 5 m an Uferstrukturen, Seitenarmen und Kiesinseln. Im Vorland wurden teilweise Gitterweiten von bis zu 25 m verwendet. In der Vertikalen wurden 6 Schichten im Zuge des 3D-hydrodynamischen Modells definiert.
Insgesamt wurden sechs verschiedene Geometrien der Kiesinsel Schönbühel modelliert, um die Wirkung der einzelnen Varianten zu evaluieren und miteinander zu vergleichen (Abb. 6):
  • Ist-Zustand: bestehende Insel.
  • Ohne Insel: bestehende Insel wurde komplett aus dem Modell entfernt.
  • Breite reduziert: Die Breite der Kiesinsel wurde um 20 % reduziert.
  • Höhe reduziert: Die Höhe der Insel wurde auf Buhnenniveau (RNW +70 cm) reduziert.
  • Lage Gleitufer: Die bestehende Insel wurde flussaufwärts ins Gleitufer verschoben.
  • Lage Prallufer: Die bestehende Insel wurde flussabwärts ins Prallufer verschoben.

4 Ergebnisse und Diskussion

Um die Auswirkungen einer Kiesinselschüttung auf den Hauptstrom anschaulich darzustellen, wurden Differenzenkarten zur Variante ohne Insel für die Parameter Wasserspiegelhöhen (Abb. 7), Sohlschubspannungen (Abb. 8) und Sohlhöhenänderungen (Abb. 9) erstellt. Da die Entfernung der Insel die größten Effekte bewirkte, wird auf eine Darstellung der Ergebnisse zu den restlichen Insel-Geometrien verzichtet. Hierbei sei erwähnt, dass im Ist-Zustand die bestehende Insel erst bei den beiden Durchflussszenarien HSQ und HQ100 vollständig überströmt ist.

4.1 Kalibrierung und Validierung der Modelle

Das hydrodynamische Modell RSim-3D wurde anhand der Wasserspiegelhöhen der KWD 2010 kalibriert. Mit einer äquivalenten Sandrauigkeit von 0,065 m im Hauptstrom wurden gut übereinstimmende Ergebnisse mit nur geringen Abweichungen des Wasserspiegels für alle vier Durchflussszenarien RNQ, MQ, HSQ und HQ100 erreicht.
Die Kalibrierung des Geschiebetransports im Sedimenttransportmodell iSed erfolgte durch einen Vergleich von gemessenem und modelliertem Geschiebetransport im anderen Untersuchungsgebiet Weißenkirchen (Geschiebemessung bei Stromkilometer 2013,60). Die kalibrierten Parameter der fraktionierten Meyer-Peter & Müller-Gleichung wurden anschließend im Untersuchungsgebiet Schönbühel aufgrund der geografischen Nähe übernommen. Die Werte 0,492 für den Expositionsparameter α und 0,050 für den kritischen Mobilitätsparameter Θs lieferten eine gute Übereinstimmung von gemessenem und modelliertem Geschiebetransport. Für die weiteren Kalibrierungsparameter des Sedimenttransportmodells wurden Erfahrungswerte übernommen.

4.2 Auswirkungen einer Kiesinselschüttung

Die Schüttung der Kiesinsel führte zu einer lokalen Absenkung des Wasserspiegels an der Stelle der Schüttung beziehungsweise etwas flussabwärts davon und durch den Staueffekt zu einer Erhöhung des Wasserspiegels flussaufwärts der Insel. Die Schüttung stellt eine Querschnittsverringerung mit folglich erhöhten Fließgeschwindigkeiten und niedrigeren Wasserständen dar, die zum erwähnten Staueffekt führt. Die höchsten Wasserspiegeldifferenzen kommen bei den Durchflussszenarien MQ und HSQ zustande und betragen etwa −5 cm Reduktion an der Stelle der geschütteten Insel und +5 cm Erhöhung flussaufwärts. Beim Szenario RNQ stellen sich geringere Wasserspiegeldifferenzen von 1 bis 2 cm gegenüber der Variante ohne Insel ein. Im HQ100-Hochwasserfall zeigt das Modell ebenfalls nur geringe Wasserspiegeldifferenzen aufgrund der erhöhten Überströmung der Insel mit folglich geringerem Einfluss auf das Strömungsverhalten.
Aufgrund der Kontinuitätsbedingung korrelieren niedrigere Wasserspiegel mit höheren Fließgeschwindigkeiten und dadurch mit höheren Sohlschubspannungen. Eine Schüttung der Insel führt also zu höheren Sohlschubspannungen an der Stelle neben der Schüttung. Erneut zeigen die beiden Durchflussszenarien MQ und HSQ die höchsten Abweichungen zur Variante ohne Insel mit einer Erhöhung der Sohlschubspannungen von etwa +5 N/m2 an Stelle der Schüttung und geringen lokalen Verringerungen flussaufwärts und flussabwärts davon. Bei RNQ stellen sich nur sehr geringe Änderungen zur Variante ohne Insel ein. Auch bei HQ100 sind aufgrund der erhöhten Überströmung erneut geringere Änderungen als bei MQ und HSQ bemerkbar. Sohlschubspannungen sind ein erster Indikator zum Sedimentations- und Erosionsverhalten, das mit dem Sedimenttransportmodell iSed vertiefend untersucht wurde.
In Abb. 9 sind die Ergebnisse des Sedimenttransportmodells iSed dargestellt. Es wurde die Differenz der Sohlhöhenänderungen nach 30 Tagen MQ stationär und 2 Tagen HSQ stationär gegenüber der Variante ohne Insel untersucht. Ergebnisse nahe dem Modelleinlauf und -auslauf sind aufgrund von Unsicherheiten in den Randbedingungen nicht dargestellt. Nach 30 Tagen MQ treten relative Erosionstendenzen von etwa −10 cm neben der Schüttung auf, während relative Sedimentationstendenzen von etwa +7 cm flussabwärts davon mit dem Modell berechnet wurden. Im Vergleich dazu sind nach 2 Tagen HSQ geringere Morphologie-Änderungen erkennbar. Hier treten relative Erosionstendenzen von etwa −3 cm neben der Schüttung auf, während relative Sedimentationstendenzen von etwa +3 cm flussabwärts davon vom Modell vorhergesagt werden. Auch hier kann eine Kiesinselschüttung mit einer Querschnittsverringerung mit folglich niedrigeren Wasserspiegeln, höheren Fließgeschwindigkeiten und dadurch auftretenden Erosionstendenzen verglichen werden.
Geschüttete Kiesinseln zeigen ähnliche Auswirkungen auf die Hydro- und Morphodynamik wie Buhnen (Glas et al. 2018). Die Buhnen, die für den Vergleich herangezogen wurden, befinden sich im Nationalpark Donau-Auen östlich von Wien. Dieser stellt wie die Wachau eine freie Fließstrecke der Donau mit ähnlichen hydraulischen Bedingungen dar.

5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die Auswirkungen einer Kiesinselschüttung können wie folgt zusammengefasst werden: Kiesinseln stellen eine Reduktion des Fließquerschnitts dar und bewirken dadurch eine Erhöhung der Fließgeschwindigkeiten und Sohlschubspannungen bei gleichzeitiger Reduktion des Wasserspiegels im Hauptstrom neben der Insel. Der durch die Querschnittsreduktion ausgelöste Staueffekt führt flussaufwärts zu einer Anhebung des Wasserspiegels mit geringeren Fließgeschwindigkeiten und Sohlschubspannungen. Diese veränderten hydrodynamischen Bedingungen beeinflussen auch den Sedimenttransport und die Morphodynamik des Gewässers. Neben der geschütteten Insel treten erhöhte relative Erosionstendenzen auf, während flussaufwärts und flussabwärts erhöhte relative Sedimentationstendenzen vorherrschen. Die Effekte der Kiesinseln auf Wasserspiegel‑, Fließgeschwindigkeits‑, Sohlschubspannungs- und Sohlhöhenänderungen hängen vom modellierten Durchflussszenario ab. Die größten Auswirkungen waren bei den beiden Modellszenarien MQ (1875 m3/s) und HSQ (4870 m3/s) ersichtlich.
Im Kontext der Niederwasserregulierung stellen Kiesinseln eine in Anlehnung an natürliche Prozesse effektive Alternative zu Buhnen dar, die Schifffahrtsbedingungen während Perioden mit geringem Abfluss zu verbessern. Einerseits können Wasserstände flussaufwärts der geschütteten Insel durch den Staueffekt der Struktur erhöht werden. Andererseits können Erosionsprozesse, die durch die Insel initiiert werden, indirekt zu erhöhten Wassertiefen führen.
Die Hochwassersicherheit wird durch die Schüttung von Kiesinseln nur gering beeinflusst. Der HQ100-Wasserspiegel erhöht sich um etwa +1 cm stromauf der Insel und reduziert sich um −1 bis −2 cm im Hauptstrom neben der Insel. Wasserspiegel-Änderungen nehmen zum Ufer hin ab. Bei künftigen Planungen sollte demzufolge auf die Position der Kiesinsel und deren Auswirkungen auf Hochwasserspiegellagen in Siedlungsgebieten geachtet werden. Die Anordnung von Kiesinseln entlang und stromauf von Siedlungsgebieten kann durch die Reduktion des HQ100-Wasserspiegels neben der Struktur also sogar die Hochwassersicherheit erhöhen.
Die Magnitude und räumliche Ausdehnung der Auswirkungen von Kiesinseln auf die Hydro- und Morphodynamik hängen von der Größe, der Form und der Position der Struktur ab und sollten im Planungsprozess berücksichtigt werden.
Die Vorteile von Kiesinseln gegenüber Buhnen liegen in ihrer Multifunktionalität und dynamischen Flexibilität. Sie können positive Effekte auf die Niederwasserregulierung, die Hochwassersicherheit, die Habitat-Verfügbarkeit und das Sedimentmanagement vereinen. Dabei können sie sowohl als Sedimentquelle, als auch als Sedimentsenke dienen und stellen eine geeignete Maßnahme zur Verklappung und Wiedereinbringung von Material dar, das andernorts gebaggert wurde. Diese Vereinbarkeit der unterschiedlichen Ansprüche der Gesellschaft an das Gewässer einerseits und der Bedürfnisse des Ökosystems andererseits unterstreichen die Eignung von Kiesinseln als naturbasierte Lösung zum Erhalt der Wasserstraße. Die Erkenntnisse dieser Studie werden zu einer breiteren Wissensbasis von ökologischen Wasserbaumaßnahmen beitragen und können bei zukünftigen Planungen berücksichtigt werden.

Danksagung

Dieser Artikel wurde als Beitrag zum Christian Doppler Labor für Sedimentforschung und -management geschrieben. Die finanzielle Unterstützung der Christian Doppler Forschungsgesellschaft, dem österreichischen Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und der Österreichischen Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung wird dankend anerkannt. Die Autoren danken weiters dem Wasserstraßenbetreiber via donau für die Bereitstellung der Daten für diese Studie.
This paper was written as a contribution to the Christian Doppler Laboratory for Sediment Research and Management. In this context, the financial support by the Christian Doppler Research Association, Austria, the Austrian Federal Ministry for Digital and Economic Affairs and the National Foundation for Research, Technology and Development is gratefully acknowledged. The authors further thank the river authority via donau for providing necessary data for this study.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
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Metadaten
Titel
Kiesinseln an der Donau – naturbasierte Lösungen zum Erhalt der Wasserstraße
verfasst von
DI J. Binder
DI Dr. M. Glas
PD DI Dr. C. Hauer
DI Dr. M. Liedermann
Univ.-Prof. DI Dr. H. Habersack
Ass.-Prof. PD DI Dr. M. Tritthart
Publikationsdatum
09.12.2022
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Ausgabe 1-2/2023
Print ISSN: 0945-358X
Elektronische ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-022-00918-w

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