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29.04.2022 | Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Wiener Motorensymposium: "Kolossaler Wandlungsprozess der Mobilität"

verfasst von: Sven Eisenkrämer, Marc Ziegler, Thomas Schneider

6:30 Min. Lesedauer

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Beim 43. Internationalen Wiener Motorensymposium haben Experten die Zukunft der Mobilität in Anbetracht der großen Herausforderungen dieser Zeit diskutiert. 

Nachdem bereits im Februar 2022 der 9. Internationale Motorenkongress in Baden-Baden, veranstaltet von ATZlive und VDI Wissensforum, die Rückkehr von Live-Kongressen nach beinahe zwei Jahren Pandemie-Zwangspause einläutete, startete nun das 43. Wiener Motorensymposium. Zum Beginn begrüßte Prof. Dr. Bernhard Geringer vom veranstaltenden Österreichischen Verein für Kraftfahrzeugtechnik (ÖVK) mehr als 1000 Gäste: "Das Motto soll Meet and Greet sein", sagte Geringer und freut sich, das Motorensymposium wieder in Präsenz in der Hofburg eröffnen zu dürfen. 

Geringer sprach von einem kolossalen Wandlungsprozess der Mobilität: "Die Themen Klimawandel, Energieversorgung, Pandemie und leider auch der Krieg in Europa fesseln uns alle." Für die Tätigkeitswelt in der Automobilindustrie sei der Klimawandel mit der geforderten Nachhaltigkeit der langfristige Fokus. Diskussionen mit Forderungen nach Verbot des Verbrennungsmotors prägten die Diskussion. "Das bringt uns nicht weiter", sagte Geringer. Um nachhaltige Lösungen zu finden, diene dieses Symposium unter anderem mit den Kernthemen Defossilisierung, Wasserstoff, E-Fuels oder Elektrifizierung des Antriebsstangs, ohne die Entwicklung von Verbrennungskraftmaschinen aus den Augen zu verlieren. "Wir brauchen ein Portfolio an Antriebslösungen und vor allem nachhaltige Energieträger - nur damit meistern wir die Herausforderungen", sagte Geringer. (sve)

Plenar-Vorträge und Podiumsdiskussion

Renault: Wandel als Chance begreifen

In seiner Eröffnungskeynote stellten Luca de Meo (Chief Executive Officer der Renault Group) und Philippe Brunet (Senior Vice President Renault Group Powertrain und EV Engineering) die Zukunftsstrategie des OEMs vor. Dabei solle der Wandel vom Verbrennungsmotor hin zu elektrischen und elektrifizierten Antrieben als Chance wahrgenommen werden und mit ökosystemischen Innovationen begrüßt werden. Europäische Hersteller sollten laut de Meo den Wandel zur Dekarbonisierung anführen. Renault möchte bis 2030 seine komplette Flotte vollständig elektrifiziert haben. Dabei werde der gesamte Lebenszyklus der Fahrzeuge betrachtet und es würden, wo möglich, lokale Produktionen aufgebaut, etwa für Batterien und deren Recycling. Dass dies enorme Investitionen erfordere, sei klar, ebenso, dass elektrisch angetriebene Fahrzeuge auch mittelfristig deutlich teurer als solche mit Verbrennungsmotoren sein würden. Deshalb wende sich Renault auch nicht von der Technologie ab, sondern beziffert den Anteil von Fahrzeugen mit VKM im Jahr 2030 weltweit mit einem Anteil von 65 %, auch weil laut eigenen Berechnungen die Ökobilanz eines hybridisierten Fahrzeugs in Ländern mit CO2-intensiver Stromerzeugung positiver ausfällt als die eines BEV. (mz)

ZF: Bis 2030 schon 80 % CO2-Neutralität

In seiner Keynote "Next Generation in Powertrain: Now" skizzierte Wolf-Henning Scheider, Chairman of the Board of Management und CEO der ZF Group, wie das Unternehmen die künftige Entwicklung im Antriebsbereich einschätzt und mitgestalten will. Die vor vier Jahren angestoßene Transformation komme jetzt richtig in Schwung. Dabei spielen insbesondere die E-Mobilität, Automatisierung und softwarebasierte Fahrzeugfunktionen eine entscheidende Rolle. Der Konzern möchte bis 2040 CO2-neutral sein, bis 2030 soll dieses Ziel bereits zu 80 % erfüllt sein. Dann werde ZF keine Getriebe für Verbrennungsmotoren mehr anbieten, dies aber durch Angebote im Bereich der E-Mobilität deutlich überkompensieren. Ein zentrales Element, um dies zu erreichen, sei das modular aufgebaute ZF E-Drive Kit, das mit Leistungen von 75 bis 400 kW ein sehr breites Anwendungsspektrum abdecke. Zudem komme es mit einer einheitlichen Softwarearchitektur und Fahrzeugelektronik aus und sorgt damit für mehr Wirtschaftlichkeit. Wichtig werden auch daten- beziehungsweise cloudbasierte Angebote im Rahmen eines ganzheitlichen Mobilitätsansatzes sein. (tsch)

Mercedes-Benz: Vision EQXX und Neuausrichtung des Luxus-Segments

"Wie nehmen wir 170.000 Mitarbeiter mit auf dem Weg der Transformation?", fragte und beantwortete Markus Schäfer. Dazu brauche es auch immer Symbole und Symbolträger. "Und das ist der EQXX." Mit dem Konzeptfahrzeug hat Mercedes-Benz mit einer möglichst kleinen Batterie einen Energieverbrauch von unter 10 kWh auf 100 km im Realbetrieb erreichen wollen. Dies resultierte am Ende in einer Reichweite von mehr als 1000 km durch eine 900-V-Hoch-Silizium-Batterie mit 100 kWh Batteriekapazität, die deutlich leichter als die im EQS verwendete 100 kWh-Batterie ist. Künftig werde die Reichweite allerdings eher sekundär betrachtet werde, denn die Effizienz resultiere auch in geringere Kosten der Batteriesysteme.

Schäfer gab auch einen kurzen Ausblick auf das Portfolio: Vor allem das Luxus-Segment werde man neu sortieren und sich in der Elektrifizierungsstrategie darauf fokussieren. "Wir werden das Segment im Sinne eines profitablen Wachstums neu ausrichten". Man werde demnächst mehr sehen, was in den vier Kategorien EV Efficiency, EV Performance (AMG), EV Next Level ("was nach dem EQXX kommen wird") und EV Off-Road mit dem Klassiker der G-Klasse bei Mercedes-Benz passieren werde. Schäfer: "Überall dort brauchen wir unterschiedliche Antriebe, um authentisch zu sein in den Segmenten."

Weiterer Höhepunkt am ersten Veranstaltungstag waren unter anderem der Plenar-Vortrag des Miba-Vorstandsvorsitzenden Franz-Peter Mitterbauer zu Technologien für einen sauberen Planeten. Mitterbauer brachte auf den Punkt: "Herausforderungen werden nicht von Ankündigungen gelöst, sondern von Ingenieurinnen und Ingenieuren."  (sve)

Podiumsdiskussion: Wasserstoff ist wie Champagner oder Tafelwasser

Zum Abschluss des ersten Konferenztages beim Motorensymposium sprachen erstmals in einer Podiumsdiskussion Otmar Bitsche (Director E-Mobility bei Porsche), Thomas Korn (CEO, Keyou), Christian Mohrdieck (CCO, Cellcentric), Jürgen Schenk (Senior Executive Adviser, P3 automotive) und Robert Schlögl (Gründungsdirektor, Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion, MPI CEC, sowie Direktor, Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft) in einer Podiumsdiskussion die Antriebe für die zukünftige Mobilität unter Vorsitz von Birgit Priemer (Auto Motor und Sport).

Eins der Themen, das sich grundsätzlich stark durch das Motorensymposium zog, war auch auf dem Podium Wasserstoff. Während Schenk von P3 beispielsweise Wasserstoff "als Champagner der Energiewende" betrachtete, weil er so wertvoll sei, konterte Schögl vom MPI CEC H2 sei vielmehr das Tafelwasser, weil es überall zum Einsatz kommen müsse. "Die Energiesysteme sind zweigeteilt in Elektronen und Moleküle zu betrachten. Und es wird einen Weltmarkt der grünen Moleküle geben", sagte Schlögl. Man dürfe nicht nur auf Deutschland und Europa schauen und müsse Energie- und Verkehrswende sektorenübergreifend verstehen. Schenk sprach stattdessen mehrfach von der Zugehörigkeit einzelner Themen zur Energiewende oder zur Verkehrswende.

Energie, die man über Wasserstoff aus sogenannten Sweet Spots importieren könne, werde viel günstiger werden als lokal produzierte Energie, die man an der Ladesäule in ein BEV lade, argumentierte Korn von Keyou pro H2. Bitsche von Porsche sah für den PKW-Bereich eine strategische Ausrichtung klar zu batterieelektrischen Systemen. "Wir müssen auch die Lieferkette betrachten und den Zulieferern eine Richtung geben, wohin sie entwickeln sollen", sagte der OEM-Vertreter, obwohl Porsche ja sein Engagement in synthetische Kraftstoffe intensiviere.

Dass Vielfalt in Antriebs- und Energiesystemen maßgeblich sei, sagte unter anderem Mohrdieck von Cellcentric. Diese Vielfalt der Technologien "lässt sich auch in Kosten darstellen". Er rezitierte Studienergebnisse, nach denen eine Kombination aus BEV und H2-Fahrzeugen kosteneffizienter als nur ein System sei.

Schwarz-Weiß-Diskussionen seien schwierig, konstatierte MPI-CEC-Gründungsdirektor Schenk. Auch warne er davor, "nur unter der Prämisse Wirkungsgrad zu diskutieren". Man müsse auch zur Kenntnis nehmen, dass heute lediglich 4 % der Weltenergie erneuerbar seien und 96 % fossil. "Nicht jedes Unternehmen muss alle Technologien und Mobilitätsformen anbieten. Wir müssen uns Arbeitsteilig in der Industrie aufstellen. Alle Technologien haben ihre Berechtigung." (sve)

springerprofessional.de und MTZ – Motortechnische Zeitschrift sind Medienpartner des Wiener Motorensymposiums. 

Hinweis in eigener Sache: Weitere tiefgehende Informationen und ein fachlicher Austausch zur Entwicklung zukünftiger Antriebe bietet der 16. Internationale MTZ-Fachkongress Zukunftsantriebe von ATZlive: "Antriebe und Energiesysteme von morgen" vom 10. bis 11. Mai in Berlin oder wahlweise virtuell via Livestream. Das Programm und die Möglichkeiten zur Teilnahme finden Sie auf atzlive.de.

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