2.4.1 Leitfrage 1: Wie war die Übung für mich?
Insgesamt beschrieb die Hälfte der Teilnehmer/innen die Übung explizit als Bereicherung mit Zuschreibungen wie „toll“, „schön“, „hilfreich“; 39 % gaben an, dass diese Aufgabe für sie schwierig, ungewohnt bzw. herausfordernd war. Nur 5 % konnten mit der Übung nichts anfangen. Interessant ist, dass einige Probanden angaben, sie hätten die Übung gemeinsam mit seinem/ihrem Partner/in durchgeführt, was das Durchhalten und die Freude an der Übung positiv beeinflusst habe. Interessant ist auch, dass rund ein Viertel angab, am Anfang Schwierigkeiten damit gehabt zu haben, diese Übung durchzuführen bzw. die nötige Zeit dafür aufzubringen. Das ist insofern bemerkenswert, als diese Übung, über zwei Wochen durchgeführt, insgesamt nur einen Zeitaufwand von rund zwei Coachingeinheiten in Anspruch nimmt. Um die Schwierigkeiten zu umgehen, wurden von dieser Teilgruppe verschiedene hilfreiche Bewältigungsstrategien ausprobiert: den Wecker stellen, das Tagebuch neben das Bett legen oder die Reflexion am nächsten Morgen nachholen.
Letztlich berichtete rund ein Drittel, dass es mit fortschreitender Dauer der Übung einfacher wurde und schneller ging, diese Fragen zu beantworten. Besonders spannend ist, dass ein großer Teil der Studienteilnehmer/innen nach einiger Zeit bereits während des Tages begann, bewusst auf Dinge zu achten, die am Abend aufgeschrieben werden können. Situationen werden unmittelbar und in der Gegenwart nach dem „Gefühl des Lebendig-Seins gescannt“, wie einige Personen schreiben, oder danach, ob sie etwas Freudiges enthielten, und ob man in diese Situationen für etwas Bestimmtes dankbar sein konnte oder gerade eine seiner Stärken einsetzt. Erwartungsgemäß fiel es einem Teil (20 %) schwer, an ereignislosen oder weniger schön erlebten Tagen die Übung durchzuführen. 23 % sagten, dass sie die Übung als schönen Abschluss des Tages erlebten.
2.4.2 Leitfrage 2: Was hat sich verändert, was mache ich anders?
Der Großteil der Studienteilnehmer/innen bemerkte, dass sie durch die Übung bewusster wahrnehmen und erleben, weniger übersehen sowie aufmerksamer, achtsamer und wertschätzender mit sich selbst umgehen. Die Probanden gaben an, dass sie alles genauer wahrnehmen, mehr reflektieren und die Dinge nicht mehr für selbstverständlich nehmen. „Das macht nicht per se alles sofort besser, aber es verändert den Blick und hierdurch letztlich auch die Bewertung“, lautet zum Beispiel ein Resümee. Nur 15 % der Teilnehmer/innen gaben anfangs an, keine Änderungen bemerkt zu haben. Spannend ist jedoch, dass alle bis auf drei von diesen Teilnehmer/innen in ihrer Reflexion später dennoch von Veränderungen berichten, z. B. von einem bewussteren Erleben von wertvollen Aspekten im eigenen Leben.
Beobachtungen, die von mehreren gemacht wurden, waren eine rückwirkende Veränderung der Bewertung von schlechten Tagen. Die Erkenntnis war, dass sie zwar dominante negative Elemente beinhalteten, diese aber nur einen Teil des Tages ausmachten und der Rest durchaus positiv sein kann. In eine ähnliche Richtung sind die Aussagen von 16 % der teilnehmenden Personen zu interpretieren, dass sie achtsamer den negativen Emotionen gegenüber wurden und dass über die Reflexion der positiven Erfahrungen eine Neu- bzw. Umbewertung des Tages erfolgte. Als Grund für diese Veränderungen wurde angegeben, dass sich der Wahrnehmungsfokus auf Positives verschiebe, was über die besagten Personen hinaus von 41 % der teilnehmenden Personen berichtet wurde. 49 % der Teilnehmer/innen gaben an, mehr auf Kleinigkeiten zu achten und diese mehr zu schätzen bzw. deren Wert zu erkennen (z. B. Lächeln der Leute, Grün der Bäume, Vogelzwitschern, Frische der Luft …). Man achte darauf, was einem wirklich gut tue, und erinnere sich mehr an positive Dinge, die sonst in Vergessenheit geraten würden. Dabei verändere sich die Wahrnehmung nicht nur in Bezug auf Positives oder Negatives im Allgemeinen, sondern auch spezifisch in Bezug auf den Umgang mit Personen und die Einschätzung von Personen (14 %): Man stelle dem Umfeld andere Fragen, meide Negativität, nehme Problemorientierung des Umfelds bewusster war und ziehe sich aus entsprechenden Gesprächen eher zurück. An Stelle dessen trete eine größere Wertschätzung der eigenen alltäglichen Leistungen, Erfahrungen, aber auch der eigenen Person, wie auch die Wertschätzung für Familie und Freunde, was generell von 35 % der Teilnehmer/innen berichtet wurde. Interessant ist, dass es bei einigen Teilnehmer/innen zu einer bewussteren Wahrnehmung des eigenen Umgehens mit anderen Personen gekommen ist. So wird beispielsweise berichtet, dass „ich begonnen habe, mir zu überlegen, wo ich bei anderen Menschen heute bei den 4 Evening Questions in ihrem Tagebuch positiv vorkommen würde“.
2.4.3 Leitfrage 3: Welche Erfahrung wurde mit den einzelnen Fragen gemacht?
Was hat mir Freude gemacht? Diese Frage schien Vielen verhältnismäßig leicht gefallen zu sein: 28 % der teilnehmenden Personen gaben an, dass diese Frage am leichtesten zu beantworten war, wobei es auch 2 Personen gab, die es als ungewohnt empfanden, sich mit dieser Frage „so strukturiert“ zu beschäftigen. So gab es mehrmals die Antwort, dass die Frage eigentlich recht gut zu beantworten war, weil dazu viele Dinge in den Sinn kämen und ihnen mit der Zeit auch immer mehr Sachen einfielen. Eine andere Erklärung dafür war, dass die Frage so allgemein formuliert war. Es gab „viele Einfälle, oft Kleinigkeiten“ (19 %), die sich als „alltägliche Dinge, die Freude bereiten“ zusammenfassen lassen: der Wert von Beziehungen, Freunden und Familie; Zuwendung, Lob und Zuspruch; Alltagsbegegnungen und Sinneserfahrungen (Schönes beobachten, riechen, schmecken); Erfolge und gute Leistungen; Essen; Sport, aber auch Materielles. Die Befragten bemerkten, es sei sehr schön gewesen, sich am Abend an freudige Situationen zu erinnern, wodurch diese Frage explizit bei 16 % der Übenden ein positives Gefühl auslöste. Einige formulierten, dass diese Frage bei ihnen die Erkenntnis ausgelöst habe, dass sie viel Freude im Leben haben, was wiederum mit einem Gefühl der Zufriedenheit verbunden war.
Wo habe ich mich lebendig gefühlt? Diese Frage wurde, wie erwartet, von 41 % der Teilnehmer/innen als schwieriger zu beantworten erlebt. Eine Schwierigkeit wurde dahingehend erlebt, dass nicht alle Situationen, in denen man sich lebendig fühlt, positiv besetzt sind (z. B. Frust, Ärger, Schmerzen, Streit, Gefahr). Die Schwierigkeiten mit der Beantwortung der Frage führten zur Frage, was es überhaupt heißt, „sich lebendig zu fühlen“. Die Antworten darauf waren breitgefächert – Beispiele für Definitionen sind „kleine Nebenhandlungen, die als ‚Vorfreude‘ zusammengefasst werden können“ oder „Zusammenspiel von körperlicher und geistiger positiver Energie, in der man sich rundum wohl und aktiv fühlt“. Einheitlicher waren in diesem Zusammenhang die Dinge, Tätigkeiten und Aktivitäten, bei denen das Gefühl des Lebendig-Seins erlebt wurden: Am häufigsten wurde Sport genannt (14 %), gefolgt von Natur- und Wetterphänomenen (Wind, Sonne, Regen …) bei 8 % der teilnehmenden Personen. Außerdem wurden genannt: Musik, Herausforderungen und Leistungen, Beziehungen sowie Kochen und Essen. Auffällig ist, dass die Erlebnisse, in denen sich die Teilnehmer/innen lebendig fühlen, vor Durchführung der Übung als selbstverständlich erlebt wurden oder in alltäglichen Situationen vorkamen. So löste diese Frage für einige Personen den größten Erkenntnisgewinn aus und resultierte zum Beispiel darin, dass sie vermehrt aktiv die Situationen aufsuchten, in denen sie sich lebendig fühlten. Nur in einem Fall kam es zu einem negativen Reflexionsergebnis. Dabei baute sich für einen Teilnehmer durch die Frage emotionaler Druck auf, weil dieses Gefühl als neuer Bewertungsmaßstab für die Qualität des Alltags angelegt wurde und dieser fortan als „sehr langweilig“ erschien.
Wofür und wem kann ich heute dankbar sein? Diese Frage wurde erwartungsgemäß von fast allen Studienteilnehmer/innen als schnell beantwortbar wahrgenommen, mit vielen Ideen assoziiert und von 10 Teilnehmer/innen als schönste Frage bezeichnet. Einige äußerten, dass die Frage zu einem Prozess des tiefen Nachdenkens führt, ein gutes Gefühl hinterlässt und zufrieden stimmt, Ressourcen aufdeckt, eine „heilende und versöhnende“ sowie beruhigende und entspannende Wirkung hat. Eine große Erkenntnis unter den Teilnehmer/innen war, dass sie für vieles dankbar sein können und dass es viele Menschen gibt, die einem tagtäglich etwas Gutes tun, in schwierigen Situationen helfen oder einfach den Tag verschönern (27 %). Dabei gaben 2 Personen an, dass sich der Fokus von Materiellem und „großen Hilfestellungen“, für die man dankbar ist, im Prozess des Tagebuchführens schnell auf vermeintliche Kleinigkeiten verschiebt, die „doch die größte Bedeutung haben“.
Welche Stärken konnte ich heute ausleben? Fast die Hälfte der Teilnehmer/innen gab an, dass dies die schwierigste Frage gewesen sei und einige Zeit gebraucht wurde, bis überhaupt Stärken erkannt und vor allem benannt werden konnten. Diese Schwierigkeit war aufgrund der Vorstudien zu erwarten und eingeplant. Rund 10 % schrieben allerdings auch, bei dieser Frage den größten Erkenntnisgewinn gehabt zu haben und z. B. durch diese Erkenntnisse neue Wege gefunden zu haben und diese auch zu gehen. Insgesamt ein Viertel der Studienteilnehmer/innen kam zu dem Schluss, viele Stärken zu haben und kompetent zu sein, was das Gefühl von Kraft, Selbstbewusstsein, Zufriedenheit und Glück auslöste. 8 % der Teilnehmer/innen sprachen explizit davon, dass sie sich zum ersten Mal damit beschäftigen mussten, für sich zu definieren, was Stärken eigentlich sind. Gründe für die Schwierigkeiten mit der Frage wurden im Zusammenhang mit dem eigenen Selbstverständnis bzw. dem Blick auf die eigene Person formuliert: „Oft ist mir im Alltag gar nicht bewusst, was meine Stärken sind oder wie ich sie einsetzen kann“ oder „Ich strotze nicht vor Selbstbewusstsein, deshalb fällt es mir schwer, zu sagen, worin ich wirklich gut bin“. Letztlich artikulierte ein Viertel der Teilnehmer/innen, dass sie sich durch die regelmäßige Beantwortung dieser Frage besser kennenlernten, 11 % gaben an, hierfür ca. eine Woche gebraucht zu haben. Ein Drittel machte die Erfahrung, dass Stärken zum Vorschein kamen, die zuvor nicht bewusst wahrgenommen worden waren oder die als selbstverständlich erachtet wurden. Auch von einem „Ketteneffekt“ wurde berichtet: Sobald eine Stärke erkannt wurde, wurden weitere Stärken bewusst, die ebenfalls mit dieser Situation verbunden waren, oder es traten andere Situationen ins Bewusstsein, in denen man diese Stärke(n) ebenfalls zur Anwendung bringen konnte. Auch bislang unbekannte Stärken wurden entsprechend den Schilderungen von einigen erkannt, und das eigene Leben bzw. die eigenen Aktivitäten und Verhaltensweisen wurden in einem neuen Blickwinkel betrachtet und bewertet. Hierbei kam es zu „erstaunlichen Einsichten“ wie neuen Strategien zur kontextabhängigen Nutzung von Stärken oder einer neuen Perspektive auf das eigene Leben und die eigenen Aktivitäten. 11 % äußerten das Vorhaben, Stärken in sich selbst und anderen mehr zu sehen und weiter aktiv nach eigenen Stärken und ihren Einsatzmöglichkeiten zu suchen.