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23.09.2014 | Medien | Schwerpunkt | Online-Artikel

"Das eine beste Paywall-Modell gibt es nicht"

verfasst von: Andrea Amerland

5 Min. Lesedauer

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Alle sind sich sicher: Medien brauchen zum Überleben eine Paywall. Aber noch immer gibt es in Deutschland viel weniger Bezahlschranken als in den USA. Unternehmensberater Alexander Henschel sieht in der Online-Gratiskultur und im Pricing Hindernisse.

Warum schreitet die Einführung von Bezahlschranken in Deutschland so zögerlich voran?

Derzeit haben in Deutschland tatsächlich erst wenige Verlage ihren Content hinter eine Bezahlschranke gelegt. Die Verlage, die bis dato eine Paywall eingeführt haben, sind damit auch nur in seltenen Fällen erfolgreich, da der Kunde in Deutschland Gratiscontent gewöhnt ist. Viele Verlage sehen derzeit das berechtigte Risiko, dass sie durch die Einführung einer Paywall die Reichweite ihrer Website deutlich reduzieren – mit entsprechenden Auswirkungen auf die Werbeerlöse. Um in Deutschland erfolgreich Paywalls zu etablieren, müssten sich ein Großteil der Verlage entschließen, Paywalls zu implementieren. Damit wäre die Gefahr eingegrenzt, dass man mit der Einführung einer Paywall, einen Kunden an eine andere Seite verliert. Es braucht wohl eines gewissen Erziehungseffektes, um Konsumenten in Deutschland von der Kostenloskultur wegzubringen und dahin zu bewegen, für Qualitätsinhalte zu bezahlen – so wie der Konsument es ja auch in der Offline-Welt kennt.

Und was ist in den USA anders?

In den USA ist man hier tatsächlich schon etwas weiter. So haben mittlerweile rund 50 Prozent der Verlage, selbst Regionalverlage, eine Paywall eingeführt. Von großem Erfolg würde ich dennoch nicht sprechen. Schaut man sich die Konvertierungsraten der unterschiedlichen Webseiten an, so liegen diese lediglich bei zwei bis drei Prozent, d.h. nur zwei bis drei Prozent der Unique User einer Webseite gehen hinter die Paywall und bezahlen für die Inhalte. Hierbei gibt es leichte Varianzen in Abhängigkeit vom Paywall-Modell und natürlich zwischen den verschiedenen Verlagen. Ganz entscheidend für die Konvertierungsrate ist natürlich die Qualität des Contents. So zeigt beispielsweise die weltweit für ihre journalistische Qualität angesehene "Financial Times" eine Konvertierungsrate von vier Prozent.

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Bei den Paywall-Modellen gehen die Verlage sehr unterschiedlich vor. Die Taz setzt auf die Freiwilligkeit, manche lokale Angebote wollen ab dem zehnten Artikel Geld. Harte Paywalls sind eher selten. Welche Faktoren sollte man bei der Einrichtung eines Paywall-Konzeptes berücksichtigen?

In der Tat arbeiten die Inhalteanbieter mit sehr unterschiedlichen Modellen und passen diese auch immer wieder an. Gerade beim Metered-Modell, bei dem Konsumenten auf eine bestimmte Anzahl an Artikeln (beispielsweise 20 pro Monat) zugreifen können, haben viele Verlage diese Zahl in letzter Zeit deutlich reduziert und damit die Paywall nach „vorne“ gezogen. Der Konsument ist so früher genötigt, für Inhalte zu bezahlen. Beim Freemium-Modell, bei dem die Verlage je Artikel entscheiden können, ob sie ihn hinter eine Paywall setzen oder davor, passen Verlage dies im Laufe des Tages und in Abhängigkeit vom Traffic kontinuierlich an. Das eine beste Paywall-Modell gibt es nicht, das sich durchgesetzt hat und bei allen Verlagen funktioniert. Verlage müssen in Abhängigkeit von ihrer Zielgruppe und ihren Inhalten individuell festlegen, welches für sie das sinnvollste Modell ist und sie müssen testen und ausprobieren. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass immer mehr Verlage in Richtung eines Freemium-Modells gehen. Dies ermöglicht ihnen, schneller und flexibler zu reagieren und Inhalte besser zu monetarisieren. Es ist hierbei nicht so wie früher, wo man einen einmal eingeschlagenen Pfad nicht mehr verlässt. In der digitalen Welt funktioniert vieles im Trial & Error-Verfahren.

Eine Diskussion, die rund um Bezahlschranken im Internet immer wieder geführt wird, ist die Qualitätsdebatte. Für gut recherchierte Hintergründe soll die Zahlbereitschaft höher sein als für News, die es an jeder Ecke gibt ...

Unsere Studie kam natürlich auch zu diesem Ergebnis. Für hochwertigen Content ist die Zahlungsbereitschaft um ein vielfaches höher. Gleiches gilt für die Exklusivität: Je exklusiver ein Content, desto höher die Zahlungsbereitschaft. Für flüchtigen Content wie beispielsweise News, der auf verschiedenen Plattformen verfügbar ist, besteht schlicht keine Zahlungsbereitschaft. Insofern sollten Verlage auch weiterhin auf Qualitätsjournalismus setzen, denn dafür sind Konsumenten auch bereit zu bezahlen. Weiterhin ist es wichtig, dass Content für den Konsumenten einen möglichst großen Mehrwert generiert. Dies kann auch durch einen hohen Grad der Individualisierung oder Interaktivität geschehen.

Ein anderes Problem: Online-Paywalls erreichen zumeist nicht den Stand der Printerlöse. Was müssen Unternehmen beim Pricing beachten, um einerseits Nutzer nicht zu verprellen und andererseits ein erfolgreiches digitales Erlösmodell zu etablieren?

Dies ist in der Tat eine der größten Herausforderungen für Verlage in der digitalen Welt. Ausgehend von der Gratiskultur im Web ist die Zahlungsbereitschaft selbst für Qualitätscontent immer noch mehr als 50 Prozent geringer als in der analogen Printwelt. Bei der Wahl des richtigen Preises für Content in der digitalen Welt, müssen Inhalteanbieter dementsprechend einen deutlich niedrigeren Preispunkt wählen als in der analogen Printwelt. Ist dieser Preispunkt zu niedrig, konvertieren Kunden aus der analogen Printwelt schneller in die digitale Welt, was Vertriebsumsätze und letztlich Unternehmenswert vernichtet. Wird der Preispunkt für digitalen Content zu hoch angesetzt, verliert man Kunden, die in die digitale Welt konvertieren, möglicherweise an andere Verlage mit günstigeren digitalen Content-Angeboten.

Um diesem Problem zu entgehen, kreieren Verlage häufig Produktbundles, die Printangebote und Digitalangebote kombinieren oder Leistungskomponenten und Dienste beinhalten – wie etwa der Zugriff auf Archive – eine App, E-Paper, die Integration von Blogs etc., die einen direkten Vergleich von Print- und Digitalprodukt oder auch mit anderen Verlagen erschweren. Insofern ist unser Rat an Inhalteanbieter, dass sie neben Inhalten, die sie auch in einer Printzeitung oder-zeitschrift anbieten, noch weitere Zusatzdienste und Inhalte offerieren, die einen echten Mehrwert für den Kunden darstellen. Dies können Bewegtbildinhalte sein, Archive, digitale Events etc. Pure Online Player haben es hier deutlich leichter, sie haben kein existierendes analoges Geschäft, das sie mit digitalen Geschäftsmodellen gefährden.

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