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04.06.2019 | Mobilitätskonzepte | Schwerpunkt | Online-Artikel

Warum eine City-Maut besser wäre als Diesel-Fahrverbote

verfasst von: Christiane Köllner

6 Min. Lesedauer

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Gibt es Alternativen zu Diesel-Fahrverboten? Ja, wie ein aktuelles Positionspapier von Regierungsberatern zeigt. Sie plädieren für eine City-Maut. Aus mehreren Gründen. 

Die Luft in deutschen Städten ist schlecht. Um die Luftqualität zu verbessern, sind Diesel-Fahrverbote bislang das Mittel der Wahl, um die erhöhten Stickoxid-Werte in den Städten in den Griff zu bekommen. Doch die Fahrverbots-Entscheidungen sind umstritten. Die meisten Umweltverbände sind für Verbote, viele Politiker, Experten und Dieselfahrer lehnen sie schlichtweg ab. 

Immerhin haben die Entscheidungen aber verkehrspolitische Debatten ausgelöst, die auch andere Möglichkeiten, die Luftqualität in urbanen Zentren zu verbessern, ins Spiel gebracht haben. Unter den Vorschlägen war zum Beispiel ein kostenloser Nahverkehr als Anreiz, nicht mit dem Auto in die Stadt zu fahren. Immer wieder im Gespräch sind zudem die blaue Plakette, die schmutzige von sauberen Dieseln unterscheiden soll, oder eine Hardware-Nachrüstung für Dieselfahrzeuge. 

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Regierungsberater fordern City-Maut 

Fast täglich gibt es neue Ideen, wie sich Mobilität und Umwelt bestmöglich vereinen lassen. Manches hört sich gut an, anderes stellt sich als unrealistisch heraus. Nur eine Lösung, um die Innenstädte zu entlasten, wird bislang kaum diskutiert: die City-Maut. Das könnte sich jetzt aber ändern. Denn hochrangige Regierungsberater und Ökonomen erhöhen aktuell den Druck auf die Bundesregierung und fordern in einem gemeinsamen Positionspapier die Einführung einer City-Maut. Städte wie Stockholm, Oslo und London machen es bereits vor. Dort müssen die Bürger eine Gebühr bezahlen, wenn sie mit ihrem Auto in die Stadt fahren wollen. Warum also nicht auch in hochbelasteten deutschen Großstädten eine City-Maut einführen?

In ihrem Plädoyer für eine Städte-Maut, das vom RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und der Stiftung Mercator initiiert wurde, argumentieren die Ökonomen, dass eine City-Maut "eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Antwort auf die vielfältigen Probleme, die mit dem zunehmenden Autoverkehr in deutschen Städten einhergehen" sei. Gleichzeitig könnte sie helfen, "sozial ungerechte und ökologisch wenig zielführende Fahrverbote" zu vermeiden, heißt es in den Papier. Die Einnahmen aus der Städte-Maut sollten für eine Verbesserung des ÖPNV und der Fahrradinfrastruktur sowie zur Finanzierung von Sozialtickets genutzt werden, schlagen die Ökonomen vor.

Wer viel fährt, muss viel zahlen

Bereits im Frühjahr 2018 hatte ein Forscher-Team des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR), Dresden, und der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK), Leipzig, darauf hingewiesen, dass eine City-Maut aus ökonomischer Sicht solchen Maßnahmen wie Diesel-Fahrverboten klar überlegen sei. Laut den Forschern lasse sich das Problem verkehrsbedingter Luftverschmutzung in Innenstädten durch lokale Schadstoffemissionen durch eine City-Maut effizient lösen. Diese sollte nach dem Schadstoffausstoß – unabhängig von der eingesetzten Kraftstoffart und der Technologie – gestaffelt sein und die negativen Auswirkungen des Autofahrens sichtbar dem eigentlichen Verursacher in Rechnung stellen: Wer viel fahre, müsse viel zahlen. Fahrzeuge mit niedrigeren Schadstoffklassen sollen höhere Mauttarife zahlen. Das bedeute auch, je voller die Straßen und je belasteter die Luft, desto höher die Maut. 

Die Maut ist nach Ansicht der Forscher einem Fahrverbot aus vier Gründen klar überlegen:

  • Mit der City-Maut haben die betroffenen Menschen eine Wahl. Sie könnten selbst entscheiden, ob ihnen die Fahrt ins Stadtzentrum mit dem eigenen Pkw so viel wert ist oder ob sie nach Alternativen suchen. 
  • Durch eine City-Maut werden zudem Anreize für Autofahrer geschaffen, das eigene Mobilitätsverhalten zu verändern. Mit den Fahrverboten hingegen werden Tatsachen geschaffen, die letztendlich teuer und ungerecht verteilt sind. Denn obwohl Diesel-Fahrverbote vermutlich gewisse lokale Umweltwirkungen erzielen können, liefern sie keine Anreize für weniger Fahrten von Benzinern.
  • Die Maut hätte durch den variablen Preis je nach Verkehrsaufkommen auch eine Lenkungswirkung und könnte Staus reduzieren.
  • Im Gegensatz zu einem Fahrverbot würde eine Maut auch nicht dazu führen, dass ältere Autos mit höheren Schadstoffwerten drastisch an Wert etwa für einen Wiederverkauf verlieren.

Geringe gesellschaftliche Kosten, wirtschaftliches Wachstum

"Es ist richtig, dass auch die City-Maut den einzelnen Haushalt belastet. Dennoch ist die Maut ein effizientes und transparentes Instrument, um die Luftqualität und das Verkehrsaufkommen in den Städten langfristig zu verbessern. Sie ist aus ökonomischer Sicht den derzeit viel diskutierten Fahrverboten für Diesel klar überlegen, da sie die Verbesserung der Luftqualität zu geringeren gesellschaftlichen Kosten erreicht", so die ZEW-Forscher. Damit langfristig gleiche Bedingungen herrschten, sollte die Politik eine Harmonisierung der Regulierung hinsichtlich der Schadstoffemissionen über die verschiedenen Verkehrsmittel hinweg anstreben, raten die Wissenschaftler.

Auch Springer-Autor Gerd Sammer hebt die positiven Wirkungen einer City-Maut im Kapitel Wirkungen und Risiken einer City-Maut als zentrale Säule eines städtischen Mobilitätskonzepts aus dem Buch Zukünftige Entwicklungen in der Mobilität hervor. Sie trage zum Ziel der Internalisierung der externen Kosten von Autonutzern bei und habe einen stark die Nachfrage steuernden Effekt. "Das wirkt in der Regel Stau vermeidend und Umwelt verbessernd", so Sammer. Es bestehe aber auch ein gewisses Risikopotenzial, so der Autor. Umfasse das Mautgebiet nur einen Teil des Ballungsraums, entstünden zwei Bereiche mit stark unterschiedlicher Standortqualität. So könnte sich der Einkaufsverkehr von Stadtzentren zu peripheren Vorstadt- und Randgebieten verlagern sowie Betriebe und Geschäfte an die Peripherie von Ballungsräumen abwandern. Durch die Einführung einer flächenhaften Maut im gesamten Ballungsraum oder von Kompensationszahlungen, wie zum Beispiel einem Shoppingbonus, ließe sich dem aber entgegenwirken. 

Glaubt man Springer-Autor Dietrich Leihs, bringt eine City-Maut sogar positive ökonomische Effekte für den Einzelhandel. In den City-Maut-Zonen (Stockholm, London, Mailand) habe es nachweislich mehr wirtschaftliches Wachstum als außerhalb beziehungsweise in vergleichbaren Zonen gegeben, so Leihs im Interview "Die mediale Vorbereitung erfordert Fingerspitzengefühl". "Selbst für rigide Fahrverbotszonen wurde nachgewiesen, dass diese keinerlei negative Auswirkung auf die Wirtschaft haben", erklärt Leihs. Die Gründe dafür seien die verbesserte Erreichbarkeit der Innenstädte und die verringerte Fläche für den Straßenverkehr durch weniger Verkehrsaufkommen. Die Exklusion von sozialen Randgruppen werde in der Regel durch ein verbessertes ÖPNV-Angebot abgefedert.

City-Maut braucht Fingerspitzengefühl

Die City-Maut hat also mehrere Vorteile gegenüber Diesel-Fahrverboten. Mag ein Fahrverbot auf den ersten Blick einfach umzusetzen sein, erlaubt die heutige digitale Informationstechnologie auch eine City-Maut. Zur automatischen Kennzeichenerfassung werden Kennzeichenkameras eingesetzt. Bilder und Kennzeichen werden dabei nicht länger als einige wenige Sekunden gespeichert. Wenn organisatorisch die Kundendatenhaltung von der Datenerfassung getrennt ist, ist auch dem Datenschutz Rechnung getragen.

Warum wurde die City-Maut dann aber bis heute nur in relativ wenigen Städten eingeführt? Die Maßnahme sei schwer zu verkaufen, weil sie mit einer Verhaltensänderung der Reisenden einhergehe wie etwa dem Umstieg auf andere Verkehrsmittel, erklärt Leihs. Um ihr mehr Akzeptanz zu verleihen, empfiehlt Springer-Autor Sammer breite Sachinformation sowie eine schlüssige Argumentation: "Eine City-Maut wird nur dann die nötige Akzeptanz bekommen, wenn einerseits ein Verkehrsproblem mit unzumutbaren Verkehrs- sowie Umweltzuständen existiert und bewusst ist und andererseits die Einführung einer zweckgebundenen Maut ein Teil eines gesamten Lösungspaketes bildet, das die Mauteinnahmen zur Finanzierung von alternativen Verkehrslösungen verwendet", betont Sammer. Und er resümiert: "Keine Akzeptanz verspricht eine Stadtmaut, die als Strafgebühr für den Autoverkehr aufgefasst wird."

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