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13.09.2021 | Materialentwicklung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Klimaneutrale Energie- und Rohstoffinnovation

verfasst von: Dieter Beste

4:30 Min. Lesedauer

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Aus Erdgas gewonnener Wasserstoff hat ein schlechtes Image, denn bei seiner Produktion fällt CO2 an. Forscher wollen nun mit einem innovativen Verfahren neben Wasserstoff hochwertiges Carbon-Material aus Methan gewinnen.

Von den jährlich weltweit produzierten gut 50 Megatonnen Wasserstoff stammen rund 95 Prozent aus fossilen Quellen. Da die Produktion mit erheblichen CO2-Emissionen als Nebenprodukt verbunden ist, sei eines der Hauptprobleme bei der Wasserstoffproduktion somit immer noch die große Umweltbelastung, halten die Autoren Jose Antonio Medrano, Emma Palo und Fausto Gallucci im Buchkapitel "Konventionelle Verfahren zur Wasserstoffherstellung" fest: "Beispielsweise ist allein die Ammoniakindustrie für über 300 Mio. Tonnen CO2-Emissionen jährlich verantwortlich." Und wenn auch der Run auf Grünen Wasserstoff, also die Elektrolyse von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen, beträchtlich an Fahrt aufgenommen hat, wird man – auch das geht aus diesen Zahlen hervor – kurz- und mittelfristig auf Grauen Wasserstoff, gewonnen aus fossilen Brennstoffen, nicht verzichten können. 

Empfehlung der Redaktion

2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Konventionelle Verfahren zur Wasserstoffherstellung

Wasserstoff ist ein notwendiger Rohstoff in der Erzeugung von Ammoniak, für Hydrocracking sowie für die Herstellung von Methanol und Pharmazeutika und wird auch von Lebensmittel- und Metallindustrien benötigt. Nach dem Stand der Technik ist die Herstellung von Wasserstoff von der Verwendung fossiler Ausgangsstoffe und Energieträger abhängig und damit mit einer erheblichen CO2-Emission verbunden. Kapitel 3 beschreibt die derzeit eingesetzten Verfahren und benennt nachhaltigere Alternativen.

Während grün nicht nur in diesem Zusammenhang positiv konnotiert ist und eine CO2-frei Wasserstoffproduktion signalisiert, ist grau deutlich negativ konnotiert. Tatsächlich entstehen bei der Produktion von einer Tonne Grauem Wasserstoff rund 10 Tonnen CO2, das, in die Atmosphäre abgegeben, den globalen Treibhauseffekt verstärkt. Aber es lohnt sich, einen genauen Blick auf die Farbenlehre des Wasserstoffs zu werfen. Es gibt darüber hinaus Blauen Wasserstoff – eigentlich Grauer Wasserstoff –, dessen CO2 bei der Entstehung jedoch abgeschieden und gespeichert wird (Carbon Capture and Storage, CCS). Blauer Wasserstoff kann somit als CO2-neutral gelten. Und schließlich ist da noch der Türkise Wasserstoff, der über die thermische Spaltung von Methan (Methan-Pyrolyse) hergestellt wird. Hierbei entsteht anstelle von CO2 fester Kohlenstoff.

Carbon und Wasserstoff aus Methan

Im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung mit den Unternehmen voestalpine Stahl, Primetals Technologies Austria, Wien Energie und der RAG Austria, die als Industrie-Projektkoordinator fungiert, entwickelt die Montanuniversität Leoben eine vielversprechende Technologie, Carbon und Wasserstoff CO2-neutral aus einer Hand zu gewinnen. Mit Pyrolyse-Verfahren wollen die Wissenschaftler den Rohstoff Methan, das zu 75 bis 98 Prozent Hauptanteil von Erdgas ist, emissionsfrei in Carbon und Wasserstoff zerlegen. "Diese Zukunftstechnologie vereint die Ziele Dekarbonisierung, Transformation von und zu Energieträgern sowie die Erzeugung von kritischen Rohstoffen", sagte zum Projektstart im Juli letzten Jahres Peter Moser, der als Vizerektor der Montanuniversität Leoben das Vorhaben im Rahmen des Resources Innovation Center Leoben koordiniert und vorantreibt. Das aus der Pyrolyse gewonnene hochwertige Carbon habe das Potenzial, vielfältige nachhaltige Technologien zu ermöglichen und zu revolutionieren, so Moser.

Methan ist der Rohstoff mit dem höchsten H/C-Verhältnis, und folglich sei Erdgas bislang der bevorzugte Rohstoff für die Wasserstoffproduktion, schlussfolgern Medrano, Palo und Gallucci: "Auf der Basis dieses Rohstoffs wurden seit vielen Jahrzehnten verschiedene Technologien entwickelt und kommerzialisiert, so z. B. die Methan-Dampfreformierung (SMR), die autotherme Reformierung (ATR) und die partielle Oxidation von Methan (POX)." Außerdem, so die Springer-Autoren, seien in den letzten Jahren neue Technologien für die Wasserstoffproduktion mit Methan als Einsatzmaterial vorgeschlagen worden: "Das trockene Reformieren von Methan oder die Methanzerlegung erscheinen dabei als besonders interessante Wege, um Methan in Wasserstoff und auch, wie im Falle der Methanzerlegung, in festen Kohlenstoff, ein wichtiges Produkt mit hohem Mehrwert, umzuwandeln. Die Technologien haben jedoch noch keine kommerzielle Anwendung gefunden."

Aufbereitung und Veredlung in Loeben

Das Wissenschaftler- und Praktiker-Team in Loeben möchte dies nun ändern. In einem Fachbeitrag der Zeitschrift "BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte" berichten Gerald Hartig, Sabrina Gehringer und Helmut Flachberger über die Aufbereitung und Veredlung von Kohlenstoff-Vorkonzentraten aus Pyrolyse-Prozessen zu marktfähigen Kohlenstoff-Produkten, und zwar im Hinblick auf große Oberflächen und hohe Reinheiten. Ein wichtiger Aspekt des Gesamtprojekts, denn: "Sollte die Methan-Pyrolyse einen signifikanten Beitrag an der beständig steigenden weltweiten Wasserstoffproduktion leisten, müssen neue sinnstiftende Anwendungsgebiete für den anfallenden Kohlenstoff erschlossen werden", sind Hartig, Gehringer und Flachberger überzeugt. 

Vor dem Hintergrund der am Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung der Montanuniversität Leoben vorhandenen Erfahrungen zur Charakterisierung, Aufbereitung und Veredlung von natürlichen und synthetischen Grafiten und anderer Kohlenstoffträgern skizzieren die Forscher in ihrem Fachbeitrag grob ihr Arbeitsprogramm folgendermaßen:

  1. Erhebung/Evaluierung der geforderten Produkt-Spezifikationen für die verschiedenen Kohlenstoff-Anwendungen.
  2. Erarbeitung und Festlegung einer aufbereitungstechnischen Strategie zum Erreichen der geforderten Produkt-Spezifikationen.
  3. Durchführung umfassender und systematischer Aufbereitungsversuche (Sortierversuche).
  4. Durchführung umfassender und systematischer Versuche zur mechanischen, chemischen und thermischen Nachbehandlung für die Herstellung definierter und hoher (innerer) Oberflächen als wesentliches Qualitätskriterium für hochwertige Kohlenstoff-Produkte.
  5. Zuordnung der erzeugten Kohlenstoff-Produkte in eine "Anwendungs-Datenbank", um den Rohgutwert zu maximieren und um schnell und effizient verschiedene Verwendungsmöglichkeiten von Kohlenstoff-Produkten unterschiedlicher Qualität aufzeigen zu können.

Steiniger Weg zu hochwertigem Carbon

Erste Ergebnisse zeigen, dass der Weg zu einem hochwertigen Carbon-Material, das als industrieller Rohstoff für die Produktion von Baustrukturen, Batterien, Computerchips oder Kohlenstofffasern taugt, einige Hürden bereithält. So fallen die bei der Methan-Pyrolyse erzeugten Kohlenstoff-Vorkonzentrate "zum einen in großen Mengen und zum anderen in feinst- und polydispersen Körnerkollektiven an." Bei deren Sortierung sind höchste Anforderungen an die Reinheit der Kohlenstoff-Produkte zu stellen wie etwa eine "vollständige Metallentfrachtung". Im Zuge umfangreicher Sortierversuche konnten die Wissenschaftler inzwischen eine eindeutige Anreicherung des Kohlenstoffs und eine Abreicherung der Begleitbestandteile im Konzentrat erzielen. "Zur Auffindung von optimierten Sortierlösungen, abgestimmt auf die große Bandbreite unterschiedlicher Kohlenstoff-Vorkonzentrate aus der Methan-Pyrolyse, bedarf es aber noch intensiver Forschungstätigkeit", heißt es in dem Fachbeitrag. 
 

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