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Open Access 2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

2. Nachhaltigkeit, digitale Medien(-kommunikation) und das „gute Leben“

verfasst von : Sigrid Kannengießer

Erschienen in: Digitale Medien und Nachhaltigkeit

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Das kommunikations- und medienwissenschaftliche Forschungsfeld zu Nachhaltigkeitskommunikation und das interdisziplinäre Forschungsfeld, das sich mit Medien(-kommunikation) und dem „guten Leben“ auseinandersetzt, sind facettenreiche, wenn auch kleine Forschungsbereiche, die in diesem Kapitel aufgearbeitet werden. Skizziert werden die nachhaltigkeitsrelevante Journalismus- und Public-Relations-Forschung sowie das relevante Feld der Wissenschaftskommunikation und der Medieninhalts- und Rezeptionsforschung. Die Aufarbeitung des interdisziplinären Forschungsbereichs, der sich explizit mit dem „guten Leben“ und Medien beschäftigt, zeigt, dass hier das individuelle Wohlbefinden und die Relevanz der Mediennutzung für dieses im Fokus stehen. Argumentiert wird aber, dass, um den Zusammenhang von Medien und dem „guten Lebens“ zu verstehen, auch die sozial-ökologischen Probleme in den Blick genommen werden müssen, die aktuelle Digitalisierung verursacht. Daher werden hier auch die sozial-ökologischen Folgen der Produktion, Aneignung und Entsorgung digitaler Medientechnologien skizziert, die durch den Konsum digitaler Medientechnologien verursacht werden. Der Konsum digitaler Medientechnologien und -inhalte hindert letztendlich viele Menschen und weitere Lebewesen an einem „guten Leben“ und zerstört die Umwelt. Was verschiedene Akteur*innen mit Medien(-technologien) machen, um diese sozial-ökologischen Folgen zu vermeiden und welche alternativen, nachhaltigeren Medienpraktiken sie entwickeln, wird hier als Forschungsdesiderat benannt.
Wie bereits in der Einleitung erläutert, ist Nachhaltigkeit kein neuer Begriff, erhält jedoch aufgrund der „Vielfachkrise“ (Bader et al. 2011, s. Einleitung) heutiger Gesellschaften und der Dringlichkeit nachhaltigen Handelns für den Schutz heutiger und zukünftiger Lebewesen sowie ihrer Lebensgrundlage derzeit Konjunktur.
Ich definiere den Begriff der Nachhaltigkeit in Anlehnung an den Brundtland-Bericht als einen Zustand, in dem die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generationen befriedigt werden, ohne dass die Bedürfnisse zukünftiger Generationen nicht befriedigt werden können (World Commission on Environment and Development 1987, s. Einleitung). Dabei ist zu betonen, dass Nachhaltigkeit nicht nur die Bedürfnisse des Menschen umfasst, sondern die Bedürfnisse jedes Lebewesens auf der Erde. Entsprechend soll die hier genutzte Definition von Nachhaltigkeit einen Zustand benennen, in dem die Bedürfnisse heutiger Lebewesen befriedigt werden, ohne dass die Bedürfnisse zukünftiger Lebewesen nicht befriedigt werden können. Da die Bedürfnisse vieler Lebewesen heutiger Gesellschaften (vor allem in ökonomisch weniger entwickelten Ländern) nicht erfüllt sind, ist Nachhaltigkeit ein Zustand bzw. ein Ziel, das es zu erreichen gilt. Nachhaltigkeit wird daher auch definiert als die „Bemühungen um eine Verbesserung der Lebensverhältnisse“ (Grunwald und Kopfmüller 2012, S. 13).
Verschiedenen Modelle der Nachhaltigkeitsforschung wurden in der Einleitung bereits angedeutet und sollen hier kurz erläutert werden: In einem Drei-Säulen-Modell wird zwischen einer ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension von Nachhaltigkeit unterschieden (Corsten und Roth 2012, S. 1 f.; s. auch Hauff und Claus 2012, S. 59), wobei diese Dimensionen nicht getrennt voneinander zu denken sind, sondern als ineinander verwoben (Hauff und Claus 2012, S. 59).1
„Während die ökologische Dimension den Schutz der Umwelt in den Fokus rückt, zielt die ökonomische Dimension auf eine nachhaltige Entwicklung, welche eine langfristige Sicherung der Lebens- und Produktionsgrundlagen sicher stellen soll, die auf der Grundlage intra- und intergenerationeller Gerechtigkeit zur Verbesserung der Lebensqualität bzw. der Wohlfahrt der heute lebenden und der zukünftigen Generationen [führen soll].“ (ebd., S. 61)
Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit zielt auf gesellschaftlichen Zusammenhalt in Humanität, Freiheit und Gerechtigkeit (ebd., S. 66). Der ökologischen Dimension von Nachhaltigkeit, also dem Schutz der Natur, wird insofern besondere Relevanz zuteil, als das ökonomische und soziale Nachhaltigkeit letztendlich nicht ohne eine stabile ökologische Grundlage möglich sind: „Die Menschheit ist ohne eine bestimmte Qualität und Stabilität der Natur bzw. der ökologischen Systeme nicht überlebensfähig. Anders formuliert: Das ökonomische, aber auch das soziale System, können für sich alleine nicht nachhaltig sein.“ (ebd., S. 62).
Das in jüngster Zeit entwickelte Doughnut-Modell integriert die drei Säulen der Nachhaltigkeit, um deren Zusammenhänge zu unterstreichen, und differenziert die drei Bereiche gleichzeitig aus (Raworth 2017). Raworth kreiert den Doughnut als einen ökologisch sicheren und sozial gerechten Raum für die Menschheit (Raworth 2017, S. 39), dessen innerer Ring die von Raworth identifizierten zwölf Grundbedürfnisse der Menschen abbildet, wie z. B. ausreichend Nahrung und sauberes Wasser, aber auch Zugang zu Energie, Bildung und Informationsnetzwerken (Raworth 2017, S. 40). Der äußere Ring des Doughnut besteht aus der von Rockström et al. (2009) identifizierten „ökologischen Decke“, zu denen Luftverschmutzung, Artensterben und Frischwasserverlust gehören (Raworth 2017, S. 41). Auch wenn das Doughnut-Modell Nachhaltigkeit differenzierter abbildet als das Drei-Säulen-Modell, so sind auch die hier benannten Ziele eine Reduktion, umfassen sie doch nicht alle möglichen Aspekte von Nachhaltigkeit.
Gemein ist den verschiedenen Modellen die Betonung, dass Nachhaltigkeit nicht nur auf die ökologische Dimension reduziert werden kann, sondern auch eine soziale, ökonomische und kulturelle Dimension umfasst. Als Ziele nachhaltigen Handelns können allgemein definiert werden: die Sicherung der menschlichen Existenz, die Bewahrung der globalen ökologischen Ressourcen, der Erhalt des gesellschaftlichen Produktivpotenzials und die Gewährleistung der Handlungsmöglichkeiten heutiger und zukünftiger Generationen (Pufé 2014, S. 18; s. Einleitung).
Sucht man in der Kommunikations- und Medienwissenschaft nach einem Forschungsfeld zu Nachhaltigkeit entsprechend des hier erarbeiteten Begriffs, so lässt sich das hier relevante Gebiet in zwei große Bereiche unterteilen: das der Nachhaltigkeitskommunikation und das kommunikations- und medienwissenschaftliche Forschungsfeld zum „guten Leben“. Denn, wie bereits in der Einleitung argumentiert, das Ziel einer nachhaltigen Gesellschaft steht in der Tradition der seit der Antike gestellten Frage nach dem „guten Leben“. Mit der Aufarbeitung beider Forschungsfelder wird zum einen eine theoretische Basis für die anschließende Diskussion der durchgeführten empirischen Studie gelegt. Zum anderen kann durch diese Aufarbeitung gezeigt werden, wo eine Forschungslücke in Hinblick auf Nachhaltigkeit und das „gute Leben“ in der Kommunikations- und Medienwissenschaft liegt, welcher sich die vorliegende Arbeit annimmt (s. für eine Skizzierung der im Folgenden vorgestellten Forschungsfelder Kannengießer 2020b).

2.1 Nachhaltigkeitskommunikation

Ein Forschungsfeld, welches sich in der Kommunikations- und Medienwissenschaft explizit mit Nachhaltigkeit beschäftigt, ist das der Nachhaltigkeitskommunikation (für einen Überblick des Forschungsfeldes siehe Weder et al. 2021). Hoppe und Wolling (2016, S. 339) schlagen vor, Nachhaltigkeitskommunikation als analytisches Konzept für die Erforschung von Umweltkommunikation zu nutzen. Ein solcher Fokus auf Umweltkommunikation würde aber die oben beschriebene Mehrdimensionalität von Nachhaltigkeit auf die ökologische Dimension verkürzen und soziale, ökonomische und kulturelle Aspekte ignorieren. Daher wird hier eine breitere Definition des Begriffs Nachhaltigkeitskommunikation verfolgt: „Nachhaltigkeitskommunikation ist […] ein Verständigungsprozess, in dem es um eine zukunftsgesicherte gesellschaftliche Entwicklung geht, in deren Mittelpunkt das Leitbild der Nachhaltigkeit steht.“ (Michelsen 2007, S. 27) Analog zu der oben erarbeiteten Definition von Nachhaltigkeit definiere ich Nachhaltigkeitskommunikation als medienvermittelte oder nicht-medienvermittelte Kommunikation, die Aspekte thematisiert, welche die Befriedigung der Bedürfnisse heutiger oder zukünftiger Lebewesen tangieren.
Hoppe und Wolling (2016, S. 342 f.) unterscheiden drei Forschungsbereiche der Nachhaltigkeitskommunikation: Ein erster Bereich beschäftige sich mit Unternehmenskommunikation, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiere, ein zweiter Bereich analysiere Werbung in Hinblick auf Aussagen zur Nachhaltigkeit und ein dritter untersuche Nachhaltigkeit in Hinblick auf Medieninhalte. Zieht man die Komplexität des Forschungsfeldes in Betracht, das sich mit Nachhaltigkeitsthemen in der Kommunikations- und Medienwissenschaft beschäftigt, dann scheint die Auflistung und Abgrenzung dieser drei Bereiche verkürzt. So werden u. a. das Feld der Journalismusforschung, welches sich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigt, aber auch das Feld der Rezeptionsforschung, welches sich mit der Rezeption, Aneignung und Wirkung von nachhaltigkeitsbezogenen Themen befasst, außer Acht gelassen.
In der Kommunikations- und Medienwissenschaft behandelt das Feld der Nachhaltigkeitskommunikation insbesondere als Umweltkommunikation die ökologische Säule des Säulenmodells von Nachhaltigkeit (s. o. und Corsten und Roth 2012, S. 1 f.). Das Forschungsgebiet der Umweltkommunikation thematisiert eben diese: „As with other forms of communication, environmental communication is both an activity/phenomenon and a field of study that, not surprisingly, studies the activity/phenomenon.“ (Meisner 2015, o. S.)
Meisner (ebd.) definiert Umweltkommunikation: „In the simplest terms, environmental communication is communication about environmental affairs.“ Die Komplexität des Feldes Umweltkommunikation wird u. a. in der von Hansen (2014) herausgegebenen dreibändigen Kompilation verschiedener Zeitschriften- und Buchbeiträge „Media and the Environment“ deutlich, in dem 73 Beiträge Einblicke in das Forschungsfeld geben (für einen Überblick über das Forschungsfeld s. auch Hansen 2019).
Schäfer und Bonfadelli (2016, S. 318 ff.) teilen das Feld der Umweltkommunikation in drei Bereiche ein: 1) das Feld, welches sich mit den Kommunikator*innen der Umweltkommunikation beschäftigt, 2) die Forschung, die die Medieninhalte analysiert und 3) der Bereich, welcher die Rezeptionsseite in den Blick nimmt. Auch Hansen (2011, S. 20 f.) gliedert das Feld der Umweltkommunikation entlang dieser drei Bereiche, kritisiert jedoch, dass diese, also die Produktions-, Inhalts- und Rezeptionsebene, im Bereich der Umweltkommunikation selten verknüpft werden (inwiefern Schnittstellen berücksichtigt werden, zeigt die folgende Aufarbeitung des Felds). Eine solche Unterteilung ist auch sinnvoll, um das breitere Forschungsfeld der Nachhaltigkeitskommunikation zu skizzieren. In diesem Teilkapitel wird daher das Forschungsfeld der Nachhaltigkeitskommunikation entlang der drei Forschungsstränge aufgearbeitet, welche sich a) mit der Ebene der Medieninhaltsproduktion, genauer der der Journalismus- und Public-Relations-Forschung sowie der Wissenschaftskommunikation auseinandersetzen (Abschn. 2.1.1), b) die Medieninhalte selbst in den Blick nehmen (Abschn. 2.1.2) sowie c) sich der Medienwirkungs- und Medienrezeptionsforschung widmen (Abschn. 2.1.3).
Bei der folgenden Aufarbeitung des Forschungsfeldes zu Nachhaltigkeitskommunikation zeigt sich, dass ein Schwerpunkt dieser nicht nur auf Umweltkommunikation, sondern hier vor allem auf Klimakommunikation liegt. Klimakommunikation bezeichnet die Kommunikationsprozesse, welche inhaltlich Klima und Klimawandel thematisieren.2 Daher wird Umweltkommunikation oft auch als Krisenkommunikation bezeichnet (Meisner 2015, o. S.; Milstein 2009, S. 348), da Krisen wie Klimawandel und Erderwärmung, aber auch Naturkatastrophen wie z. B. die Explosion der Atomreaktoren in Tschernobyl oder Fukushima im Fokus stehen (Meißner 2017).
In Deutschland ist das Forschungsfeld zur Kommunikation des Klimawandels noch relativ jung (Schäfer 2016, S. 1), wobei in der internationalen Kommunikations- und Medienwissenschaft seit den 1960er Jahren untersucht wird, wie Klimawandel in den Medien repräsentiert wird (Schäfer und Schlichting 2014, S. 148). Gleiches kann im Allgemeinen für den Bereich der Umweltkommunikation festgestellt werden, der in Deutschland noch relativ jung ist, auf internationaler Ebene aber eine lange Tradition hat und hier mit der International Environmental Communication Association (www.​theieca.​org) sogar ein Fachverband der Umweltkommunikationswissenschaftler*innen besteht.
Durch die Fokussierung des Forschungsfeldes Nachhaltigkeitskommunikation auf Umweltkommunikation im Allgemeinen bzw. Klimakommunikation im Besonderen werden beide Bereiche entsprechend einen Schwerpunkt in der folgenden Aufarbeitung des Forschungsfeldes einnehmen.

2.1.1 Nachhaltigkeit in der Journalismus- und Public-Relations-Forschung sowie der Wissenschaftskommunikation

Ein erstes hier aufgearbeitetes Forschungsfeld der Nachhaltigkeitskommunikation beschäftigt sich mit den Kommunikator*innen der Kommunikationsprozesse, die Nachhaltigkeit oder Aspekte von Nachhaltigkeit thematisieren wie Journalist*innen, Wissenschaftler*innen, aber auch im weitesten Sinne Akteur*innen der Öffentlichkeitsarbeit, die für verschiedene Institutionen wie z. B. Forschungseinrichtungen, aber auch politische Organisationen wie Ministerien oder Nichtregierungsorganisationen agieren und an entsprechenden Kommunikationsprozessen teilhaben. Die Aufarbeitung des Forschungsfeldes zeigt, dass auch in diesem Strang ein Schwerpunkt auf Umweltkommunikation liegt. Das Forschungsfeld, welches die Rolle der Akteur*innen im Bereich der Umweltkommunikation analysiert, untersucht u. a., wer diese Akteur*innen sind, wie und warum sie handeln sowie welche Erwartungen sie an ihre Handlungen bzw. deren Effekte stellen. Journalist*innen spielen als Gatekeeper eine wichtige Rolle für Umweltkommunikation, weil sie aufgrund von Nachrichtenwerten über die Auswahl und Präsentation von Themen und Akteur*innen bestimmen (Schäfer und Bonfadelli 2016, S. 318).
In einer Skizzierung des Forschungsstands zu Umweltjournalist*innen zeigen Brüggemann und Engesser (2014, S. 401), dass sich deren Arbeitsbedingungen aufgrund der allgemeinen Krise des Journalismus verschlechtert haben und es weniger entsprechend thematisch ausgerichtete Journalist*innen gibt (s. auch Hansen 2011, S. 10 f.; Kunelius und Eide 2012, S. 336). Vielmehr gebe es zwar Journalist*innen, die regelmäßig über Umweltthemen berichten, jedoch primär zu anderen Themen arbeiten (Brüggemann und Engesser 2014, S. 402). Gibson et al. (2016) lassen Umweltjournalist*innen in qualitativen Interviews die Probleme des sich wandelnden Feldes des Journalismus beschreiben und zeigen, dass sie durchaus kreative Strategien entwickeln, um Umweltthemen zu platzieren. Zu diesen Strategien gehört u. a. die Zusammenarbeit mit Stiftungen, welche die Arbeit der Journalist*innen finanzieren (Brüggemann und Engesser 2014, S. 428). Durch die fortschreitende Klimakrise und die zunehmende Relevanz von Klima- und Nachhaltigkeitsthemen im gesellschaftlichen Diskurs (s. Einleitung), wird sich diese Marginalisierung von Umweltjournalist*innen in den vergangenen Jahren sicherlich geändert haben.
Die Perspektive von Journalist*innen auf Umweltthemen bzw. ihre Berichterstattung wird in verschiedenen Studien erforscht (z. B. früh Hauff 1980). Engesser und Brüggemann (2016) beschreiben Klimajournalist*innen als Mediator*innen klimawissenschaftlicher Erkenntnisse. In einer komparativen Analyse, in der Inhalte von Nachrichtenmedien aus Deutschland, Indien, der Schweiz, Großbritannien sowie den USA untersucht sowie Befragungen mit Autor*innen dieser Inhalte durchgeführt wurden, zeigen Brüggemann und Engesser (2017, S. 62), dass ein Konsens unter den Journalist*innen in Hinblick auf die Existenz des Klimawandels besteht und sich Skeptiker*innen nur in Nischen äußern. Auch wenn die Leugnung des Klimawandels nicht als Position von den Journalist*innen vertreten wird, so wird diese Meinung und werden entsprechende Vertreter*innen in der Medienberichterstattung aber immer wieder erwähnt, wobei diese v. a. in britischen und US-amerikanischen Nachrichtenmedien vorkommt und entsprechende Medieninhalte v. a. von wenigen Medienorganisationen und hier wiederum individuellen Akteur*innen publiziert werden (ebd., S. 62 f.). So beschreiben Brüggemann und Engesser (2014) Klimajournalist*innen als Interpretationsgemeinschaft, die den Konsens eines anthropogenen Klimawandels sowie den Umgang mit Skeptiker*innen teilen. Rögener und Wormer (2015, S. 10) arbeiten in einer Studie mit Umweltjournalist*innen zehn Kriterien für guten Umweltjournalismus heraus, zu denen neben der Vermeidung von Über- und Untertreibung, der Nennung von Quellen sowie der Repräsentation verschiedener Sichtweisen auch die Darlegung von Lösungsmöglichkeiten für das entsprechende Umweltproblem gehören.
Studien zeigen auch, wie Journalist*innen mit Akteur*innen der politischen Öffentlichkeitsarbeit zusammenarbeiten, u. a. weil Arbeitsbedingungen auf Klimakonferenzen dies erfordern und die Medieninhalte entsprechend von beiden Akteursgruppen gestaltet werden, wie Adolphsen und Lück (2012) am Beispiel der UN-Weltklimakonferenz in Cancún darlegen. Lück, Woznial und Wessler (2016) identifizieren die Netzwerkbildung zwischen Journalist*innen sowie Akteur*innen von Umwelt-Nichtregierungsorganisationen am Beispiel von Weltklimakonferenzen und zeigen, dass diese Netzwerkbildung abhängt von der Art der Medien, für die die Journalist*innen arbeiten, von den jeweiligen Zielgruppen der Medienvertreter*innen und solchen von Nichtregierungsorganisationen sowie von der Strategie letzterer, entweder Lobbyarbeit oder Mobilisierung zu betreiben (s. auch Pan et al. 2020 zur Kommunikation chinesischer Journalist*innen und chinesischer Mitarbeiter*innen von Nichtregierungsorganisationen zwischen den Weltklimakonferenzen in Paris 2015 und Bonn 2017 über WeChat).
Aber auch außerhalb politischer Großveranstaltungen wie den Klimakonferenzen kommt es zur Zusammenarbeit zwischen Journalist*innen und weiteren Akteur*innen, z. B. mit Wissenschaftler*innen aus diesem Bereich (Peters und Heinrichs 2005, S. 91 ff.). In der Onlinekommunikation spielen Klimaforscher*innen sowie entsprechende wissenschaftliche Institutionen nicht die Hauptrolle, wie Schäfer (2012a, S. 529) in einer Metaanalyse des Forschungsfeldes zu Klimawandel und Internetmedien feststellt, sondern v. a. Nichtregierungsorganisationen, die Internetmedien nutzen, um Informationen zu verbreiten, sich zu vernetzen, die Bevölkerung zu mobilisieren und Verhaltensänderungen zu provozieren, aber auch Fundraising zu betreiben und Aufmerksamkeit der traditionellen Massenmedien zu generieren (ebd., S. 530 f.; Schäfer 2012b, S. 72 ff.). Die Akteur*innen der hier relevanten Öffentlichkeitsarbeit „versuchen durch die Inszenierung von Events, durch Agenda-Building und strategisches Framing ihre Perspektiven und Argumente zu Umweltfragen im öffentlichen bzw. medialen Diskurs zu platzieren“ (Schäfer und Bonfadelli 2016, S. 318). Ob sich die Bedeutung von Klimawissenschaftler*innen im medialen Diskurs nach der Relevanz der Wissenschaftskommunikation während der Covid-19-Pandemie verändert hat, wäre nun zu untersuchen.
Die intensive Nutzung von Internetmedien durch Nichtregierungsorganisationen ist unter anderem darin begründet, dass diese Akteur*innen über eher eingeschränkte finanzielle Ressourcen verfügen und ihnen mit Internetmedien sehr kostengünstige Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen (Schäfer 2012b, S. 72). Dabei sind die Adressat*innen der Informationsprozesse durch Umweltnichtregierungsorganisationen nicht nur die Massenmedien und Journalist*innen, welche versucht werden neben u. a. traditionellen Formaten der Öffentlichkeitsarbeit (wie Pressemitteilungen und Pressekonferenzen) auch über Internetmedien zu erreichen (ebd.), sondern auch Politiker*innen, deren Entscheidungen durch Lobbyarbeit beeinflusst werden soll (Doyle 2009, S. 114).
Brand, Eder und Poferl (1997, S. 192 ff.) sehen Ende der 1990er Jahre eine Professionalisierung der Umweltnichtregierungsorganisationen, die sich in einer zunehmenden Verwissenschaftlichung, organisatorischen Restrukturierungen sowie dem Einzug von Marketingmethoden in die Öffentlichkeitsarbeit der Organisationen wahrnehmen lasse. Die allgemeine Bevölkerung ist ein Adressat der Kommunikation von Umweltnichtregierungsorganisationen, die versuchen, das klima- und umweltbezogene Verhalten von Menschen durch Informationen zu verändern, Fundraising mittels Onlinekommunikation zu betreiben oder Menschen zum Mitmachen an umweltpolitischen Aktionen zu animieren (ebd.).
Nichtregierungsorganisationen wie Avaaz oder Campact haben sich darauf spezialisiert, in Onlinekampagnen eine hohe Anzahl von Unterstützer*innen für Onlineunterschriftenaktionen zu gewinnen, wobei das Themenspektrum dieser Aktionen erstaunlich breit ist, von innen- über außenpolitische Themen reicht und neben u. a. Gleichstellung und Wirtschaftsthemen eben auch Umweltbelange thematisiert werden (s. www.​campact.​de und www.​avaaz.​org; s. hierzu auch Abschn. 2.2.3). Während Nichtregierungsorganisationen v. a. als „Warner“ im Onlinediskurs um Klimawandel agieren, sind Skeptiker*innen überwiegend unter den Blogger*innen zu finden (Adam et al. 2017).
Seit 2018 dominiert ein neuer Kommunikator das Feld der Umwelt- bzw. Klimakommunikation, nämlich die Fridays for Future Bewegung. Durch ihre wöchentlichen Demonstrationen an vielen Orten weltweit, aber auch ihre Nutzung von Internetmedien, u. a. das Bespielen eigener Onlineplattformen (s. für Fridays for Future International https://​fridaysforfuture​.​org/​oder Fridays for Future Deutschland https://​fridaysforfuture​.​de/​) und eigener Facebook- und Twitter-Profile, beeinflusst die Bewegung nicht nur den medialen, sondern auch den gesellschaftlichen und schließlich politischen Diskurs zum Klimawandel bzw. Klimaschutz (zur Fridays for Future Bewegung z. B. Wahlström et al. 2019; Haunss und Sommer 2020, s. auch Einleitung und Abschn. 3.​2.​6). Und auch während der Covid-19-Pandemie, als die wöchentlichen Demonstrationen vielerorts eingeschränkt oder verboten waren und sich die Bewegung aufgrund ihres Vertrauens in die Wissenschaft (der sich nicht in Hinblick auf das Klima, sondern auch in Hinblick auf die Pandemie zeigte) nicht mehr in Präsenz zusammenfand, hat die Fridays for Future Bewegung über verschiedene Onlinemedien ihren Protest weiter artikuliert (Kannengießer 2021a).
Internetmedien werden auch selbst zum Objekt von Umweltaktivist*innen. Beispiele für entsprechende Aktionen sind die „gezielte Störung der Onlinepräsenz der CO2-Zertifikate-Handelsbörse ‚European Climate Exchange‘“ (Schäfer 2012b, S. 75) durch die Herstellung einer gefälschten Website im Jahre 2010 oder der „Diebstahl der eMail-Korrespondenz [sic!] einiger Klimawissenschaftler der britischen University of East Anglia“ (ebd.) im Jahre 2009.
Die Wissenschaftler*innen, die Internetmedien (u. a. Weblogs und Twitter) für die Kommunikation über Klimawandel nutzen, verfolgen v. a. die Ziele der Wissensvermittlung, der Anregung wissenschaftlicher Diskussion sowie der Teilhabe der Bevölkerung an Wissenschaftskommunikation (Schäfer 2012a, S. 529). Zu betonen ist hier, dass diese Erkenntnis mehrere Jahre alt ist und sich die Nutzung von Internetmedien von Wissenschaftler*innen in den vergangenen Jahren stark verändert hat, Wissenschaftler*innen zunehmend Onlinemedien und hier v. a. Twitter nutzen, um für sich und ihre Themen Öffentlichkeit zu generieren (s. zum Forschungsfeld der Wissenschaftskommunikation u. a. Bonfadelli et al. 2017). Wie Wissenschaftler*innen Nachhaltigkeitsforschung als Thema in ihren jeweiligen Disziplinen wahrnehmen, analysieren Lüthje und Thiele (2018) unter dem aussagekräftigen Zitat, das sie als Publikationstitel wählen: „Nachhaltigkeit ist ein Omnibus, in dem jeder mitfahren darf.“
Schäfer et al. (2012, S. 235) „untersuchen die Intensität des Kontakts und die (mögliche) Anpassung der Wissenschaft bezogen auf die Massenmedien“. Sie (ebd., S. 248 f.) sprechen von einer Mediatisierung der Klimawissenschaftler*innen und zeigen, dass diese nicht nur häufig Kontakt zu Journalist*innen haben, Medien als Informationsquelle für ihre Wissenschaft nutzen und es als wichtig erachten, dass ihre Forschung von den Medien berücksichtigt wird. Die Autor*innen (ebd., S. 249) zeigen aber auch, dass es graduelle Unterschiede unter den entsprechenden Wissenschaftler*innen in Hinblick auf ihre Medienkontakte und -orientierung gibt, die z. B. zwischen den Generationen zu finden sind. Bereits 1995 sprechen Mormont und Dasnoy von der Mediatisierung3 des Klimawandels, wenn sie die Zusammenarbeit von Journalist*innen mit Wissenschaftler*innen sowie politischen Akteur*innen untersuchen (Mormont und Dasnoy 1995).
Umweltkommunikation ist auch ein Teil der Unternehmenskommunikation. Schäfer und Bonfadelli (2016, S. 319) argumentieren, dass unter dem Stichwort „Corporate Social Responsibility“ Firmen ihre ökologischen Bilanzen einer breiteren Öffentlichkeit kommunizieren, aber auch, dass sie die Umweltfreundlichkeit ihres Unternehmens in ihren Werbekampagnen betonen.4 Prexl (2009, S. 21) formuliert die These, „dass Unternehmen mittels Public Relations zur gesamtgesellschaftlichen Kommunikation über Nachhaltigkeitsthemen beitragen können und damit das Potenzial haben, eine nachhaltige Entwicklung direkt und indirekt voranzutreiben.“ Nielsen et al. verweisen auf die Komplexität des Themas Nachhaltigkeit in der Wirtschaftskommunikation:
„Nachhaltigkeit in der Wirtschaftskommunikation befasst sich mit einer Vielzahl von Themen (CSR, Klimawandel, Kultur, Marketing usw.) und mit einer Vielzahl von Kommunikationsformen (intern/extern, mündlich/schriftlich, informativ/persuasiv usw.) aus einer Vielzahl von (inter)disziplinären Perspektiven (kommunikationstheoretisch, linguistisch, betriebswirtschaftlich, soziologisch, politologisch, juristisch usw.) sowie – trotz terminologischer Festlegung durch das Bestimmungswort ‚Wirtschaft‘ im Kompositum Wirtschaftskommunikation – mit vielen Sphären (neben Wirtschaft auch Natur, Kultur, Politik, Recht usw.).“ (Nielsen et al., 2013, S. 11)
In dem Sammelband „Nachhaltigkeit in der Wirtschaftskommunikation“ werden verschiedene Fallstudien präsentiert, mit denen diese Komplexität des Forschungsfeldes exemplarisch dargestellt werden (Nielsen et al. 2013). Die Fallbeispiele untersuchen, wie das Konzept der Nachhaltigkeit sowohl in der externen Unternehmenskommunikation, wie der Werbung und im Marketing, als auch in der internen Kommunikation, z. B. im Projektmanagement oder in der Teamarbeit verfolgt wird (s. ebd.).
Andersen et al. (2013, S. 22 ff.) stellen in einer quantitativen Analyse von Berichten 288 US-amerikanischer und europäischer Unternehmen bereits im Zeitraum von 1997 bis 2010 fest, dass die Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit extrem gestiegen ist. Es wäre zu untersuchen, ob und es ist sehr wahrscheinlich, dass in der vergangenen Dekade eine weitere Relevanzzunahme im Bereich der Unternehmenskommunikation erfolgt ist. Nachhaltigkeit gewinnt also nicht nur in der Unternehmenskommunikation an Bedeutung, sondern auch im entsprechenden Forschungsfeld.
Baringhorst beobachtet eine Zunahme moralischer und politischer Aufladung kommerzieller Werbung und bewertet diese als Antwort der Unternehmen auf die Kritik politischer Bewegungen „an den ökologischen wie sozialen Folgen einer unregulierten kapitalistischen Wachstumsökonomie“ (Baringhorst 2010a, S. 9). Schlichting und Schmidt (2013) arbeiten aus einer umfassenden Literaturstudie vier dominante Frames heraus, wie Unternehmen, aber auch politische Akteur*innen und zivilgesellschaftliche Organisationen Nachhaltigkeitsthemen in ihren Positionspapieren, Pressemitteilungen, Werbekampagnen und Geschäftspapieren konstruieren. In Hinblick auf die drei Dimensionen des Nachhaltigkeitskonzepts (s. Einleitung) zeigen sie (ebd., S. 115 ff.), dass diese Dimensionen von den Akteur*innen unterschiedlich gewichtet werden: Während in dem von ihnen benannten „Scientific Uncertainty“-Frame, den sie der ökonomischen Dimension zuschreiben, das Klimaproblem negiert und keine Handlungsnotwendigkeit gesehen wird, ordnen sie den von ihnen benannten „Climate Justice“-Frame, welcher Klimawandel als Gerechtigkeitsproblem ansieht, der sozialen Dimension der Nachhaltigkeit zu. Ein dritter Frame ist der „Global Economics“-Frame, welcher Klimawandel als Problem wahrnimmt, die Kosten für die Lösung des Problems jedoch zwischen den Ländern gleich verteilen will und den freien Markt als Lösung konstruiert. Der vierte Frame ist der „Ecological Modernization“-Frame, welcher alle drei Ebenen der Nachhaltigkeit, die soziale, die ökomische und die ökologische, integriert. Er nimmt Klimawandel als ein Problem wahr und sieht in technischen Innovationen eine Lösung für das Problem. Schlichting und Schmidt (2013, S. 123 ff.) zeigen, dass der „Scientific Uncertainty“-Frame v. a. von US-amerikanischen Gruppen aus dem konservativ-evangelikalen Milieu und Think Tanks vertreten wird, während der „Global Economics“-Frame von kohlenstoffintensiven Industrien und politischen Akteur*innen aus Ländern mit bedeutenden fossilen Rohstoffvorkommen vertreten wird. Der „Ecological Modernization“-Frame werde von einer breiten Akteursgruppe aus Unternehmen, politischen Akteur*innen und auch der Umweltbewegung hergestellt, die optimistisch davon ausgingen, dass durch technische Innovationen sowohl ein nachhaltiges als auch gerechtes und ökologisches Wirtschaften möglich sei.
Als ein Stichwort in diesem Zusammenhang sei das „Grüne Wachstum“ genannt, auf das u. a. in Deutschland verschiedene Akteur*innen aus Politik und Wirtschaft setzen, um sich nicht vom Wachstumsparadigma zu lösen, die aber dieses mit sozialen und ökologischen Aspekten des Nachhaltigkeitskonzepts verbinden (für einen kurzen Überblick s. Schulz und Affolderbach 2015). Akteur*innen, die dieses Framing als unrealistisch oder falsch kritisieren5, da sie Wachstum und Nachhaltigkeit als nicht vereinbar wahrnehmen, ordnen Schlichting und Schmidt dem „Climate Justice“-Frame zu, der v. a. von Nichtregierungsorganisationen und einigen wenigen politischen Akteur*innen vertreten wird, aber auch von einzelnen Wirtschaftswissenschaftler*innen. In diesem Zusammenhang sei auch das Stichwort Postwachstumsökonomie genannt, unter dem ein Wirtschaftsmodell ohne Wachstum entworfen wird, das in allen drei Dimensionen des Nachhaltigkeitskonzepts positiv wirken kann (s. hierzu als einen der in Deutschland prominentesten Vertreter dieses Ansatzes: Paech 2005 und 2012a, s. auch Abschn. 2.2.3). Schmidt und Schlichting (2013, S. 125 f.) weisen darauf hin, dass die Frames im Zeitverlauf unterschiedlich stark vertreten werden, so nehme die Anzahl der Akteur*innen, die den „Scientific Uncertainty“-Frame postulieren, ab, während die Anzahl der Vertreter*innen des „Ecological Modernization“-Frame zunehme. Auch zeigt die Frame-Analyse von Schlichting und Schmidt nicht nur, dass sehr unterschiedliche und sich widersprechende Frames in Hinblick auf Klimawandel vertreten werden, sondern auch, dass diese immer politisch und von Eigeninteressen motiviert sind.
In einer quantitativen Analyse der Websites von 300 Unternehmen, nicht-profitorientierten Organisationen und Universitäten zeigen Ott, Wang und Bortree (2016), dass fast alle Universitäten Nachhaltigkeitsthemen auf ihren Websites abbilden, dies auch die Hälfte der Unternehmen tun, aber fast keine nicht-profitorientierte Organisationen Nachhaltigkeit auf ihren Websites thematisieren – was sich in den vergangenen Jahren geändert haben sollte. Neben den wissenschaftlichen Studien erklären Handbücher für Akteur*innen, die in der Praxis arbeiten, wie sie Nachhaltigkeits- und Umweltkommunikation überzeugend betreiben können (s. z. B. Parker 1997; McKenzie-Mohr et al. 2012; Robertson 2019).
Zusammenfassend lässt sich für den Forschungsstrang der Nachhaltigkeitskommunikation, welcher sich mit der Produktion von Medieninhalten, also dem Bereich der Journalismus- und Public-Relations-Forschung sowie Wissenschafts- und Unternehmenskommunikation beschäftigt, festhalten, dass die Akteur*innen, die Medieninhalte produzieren, welche (Aspekte von) Nachhaltigkeit thematisieren, sehr heterogen sind und sich das Feld der Kommunikator*innen ändert u. a. indem neue zentrale Akteure wie die Fridays for Future Bewegung hinzugekommen sind. Es zeigte sich auch, dass die Kommunikator*innen der Nachhaltigkeitskommunikation auch in Netzwerken arbeiten, u. a. anlässlich internationaler Klimakonferenzen. Und schließlich haben sich die Möglichkeiten für diese Kommunikator*innen durch die Etablierung von Onlinemedien und hier v. a. Onlinenetzwerke und Microbloggingdienste wie Twitter verändert.

2.1.2 Nachhaltigkeit in der Medieninhaltsforschung

Ein zweiter Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation setzt den Fokus auf Medieninhalte und beschäftigt sich überwiegend mit den Fragen wie und welche Aspekte von Nachhaltigkeit in den Medien repräsentiert werden und in welchen Medien sie dargestellt werden. Dabei nehmen verschiedene Studien insbesondere Einzelmedien aus unterschiedlichen Ländern in den Blick, wobei der Fokus in den vergangenen Dekaden insbesondere auf Printmedien lag, was sich erst in den letzten Jahren verschiebt und zunehmend (auch) Internetmedien untersucht werden.
Während in der Kommunikations- und Medienwissenschaft v. a. die Analyse der Berichterstattung über nachhaltigkeitsrelevante Themen in den Nachrichtenmedien (und hier Tageszeitungen) dominieren, werden Inhalte von fiktionalen Medien seltener untersucht (s. für einen Überblick zu Nachhaltigkeit und Unterhaltungsmedien Bilandzic und Kalch 2021). Ausnahmen bilden hier z. B. die Analysen der TV-Serie Die Simpsons in Hinblick auf die hier genutzte Umweltrhetorik (Todd 2014) oder Filmanalysen des Science-Fiction-Genres (Podeschi 2014) oder des Animationsfilms (Starosielski 2014a).
Brand konstatiert, dass das Nachhaltigkeitskonzept aufgrund fehlender Problemdiagnosen und Handlungsperspektiven für eine massenmediale Vermittlung wenig tauglich sei, da es „zu allgemein, zu wenig konturiert ist, um mobilisierungsfähig zu sein“ (Brand 2000, S. 13 f.). Doch zeigen Medieninhaltsanalysen nicht nur, dass Nachhaltigkeit sehr wohl ein Thema in den (Massen-)Medien ist, sondern auch, dass die Berichterstattung über Nachhaltigkeit in den Medien in den vergangenen Dekaden zugenommen hat (Barkemeyer 2009; Fische et al. 2017). Vor allem aufgrund der aktuellen, aber noch wenig erforschten Initiativen, welche in der Einleitung benannt wurden, wie die sozialen Bewegungen Extinction Rebellion oder Fridays for Future oder die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, erfährt Nachhaltigkeit derzeit auch in den medialen Diskursen eine Konjunktur, vielleicht sogar einen vorläufigen Höhepunkt.
Fischer, Haucke und Sundermann (2017) analysieren die Repräsentation des Konzeptes Nachhaltigkeit in sechs deutschen Printmedien (Der Spiegel, Die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Die Tageszeitung, Die Welt) von 1995 bis 2015 und stellen in einer quantitativen Erhebung fest, dass die entsprechende Berichterstattung nicht nur zugenommen habe, sondern durch eine qualitative Analyse auch, dass sich die Bedeutung des Begriffs von einem verschwommenen und ambivalenten Modewort zu einem differenzierteren und elaborierteren Terminus entwickelt habe.
Glathe (2010) untersucht die Repräsentation des Themas Nachhaltigkeit in ausgewählten Sendungen deutscher Fernsehsender und deutschsprachiger Weblogs.6 Für die Analyse der ausgewählten Fernsehinhalte zum Thema Nachhaltigkeit hält sie (ebd., S. 83) fest, dass insbesondere ökologische Themen verfolgt werden und Nachhaltigkeit zuweilen auf Umweltschutz reduziert werde. In Hinblick auf nachhaltiges Wirtschaften werden überwiegend nachhaltige Banken, ethische Geldanlagen oder das Geldsparen durch nachhaltiges Verhalten thematisiert (ebd.). Die soziale Dimension des Nachhaltigkeitskonzepts werde v. a. durch Themen wie fairer Handel und Arbeitsbedingungen aufgegriffen (ebd.). In Hinblick auf die Art und Weise der medialen Darstellung dieser Themen arbeitet Glathe (ebd., S. 84 ff.) anhand der von ihr ausgewählten Sendungen heraus, dass diese u. a. in Gegenüberstellungen nachhaltiger und konventioneller Aspekte inszeniert werden: durch Praxistests und die Konstruktion von Vorbildern (wobei dies nicht nur Menschen, sondern auch Institutionen, Städte oder Länder sein können) sowie durch die Formulierung von Tipps und Appellen, der Verbreitung aufklärender Informationen, aber auch durch die Ausmachung von Trends. Sie hält in ihrer Analyse fest, dass Nachhaltigkeit durchweg als positiv bewertet werde (ebd., S. 104).
Eine Analyse der Medienberichterstattung zu Umweltthemen der 1960er, 1970er und 1980er Jahre stellte fest, dass die Berichterstattung ab Anfang der 1970er Jahre nicht nur exponentiell steige, sondern das Themenspektrum auch komplexer werde und sich die Umweltberichterstattung politisiere (s. Krämer 1986).
Mit einer spezifischen Länderperspektive analysiert Lewis (2000) die Repräsentation des Themas Nachhaltigkeit in US-amerikanischen Printmedien im Zeitraum 1987 bis 1997 und kommt zu dem Ergebnis, dass Nachhaltigkeit hier v. a. in Hinblick auf wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung thematisiert werde (für eine Analyse der Nachhaltigkeitsberichterstattung in der britischen Presse s. Diprose et al. 2017). Nash und Bacon (2006) untersuchen die Berichterstattung zu Nachhaltigkeit in sechs englischsprachigen Printmedien aus verschiedenen südostasiatischen Ländern (Thailand, Malaysia, Vietnam Indonesien, Philippinen, Hongkong), wobei sie Umweltthemen in ihrem Sample fokussieren. Sie (ebd., S. 132 f.) zeigen, dass diese in der Berichterstattung der ausgewählten Medien sehr wohl thematisiert werden, und verdeutlichen außerdem anhand eines Beispiels aus Vietnam, dass die Berichterstattung genutzt werde, um die Umweltpolitik der Regierung zu kritisieren. Doch sind die Autor*innen eher skeptisch, dass diese Umweltberichterstattung eine positive Wirkung auf die ökologische Situation in den Ländern hat (ebd., S. 133; zur Wirkung der Medienberichterstattung über Nachhaltigkeitsthemen s. Abschn. 2.1.2).
Mit Blick auf massenmediale Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsthemen allgemein konstatiert Hansen (2011, S. 17), dass Studien in diesem Feld insbesondere die Sprache analysieren und weniger die visuelle Ebene. Autor*innen, die das Visuelle fokussieren sind z. B. Seppänen und Väliverronen (2003) mit ihrer Untersuchung zu Fotografien in Berichten über Biodiversität in Tageszeitungen, sowie Lester und Cottle (2009) mit ihrer Analyse zur Visualisierung des Klimawandels in Fernsehnachrichten, ferner Hahn, Eide und Ali (2012), die die Visualisierung des Klimawandels in Printmedien untersuchen.
Vor allem der Framing-Ansatz wird für die Analyse der Medieninhalte innerhalb der Umweltkommunikation verwendet (Hansen 2011, S. 14 ff. und S. 19), wobei Hansen (ebd., S. 19) kritisiert, dass die Framing-Analysen der Inhaltsanalysen nicht mit Framing-Analysen auf der Rezeptionsebene verknüpft werden. Der hier aufgearbeitete Forschungsstand zeigt, dass Studien meist entweder die Medieninhalte oder die Medienwirkung untersuchen und nicht beides im Zusammenspiel. Eine Ausnahme bildet hier z. B. die Studie von Sampei und Aoyagi-Usui (2009), die zeigt, dass nicht nur die Berichterstattung über Klimaerwärmung in japanischen Zeitungen im Zeitraum von 1998 bis 2007 zugenommen hat, sondern, wie sie konstatieren, damit einhergehend auch das öffentliche Interesse für dieses Thema. Auch Bonfadelli (2007) argumentiert mit einer Framing-Analyse Schweizer Medien, dass die Berichterstattung über Nachhaltigkeit seit der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung 1992 zugenommen hat, dass aber Nachhaltigkeit in der Boulevardpresse kaum thematisiert werde.
Auch in den Medieninhaltsanalysen wird sichtbar, dass das Thema Klima bzw. Klimawandel inhaltlich dominiert. Schäfer und Schlichting (2014) arbeiten in einer Metaanalyse das Forschungsfeld der internationalen Kommunikations- und Medienwissenschaft zur Repräsentation von Klimawandel in Medieninhalten auf. Sie (ebd., S. 144) untersuchen, wann die Studien publiziert wurden, welchen geografischen Fokus sie setzen, welche Medien in den Blick genommen werden und welche Methoden angewendet wurden. In ihrer Analyse 133 ausgewählter Publikationen kommen sie zu dem Ergebnis, dass Forschung zur Repräsentation von Klimawandel in Medieninhalten seit den 1960er Jahren kontinuierlich gestiegen ist, wobei Höhepunkte der Forschung bei entsprechenden Ereignissen wie der Veröffentlichung des Brundtland-Berichts 1987 oder dem Weltgipfel 1992 in Rio de Janeiro, Brasilien, zu verzeichnen seien (ebd., S. 148). Die Medieninhalte wurden gleichwertig mit Hilfe von quantitativen und qualitativen Methoden untersucht (ebd., S. 152). In Hinblick auf die geografische Region können Schäfer und Schlichting (ebd., S. 149) festhalten, dass europäische Staaten und hier v. a. das Vereinigte Königreich und Schweden im Fokus der Studien lagen, wobei zu erwähnen ist, dass Studien zu deutscher und französischer Medienberichterstattung interessanterweise über die Zeit weniger wurden. Neben Europa waren es v. a. USA, Kanada und Mexiko bzw. deren Medienberichterstattung, die im Fokus der Studien standen (ebd.).7
Die von Schäfer und Schlichting wahrgenommenen Veränderungen der Studien in Hinblick auf die Auswahl der untersuchten Medien ist sicherlich nicht zuletzt dem Medienwandel zuzuschreiben. Festgestellt werden konnte, dass die Analyse von Printmedien zwar dominierte, aber über den Zeitverlauf abnahm, seit Internetmedien in den 1990er Jahren zunehmend in das Interesse der Forschung rückten. Hier wurden v. a. Websites von Nachrichtenmedien untersucht, aber auch weitere Internetmedien wie Onlineforen, Weblogs oder Videoplattformen wie YouTube (ebd., S. 150 ff.).
In einer komparativen Studie, in der die Medienberichterstattung über Klimawandel in den Leitmedien aus 26 westlichen und nicht-westlichen Ländern in den Jahren 1996 bis 2010 analysiert wurde, zeigen Schäfer, Ivanova und Schmidt (2012, S. 137) nicht nur, dass diese themenbezogene Medienberichterstattung zunehme, sondern auch, dass sie sowohl in „Verursacher-Ländern“ als auch „Betroffenen-Ländern“ ein relevantes Medienthema sei. Dabei arbeiten Inhaltsanalysen aber heraus, dass die Klimaberichterstattung ebenfalls „national-kulturell“ eingebettet werde und sich dadurch inhaltlich unterschiedliche Berichterstattungen ergeben (Neverla und Schäfer 2012, S. 19). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Grundmann und Scott (2014) in ihrer Analyse von jeweils zehn Printmedien in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland. So konstatieren sie (ebd., S. 232), dass Skeptiker*innen des Klimawandels in den USA und Frankreich mehr zu Wort kommen als in Deutschland und Großbritannien. Dabei sind jedoch nicht nur kulturelle und nationale Kontexte relevant für die Berichterstattung über Nachhaltigkeitsthemen, sondern auch historische Erfahrungen. So zeigt eine Analyse von vier englischsprachigen Printmedien in Indien, dass das Thema Klimawandel in „nicht-westlichen“ Ländern mit Erfahrungen aus der vergangenen kolonialen Unterdrückung verstrickt werden und der Diskurs um Klimawandel mit den Konstruktionen eines „Wir“ versus „Sie“ entlang der Achse ehemaliger Kolonialherrscher und -beherrschten konstruiert werde (Billett 2010).
Ein gegenteiliges Ergebnis verzeichnet allerdings die Untersuchung einer komparativen Studie der Berichterstattung zu den UN-Klimagipfeln. Wessler et al. (2016) analysieren die Berichterstattung über die UN-Weltklimakonferenzen 2010 bis 2013 in Printmedien aus Brasilien, Deutschland, Indien, Südafrika und den USA und zeigen anhand der Herausarbeitung vier dominanter Frames (Opfer der Klimaerwärmung, zivilgesellschaftliche Forderungen, politische Verhandlungen sowie nachhaltige Energie), dass sich die Berichterstattung in den verschiedenen Ländern sehr ähnelt (ebd., S. 434 ff.). Sie (ebd., S. 423) begründen diese Ähnlichkeit u. a. nicht nur mit dem stark reglementierten Zugang zu Informationen auf diesen politischen Großveranstaltungen, sondern auch mit dem intensiven Kontakt der Journalist*innen untereinander sowie mit anderen Akteur*innen während dieser Events.
Auch Kunelius und Eide (2012) untersuchen die Berichterstattung aus 13 verschiedenen Ländern weltweit zu den UN-Weltklimakonferenzen (insbesondere den Gipfeln auf Bali 2007 und in Kopenhagen 2009) und arbeiten zwei verschiedene Positionen der berichtenden Journalist*innen heraus: zum einen eine normative optimistische Position, die ein multilaterales Abkommen fordere, und zum anderen journalistische Positionen des Realismus, welche die Machtgefüge im Klimadiskurs dekonstruieren und nationalstaatliche Positionen betonen. In einem von Eide, Kunelius, und Kumpu (2010) herausgegebenen Sammelband untersuchen die Autor*innen die Berichterstattung zu den Klimagipfeln in Bali und Kopenhagen in 18 verschiedenen Ländern und zeigen hier die lokale Relevanz der Berichterstattung auf.
Solche Klimagipfel sind u. a. die Ursache, warum die Berichterstattung über Nachhaltigkeit oder Klimawandel zyklisch verläuft, denn Untersuchungen der Entwicklung zur Umweltberichterstattung in traditionellen Massenmedien zeigen einen eben solchen zyklischen Verlauf, dass also Umweltthemen mal mehr, mal weniger Platz in der massenmedialen Berichterstattung einnehmen (z. B. Eisner et al. 2003; Holt und Barkemeyer 2012; Schäfer et al. 2012, S. 138). Dies ist auch zurückzuführen auf das Vorkommen einzelner Umweltkatastrophen, welche die Berichterstattung ansteigen lassen. Schäfer und Bonfadelli stellen fest (2016, S. 321), dass „die meisten Medienberichte ihren Fokus auf Umwelt als Problem legen, z. B. im Kontext von Naturkatastrophen, aber mögliche Lösungen von Umweltproblemen nicht thematisiert und diskutiert werden.“ Dies ist sicherlich auch mit Theorien zu Nachrichtenwerten zu erklären, welche u. a. neben Zeit (Dauer) und Nähe auch die Überraschung und Dramatik (Konflikt und Schaden) als Kriterien für die Berichterstattung erachten (s. früh Lippmann 1947 [1922]; Schulz 1976; Eilders 1997) – Faktoren, die für Naturkatastrophen zutreffend sind, nicht jedoch für langwierige Lösungen von Umweltproblemen. Neverla und Schäfer (2012, S. 18) konstatieren sogar: „Medien dramatisieren häufig die möglichen Folgen des Klimawandels, indem sie wissenschaftliche Unsicherheitsmaße verschweigen und/oder die möglichen Folgen für konkrete raum-zeitliche Konstellationen plastisch machen.“
So sind in dem Forschungsfeld der Umweltkommunikation, das die Medieninhalte in den Blick nimmt, viele Studien zur Berichterstattung einzelner Katastrophen zu finden, wie die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl (s. z. B. Teichert 1987; Brand et al. 1997; Nienierza 2014) und in Fukushima (s. u. a. Kepplinger und Lemke 2014; Schwarz 2014) sowie die Ölkatastrophe nach dem Brent-Spar-Unfall (z. B. Hansen 2000) oder das Waldsterben (Zierhof 1998) und jüngst auch Hitzewellen und Waldbrände (Hopke 2020), wobei die Berichterstattung über einzelne Katastrophen oft innerhalb einzelner Medien untersucht wird. Studien analysieren Umweltberichterstattung als Risikokommunikation im Allgemeinen (z. B. Sandman et al. 1987; Neuzil und Kovarik 1996; Allan et al. 2000) oder die Medienberichterstattung zu einzelnen Risiken wie Sturmfluten (Peters und Heinrichs 2005, S. 41 ff.) und der Gefahr von Kernenergie, die in Deutschland v. a. in den 1980er Jahren thematisiert wurde (van Buiren 1980; Saxer et al. 1986). Neuere Studien zeigen, dass Onlinenetzwerke eine zunehmende Relevanz für die Krisen- und Katastrophenkommunikation zukommt (Lambert 2020).
War die Klimaberichterstattung daher eher international denn national getrieben (Schäfer et al. 2012, S. 138), so wurde in Deutschland nicht zuletzt durch die Wetterveränderung 2018 und den langen heißen und trockenen Sommer der Klimawandel ein lokales Thema der Medienberichterstattung. Lokalen Medien wird eine besondere Rolle in der Umweltkommunikation zugeschrieben, da sie den Rezipierenden zur Orientierung innerhalb der unmittelbaren Lebenswelt dienen (Braun 2002, S. 165; s. zur Medienwirkung Abschn. 2.1.3). Wie Lokalreporter*innen über Umweltthemen berichten sollten, wird in Praxisbüchern erklärt (Dernbach und Heuer 2000).
Nicht zuletzt durch die Fridays for Future Bewegung sind die Themen Klimawandel und Klimaschutz seit 2018 ein zunehmend relevantes Thema im sowohl massenmedialen Diskurs als auch in den Onlinemedien geworden, wo die Bewegung selbst sehr aktive Onlinekommunikation auf verschiedenen eigenen Onlineplattformen und weiteren Onlinemedien wie Facebook und Twitter betreibt (s. Abschn. 2.1.1).
In Hinblick auf die Repräsentation der Klimaforschung ist zu konstatieren, dass Forschung und Medienberichterstattung nicht synchron verlaufen, sondern entsprechende Forschung früher stattfand/findet, bevor sie tatsächlich in die Medien Eingang findet (Neverla und Schäfer 2012, S. 9). Mit dem Aufkommen von Internetmedien und hier insbesondere den Onlinenetzwerken wie Facebook und Twitter verkürzt sich der Zeitabstand zwischen Forschung(-sergebnis) und Berichterstattung, nicht zuletzt, weil nun auch sowohl Umweltwissenschaftler*innen als auch entsprechende Nichtregierungsorganisationen ihre Erkenntnisse (und Meinungen) selbst einer breiteren Öffentlichkeit, aber auch der Zielgruppe der Journalist*innen leichter zugänglich machen können (s. Abschn. 2.1.1).
Neben Klimawandel und Naturkatastrophen ist auch Klimagerechtigkeit ein Thema in den Medien. In einer Inhaltsanalyse von Printmedien in Deutschland, Indien und den USA arbeiten Schmidt und Schäfer (2015, S. 539 ff.) fünf Muster in der Berichterstattung zu Klimagerechtigkeit bzw. Ideologien in Hinblick auf Klimawandel/Klimagerechtigkeit heraus: In den untersuchten Printmedien wird 1) der Klimawandel geleugnet und die Forderung nach der Freiheit der Bürger*innen gestellt (Klimapolitik wird als Beschneidung dieser Freiheit angesehen, von Gerechtigkeit wird aber nicht explizit gesprochen), 2) die Forderung formuliert, dass Möglichkeiten und Belastungen in Hinblick auf Klimawandel durch den Ausbau des Marktes auch im Bereich der Emissionen gerechter verteilt werden, 3) Klimagerechtigkeit als moralische Verpflichtung und Verantwortung staatlichen Akteur*innen zugeschrieben, 4) die Gruppe der Verursacher*innen zur Übernahme von Verantwortung aufgefordert, und 5) die Relevanz der Kombination von Wirtschaftswachstum und Sozialstaat in Hinblick auf (Klima-)Gerechtigkeit betont.
In einer Analyse britischer Zeitungen über einen Zeitraum von drei Dekaden (1988–2016) zeigt Ruiu (2021), dass Klimawandelskepsis nicht aus der Berichterstattung verschwunden ist und v. a. in rechtspolitisch orientierter Berichterstattung zu finden ist (zu rechtspopulistischen Klimadiskursen in Deutschland s. Forchtner et al. 2018). Vor allem in Onlinemedien finden Skeptiker*innen des Klimawandels Artikulationsmöglichkeiten (Koteyko et al. 2013). Jang und Hart (2015) zeigen in einer Twitteranalyse, die US-amerikanische, kanadische, britische und australische Diskurse über Klimawandel und Erderwärmung in den Blick nimmt, dass Skeptiker*innen des Klimawandels, die sich entsprechend über Twitter artikulieren v. a. in den USA verortet sind.
Internetmedien wie Weblogs, aber auch Onlinenetzwerke wie Facebook und Twitter, bieten allerdings ebenfalls die Möglichkeit, für nachhaltige Positionen und entsprechendes Handeln zu werben (für einen Überblick des Forschungsfeldes zu sozialen Medien und Klimawandel s. Pearce et al. 2019). Denn Internetmedien bieten auch Nicht-Medienschaffenden die Möglichkeit, ihre (heterogenen) Positionen in Hinblick auf Nachhaltigkeit zu vertreten, Informationen zu verbreiten und für nachhaltiges Handeln zu werben. Die Relevanz von Onlinemedien für Nachhaltigkeit wird zunehmend erforscht. So analysiert Glathe (2010) beispielsweise 18 stichprobenartig ausgewählten deutschsprachigen Weblogs, die sich mit dem Nachhaltigkeitsthema beschäftigen. In ihrer qualitativen Studie arbeitet sie vier Kategorien heraus, mit denen sie die Inhalte der Weblogs und ihre Funktionen beschreiben kann: 1) Informationen und Tipps, 2) Aufklärung und Kritik, 3) Denkanstöße, 4) Aktionen und Aufrufe zur Beteiligung (ebd., S. 119 ff.). So informieren die ausgewählten Weblogs über neue nachhaltige Unternehmen oder Produkte, verweisen auf wissenschaftliche Studien und Inhalte traditioneller Massenmedien zum Thema und geben Tipps für nachhaltiges Alltagshandeln, z. B. zum Recyceln oder Selbermachen (ebd., S. 119 f.). Des Weiteren werden unklare oder unwahre themenrelevante Sachverhalte aufgeklärt, indem z. B. Strategien des „Greenwashings“8 von Unternehmen aufgedeckt werden und Kritik am nicht nachhaltigen und unfairen Handeln wirtschaftlicher oder politischer Akteur*innen geübt wird (ebd., S. 221 f.). Die Blogger*innen erklären auf ihren Weblogs explizit, dass sie Denkanstöße geben und das Verhalten der Rezipierenden verändern wollen (ebd., S. 122 ff.). Dafür rufen sie auf ihren Weblogs nicht nur zu „Offline-Aktionen“ auf, in dem sie auf entsprechende Veranstaltungen verweisen, sondern laden auch zum Mitmachen auf ihren Weblogs selbst ein, wie z. B. durch Fotodokumentationen des „Lieblings-Fair-Trade-Produktes“ (ebd., S. 124 ff.).
Die Blogger*innen der untersuchten Weblogs gestalten diese einzeln oder in Gruppen, beschäftigen sich aus verschiedenen Perspektiven mit Nachhaltigkeit und engagieren sich beruflich oder privat für nachhaltige Projekte (ebd., S. 128). Bei der Auflistung der beruflichen Hintergründe fällt auf, dass es v. a. Menschen mit akademischem Hintergrund sind, die die untersuchten Weblogs gestalten: „Hochschulabsolventen, Doktoranden, Vertreter aus Journalismus, Soziologie, Web- und Grafikdesign, Informatik, PR-Beratung, Kommunikations- und Betriebswirtschaft sowie Geschäftsführer, Agenturinhaber und Gründer junger Start-ups“ (ebd.), was Glathe aber nicht kritisch hinterfragt. Sie konstatiert jedoch, dass die Inhalte der Weblogs persönliche Interesse und Überzeugungen der Blogger*innen wiederspiegeln (ebd.), was Glathe dazu veranlasst, die Inhalte der Weblogs als authentisch und vertrauenswürdig einzuschätzen (ebd.). Die Blogger*innen sind nicht nur durch u. a. die Kommentarfunktionen ihrer Weblogs medial vernetzt, sondern treffen sich auch offline: So verweist Glathe auf die Treffen von Blogger*innen nachhaltiger Weblogs auf der Messe BioFach in den Jahren 2008 und 2009 (ebd., S. 129 f.).
Auch Vollberg (2018) setzt verschiedene Weblogs, welche sich mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigen in den Fokus. Durch ihre Beschreibung wird deutlich, dass in ihnen auch unterschiedliche Aspekte von Nachhaltigkeit thematisiert werden. Vollberg arbeitet heraus, dass die Blogger*innen mit ihren Weblogs einen Beitrag zu einer nachhaltigen Gesellschaft leisten wollen, worüber ihr Medienhandeln als eine Form des Umweltaktivismus definiert werden kann. Auch Klimawandel.
Uldam und Askanius (2013) untersuchen Umweltaktivismus auf der Videoplattform YouTube. Am Beispiel der Textkommentare zum Video „War on Capitalism“, das das Netzwerk von Aktivist*innen Never Trust a COP auf YouTube aus Protest gegen die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen 2009 in Kopenhagen veröffentlichte, zeigen die Autorinnen (ebd., S. 1200) zum einen, dass die politische Debatte in YouTube-Kommentaren eingeschränkt ist: einerseits aufgrund der Kommentarstruktur, welche wenig dialogisch ist, andererseits aufgrund des Wissens der aktivistischen Kommentator*innen, dass ihre Sicherheit durch die Onlinepartizipation bedroht sein könnte. Zum anderen kommen Uldam und Askanius aber auch zu dem Ergebnis, dass sich über die YouTube-Kommentare tatsächlich ein konfliktärer Diskurs entspannt, dessen Konfliktlinien v. a. zwischen Aktivist*innen aus Kopenhagen und weiteren Bürger*innen sowie zwischen dem radikalen und dem reformistischen Lager der Umweltbewegung auszumachen sind (ebd.).
Studien die Nachhaltigkeitsthemen in Onlineforen, Weblogs und sozialen Netzwerken analysieren zwar inhaltsanalytisch, aber an der Schnittstelle zur Kommunikator*innen- und Aneignungsforschung, da die Nutzer*innen dieser Medien als ProdUser*innen (Bruns 2008 und 2009) die Medieninhalte erstellen.
Zusammenfassend lässt sich für den Forschungsstrang der Nachhaltigkeitskommunikation, der sich mit den Medieninhalten beschäftigt, festhalten, dass ein Schwerpunkt hier auf Umwelt- sowie insbesondere Klimakommunikation liegt, wobei in journalistischen Medien aufgrund der Nachrichtenwerte nachhaltigkeitsrelevante Themen insbesondere im Rahmen von Krisen- oder Katastrophenberichterstattung platziert werden oder aufgrund politischer Ereignisse wie der Klimakonferenzen berichtet wird und die Berichterstattung daher zyklisch verläuft. Diese zyklische Berichterstattung scheint aber einer permanenten zu weichen, nicht zuletzt durch den zunehmenden Klimawandel und auch die Erfolge der Fridays for Future Bewegung in Hinblick auf die Sichtbarmachung des Themas Klimawandel und entsprechender Handlungsnotwendigkeiten im medialen Diskurs.
Es zeigt sich in diesem Forschungsfeld, dass die Medienberichterstattung und Onlinekommunikation zu Klimawandel und Klimagerechtigkeit nicht nur divers ist, sondern auch unterschiedlichen politischen Positionen entspricht. In Internetmedien finden sich heterogene Diskurse zu Nachhaltigkeitsaspekten, wobei auch Skeptiker*innen des Klimawandels hier Möglichkeiten der Meinungsäußerung abseits der traditionellen Massenmedien finden. Inwiefern die mediale Berichterstattung zu nachhaltigkeitsrelevanten Themen wirkt und wie sich Rezipierende diese Medieninhalte aneignen, untersucht das Feld der Nachhaltigkeitskommunikation, welches sich mit dem Bereich der Medienrezeption beschäftigt.

2.1.3 Nachhaltigkeit in der Medienrezeptions- und Medienwirkungsforschung

Das Forschungsfeld der Nachhaltigkeitskommunikation, welches die Rezeptionsebene in den Fokus setzt, legt den Schwerpunkt, ähnlich der bis hierher aufgearbeiteten Forschungsfelder zu Kommunikator*innen und Medieninhalten, auf Umweltkommunikation (s. für einen Überblick Kannengießer 2021b). Der Bereich der Umweltkommunikation, der sich mit der Medienwirkung und Medienrezeption umweltrelevanter Themen beschäftigt, wird zunehmend erforscht. Arbeiten im Bereich der umweltkommunikationswissenschaftlichen Rezeptionsforschung fragen nach der Nutzung von Medieninhalten, die sich mit Umweltthemen beschäftigen, durch Rezipierende, und nach der Wirkung der Medieninhalte auf die Rezipierenden, aber auch nach der Wahrnehmung und Deutung umweltrelevanter Themen durch Rezipierende.
Auch in der umweltwissenschaftlichen Rezeptionsforschung wird dominant zu Klimathemen geforscht. Neverla und Taddicken unterteilen das Forschungsfeld, welches sich mit Klimawandel und Medienrezeption beschäftigt, in drei Teile:
„Erstens handelt es sich um (kommunikationswissenschaftliche) Studien, die direkt nach der Mediennutzung von Klimathemen und ihren Wirkungen auf die Rezipienten fragen; zweitens um (kommunikationswissenschaftliche) Studien, die nach der Mediennutzung und ihren Wirkungen auf das Umweltbewusstsein des Publikums fragen; und drittens um Studien aus der interdisziplinären Umweltwissenschaft, die Mediennutzung oder auch allgemein Informationsbedingungen nicht zentral, sondern allenfalls als eine Variable neben anderen untersucht.“ (Neverla und Taddicken 2012, S. 217)
In einem ersten kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschungsbereich wird untersucht, wie Menschen Medien für die Rezeption von Klimathemen nutzen und welche Wirkung diese Nutzung hat. Bei der Aufarbeitung dieses Forschungsfeldes kommen Neverla und Taddicken (2012, S. 218 ff.) u. a. zu folgenden Ergebnissen: Die Rezeption relevanter Medienberichterstattung hänge stark von individuellen Rezeptionsvoraussetzungen ab. Es seien Medieneinflüsse auf das klimabezogene Problembewusstsein der Rezipierenden erkennbar, jedoch auf einem vergleichsweise geringen Niveau, die außerdem in Abhängigkeit von Mediengenre und Medienangebot variieren. Die Effekte der Mediennutzung können folglich sehr unterschiedlich sein. Außerdem sei die Medienwirkung im Zeitverlauf zu sehen, d. h., dass die Wirkung mit fortschreitender Zeit auch abnehmen könne. Das Vorwissen über den Klimawandel bildet dabei einen wichtigen Einflussfaktor für die Mediennutzung. Das zweite Forschungsfeld fragt nach der Mediennutzung und ihren Wirkungen auf das Umweltbewusstsein der Menschen. Bei der Aufarbeitung dieses Bereichs kommen Neverla und Taddicken (2012, S. 222 ff.) zu folgenden Ergebnissen: Die Informiertheit über Umweltthemen hänge neben der Mediennutzung auch vom persönlichen Interesse an Umweltinformationen und vom Bildungsniveau der Befragten ab, wobei eine habituelle Mediennutzung und hier v. a. das Zeitunglesen eine große Bedeutung in Hinblick auf das Wissen habe. Das umweltwissenschaftliche Forschungsfeld untersucht u. a. die Bedingungen von umweltbewusstem Verhalten und berücksichtigt auch die Mediennutzung, auch wenn diese nicht wie in der Kommunikations- und Medienwissenschaft im Mittelpunkt steht (Neverla und Taddicken 2012, S. 224). Bei der Aufarbeitung relevanter Studien aus diesem Bereich stellen Neverla und Taddicken fest (ebd., S. 224 f.): Es existiere ein relativ hohes Vertrauen in die Angemessenheit der Berichterstattung in Deutschland. Medien seien ein wesentlicher, wenn auch nicht der einzige wirksame Faktor bei der Herstellung von Wissen über Umweltthemen. Die Autorinnen (ebd., S. 228) halten fest, dass die von ihnen aufgearbeiteten Forschungsfelder der Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie der Umweltwissenschaft, die sich mit der Mediennutzung und -wirkung beim Thema Klimawandel beschäftigen, komplexe Wirkungsbezüge aufzeigen und die Wahrnehmung von Klimawandel und seiner Bedeutung von sozial-kulturellen und politisch-ökonomischen Gegebenheiten sowie schließlich auch von den Forschungsdesigns der unterschiedlichen Studien abhängig sei.
Schäfer und Bonfadelli (2016, S. 331 f.) halten vier wiederkehrende Ergebnisse der Medienwirkungsforschung in der Klimakommunikation fest: 1) Massenmedien seien eine wichtige und verlässliche Quelle für Informationen über Klimawandel; 2) es gebe Agenda-Setting-Effekte auf das Publikum, d. h., die Relevanz des Themas Klimawandel für das Publikum hänge vom Ausmaß der Medienberichterstattung ab; 3) Mediennutzung erhöhe das Wissen über den Klimawandel; 4) Medienwirkungen auf das Verhalten von Rezipienten seien weniger klar.
In Hinblick auf die Relevanz verschiedener Einzelmedien stellt Schäfer (2012a, S. 534) vor knapp zehn Jahren in einer Metaanalyse des Forschungsfeldes, welches sich mit Klimawandel und Internetmedien beschäftigt, noch fest, dass Internetmedien im Vergleich zu traditionellen Massenmedien wie dem Fernsehen eine geringere Rolle bei der Information über den Klimawandel spielen und Rezipierende v. a. traditionellen Massenmedien und hier besonders dem Fernsehen als Informationsquelle vertrauen (Schäfer 2012b, S. 71). Allerdings ist zu beachten, dass diese Daten einige Jahre alt sind und nicht nur die Nutzung von Internetmedien zugenommen hat, sondern sich damit eventuell auch die Einstellung zu den Medien verändert hat.
In Bezug auf die vorab von Schäfer und Bonfadelli herausgearbeiteten mangelnden Erkenntnisse zur Medienwirkung zeigen einige Studien, dass Massenmedien kaum eine Wirkung im Sinne von Meinungs- oder Verhaltensveränderungen bei Klimathemen haben und dass die Medieninhalte, welche Klimawandel thematisieren, von Rezipierenden mit den eigenen Vorerfahrungen und dem eigenen Wissen abgeglichen sowie aufgrund verschiedener politischer Einstellungen unterschiedlich bewertet und damit auch unterschiedlich rezipiert werden (Peters und Heinrichs 2005, S. 153 ff.). Dagegen zeigen Leiserowitz et al. (2012) durch repräsentative Befragungen in den USA, dass der Climategate-Skandal (die unautorisierte Veröffentlichung des E-Mail-Austausches zwischen Wissenschaftler*innen in den USA und Großbritannien) und die Berichterstattung darüber in Printmedien und Fernsehen sehr wohl eine Wirkung auf die Rezipierenden hatte, was sich in Form eines Vertrauensverlustes äußerte, der sich u. a. darin zeigte, dass die Anzahl der Personen, welche am Klimawandel zweifelten, zunahm und dass die Befragten auch angaben, durch die Climategate-Affäre Vertrauen in Klimawissenschaftler*innen verloren zu haben (s. zum Climategate-Skandal in Onlinekommentaren auch Koteyko et al. 2012). Insbesondere hier zeigt sich, dass Ergebnisse der Medienwirkungsforschung durchaus ambivalent sind.
Diese Paradoxien unterstreichen Arlt, Hoppe und Wolling (2010, S. 22) in der Analyse einer repräsentativen Befragung, in der sie argumentieren, dass die Medienberichterstattung durchaus Einfluss auf das Umweltbewusstsein der Bevölkerung habe, dass dieser jedoch u. a. von der Gattung der rezipierten Medien abhänge und durchaus ambivalent sei. Die Autor*innen stellen fest, dass öffentlich-rechtliche Fernsehnachrichten, Printmedien und Onlineinformationsmedien zwar einen positiven Effekt auf die Absicht der Bürger*innen haben, für den Klimaschutz aktiv zu werden, allerdings v. a. dann, wenn die Handlung eine kurzfristige Wirkung verspreche. Auf die Veränderung dauerhafter individueller Verhaltensweisen nehmen sie jedoch keinen positiven Einfluss durch die Medien wahr (ebd.). Dennoch halten auch diese Autor*innen fest, dass den Medien eine Agenda-Setting-Funktion zukomme (ebd.). Entsprechend der Luhmannschen Argumentation (Luhmann 1996, S. 9) argumentiert Olausson (2011, S. 294), dass was Menschen über Klimawandel wissen, wissen sie aus den Medien.
In einer empirischen Studie untersuchen Taddicken und Neverla mit einer repräsentativen Onlinebefragung den Einfluss der Medienberichterstattung auf die Wahrnehmung des Klimawandels durch die Mediennutzer*innen (2011; s. auch Taddicken 2013). Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Nutzung themenrelevanter Medieninhalte nicht nur mit dem Wissen um Klimawandel zusammenhängt, sondern auch mit einem entsprechenden Problembewusstsein und der Bereitschaft, individuelle Verantwortung für die Begrenzung des Klimawandels zu übernehmen (ebd., S. 515 ff.). Des Weiteren argumentieren sie (ebd., S. 517 f.), dass für die Bewertung des Klimawandels neben der Mediennutzung auch das soziale Umfeld relevant ist. Diese Ergebnisse nutzen Taddicken und Neverla (ebd., S. 509 ff.) für die Konstruktion eines multifaktoriellen Wirkungsmodells der Medienerfahrung zum Klimawandel in Anlehnung an Früh und Schönbach (2005), indem sie die Relevanz des situativen Umfelds und der Mediennutzung hervorheben. Neverla und Taddicken (2011, S. 509 f.) betonen in diesem Modell nicht nur die Relevanz der gezielten Mediennutzung themenbezogener Medieninhalte aufgrund eines entsprechenden Informationsbedürfnisses, sondern auch die der alltäglichen unspezifischen Mediennutzung. Weiterhin weisen sie auf die subjektive Bedeutungszuschreibung in individuellen Aneignungsprozessen entsprechender Medieninhalte hin, die u. a. durch die jeweiligen Einstellungen zum Klimawandel geprägt sind (und vice versa) (ebd., S. 510).
Die Erwartungen von Rezipierenden an die Medienberichterstattung zu Klimawandel in Deutschland untersuchen Taddicken und Wicke (2017) in einer qualitativen Studie mit dem Einsatz von Gruppendiskussionen. Ihre Ergebnisse zeigen, dass den Rezipierenden die Berichterstattung über Klimawandel zu einseitig ist. Sie erwarteten von dieser neben transparenten Hintergrundinformationen auch die Schaffung eines erhöhten Problembewusstseins sowie die Bereitstellung von Handlungsempfehlungen. Es bestehe aber auch der Wunsch nach Unterhaltung in der Klimakommunikation sowie nach mehr Kreativität in der Berichterstattung. Ähnlich analysiert Olausson die Wahrnehmung und Bewertung der Klimaberichterstattung durch Rezipierende in Schweden und zeigt, dass Rezipierende die emotionale und alarmierende Art der Klimaberichterstattung kritisieren (Olausson 2011, S. 292).
Neben der Mediennutzung für Umwelt- und Klimathemen und deren Wahrnehmung wird auch die Partizipation der Mediennutzer*innen in themenrelevanten Diskursen untersucht. Dabei bieten Internetmedien neue Möglichkeiten, sich aktiv und auch als Laien in entsprechende Diskurse einzubringen. Taddicken und Reif (2016) entwickeln in einer quantitativen Studie eine Typologie der Internetnutzer*innen in Deutschland mit Blick auf ihre Nutzung von Internetmedien und Teilhabe in Onlinediskursen zum Thema Klimawandel. Sie unterscheiden zwischen dem Typen des uninteressierten Zweifelnden („uninterested doubtful“), dem sachkundigen Glaubenden („knowledgeable believer“) sowie dem teilnehmenden Onlinenutzer („participating online user“) wobei sie den letztgenannten Typen aufgrund seiner Heterogenität wiederum in drei Subtypen unterteilen: den problembewussten Suchenden („problem-aware searchers“), den teilnehmenden Experten („participating expert“) sowie den suchenden Glaubenden („searching believer“) und den weniger aktiven Unwissenden („less aktive unknowing“) (Taddicken und Reif 2016, S. 326 ff.). Diese Typen der Onlinenutzer*innen im Themenfeld Klimawandel unterscheiden sich nicht nur in Hinblick auf ihr Wissen um Klimawandel (wissend/unwissend), sondern auch in Hinblick auf die Bewertung dieses (Skeptiker/Glaubende) und ihre Nutzung von Internetmedien (Nutzung/geringe oder Nichtnutzung) sowie die aktive Teilhabe an Onlinediskursen (Teilhabe/Nichtteilhabe). Viele der Typen nutzen Onlinesuchmaschinen um themenbezogene Informationen zu generieren. In einem Vergleich der Typen zeigt sich, dass v. a. die teilnehmenden Expert*innen an Onlinediskursen partizipieren, woraus Taddicken und Reif (ebd., S. 329) schlussfolgern, dass insbesondere das Verfügen über entsprechendes Wissen eine Voraussetzung für die Teilhabe an entsprechenden öffentlichen Diskursen ist. Sie konstatieren in Hinblick auf den Typen des „weniger aktiven Unwissenden“ aber auch, dass das Wissen nicht zwingend notwendig für die Nutzung von Internetmedien bei Klimathemen sei. So zeige dieser Typ, dass in Onlinenetzwerken entsprechende Themen auch kommentiert oder geteilt werden, so denn die Nutzer*innen mit diesen in ihren Onlinenetzwerken konfrontiert sind, selbst wenn sie uninteressiert oder uninformiert sind (ebd., S. 330).
Anhand des Beispiels der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 verdeutlicht eine Studie von Arlt et al. (2017), dass Nutzer*innen von Internetmedien wie Onlinenetzwerken und Weblogs aktiv an Onlinediskursen über das Thema Klima teilnehmen, wenn sie Informationen zur Klimakonferenz über diese Internetmedien erhalten. Internetmedien bieten Nutzer*innen Möglichkeiten, an Diskursen über Klimawandel zu partizipieren (zu einem Vergleich der Partizipation von Nutzer*innen in verschiedenen Internetmedien s. Lörcher und Taddicken [2017]). Wissenschaftlich untersucht wird hier v. a. die Nutzung von Twitter in Hinblick auf Onlinediskurse zu Klimawandel (z. B. Jang und Hart 2015; Kirilenko und Stepchenkova 2014; Pearce et al. 2014), aber auch die Nutzer*innenkommentare zum Klimawandel in Internetmedien (z. B. Walter et al. 2018; Kraker et al. 2014). Dabei zeigt sich, dass Internetmedien wie Weblogs für das Werben und die Repräsentation nachhaltiger Praktiken genutzt werden (s. z. B. Vollberg 2018 zu deutschsprachigen Weblogs, mehr in Abschn. 2.2.3), aber auch, dass Internetmedien Skeptiker*innen ein Forum der Meinungsäußerung bieten (Sharman 2014; s. auch Matthews 2015). In einer quantitativen Netzwerkanalyse argumentieren Elegsem, Steskal und Diakopoulus (2015, S. 184), dass es unter englischsprachigen Weblogger*innen eine dominante Gemeinschaft von Klimawandelskeptiker*innen gebe, während die den Klimawandel anerkennenden Blogger*innen sich in verschiedenen Gemeinschaften vernetzten. Die Autor*innen konstatieren, dass die Kommunikation, welche zwischen den Skeptiker*innen und Anerkennenden stattfinde, insbesondere Klimawandelwissenschaft thematisiere (ebd.).
Ähnlich fanden Eck, Mulder und van der Linden (2021) Echokammereffekte in einer Studie mit Nutzer*innen von Weblogs und Klimakommunikation vor: Während Skeptiker*innen des Klimawandels entsprechende Weblogs nutzten, rezipierten die den Klimawandel anerkennende Nutzer*innen ihren Meinungen entsprechende Weblogs.
Schäfer und Bonfadelli (2016, S. 330) kritisieren an der Medienwirkungsforschung in diesem Feld, dass die Effekte auf bestimmte Zielgruppen wie Wissenschaftler*innen, Politiker*innen oder Journalist*innen kaum untersucht und auch die Rezeption von Unterhaltungs- oder fiktionalen Formaten wenig analysiert werde (s. auch Neverla und Taddicken 2012, S. 228; für einen Überblick über das Feld, welches sich mit Nachhaltigkeit in fiktionalen Medien beschäftigt siehe Bilandzic und Kalch 2021). Ausnahmen für letzteres bilden z. B. die Studien von Leiserowitz (2004) und Lowe et al. (2006), die die Wirkung des US-Blockbusters „The Day After Tomorrow“ untersuchen und zu dem Schluss kommen, dass dieser sehr wohl eine Wirkung auf die Zuschauer*innen und ihre Wahrnehmung des Klimawandels habe, dass das Bewusstsein der Dringlichkeit dieses Problems jedoch im Zeitverlauf wieder abnehme. Der Begriff des Ecotainments wurde im Bereich des Marketings entwickelt und soll als Strategie fungieren, Menschen, die wenig an Nachhaltigkeitsthemen interessiert sind, über positive Emotionen und nicht rationale Argumente von der Relevanz nachhaltigen Handelns zu überzeugen (Lichtl 1999). Auch, wie mit Computerspielen für Nachhaltigkeit sensibilisiert wird, ist ein Gegenstand kommunikations- und medienwissenschaftlicher Forschung (Fuchs et al. 2021).
Neverla und Taddicken (2012, S. 229) konstatieren, dass das Forschungsfeld der Medienwirkung v. a. die individuelle Ebene fokussiere und die Meso- und Makroebene z. B. in Hinblick auf Meinungsführerschaft oder Öffentlichkeit kaum erforscht seien. Sie (2012, S. 216) betonen, dass Bürger*innen als Rezipierende über Medien Wissen über den Klimawandel generieren, da Klimawandel kaum individuell sinnlich erfahrbar sei, sondern als wissenschaftliches Konstrukt (medial) vermittelt werde. Dies gilt sicherlich für die Länder, in denen die Auswirkungen des Klimawandels noch nicht zu spüren sind, wie in vielen Industrienationen. Zynisch wäre es aber, zu behaupten, Menschen in afrikanischen Ländern, die vor Dürre fliehen oder unter dieser leiden, oder auch Menschen in Bangladesch, die regelmäßig mit Überschwemmungen konfrontiert sind, könnten Klimawandel nicht individuell erfahren. Aber für Menschen in West- und Nordeuropa, wo auch die später diskutierten Fallstudien verortet sind, ist der Klimawandel sicherlich primär ein medienvermitteltes Phänomen, wobei sich seit den langen heißen und trockenen Sommern in den vergangenen Jahren in Deutschland die Wahrnehmung des Klimawandels hin zu einem lokalen Problem verändert hat und hier sicherlich auch politische Protestbewegungen wie die Fridays for Future Bewegung (und die mediale Berichterstattung über die Bewegung) zu einer Veränderung der Wahrnehmung der Klimaproblematik beigetragen hat (s. Abschn. 2.1.1 und 2.1.2).
Zusammenfassend lässt sich für den Forschungsstrang der Nachhaltigkeitskommunikation, der sich mit Medienwirkung und Medienrezeption beschäftigt, festhalten, dass die Erkenntnisse dieses Feldes ambivalent sind, einige Studien Wirkungen der Nachhaltigkeits- und insbesondere Klimaberichterstattung ausmachen, während andere diese nicht wahrnehmen. Allemal verändern sich die Wahrnehmung und die Wirkung der Rezipierenden, nicht zuletzt wegen des voranschreitenden Klimawandels selbst. Auch in diesem Forschungsbereich wird erkennbar, dass die Rezipierenden durch Internetmedien Möglichkeiten der Artikulation und Meinungsäußerung bekommen und in Onlinediskursen selbst zu ProdUser*innen (Bruns 2008 und 2009) werden. Dabei zeigt sich, dass nicht nur das Mediennutzungsverhalten der Menschen zur Herausbildung unterschiedlicher Typen führt, sondern auch die persönliche Meinung – auch Klimawandelskeptiker*innen erhalten in Internetmedien abseits der traditionellen Massenmedien Möglichkeiten der Meinungsäußerung und Vernetzung.

2.2 Digitale Medien(-kommunikation) und das „gute Leben“ – zum Wohlbefinden der Mediennutzer*innen und sozial-ökologischen Auswirkungen des Konsums digitaler Medientechnologien

Während im vorhergehenden Kapitel das Forschungsfeld der Nachhaltigkeitskommunikation aufgearbeitet wurde, wird im Folgenden das Forschungsfeld skizziert, welches sich in der Kommunikations- und Medienwissenschaft mit dem „guten Leben“ beschäftigt. Das „gute Leben“ ist kein neues Konzept (s. Einleitung), steht aber in der aktuellen Diskussion in enger Beziehung zum Begriff der Nachhaltigkeit (Altmann 2013, S. 101), da es u. a. ein Verhältnis zwischen Mensch und Natur postuliert, in dem der Mensch nicht mehr die Natur beherrscht (Gabbert 2012, S. 1), sondern die Dualität von Natur und Kultur aufgehoben und der Mensch als Teil der Natur wahrgenommen wird (ebd., S. 26). In Bolivien und Ecuador wurde das „gute Leben“ als Konzept sogar in die jeweilige Staatsverfassung integriert (s. hierzu ausführlich Gudynas 2012 und Altmann 2013), und in Bhutan wurde das „Bruttosozialglück“ in die Verfassung aufgenommen (Ang 2015). Dort und auch im politischen Diskurs in Deutschland wird das „gute Leben“ insbesondere als ein solches jenseits des kapitalistischen, auf Wachstum ausgelegten Wirtschaftssystems diskutiert (s. z. B. Gudynas 2012).
Es ist zwischen dem Glück als subjektiv empfundener und dem „guten Leben“ als objektiv bestimmbarer Lebensform zu unterscheiden (Rosa 2016, S. 37; s. Einleitung). Das Wohlbefinden des Menschen und die Frage nach dem „guten Leben“ werden in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen untersucht. Brey (2012) skizziert die Forschung zum Wohlbefinden in den Disziplinen Philosophie, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften. Er (2012, S. 17 ff.) zeigt auf, dass das Wohlbefinden und die Frage nach dem „guten Leben“ bereits bei den alten Griechen von Aristoteles verfolgt wurde und in der Philosophie verschiedene theoretische Stränge existieren, die sich seit Jahrhunderten über die Frage nach dem „guten Leben“ streiten. In der Psychologie wird das Wohlbefinden seit den 1950er Jahren erforscht (Brey 2012, S. 21). Hier steht das subjektiv empfundene Wohlbefinden im Fokus (ebd., S. 22). In der Wirtschaftswissenschaft steht hingegen die Brauchbarkeit des Wohlbefindens im Zentrum (ebd., S. 25).
Rosa (2016, S. 37) erklärt im Rückgriff auf die Fachgeschichte der Soziologie und anhand der Spaltung der Disziplinen Soziologie und Philosophie, dass v. a. letztere sich mit der Frage des „guten Lebens“ beschäftigte, während die Soziologie sich mit den Ursachen und Folgen des Handelns der Menschen und der Analyse sozialer Strukturen auseinandersetzte. Er stellt fest, dass den Fragen nach dem Glück und dem „guten Leben“ zu wenig in der Soziologie nachgegangen werde und will selbst eine „Soziologie der Weltbeziehungen“ generieren, da er Weltbeziehungen als ein Schlüsselmoment des „guten Lebens“ versteht (ebd., S. 37 und S. 52). In der Moderne, die durch ethischen Pluralismus und Individualismus gekennzeichnet sei, sei die Frage nach dem „guten Leben“ insofern in den Hintergrund getreten, als dass weniger nach bestimmten (Glücks-)Zielen gesucht und gestrebt werde, sondern vielmehr die Rechte der Individuen betont und diese angehalten werden, ihre individuellen Ziele zu verfolgen (ebd., S. 38). Dies führe zum einen dazu, dass die Individuen keine einfache Antwort auf ihre Frage, was das „gute Leben“ sei, erhalten können, und zum anderen, dass jede*r für sich entscheiden müsse, wie er*sie seine*ihre Ziele zur Erreichung eines „guten Lebens“ definiere und wie er*sie diese erreichen wolle (ebd., S. 41). Da es in der Moderne keine klare Antwort auf die Frage nach dem „guten Leben“ gebe, konzentriere sich der Mensch auf seine Ressourcenausstattung, die ihn in die Lage versetzen soll, das „gute Leben“ zu erreichen. Rosa nennt die Quantified-Self-Bewegung9 als ein Beispiel dieser Ressourcenfokussierung, da die Individuen versuchen, eben diese Ressourcenausstattung zu messen (ebd., S. 47). Zu den Ressourcen, die derzeit im populärwissenschaftlichen Diskurs als Voraussetzungen für ein „gutes Leben“ gelten, gehörten Geld, Gesundheit und Gemeinschaft (ebd., S. 46).
Aber auch Medien sind für das „gute Leben“ relevant, wie in der folgenden Aufarbeitung des kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschungsfelds, das sich mit dem „guten Leben“ beschäftigt, gezeigt wird. Bei der Durcharbeitung dieses Forschungsfeldes wurden zum einen Studien herangezogen, die sich explizit die Frage nach dem „guten Leben“ stellen, zum andern wurde auch das Forschungsfeld skizziert, welches sich mit Problemen beschäftigt, die im Zusammenhang zwischen Medien und dem „guten Leben“ bestehen. Dabei stehen insbesondere die Produktions- und Entsorgungsbedingungen von Medientechnologien im Fokus, denn diese sowie aktuelle Medienaneignungsprozesse haben oftmals negative sozial-ökologische Auswirkungen, welche das „gute Leben“ der in diesen Prozessen involvierten Menschen verhindern.
Die Kommunikations- und Medienwissenschaft beschäftigt sich eher selten mit den sozial-ökologischen Auswirkungen, die die Produktion und der steigende Konsum von Medientechnologien mit sich bringen (Ausnahmen sind z. B. Maxwell und Miller 2012, S. 9; Maxwell et al. 2015). In (Post-)Industrienationen sind diese Auswirkungen oftmals unsichtbar, da Medientechnologien v. a. in ökonomisch weniger entwickelten Ländern produziert und entsorgt werden. Die sozial-ökologischen negativen Auswirkungen, welche ein „gutes Leben“ für die an den Produktions- und Entsorgungsprozessen beteiligten Menschen verhindern, werden in den folgenden Teilkapiteln aufgearbeitet. Die hier erarbeiteten Erkenntnisse sind nicht nur relevant, um aufzuzeigen, wo Probleme im Zusammenhang zwischen dem „guten Leben“ und Medien(-technologien) zu finden sind, sie bilden gleichzeitig die Folie für die Diskussion der empirischen Fallstudien, da sich viele der Akteur*innen der Fallstudien auf diese problematischen Produktions- und Entsorgungsbedingungen beziehen. Sind diese Bedingungen, wie zu zeigen sein wird, v. a. in ökonomisch weniger entwickelten Ländern zu finden, so soll im Folgenden aber auch die Rolle der Menschen in den (Post-)Industrienationen für die Produktion und Entsorgung von Medientechnologien beleuchtet werden. Dabei werden Fragen des Konsums von Medientechnologien virulent, denn mit dem Konsum (im Sinne eines Verbrauchens und Kaufens) von Medientechnologien und einer entsprechenden Nachfrage werden zum einen die Produktion neuer digitaler Medientechnologien angeregt und die sozial-ökologischen Auswirkungen dieser damit indirekt unterstützt, zum anderen werden, nach dem Konsum neuer Endgeräte, existierende Apparate (wie gezeigt werden wird: oftmals unsachgemäß) entsorgt. Entsprechend wird der Forschungsstand zu Konsum von Medientechnologien ebenfalls skizziert (siehe Abschn. 2.2.3).

2.2.1 Digitale Medien(-kommunikation) und das „gute Leben“

Die Frage nach dem „guten Leben“ ist in der Kommunikations- und Medienwissenschaft ein randständiges Thema. Umso erstaunlicher ist, dass die Jahrestagung der International Communication Association 2014, die in Seattle/USA stattfand, den Titel „Communication and the Good Life“ trug. Auf der Konferenzwebseite konkretisieren die Veranstaltenden diese thematische Ausrichtung: „The new media environment raises a multitude of questions, and thus invites considered reflection, about what a ‚good life‘ might look like in a contemporary, digital, and networked society, and what new challenges we might face in attaining it.“ (ICA 2014). In dem Tagungsband stellen Beiträge aus verschiedenen Perspektiven die Frage nach dem „guten Leben“ (Wang 2015; zu Erkenntnissen einzelner Beiträge s. weiter unten in diesem Kapitel). Vorderer (2016, S. 1) fragt, was die Disziplin der Kommunikations- und Medienwissenschaft dazu beitragen kann, die Frage nach dem, was ein „gutes Leben“ ist, zu beantworten. Auch wenn er letztendlich keine Antwort auf diese Frage gibt, so sieht er die Kommunikations- und Medienwissenschaft dennoch in der Verantwortung, die Möglichkeiten und Gefahren, die Chancen und Risiken zu untersuchen, die digitale Medien für die Vision des „guten Lebens“ bringen (ebd. S. 7), und sieht in der interdisziplinären und internationalen Forschung Wege, um Antworten auf die Frage nach dem „guten Leben“ zu finden (ebd., S. 8 ff.). Vorderer (ebd., S. 2) stellt heraus, dass die technologischen Medieninnovationen immer wieder mit dem Versprechen verbunden waren, dass sie unser Leben besser machten. Er (ebd., S. 2 ff.) nennt drei Bedürfnisse des Menschen, die (neue) Medien(-technologien) versprechen zu erfüllen: 1) das Informationsbedürfnis, 2) das Bedürfnis nach Geschichten und Erzählungen, 3) das Bedürfnis nach Verbundenheit mit anderen. Er erläutert, dass das Informationsbedürfnis der Menschen aus einem Wunsch nach Stabilität resultiere: „The more observations about the world we make and the more impressions we collect about it, the more stable it is and the more reliable our relationship with it seems to be.“ (ebd., S. 2). Newsfeeds z. B. suggerieren den Rezipierenden, dass sie immer und überall und sofort die wichtigsten Neuigkeiten erhielten (ebd.). Das Bedürfnis nach Geschichten und Erzählungen resultiere aus der Sehnsucht nach dem Anderen:
„We might be free to choose between many options [choosing between different mediated stories, S. K.], but in our real life, we are never free to be other than ourselves. Hence, we are looking for what seems to be a temporary release from the constraints of personal identity.“ (ebd., S. 3)
In der Kommunikations- und Medienwissenschaft haben Eskapismustheorien dieses Bedürfnis der Realitätsflucht und die Funktion der (Massen-)Medien, jenes Verlangen zu stillen, versucht zu erklären (s. u. a. Katz und Foulkes 1962). Eskapismusansätze sind auch heute noch aktuell. So argumentieren Oliver und Woolley (2015, S. 57), dass „neue“ Medientechnologien dazu führen, dass Unterhaltung und das „reale Leben“ zunehmend verschwimmen und sehen hier eine Gefahr der Trivialisierung und Entwertung des „realen Lebens“. Gleichzeitig betonen sie aber auch, dass durch „neue“ Medien andere Erfahrungen gemacht werden können, als sie im eigenen „realen Leben“ möglich seien (ebd.). Das durch Vorderer (2016, S. 3) ausgemachte dritte Bedürfnis des Menschen nach Verbundenheit sieht er durch Onlinenetzwerke wie Facebook und Twitter gestillt – gleich, wo sich die Mediennutzenden befinden (s. hierzu auch Abschn. 3.​2.​4 zu Vergemeinschaftung).
Vorderer sieht durch Onlinenetzwerke alle drei von ihm ausgemachten Grundbedürfnisse befriedigt, womit er auch den Erfolg der Anbieter dieser Medien erklärt:
„I believe that the unprecedented success of social media has to do primarily with the fact that these promises have been made by the advertising industry, that they have been largely believed by the consumers, and that (at least to some extent) they have also been kept.“ (Vorderer 2016, S. 4)
Aber sind diese von Vorderer benannten Bedürfnisse die, welche ein „gutes Leben“ ausmachen? Kann von einem „guten Leben“ gesprochen werden, wenn diese Bedürfnisse erfüllt sind? Ganz so einfach scheint die Antwort auf die Frage, was das „gute Leben“ ist, nicht zu sein, wie Vorderer selbst konstatiert: „the mediated world we live in today I believe is janiform, which in many ways brings us closer to some version of ‚the good life,’ while, at the same time, it is leading us away from it.“ (Vorderer 2016, S. 4). Er (ebd., S. 5) schränkt selbst ein, dass das Informationsbedürfnis und die Neugier des Menschen nie ganz gestillt werden könne, Menschen trotz ihrer ständigen Erreichbarkeit durch mobile internetfähige Medientechnologien ständig Angst hätten, etwas zu verpassen,10 und dass der Mensch nach der Rezeption (fiktionaler) Geschichten immer wieder in die reale Welt zurückkehre.
Eine Herausforderung des „guten Lebens“ ist die Komplexität aktueller Lebensentwürfe. Die Komplexität des heutigen Lebens ist u. a. in ihrer Beschleunigung zu sehen. Rosa (2005) entwickelt eine Theorie der sozialen Beschleunigung. Er (ebd., S. 124 ff.) benennt drei Dimensionen sozialer Beschleunigung: die technische, die Beschleunigung sozialen Wandels sowie die des Lebenstempos. Virtualisierung und Digitalisierung bezeichnet er (ebd., S. 128) als Vorgänge technischer Beschleunigung, die zu einer Steigerung der Datenverarbeitungsgeschwindigkeit führen. Für die Frage nach dem „guten Leben“ mag v. a. die soziale Beschleunigung relevant sein, da hiermit die Beschleunigung des Lebenstempos im Sinne einer Zunahme der Handlungsgeschwindigkeit sowie der Veränderung der individuellen Zeiterfahrung gemeint ist (ebd., S. 138). Mit seiner „Soziologie der Weltbeziehungen“ (s. o.) versucht Rosa (2016), eine Antwort auf die Frage nach dem „guten Leben“ zu geben. Er geht davon aus, dass nicht die Ressourcenausstattung ausschlaggebend für ein „gutes Leben“ sei, sondern die Art des Weltverhältnisses oder der Weltbeziehung der Menschen (ebd., S. 52):
„Ob Leben gelingt oder misslingt, hängt davon ab, auf welche Weise Welt (passiv) erfahren oder (aktiv) angeeignet oder anverwandelt werden wird und werden kann. [...] Intensive Momente subjektiven Glücksempfindens lassen sich dabei als Formen von Resonanzerfahungen rekonstruieren, während die Empfindung von Unglück sich insbesondere dann und dort einstellt, wo sich die Welt entgegen unseren Erwartungen als indifferent oder gar abweisend (repulsiv) erweist, obwohl wir mit ihrem antwortenden Entgegenkommen gerechnet haben.“ (Rosa 2016, S. 53 und 58 f.; Hervorhebung im Original)
Rosa sieht also die aktive Weltaneignung und das Erfahren von Reaktionen der Welt auf das eigene Handeln und Sein als Indikatoren für ein „gutes Leben“.
„Das gute Leben aber ist mehr als eine möglichst hohe Summe von Glücksmomenten (oder gar die Minimierung von Unglückserfahrung), die es ermöglicht hat: Es ist das Ergebnis einer Weltbeziehung, die durch die Etablierung und Erhaltung stabiler Resonanzachsen gekennzeichnet ist, welche es den Subjekten erlauben und ermöglichen, sich in einer antwortenden, entgegenkommenden Welt getragen oder sogar geborgen zu fühlen“ (Rosa 2016, S. 59).
Resonanz ist bei Rosa eine Metapher zur Beschreibung der Beziehungsqualitäten (ebd., S. 281). Es ist ein relationaler Begriff, der den Modus des „In-der-Welt-Seins“ beschreibt, eine Weltbeziehung, „in der sich Subjekt und Welt berühren und zugleich transformieren“ (ebd., 285 und 298). Das „gute Leben“ gelinge nach Rosa also dann, wenn der Mensch Resonanz erfährt, wenn die Welt, in der er ist, auf ihn reagiert und antwortet. Resonanz ist dort möglich, wo der Mensch in Übereinstimmung mit seinen Werten handeln kann (ebd., S. 291). Resonanzachsen bezeichnet Rosa als dauerhafte Resonanzbeziehungen (ebd., S. 73). Diese Stabilität der Resonanzerfahrung ist bei Rosa ausschlaggebend für ein „gutes Leben“. Durch Resonanzachsen könne der Mensch nachhaltig Glück empfinden und sich seines „guten Lebens“ gewiss sein. In den in diesem Buch diskutierten empirischen Fallstudien werden sowohl die Metaphern der Resonanz als auch der Resonanzachsen relevant (s. Abschn. 4.​4).
Entfremdung beschreibt Rosa als das Gegenteil von Resonanz, als „einen Modus der Weltbeziehung […], in dem die […] Welt dem Subjekt gleichgültig gegenüberzustehen scheint (Indifferenz) oder sogar feindlich entgegentritt (Repulsion).“ (ebd., S. 306) Entfremdung bezeichnet damit eine Form der Welterfahrung, in der das Subjekt sich selbst oder die Welt als stumm erfährt (ebd.).11
Medien kommt bei Rosa eine entscheidende Rolle in Hinblick auf Resonanz und Entfremdung zu, da die Erfahrung und das in Beziehungtreten zur Welt oftmals medienvermittelt geschieht (ebd., S. 151). Der Soziologe (ebd., S. 154) weist darauf hin, dass die Relevanz der Medien für die Beziehung der Individuen zur Welt nicht neu. Für ihn sind Bildschirme das „Leitmedium nahezu aller Weltbeziehungen“ (ebd., S. 155), da
„immer mehr Tätigkeiten und damit Beziehungsformen [...] heute über die symbolvermittelten Bildschirmoberflächen des Smartphones, Computers, des Laptops oder Tablets, der Fernseher und der Touchscreens entwickelt und abgewickelt werden. [...] Wir sind auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der der größte Teil unserer Weltbeziehungen bildschirmvermittelt und in der unserer Weltverhältnis als Ganzes bildschirm-symbolvermittelt geprägt ist.“ (Rosa 2016, S. 156 f.)
Die Relevanz der Bildschirmmedien hat während der Covid-19-Pandemie sicherlich nochmal extrem zugenommen, weil viele Tätigkeiten und Beziehungsformen, nur noch über (Bildschirm)Medien stattgefunden haben.
Rosa sieht in dieser Dominanz der Bildschirme zwei Konsequenzen: Zum einen werde die Welterfahrung uniformiert, da wir sie immer ähnlich bildschirm-symbolvermittelt erleben, zum anderen reduziere sich die physische Welterfahrung (ebd., S. 157). Der Autor sieht hier eine „Gefahr potenzieller Verarmung“ (ebd., S. 158), wenn die Welterfahrung sich auf einen einzigen Resonanzkanal reduziere. Auch wenn Rosa darauf hinweist, dass er keine empirischen Belege für diese Verarmung habe, so scheint es ihm „nahezu evident zu sein, dass die Berührung auch des empfindlichsten Touchscreens in der Wahrnehmung der Weltbeziehung kategorial verschieden bleibt von der Berührung anderer Materialien oder gar anderer Menschen“ (ebd., S. 158; Hervorhebung im Original).
Die Rolle von Internetmedien bewertet Rosa ambivalent:
„Es kann wenig Zweifel daran bestehen, dass Menschen digitale Medien und Bildschirme nutzen, um Kontakt zu anderen Menschen herzustellen und auf diese Weise Weltbeziehungen zu sichern. Wenn wir in unserem E-Mail-Account nach neuen Nachrichten suchen, uns bei Facebook über neue Freunde oder bei Twitter über Follower freuen, wenn wir prüfen, ob unsere letzten Postings oder Blogeinträge zu Reaktionen in Form von Kommentaren oder ‚Likes‘ geführt haben, ob unsere Homepage angeklickt wurde oder sich unsere Bücher oder Schallplatten verkauft haben, dann geht es uns im Kern immer auch darum, in der Welt gemeint, gesehen, angesprochen, berührt zu werden und in Verbindung zu sein. In diesem Sinne haben digitale Medien ohne Zweifel den Charakter von Resonanzachsen. [...] Erstaunlich ist indessen, dass alle diese großen und kleinen Resonanzsignale keine Nachhaltigkeit zu entfalten scheinen: Wie nahezu jeder Surfer, Blogger und Twitterer weiß, scheint die Halbwertszeit digitaler Resonanzvergewisserung umgekehrt proportional zur wachsenden Menge der eingehenden Resonanzsignale zu schrumpfen, was zu einem suchtförmigen, steigerungsorientierten Verhalten führt: Wir müssen uns in immer kürzeren Abständen über die Zahl unserer Freunde, unserer Wahrnehmbarkeit in der Welt und die Intaktheit unserer SMS- und E-Mail-Kanäle vergewissern, und wir fühlen uns vergessen in einer indifferenten Welt, wenn der Strom der Resonanzsignale auch nur vorübergehend abebbt oder gar abreißt“ (Rosa 2016, S. 159, Hervorhebung im Original).
In der Kommunikations- und Medienwissenschaft versuchen empirische Studien der These nachzugehen, die Rosa formuliert. Hier wurde der Zusammenhang zwischen (subjektivem) Wohlbefinden bzw. gegenteiligen Gemütszuständen wie empfundener Einsamkeit bereits in Hinblick auf die Nutzung traditioneller Massenmedien untersucht. So analysieren z. B. Perse und Rubin (1990) sowie Canary und Spitzberg (1993) den Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Mediennutzung.
In der Philosophie wird die Diskussion um den Zusammenhang zwischen dem „gute Leben“ und Technologie u. a. mit Rückgriff auf Borgmanns (1984) Publikation „Technology and the Character of Contemporary Life: A Philosophical Inquiry“ geführt. Borgmann (1984, S. 4) entwickelt das Konzept des „device paradigm“ und analysiert mit diesem die Auswirkungen von Technologien auf die moderne Gesellschaft bzw. den Menschen und das „gute Leben“. Die Kapitel in dem von Higgs, Light und Strong (2000) herausgegebenen Sammelband greifen Borgmanns Überlegungen auf und diskutieren den Beitrag, den Technologien zu einem „guten Leben” leisten können. Inwiefern neue (Medien-)Technologien zu einem „guten Leben“ beitragen können, fragen auch die Artikel in dem von Brey, Briggle und Spence (2012) herausgegebenen Sammelband „The Good Life in a Technological Age“. Hier wird das „gute Leben“ mit dem Wohlbefinden der Menschen gleichgesetzt (s. Briggle et al. 2012, S. 1). Die Erkenntnisse der verschiedenen Beiträge zeigen die Komplexität und Widersprüchlichkeiten des Zusammenhangs zwischen (Medien-)Technologien und dem Wohlbefinden bzw. dem „guten Leben“ auf: So haben technologische Innovationen zu mehr Wohlbefinden geführt, aber nicht jede Innovation habe automatisch diesen Effekt (Veenhoven 2012). Technologien könnten die Fähigkeiten des Menschen erweitern, aber auch einschränken (Johnstone 2012). Sie können menschliche Bedürfnisse stillen, aber auch neue Bedürfnisse wecken (Tupa 2012). Einige Arbeiten in diesem Sammelband untersuchen den Beitrag von Internetmedien zum Wohlbefinden der Menschen und einem „guten Leben“ (Vallor 2012; Michelfelder 2012; Hartz Søraker 2012). Die Aufsätze sind normativ, so argumentiert Vallor (2012) in Hinblick auf die Aneignung von Facebook und Twitter, dass die Kommunikation, vermittelt über diese Internetmedien, einfacher und flexibler sei, mit ihr aber auch „schwierigere“ Offlinekommunikation vermieden werde. Normative Annahmen werden auch kritisch hinterfragt: So argumentiert Hartz Søraker (2012), dass die Annahme, „echte“ Freunde seien solche in der „Offlinewelt“, und „Onlinefreunde“ in der „virtuellen Welt“ seien keine, nicht verallgemeinerbar sei, sondern von der einzelnen Person und deren Entwurf des „guten Lebens“ abhänge. Eine normative Perspektive nimmt auch Ess (2015) ein, wenn er einen medienethischen Ansatz verfolgt, um der Frage nach dem „guten Leben“ in der Kommunikations- und Medienwissenschaft nachzugehen. In Hinblick auf das „digitale Zeitalter“ betont er das Zusammendenken von medien- und kommunikationswissenschaftlicher Ethik sowie Computerethik, die gemeinsam nach Tugendethiken fragen müssten (ebd., S. 24; zur Relevanz der medienethischen Perspektive in Hinblick auf die hier diskutierten empirischen Fallstudien s. Abschn. 4.​3). Andere empirische kommunikations- und medienwissenschaftliche Studien rekonstruieren die subjektive Perspektive der Menschen auf das „gute Leben“ und das eigene Wohlbefinden sowie den Zusammenhang mit „neuen“ Medientechnologien.
Jeffres, Neuendorf und Atkin (2015) werten Datenmaterial aus drei Dekaden (1981 bis 2010) aus, um zu untersuchen, wie Menschen die Qualität ihres Lebens im Zusammenhang mit ihrer Mediennutzung wahrnehmen. In ihren Ergebnissen spielt die Anbindung an eine Gemeinschaft eine große Rolle, wenn es um die Wahrnehmung der Qualität des eigenen Lebens geht. So kommen sie (ebd., S. 100 ff.) u. a. zu dem Ergebnis, dass das Rezipieren lokaler Zeitungen oder Fernsehsender als Anbindung an eine Gemeinschaft wahrgenommen werde, was wiederum als ein Indikator für eine hohe Lebensqualität angesehen werde. Daraus lässt sich schließen, dass die Art der genutzten Medien für die Wahrnehmung der eigenen Lebensqualität durchaus relevant ist, wobei nicht konstatiert werden kann, dass es v. a. „alte“ lokale Massenmedien sind, die für ein „gutes Leben“ im Sinne einer Anbindung an eine lokale Gemeinschaft ausschlaggebend sind. Denn andere Studien zeigen, dass Internetmedien eine große Relevanz für Vergemeinschaftung haben (so z. B. Hepp et al. 2011 für die Konstitution von Diasporagemeinschaften oder Hepp et al. 2014 für Vergemeinschaftungen von Jugendlichen, s. auch Abschn. 3.​2.​4).
Den Zusammenhang von Internetmedien und dem „guten Leben“ in den Blick nehmend fragen Mok, Wellman und Dimitrova (2015, S. 143): „What happens if ‚the good life‘ becomes ‚the networked life‘?“ und betonen, dass die Annahme, das im Lokalen situierte Leben sei das „gute Leben“, durch die Vernetzung über Internetmedien infrage gestellt werde. Sie argumentieren, dass es dieses vom Lokalen losgelöste Leben sein kann, was für manche Menschen als das „gute Leben“ wahrgenommen werde (ebd., S. 144; s. zum Wohlbefinden und Internetmedien auch Rosas 2012). Kretscher, Pierce und Robinson (2015, S. 129) postulieren vor dem Hintergrund des Konzepts der digitalen Kluft12 und einer Studie zur Computernutzung mexikanischer Migrant*innen in den USA, dass es relevant sei, die Perspektive der Menschen in Hinblick auf ihre Mediennutzung und Fragen des „guten Lebens“ zu rekonstruieren. Im Sinne einer pluralistischen und individualistischen Gesellschaft proklamieren sie aber: „in the digital age, individuals and communities need to have the tools and conditions that will allow them to strive for and reach their own unique ‚good life‘ as they envision it“ (Kretscher et al. 2015, S. 230). Valkenberg und Peter (2007) analysieren das subjektive Wohlbefinden bei der Nutzung von Internetkommunikation. Sie (2007, S. 43) nehmen einen negativen Effekt zwischen Internetkommunikation und dem subjektiven Wohlbefinden wahr, der jedoch in einen positiven umgedeutet wird, sobald der Aspekt von Freundschaft bzw. die Beziehung zu Freunden einbezogen wurde.
Unter dem Aufsatztitel „Mobile phones and the good life“ analysiert Chan (2015) den Zusammenhang zwischen der Mobilfunknutzung und dem subjektiven Wohlbefinden sowie dem sozialen Kapital der Nutzenden. Das „gute Leben“ ist hier das subjektive Wohlbefinden des Menschen, das wie folgt definiert wird: „SWB [subjective well-being, S. K.] refers to individuals’ subjective evaluation of their overall quality of life, which stands in contrast with external indicators of well-being, such as physical health and material wealth“ (Chan 2015, S. 97). Ergebnisse der quantitativen Befragung zeigen, dass die Wirkung der Mobilfunknutzung auf das subjektive Wohlbefinden der Nutzenden von den unterschiedlichen Funktionen der Technologie abhängt (ebd., S. 106). Weitere Studien zeigen widersprüchliche Ergebnisse zur Mobilfunknutzung und dem subjektiven Wohlbefinden, so könne die Nutzung von Mobilfunkgeräten zu einem größeren (Jin und Park 2013) oder geringeren (Wie und Lo 2006) Empfinden von Einsamkeit führen. Turkle (2011) nimmt eine kulturpessimistische Perspektive ein, wenn sie konstatiert, dass v. a. junge Menschen eher flache soziale Beziehungen haben, da sie aufgrund ihrer Nutzung der Mobilfunkgeräte ständig abgelenkt seien (s. Fußnote 16 zu den Konzepten des „always/permanently on“).
Auf die Paradoxie im Zusammenhang vom „guten Leben“ und der Nutzung von Mobilfunkgeräten weist Ling unter Rückgriff auf verschiedene empirische Studien hin:
„It [das Mobilfunkgerät, S. K.] is a tool that can help us to care for one another but also a tool that can be used for nefarious ends. It can be used to make daily life easier for women in developing countries while at the same time it can be the locus of mistrust and misfortune“ (Ling 2015, S. 41).
Untersuchen die meisten kommunikations- und medienwissenschaftlichen Studien das „gute Leben“ und individuelle Wohlbefinden auf der Mikroebene, so fragt Ang (2015) am Beispiel Bhutans nach den Möglichkeiten der Medienpolitik für die Steigerung des Bruttosozialglücks, das in diesem Beispielland in die Staatsverfassung eingeschrieben ist. Er räumt ein, dass es durchaus schwierig sei, das Bruttosozialglück auf nationaler Ebene zu messen (ebd., S. 76) und kann letztendlich die Frage nach dem „guten Leben“ nicht beantworten.
Zusammenfassend lässt sich für den Forschungsbereich, der sich mit (digitalen) Medien und dem „guten Leben“ beschäftigt, festhalten, dass das „gute Leben“ hier v. a. als Wohlbefinden der Mediennutzenden definiert und dass untersucht wird, wie Medien(-kommunikation) dieses verbessern kann. Die Forschungsergebnisse empirischer Studien sind hier durchaus ambivalent, nehmen zum einen negativen Einfluss „neuer“ Medien auf das Wohlbefinden der Mediennutzenden wahr und zum anderen einen positiven.
Die Kehrseite der Frage nach dem „guten Leben“, Nachhaltigkeit und Medien sind u. a. die in der Einleitung bereits benannten sozial-ökologischen Probleme, die die Produktion, Nutzung und Entsorgung digitaler Medientechnologien verursachen. Diese Effekte verhindern oft das „gute Leben“ für Menschen, die in diese Prozesse involviert sind. Sie bilden die Hintergrundfolie für die Medienpraktiken, welche in der Studie untersucht wurden. Daher wird das interdisziplinäre Forschungsfeld, das die sozial-ökologischen Auswirkungen der Produktion, Nutzung und Entsorgung digitaler Medientechnologien untersucht, im Folgenden skizziert.

2.2.2 Sozial-ökologische Folgen der Produktion, Aneignung und Entsorgung digitaler Medientechnologien

Der Konsum im Sinne eines Verbrauchens und Kaufens digitaler Medientechnologien hat negative sozial-ökologische Folgen, welche in einem interdisziplinären Forschungsfeld betrachtet werden.13 Studien untersuchen diese Effekte im Bereich der Produktion digitaler Medientechnologien, ihrer Aneignung und der Entsorgung, denn in allen Momenten der Lebens- und Nutzungsdauer digitaler Medientechnologien sind negative sozial-ökologische Auswirkungen auszumachen:
„ICT [...] are grave and wide-spanning polluters. They are multi-polluters, in the sense that their complex production processes involve a variety of dangerous poisons or polluting agents. Pollutants are emitted in the environment during (a) manufacturing, (b) use phase of products, but especially (c) after they are disposed. E-waste poisons are spread, during recycling processes of obsolesced and disposed products. [...] ICT pollutants, such as heavy metals or rare poisonous chemicals, thus, impact on every aspect of the environment: ground and subterranean fields, waters, atmosphere. Besides, carcinogenic electromagnetic spectrum radiation is exuded permanently, for instance, during cell phone signal transmissions, constituting a major cause of air intoxication.“ (Kaitatzi-Whitlock 2015, S. 71)
In der Kommunikations- und Medienwissenschaft werden diese sozial-ökologischen Probleme der Produktion und Entsorgung digitaler Medientechnologien selten beachtet und untersucht, vielmehr scheinen die Medienapparate während der Produktion und nach ihrer Entsorgung unsichtbar zu sein und mit ihnen die skizzierten Effekte dieser Produktions- und Entsorgungsprozesse. Einige wenige Studien thematisieren explizit die sozial-ökologischen Implikationen der Film- und Fernsehindustrie (s. zur Film- und Fernsehindustrie Kääpä 2020; zu Hollywood Vaughan 2019).
Die fehlende Thematisierung der sozial-ökologischen Folgen der Produktion, Nutzung und Entsorgung sind sicherlich auch durch scheinbare Unsichtbarkeit dieser Prozesse zu begründen, da diese überwiegend geographisch in ökonomisch weniger entwickelten und Schwellenländer verlagert sind. Dennoch sind es diese Prozesse, die an den digitalen Charakter heutiger Medientechnologien geknüpft sind: „The elaborate infrastructures required for the manufacture and disposal of electronics can be easily overlooked, yet these spaces reveal the unexpected debris that is a by-product of the digital.“ (Gabrys 2011, S. 2) Die giftigen Produktions-, Nutzungs- und Entsorgungprozesse digitaler Medientechnologien veranlassen Gabrys dazu, die Technologien selbst als giftig zu charakterisieren: „digital media technologies […] are material and toxic entities that generate waste across their lifespan“ (Gabrys 2018, S. 107, Hervorhebung S. K.).
Im Folgenden werden einige zentrale Erkenntnisse des interdisziplinären Forschungsfeldes über die sozial-ökologischen Folgen der Produktion, Nutzung und Entsorgung digitaler Medientechnologien aufgearbeitet, da es diese Auswirkungen sind, die die Hintergrundfolie für das konsumkritische Medienhandeln bilden, auf die sich die in den verschiedenen Fallstudien agierenden Personen beziehen.
Dass die Produktion digitaler Medientechnologien nicht nachhaltig, sondern mit negativen sozial-ökologischen Auswirkungen stattfindet, zeigen Studien, die sowohl den Abbau der für digitale Medientechnologien benötigten Ressourcen untersuchen als auch solche, die die Herstellungsprozesse der Medienapparate in den Blick nehmen. Im Bereich des Rohstoffabbaus wird v. a. die Gewinnung des Minerals Coltan problematisiert, das für die Herstellung von Tantal benötigt wird, welches wiederum für die Produktion von Hochleistungskondensatoren von Mobilfunkgeräten und Notebooks eingesetzt wird (Behrendt und Scharp 2007, S. 4). Tantal zählt zu den Seltenen Metallen, das als solches einen hohen Preis und eine knappe Reserve hat und nur in wenigen Ländern abgebaut wird (ebd., S. 9 ff.). Das mit Abstand meiste Coltan wird in Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo (DRC) abgebaut. Seit Jahren werden die Bedingungen des Coltanabbaus in der DRC im massenmedialen Diskurs thematisiert, auf den sich auch die in den Fallstudien untersuchten Akteur*innen beziehen. Während in der Materialforschung und Politikwissenschaft der Coltanabbau (oftmals mit dem Fokus auf die DRC) untersucht wird, wird die problematische Coltangewinnung in der Kommunikations- und Medienwissenschaft dagegen kaum thematisiert. Zuverlässige Daten über den Coltanabbau in der DRC liegen (u. a. aufgrund der seit Jahrzehnten anhaltenden Kriegssituation) nicht vor (Behrendt und Scharp 2007, S. 27).
Coltan wird in der DRC im Osten des Landes in der Region Kivu abgebaut, die von militarisierten Rebellengruppen beherrscht wird, welche seit Jahrzehnten einen Krieg gegen die Zentralregierung führen (Whitman 2012, S. 128; s. Montague 2002 für einen historischen Überblick der Coltanförderung und des Handels in der DRC). Die Rebellengruppen besitzen die illegalen Coltanminen und finanzieren ihren Bürgerkrieg durch den Verkauf des Minerals: „Coltan is but one of many resources illegally mined and sold onto western markets to profit invading armies and rebel forces.“ (Montague 2002, S. 104). Menschen, die in dieser Region der DRC leben und in den Minen arbeiten, sind mehrfach von der Kriegssituation und der vorherrschenden Art des Coltanabbaus betroffen. Die Personen, oftmals Kinder, die in den Minen arbeiten, tun dies unter menschenunwürdigen und lebensgefährlichen Bedingungen – nicht nur wird ihre Arbeitskraft ausgebeutet, sondern es wird auch ihre Gesundheit durch die schlechten Arbeitsbedingungen beeinträchtigt und den Menschen wird das Leben durch einstürzende Minen genommen (Maxwell und Miller 2013). Frauen, die in der Region leben und in den Minen arbeiten, werden zudem sehr häufig Opfer sexueller Gewalt (Whitman 2012). Auch die Natur wird durch den Coltanabbau zerstört, Wälder werden gerodet und Tiere getötet (ebd.). Studien belegen, dass sich die Population der Gorillas in der DRC aufgrund des andauernden Konflikts und des illegalen Coltanabbaus um 50 % reduziert habe (Plumptre et al. 2015, S. 13).
Von dem illegalen Coltanabbau profitieren jedoch nicht nur die Warlords, welche das Mineral an internationale Firmen verkaufen, sondern auch lokale und nationale politische Akteur*innen aufgrund von Korruption (Whitman 2012, S. 129), denn das illegal abgebaute Coltan wird überwiegend über Ruanda und China exportiert (Bleischwitz et al. 2012). Auch internationale Akteure unterstützen den illegalen Abbau des Minerals. So werden die Regierungen von Ruanda und Uganda dafür kritisiert, dass sie die Warlords in der DRC unterstützen und hierdurch einen schwachen Staat in der DRC fördern (Montague 2002, S. 104 und 107; s. auch Behrendt und Scharp 2007, S. 28). Internationale Unternehmen nehmen die problematischen Bedingungen und Folgen des Coltanabbaus in Kauf, wenn sie das Mineral von lokalen bewaffneten Gruppierungen beziehen (Whitman 2012, S. 128). Auch deutsche Firmen wurden dafür kritisiert, Coltan aus der Krisenregion des DRC bezogen zu haben (Behrendt und Scharp 2007, S. 28 ff.).
Der Coltanabbau in der DRC findet in der Präsenz von Friedensmissionen der Vereinten Nationen statt, die in der Region operieren: Nachdem der UN-Sicherheitsrat 1999 mit der Resolution 1279 die United Nations Organization Mission in the Democratic Republic of Congo (MONUC) einsetzte (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 1999), wurde diese 2010 durch die Resolution 1925 in die United Nations Organization Stabilization Mission in the Democratic Republic of the Congo (MONUSCO) umbenannt (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2010). Die Mission soll die Regierung der DRC dabei unterstützen, die östliche Region des Landes zu stabilisieren und die Zivilbevölkerung vor Gewaltverbrechen zu schützen. Aufgrund des weiterbestehenden Konflikts hat der Sicherheitsrat das Mandat wiederholt verlängert. Die Situation im östlichen Teil der DRC und die sozial-ökologischen Folgen des Coltanabbaus sind für Mensch und Natur weiterhin verheerend. Um dem Konflikt zu begegnen, verlangen Telekommunikationsunternehmen, die digitale Medientechnologien herstellen, z. B. von Rohstoffzulieferern Zusicherungen, keine Rohstoffe aus den Konfliktregionen der DRC zu verwenden (Behrendt und Scharp 2007, S. 39) und arbeiten dafür mit Zertifizierungen (Bleischwitz et al. 2012). Doch scheint eine verlässliche Kontrolle unmöglich, da die rohstoffverarbeitende Industrie teils aus komplexen Zuliefererketten besteht (Behrendt und Scharp 2007, S. 39). Im Dezember 2018 fanden Wahlen in der DRC statt, deren Ergebnis jedoch wenig Hoffnung für eine Verbesserung der Situation des Landes gibt, da dem amtierenden Präsidenten Félix Tshisekedi Wahlbetrug vorgeworfen wird (s. Signer 2019; BBC 2019).
Neben diesen negativen sozial-ökologischen Folgen des Abbaus von Rohstoffen, die für digitale Medientechnologien benötigt werden, ist es auch die Manufaktur der Medienapparate selbst, die unter menschenunwürdigen und umweltschädlichen Bedingungen stattfindet. Während ein Großteil der Unternehmen, die Medientechnologien verkaufen, in den USA und nur selten in Europa, Kanada und Singapur angesiedelt sind, haben die Unternehmen riesige Produktionsstätten in Mexiko, Osteuropa, Malaysia und insbesondere China errichtet, in denen die Medientechnologien hergestellt werden (Lüthje et al. 2013, S. 2). Auch wenn es durch Restriktionen der Unternehmen schwierig ist, die Arbeitsbedingungen in den entsprechenden Fabriken zu untersuchen, so ist es einigen Personen gelungen, einige sozial-ökologische Aspekte des Herstellungsprozesses offen zu legen. So zeigen Chan und Ho (2008) für Produktionsstätten in China, in denen Computer für die Unternehmen Lenovo, Dell und Fujitsu Siemens hergestellt werden, dass die Arbeiter*innen bis zu 380 (!) Stunden im Monat arbeiten, keinen Mindestlohn erhalten und Gesundheitsschäden erleiden, u. a., weil sie ungeschützt mit Chemikalien arbeiten (Chan und Ho 2008, S. 2). Die Nichtregierungsorganisation China Labour Watch beobachtet ähnliche Arbeitsbedingungen in Produktionsstätten, welche für Apple und Samsung produzieren (China Labour Watch 2019 und 2018). Auch in anderen Ländern stellen Menschen digitale Medientechnologien unter unwürdigen Bedingungen her, wie Sproll (2010) für Mexiko sowie Lüthje et al. (2013) neben China auch für Osteuropa und Malaysia zeigen. Dabei sind es oft Frauen oder Migrant*innen, die in den Produktionsstätten arbeiten (Sproll 2010; Lüthje et al. 2013, S. 170 ff.). Die Arbeitsbedingungen können nicht nur durch gesundheitliche Beeinträchtigungen zum Tod führen; 2010 nahmen sich aufgrund menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen bei der Firma Foxconn, welche iPhones herstellt, 17 Arbeiter das Leben (Ngai und Chan 2012; Guo et al. 2012; Maxwell und Miller 2013, S. 703; Chan 2019). Eine Studie, die Produktionsstätten von Foxconn in China und der Tschechischen Republik vergleicht, zeigt, dass die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen mitnichten nur ein Problem in Asien darstellen, sondern vielmehr ein Aspekt des globalen Kapitalismus sind (Pun et al. 2019). Am Beispiel von Mobiltelefonen arbeitet Hegemann (2017) heraus, dass entlang der gesamten Wertschöpfungskette Menschenrechtsverletzungen stattfinden.
Nicht nur in ökonomisch weniger entwickelten sowie Schwellenländern hat die Produktion digitaler Medientechnologien negative sozial-ökologische Folgen auf Mensch und Natur. Gabrys erläutert (2011, S. 1), dass aufgrund der Mikrochipherstellung auch der Boden des Silicon Valley durch Chemikalien kontaminiert sei.
Prekäre Arbeitsbedingungen sind nicht nur in der Medientechnologieproduktion vorzufinden, sondern auch im Wirtschaftssektor der „digitalen Arbeit“ (detaillierter hierzu s. Scholz 2017). Des Weiteren ist für die Herstellungsprozesse digitaler Medientechnologien Energie nötig, die derzeit primär aus fossilen Quellen gewonnen wird (Gabrys 2015, S. 3) und damit durch die Kohlenstoffdioxidemissionen negative ökologische Folgen hat. Eine Stoffstromanalyse von Mobilfunkgeräten in China zeigt, dass 50 % der im Lebenszyklus eines Mobilfunkgerätes eingesetzten Energie im Herstellungsprozess des jeweiligen Gerätes verbraucht werden und 20 % während der Nutzung (Yu et al. 2010, S. 4135). Van Heddeghem et al. (2014) zeigen in einer Analyse des Stromverbrauchs durch PCs, Kommunikationsnetzwerke und Datenzentren in den Jahren 2007 bis 2012, dass der Stromverbrauch durch die Nutzung digitaler Medientechnologien im Vergleich zum gesamten weltweiten Stromverbrauch signifikant steigt.
Der Stromverbrauch während der Mediennutzung ist einer der negativen sozial-ökologischen Folgen im Medienaneignungsprozess. Die Stromversorgung digitaler Medientechnologien und ihrer Infrastrukturen hat einen Anteil von 9 % des globalen Energieverbrauchs (Morley et al. 2018, S. 129). Gleich, welche Medientechnologie wir nutzen, der Gebrauch digitaler Medientechnologien benötigt immer elektrischen Strom:
„Electronics and all that they plug into are energy intensive. An increasing amount of energy (and resulting carbon emissions) is required to power everything from Google searches to spam and text messages, which in turn involve a vast range of resources including data centers, digital devices, and fiber optic cabling to connect and transmit information.“ (Gabrys 2015, S. 3)
Fossile Energien sind als weltweite primäre Energiequelle auch die primäre Stromquelle, um digitale Medientechnologien zu betreiben (ebd.). Doch auch wenn erneuerbare Energien für die Nutzung digitaler Medientechnologien verwendet werden und damit die Umwelt scheinbar geschont wird, so ist auch für die Produktion von Energie aus Wind, Sonne oder Wasser die Verwendung von Technologien relevant, welche wiederum Ressourcen verbrauchen und energieintensiv hergestellt werden müssen (s. z. B. für Solarenergie Peng et al. 2013). Studien zeigen allerdings, dass der Stromverbrauch durch Medientechnologien in den vergangenen Jahren durch Energieeffizienz der Endgeräte zurückgegangen ist, dass jedoch durch die steigende Internetnutzung der Stromverbrauch in Datenzentren steigt (Deutscher Bundestag 2017, S. 2). Auch wenn Informations- und Kommunikationstechnologien in manchen Sektoren durch Effizienzsteigerung Energieverbrauch verringert, so steigert Digitalisierung doch letztendlich den Stromverbrauch (Lange et al. 2020).
So nimmt der Stromverbrauch u. a. durch den Wandel in der Mediennutzung bzw. den Medienangeboten zu, da das Streaming14 von Videos und Musik eines der größten Treiber für die gestiegene Datenbereitstellung und damit auch den gestiegenen Strombedarf ist (Cook 2017, S. 19). Während der Covid-19-Pandemie haben Streaming-Dienste wie Netflix einen Rekordzuwachs erfahren (Tagesschau 2021).
Zwar reduziert das Streaming zum einen den Energie- und Ressourcenverbrauch, weil keine physischen Datenträger mehr produziert oder transportiert werden müssen, doch laden Streamingdienste zu erhöhtem Konsum ein, was eine schlechte Ökobilanz mit sich bringt (Sühlmann-Faul 2019, S. 32). Der Energieverbrauch und Emissionsausstoß der globalen Internetnutzung steigt extrem: „Während dieser 2002 noch bei 100 Gigabyte pro Sekunde lag, geht eine Prognose für das Jahr 2021 von 106.000 Gigabyte pro Sekunde aus.“ (ebd.) Brennan (2016) setzt sich mit den ökologischen Folgen des Datenspeicherns in Clouds auseinander, die entweder, ähnlich des Streamings, Server in Datenzentren (mit entsprechendem Energieverbrauch) benötigen, oder entsprechende Ressourcen für zusätzliche externe Datenträger.
In den für Internetnutzung eingesetzten Datenzentren wird Strom nicht nur für den Betrieb der Server selbst benötigt, sondern auch für weitere elektronische Geräte, die z. B. für die Kühlung der Server notwendig sind: „Intense computation processes can make serverrooms reach temperatures of 35–45 °C that could result in server failure.“ (Velkova 2016, S. 3) Starosielski zeigt mit Verweis auf McLuhans (1964) Konzept der heißen und kalten Medien, dass Temperatur schon in frühen Arbeiten genutzt wurde, um Medien und Kommunikation zu konzeptionalisieren; jüngste Ansätze, wie die hier herangezogenen Arbeiten, beschäftigen sich mit der Temperatur bzw. Wärme als Produkt von Medienumgebungen (Starosielski 2014b, S. 2504 f.) und den ökologischen Folgen bzw. notwendigen Maßnahmen wie der Kühlung von Servern oder großen Datenzentren. Für die Kühlung der Datenzentren wird oft Wasser genutzt; auch werden Datenzentren zunehmend in kälteren Regionen gebaut (Velkova 2016, S. 4). Zudem werden stromintensive Klimaanlagen genutzt, um das Überhitzen von Servern zu vermeiden (Gabrys 2015, S. 3).
„Storing, moving, processing and analyzing data all require energy, as does the cooling of the buildings so the heat-generating servers don’t overheat. Even with energy efficiency efforts, if coal and other fossil fuels are used to power data centers, their continued dramatic growth produce a significant increase CO2.“ (Cook und Jardim 2019, S. 8)
Dabei kann die Abwärme der Server in großen Datenzentren jedoch weiterverwendet werden, z. B. für den Heizbedarf in Städten, wie Velkova (2016) am Beispiel von Paris und Stockholm zeigt.
Greenpeace nimmt Unternehmen verschiedenster Medienangebote (von Suchmaschinen über Messengerdienste bis hin zu Social Media-Anbietern und Musik- und Videostreaming-Anbietern) und deren Energienutzungskonzepte in den Blick und erstellt Listen, in denen kurz das Energienutzungskonzept des jeweiligen Unternehmens dargestellt wird (sofern eines vorhanden ist) sowie der Anteil erneuerbarer Energien bei den Datenverarbeitungs- und -bereitstellungsprozessen durch die jeweiligen Anbieter (s. Cook 2017). Der Frage „How dirty is your data?“ (ebd.), können die Nutzer*innen von Internetmedien mit Hilfe von Kohlenstoffdioxidemissionsrechnern nachgehen, wobei die meisten Rechner die Nutzung digitaler Medientechnologien nicht explizit abfragen.15 Gabrys (2015, S. 7) betont, dass neben dem Kohlenstoffdioxidausstoß durch den Energieverbrauch bei der Nutzung digitaler Technologien auch die zerstörende Landnutzung beim Abbau der benötigten Kohle negative ökologische Folgen hat sowie Gesundheitsschäden bei den in den Abbau involvierten Personen auftreten.
Die Energie, die bei der Nutzung digitaler Technologien verwendet wird, wird in Form von Emissionen Müll und trägt zur Erderwärmung bei (Gabrys 2015, S. 7). Ein interdisziplinäres Forschungsfeld, welches sich mit elektronischem Müll beschäftigt, setzt vor allem die Technologien selbst in den Fokus. „Electronic waste or e-waste for short is a generic term embracing various forms of electric and electronic equipment that have ceased to be of any value to their owners.“ (Widmer et al. 2005, S. 438) Entsorgte digitale Medientechnologien sind Teil des elektronischen Mülls. Gabrys (2011, S. 3) unterstreicht, dass durch das Aufkommen elektronischen Mülls eine neue Kategorisierung im System der Müllklassifikation und Müllregulierung notwendig sei. Dabei werden die Medienapparate im Moment der Entsorgung zu Müll, was jedoch nicht bedeutet, dass die Geräte im Moment der Entsorgung zwingend defekt sind. Denn die Lebensdauer digitaler Medientechnologien entspricht nicht unbedingt ihrer Nutzungsdauer, was bedeutet, dass viele digitale Medientechnologien ausrangiert werden, also nicht mehr genutzt werden, bevor sie tatsächlich defekt oder gar irreparabel sind.
Die Nachfrage nach technologischen Innovationen, aber auch die verschiedenen Formen von Obsoleszenz (s. Abschn. 2.2.3) führen dazu, dass digitale Medientechnologien immer schneller ersetzt werden, sich die Nutzungsdauer und oftmals auch die Lebensdauer der Geräte verkürzt.
„The rapid acceleration of turnover of old and outdated devices, fueled by planned obsolescence in consumer electronics design and escalating demand, has caused an unprecedented surge in electronic and electric waste (e-waste): e-waste is now the fastest growing part of urban waste-streams.“ (Maxwell et al. 2015, S. xiii)
Kaitatzi-Whiltock (2015, S. 71) spricht von einer „fetish mentality of innovation“, die zur vermehrten Produktion elektronischen Mülls führe, und Gabrys (2011, S. 2) proklamiert: „The digital revolution, as it turns out, is littered with rubbish“.
Elektronischer Müll wird vor allem in (Post-)Industrienationen produziert (Robinson 2009, S. 183). Es wird jedoch davon ausgegangen, dass die sich bildende Mittelschicht in Schwellenländer wie Brasilien, Indien, China, Russland und Südafrika durch die vermehrte Nachfrage nach digitalen Medientechnologien zukünftig zunehmend zur Produktion elektronischen Mülls beitragen wird und sich das Volumen elektronischen Mülls noch vergrößern werde (s. ebd. und Kaitatzi-Whitlock 2015, S. 72). Einige einzelne Länder fokussierende Studien belegen die Annahme, dass die Nachfrage nach digitalen Medientechnologien in Schwellenländern steigt (s. z. B. Yu et al. 2010 für China), was aber aufgrund der verschiedenen Arten von Obsoleszenz und technologischen Innovationen auch für (Post-)Industrienationen gilt (s. Abschn. 2.2.3). „In 2016, 44.7 million metric tonnes of e-waste was generated. This is an equivalent of almost 4,500 Eiffel towers.“ (Baldé et al. 2017, S. 4). Doch wird der elektronische Müll mitnichten auf den Müllhalden in den Ländern entsorgt, in denen er produziert wird. Vielmehr wird er (und damit auch entsorgte digitale Medientechnologien) überwiegend von (Post-)Industrienationen in Asien, Nordamerika und Westeuropa zu Mülldeponien in ökonomisch weniger entwickelten Ländern verschifft, z. B. auf die weltweit größten Mülldeponien Agbogbloshie in Ghana oder Guiyu in China (Kaitatzi-Whiltock 2015, S. 72). Die Berge elektronischen Mülls sind Zeichen der Konsumgesellschaft: „Digital technologies linger in the dump, where they stack up as a concrete register of consumption“ (Gabrys 2006, S. 164).
Der grenzüberschreitende Transport elektronischen Mülls ist nach dem auch von Deutschland ratifizierten „Baseler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“ (Basler Konvention) und der europäischen Verordnung über die Verbringung von Abfällen illegal (Umweltbundesamt 2019). Doch lückenhafte oder fehlende Kontrollen ermöglichen die Verschiffung auch defekter und irreparabler digitaler Medientechnologien in ökonomisch weniger entwickelte Länder:
„[A]lthough illegal under the Basel Convention, rich countries export an unknown quantity of e-waste to poor countries, where recycling techniques include burning and dissolution in strong acids with few measures to protect human health and the environment. Such reprocessing initially results in extremely localised contamination followed by migration of the contaminants into receiving waters and food chains. E-waste workers suffer negative health effects through skin contact and inhalation, while the wider community are exposed to the contaminants through smoke, dust, drinking water and food. There is evidence that e-waste associated contaminants may be present in some agricultural or manufactured products for export.“ (Robinson 2009, S. 183)
Robinson benennt hier in aller Kürze die Facetten der sozial-ökologischen Auswirkungen des elektronischen Mülls. Die verschrotteten digitalen Medientechnologien werden auf den Mülldeponien in ökonomisch weniger entwickelten Ländern unsachgemäß entsorgt und dort meist von Menschen (oftmals Kindern) verbrannt, um das Plastik wegzubrennen und wertvolle, noch in den Medientechnologien enthaltene Ressourcen wie Kupfer freizulegen. Durch den Verbrennungsprozess werden nicht nur giftige Stoffe freigesetzt, die die Menschen einatmen, sondern die Stoffe gelangen in den Boden und ins Grundwasser, das die Anwohner*innen und (Nutz-)Tiere trinken; so schadet der illegal entsorgte Müll nicht nur aktuell der Natur, sondern vergiftet die Orte auch für zukünftige Generationen (Kaitatzi-Whitlock 2015, S. 72).
Die Herausforderungen für den Umgang mit elektronischem Müll für ökonomisch weniger entwickelte Länder arbeiten Osibanjo und Nnorom (2007, S. 198) am Beispiel Nigerias heraus: Es fehle u. a. an einem der Infrastruktur angemessenen Müllmanagement, an einer Rechtsprechung, die sich mit elektronischem Müll beschäftigt sowie an einem Ordnungsrahmen für die Rücknahme von Altgeräten. Neben den Schäden für Mensch, Tier und Natur ist ein weiteres Problem, dass (unter diesen umwelt- und menschenschädigenden Bedingungen) nur ca. 13 % des jährlich verschifften elektronischen Mülls wiederverwertet werden kann und die restlichen 87 % des Schrotts auf den Halden als giftiger Müll zurückbleiben – so die Schätzungen (Kaitatzi-Whitlock 2015, S. 72).
Auf die Frage nach den Auswirkungen elektronischen Mülls („What is the impact of e-waste?“, Bily 2009) kann also als Antwort auf die massiven negativen sozial-ökologischen Folgen für Mensch, Tier und Natur verwiesen werden. Gabrys (2011, S. 4) betont in ihrer „digital rubish theory“, dass bei der Betrachtung und Analyse elektronischen Mülls jedoch nicht nur die Stofflichkeit digitaler Technologien, die Stoffströme und ökonomischen Aspekte in den Blick genommen werden müssen, sondern auch technologische Imaginationen, Fortschrittsnarrative und materielle Zeitlichkeit. „A dump is not just about waste, it is also about understanding our cultural and material metabolism“ (Gabrys 2006, S. 160). Die Forderungen, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, Produktions- und Entsorgungsprozesse digitaler Medientechnologien nachhaltiger zu gestalten (s. z. B. Kaitatzi-Whitlock 2015, S. 73 und Bleischwitz et al. 2011, S. 19), scheinen aufgrund der Komplexität dieser Produktions- und Entsorgungsprozesse und der Möglichkeiten der Umgehung geltenden Rechts wenig erfolgversprechend.
Zusammenfassend lässt sich für das interdisziplinäre Forschungsfeld, welches sich mit den sozial-ökologischen Auswirkungen der Produktion, Nutzung und Entsorgung digitaler Medien beschäftigt, festhalten, dass in diesem die komplexen negativen sozial-ökologische Auswirkungen dieser Prozesse identifiziert werden, dass Mensch, Tier und Natur durch die Gewinnung der für digitale Mediengeräte notwendigen Ressourcen (wie Coltan) und durch die Herstellungsprozesse der Apparate Schaden nehmen oder sterben. Des Weiteren ist hervorzuheben, dass die Nutzung digitaler Medientechnologien durch den Verbrauch v. a. fossiler Energien beim Betreiben der Endgeräte oder für Onlinekommunikation notwendige Serverfarmen zur Erderwärmung beiträgt. Schließlich wurde herausgearbeitet, dass die (unsachgemäße) Entsorgung digitaler Medientechnologien Mensch, Tier und Natur schadet. Dabei finden die Produktions- und Entsorgungsprozesse v. a. in ökonomisch weniger entwickelten Ländern statt und scheinen in (Post-)Industrienationen unsichtbar zu sein.
Das Wissen um die sozial-ökologischen Folgen v. a. der Produktion und Entsorgung digitaler Medientechnologien bildet die Hintergrundfolie für die Medienpraktiken der Akteur*innen, welche in den Fallstudien untersucht wurden. Dabei zeigt sich, dass Konsum und Konsumkritik zentrale Aspekte in den Medienpraktiken der Akteur*innen sind. Im Folgenden wird daher das Forschungsfeld aufgearbeitet, welches sich mit Konsum, Konsumkritik und Medien auseinandersetzt.

2.2.3 Konsum, Konsumkritik und digitale Medien(-kommunikation)

Fragt man nach der Beziehung von Medien, Nachhaltigkeit und dem „guten Leben“, so wird schnell deutlich, dass Konsum eine der entscheidenden Praktiken ist, wenn Menschen versuchen, zu einer nachhaltigen Gesellschaft beizutragen, aber auch, wenn die Ursachen für eine nicht-nachhaltige Gesellschaft ergründet werden. Denn durch den Konsum von Medientechnologien und einer entsprechenden Nachfrage, werden zum einen die Produktion neuer Medientechnologien angeregt und die sozial-ökologischen Auswirkungen dieser damit indirekt unterstützt, zum anderen werden nach dem Konsum neuer Endgeräte existierende Apparate (wie gezeigt werden wird oftmals unsachgemäß) entsorgt.
Konsum wird hier im lateinischen Wortsinn von consumere als das Verbrauchen von Gütern verstanden (s. Einleitung). Rosa (2011) weist auf die Verwechselung von Kauf und Konsum hin: Während der Kauf im Sinne eines Erwerbens von Gütern ökonomische Ressourcen und Zeit brauche, ist für den Akt des Konsumierens v. a. Zeit aufzuwenden, da es in diesem Prozess um Aneignung gehe. Canclini weist auf den Moment der Aneignung hin, der im Prozess des Konsumierens relevant wird: „Consumption is the ensemble of sociocultural processes in which the appropriation and use of products takes place“ (Canclini 2003, S. 38). Er verbindet Konsum nicht mit dem individuellen Besitz isolierter Objekte, sondern versteht unter Konsum eine kollektive Aneignung (innerhalb solidarischer und abgrenzender Beziehungen zu anderen) von Gütern, die biologische und symbolische Bedürfnisse befriedigen, um Botschaften zu übermitteln und zu empfangen (Canclini 2003, S. 46).
Konsum wird in der Kommunikations- und Medienwissenschaft in Hinblick auf unterschiedliche Aspekte analysiert. So wird zum einen der Konsum von Medieninhalten untersucht, aber auch die Wirkung von Medieninhalten im Allgemeinen und Werbung im Besonderen auf das Konsumverhalten der Rezipierenden. Auch wie Medien für die Äußerung von Konsumkritik genutzt werden, ist Gegenstand v. a. der Medienforschung. In Hinblick auf den Konsum von Medieninhalten wird u. a. untersucht, wie viele Medieninhalte konsumiert werden, und es wird z. B. gefragt, wie viele Stunden Rezipierende Fernsehen oder vor dem Computer verbringen. So werden z. B. in der ARD/ZDF-Onlinestudie jährlich die Internetnutzung der deutschen Bevölkerung analysiert und die Wahl der Endgeräte für diese Nutzung sowie die Art bzw. das Ziel der Nutzung (Beisch und Schäfer 2020). Auch in qualitativen Studien wird die Internetnutzung untersucht, wobei z. B. die Motive der Nutzung herausgearbeitet werden (z. B. Meyen et al. 2009).
Ein kritischer Blick auf den Konsum bzw. die Produktion von Medieninhalten wird bereits von Horkheimer und Adorno in ihrer Kritik an der Kulturindustrie eingenommen. Sie (2003 [1944/1969], S. 128) kritisieren die Standardisierung durch die Massenproduktion der Kulturindustrie, bezeichnen die Kultur als Ware und die Menschen als Konsumierende, die keines eigenen Gedankens bedürfen. Auch Baudrillard (2015 [1970]) setzt sich in seinem Buch „Die Konsumgesellschaft“ kritisch mit den Massenmedien auseinander. Er arbeitet sich an McLuhans (1964) These „The medium is the message“ ab und beschreibt den Akt des Rezipierens als Konsum, durch den eine komplizierte Welt vereinfacht erfahrbar werde:
„[Der] technologische Prozess der Massenkommunikation liefert eine bestimmte Sorte höchst imperativer Botschaften: die Botschaft vom Konsum der Botschaft, vom Zerlegen, von der Inszenierung und der Verkennung der Welt und von der Verwertung der Information als Ware, der Glorifizierung ihres Inhalts als Zeichen. [...] Die Wahrheit der Massenmedien ist demnach in ihrer Funktion zu suchen, den erlebten, einzigartigen, ereignishaften Charakter der Welt zu neutralisieren, um an seine Stelle ein vielgestaltiges Universum von Medien zu setzen, die als solche gleichartig sind, einander wechselseitig signifizieren und aufeinander verweisen. Zu guter Letzt werden sie füreinander zum Inhalt – und dies genau ist die totalitäre ‚Botschaft‘ einer Konsumgesellschaft. [...] Ein jedes Medium zwingt dann einer verworrenen, konflikthaften, widersprüchlichen Welt seine abstraktere, kohärentere Logik auf, zwingt sich uns als Medium auf, das, um mit McLuhan zu sprechen, selbst die Botschaft ist. Und die gemäß diesem technischen und zugleich ‚legendären‘ Code zerstückelte, filtrierte, umgedeutete Substanz der Welt: Sie ist es, die wir ‚konsumieren‘ – die gesamte Materie der Welt, die ganze industriell zu Fertigprodukten, zum Zeichenmaterial verarbeitete Kultur, aus der jeglicher ereignishafte, kulturelle oder politische Wert entschwunden ist.“ [(2015 [1970]), S. 180 f., Hervorhebung im Original]
Canclini (2003) nimmt eine kritische Perspektive auf den Konsum von Medieninhalten vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierungsprozesse ein. Er (ebd., S. 24) verbindet das Konzept des Citizenship (s. Abschn. 3.​2.​5) mit dem der Konsumierenden und beobachtet den Wandel des Bürgers als Repräsentanten der öffentlichen Meinung hin zum Konsumierenden, der die Qualität des Lebens und hier v. a. das Angebot elektronischer Medien genieße. Seine Analyse bezieht sich dabei überwiegend auf Massenmedieninhalte und deren Veränderung durch Globalisierungsprozesse und hier insbesondere das Fernsehen in Lateinamerika. Canclini konstatiert:
„Men and women increasingly feel that many of the questions proper to citizenship – where do I belong, what rights accrue to me, how can I get information, who represents my interests? – are being answered in the private realm of commodity consumption and the mass media more than in the abstract rules of democracy or collective participation in public spaces“ (Canclini 2003, S. 15).
Seine Überlegungen zur Transformation des demokratietheoretischen Konzepts des Citizenship hin zur Relevanz des Konsumierenden werde ich in der Diskussion der Fallbeispiele in Abschn. 4.​5 erneut aufgreifen.
Sind dies Beispiele für eine kritische Perspektive auf den Konsum von Medieninhalten, so ist auch Konsumkritik in den Medieninhalten selbst Gegenstand der Forschung, die im Feld der politischen Kommunikation anhand konsumkritischer (Medien-)Kampagnen untersucht werden (s. z. B. Greenberg und Knight 2004; Micheletti und Stolle 2007; Gaßner 2014). Baringhorst et al. (2010) untersuchen unternehmenskritische Kampagnen vor dem Hintergrund des Medienwandels und der neuen Möglichkeiten für zivilgesellschaftliche Akteur*innen durch Internetmedien. Dabei definiert Baringhorst unternehmenskritische Kampagnen16 als Protestkampagnen, die die Bürger*innen als Konsument*innen ansprechen und inhaltlich unternehmerische Normverletzungen skandalisieren (Baringhorst 2010a, S. 11). Über diese wird versucht, „durch die Mobilisierung der politischen und gesellschaftlichen Macht von Verbrauchern“ (ebd., S. 12) Druck auf Unternehmen aufzubauen. In ihrer Analyse kommen Kneip und Niesyto (2010a, S. 367 ff.) zu dem Ergebnis, dass Internetmedien zwar neue Möglichkeiten für die Artikulation und Verbreitung unternehmenskritischer Kampagnen bieten, der Onlineprotest aber zum einen mit Offlineprotestaktionen kombiniert werde. Das Erreichen massenmedialen Aufmerksamkeit bleibt weiterhin für die Protestakteur*innen zentral:
„Das Netz erleichtert individuelle Protestpartizipation durch individualisierte Handlungsangebote wie elektronische Kettenbriefe und E-Petitions. Dabei werden allerdings kollektive Handlungsrepertoires wie Demonstrationen vor Geschäften oder kollektive Feldbefreiungen nicht ersetzt.“ (Baringhorst 2010b, S. 392)
Für die Vorbereitung und Durchführung solcher Protestkampagnen bleiben Nichtregierungsorganisationen zentral (ebd., S. 372), auch wenn Baringhorst (2010a, S. 11 f.) bei „Protestaktionen des gegenwärtigen politischen Konsumerismus“ zwei allgemeinere gesellschaftliche Trends, den der Individualisierung und den Rückzug ins Private, wahrnimmt, da Konsumierende oftmals individuell im Alltagshandeln durch z. B. Buykott- oder Boykott-Aktionen ihr Protesthandeln verfolgen: „Während Boykott den bewussten Nicht-Kauf bestimmter Produkte oder Marken bezeichnet, wird unter Buykott der bewusste Kauf (z. B. von fair gehandelten Produkten) verstanden.“ (Baringhorst 2010a, S. 12) Baringhorst bewertet die Politisierung privaten Konsums als wirkungsvoll:
„[K]ollektive und öffentlich ausgerichtete Formen der Politisierung privaten Konsums können wesentlich dazu beitragen, das (vorhandene) politische Engagement der Bürger zu revitalisieren und politische Partizipation enger an alltagsweltliche Lebenspraxen anzuschließen.“ (Baringhorst 2010b, S. 392)
Das Spannungsfeld zwischen dem Privaten und dem Politischen sowie individuellem und kollektivem Protesthandeln wird auch in der hier diskutierten Studie relevant. Weiterhin wird gezeigt, inwiefern sich das Konsumieren an sich vor dem Hintergrund des medialen Wandels verändert, da die Digitalisierung und Internetmedien für Konsumierende neue Möglichkeiten der Information oder Vernetzung mit anderen Konsumierenden, aber auch neue Möglichkeiten des Konsumierens selbst bieten. So spricht Rosa (2011, S. 127) von einer De-Materialisierung des Konsums, da Konsumgüter wie Bücher oder Musik zunehmend digital konsumiert werden.
Internetmedien bieten durch Onlineeinkäufe auch neue Wege des Kaufens und Konsumierens. Dabei stellen nicht nur etablierte Unternehmen Onlineshops (oftmals zusätzlich zu „Offlinefilialen“) bereit, sondern Onlineshops wie www.​dawanda.​de ermöglichen auch semi-professionellen Personen oder Laien, eigene produzierte Güter zu verkaufen. Dass über Internetmedien nicht nur der Neukauf von Gütern möglich ist, sondern auch gebrauchte Gegenstände online gehandelt werden, zeigt die Erfolgsgeschichte von eBay. Die Volkswirtschaftslehre sowie die Politikwissenschaft haben sich bereits mit dem Aspekt der Nachhaltigkeit einer neuen Wiederverkaufskultur über Internetmedien beschäftigt (Frick et al. 2019; Behrendt et al. 2019; Henseling et al. 2009; Aulinger und Paech 2005). Während der Covid-19-Pandemie und hier v. a. durch die wiederholte Schließung des Einzelhandels, außer des Lebensmitteleinzelhandels und weniger weiterer Ausnahmen, nahm die Nutzung von Onlinemedien zum Konsumieren stark zu.
Inwiefern Internetmedien eine Bedeutung für politischen Konsum haben, wurde u. a. in dem von Baringhorst geleiteten DFG-Projekt „Consumer Netizens – neue Formen von Bürgerschaft an der Schnittstelle von politischem Konsum und Social Web“ untersucht. Aus diesem Kontext wurde eine Typologie entwickelt, die die unterschiedlichen Formen und Ziele der Aneignung von Internetmedien durch ihre Nutzer*innen aufzeigt. Die „pragmatische Alltagsexpertin“, die „expressive Ästhetik“, der „technische Innovator“ und die „integrative Prosumentin“ (beschrieben u. a. in Witterhold 2017, S. 186 ff.) unterscheiden sich nicht nur in der Nutzung verschiedener Internetmedien, sondern auch in ihrer Motivation für diese Nutzung, u. a. was die politischen Implikationen angeht: Während die „pragmatische Alltagsexpertin“ das Internet nutze, um offline nicht erhältliche Ware zu erwerben oder nach Informationen für ihren politischen Konsum zu suchen, nutze die „expressive Ästhetikerin“ ihr soziales Onlinenetzwerk,
„um sich und ihren Konsumstil auszudrücken und um mit anderen, die einen ähnlichen Konsumstil haben, in Kontakt zu kommen, was zu einem wechselseitigen Austausch über Produktinformationen, neue Shops, aber auch von Anerkennung und Lob für bestimmte Konsumpraktiken führt“ (ebd., S. 187).
Während für die „expressive Ästhetikerin“ beim Konsum v. a. ästhetische Aspekte relevant seien, seien es bei dem „technischen Innovator“ eben technische oder innovative Aspekte eines Produkts, über die er sich via Internetmedien informiere (ebd.). Während diese drei Typen ihren Konsum im Privaten und außerhalb des Internets belassen, engagiere sich die „integrative Prosumentin“ „online wie offline, in der Öffentlichkeit wie im Privaten“ (ebd., S. 189). Witterhold (2017) untersucht das aus diesem Projekt generierte Datenmaterial aus einer Geschlechterperspektive und arbeitet die unterschiedlichen Ausprägungen von politischem Konsum bei Frauen heraus. Mit dem Begriff des „politischen Prosumings“ bezeichnet Witterhold (2017, S. 304) die „Suchbewegung zwischen Alltagserfahrung, Online-Selbst-Aktualisierung und Social-Web-Interaktionen“.
Mit konsumkritischen Medieninhalten und den Konsumierenden als Internetnutzenden stehen in diesem Forschungsbereich v. a. die Medieninhalte und ihre Nutzung im Fokus. Weniger im Blick ist der Konsum von Medientechnologien im Sinne eines Erwerbens und Verbrauchens der Medienapparate selbst. Doch ist dies ebenfalls ein Aspekt des Konsums von Medien, der in den untersuchten Fallbeispielen relevant wird.
Medientechnologien werden u. a. in der in diesem Buch diskutierten Studie als Konsumgüter relevant, die in der digitalen Gesellschaft zunehmend konsumiert werden. Wie Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für Deutschland zeigen, sind immer mehr Haushalte in Deutschland mit Informations- und Kommunikationstechnologien ausgestattet. Waren es z. B. 1998 nur 36,7 % der Haushalte, die mit Personal Computern ausgestattet waren, so waren es 2020 bereits 91.1 %, und während 1998 in nur 11,2 % der Haushalte ein Mobilfunkgerät vorkam, waren es 25 Jahre später bereits 97,5 % (Statistisches Bundesamt 2014 und 2020). Aus diesen Zahlen kann geschlossen werden, dass zunehmend Medientechnologien konsumiert werden, also Haushalte mit verschiedenen Medientechnologien ausgestattet werden. Können mit solchen Statistiken Aussagen über die Verbreitung von Medientechnologien in den Haushalten gemacht werden, so geben die Zahlen jedoch noch keine Auskunft über das Ersetzen bestehender Medientechnologien und damit Neuanschaffungen und Entsorgungen von Medientechnologien. Während der Covid-19-Pandemie gab auch politische Maßnahmen für die Verbreitung digitaler Medientechnologien, so wurden z. B. in Bremen alle Schüler*innen und Lehrkräfte mit einem iPad als Leihgabe ausgestattet (Senatorin für Kinder und Bildung der Freien Hansestadt Bremen 2020).
Die Gründe für den Konsum von Medientechnologien können auch mit verschiedenen Dimensionen von Obsoleszenz erklärt werden: Während die werkstoffliche und die funktionale Obsoleszenz sich auf die tatsächliche Funktionsfähigkeit bzw. den Defekt beziehen, rekurriert die psychologische Obsoleszenz auf die Bedürfnisse der Nutzenden, welche dem Konsum zugrunde liegen und verweist die ökonomische Obsoleszenz auf die Repariermöglichkeiten eines Objektes (Prakash et al. 2016, S. 21).17
Die Diskussion um Obsoleszenz in Wissenschaft und Medienöffentlichkeit ist nicht neu, sondern fand bereits in den 1920er, 1960er und 1980er Jahren statt, hat jedoch in den vergangenen Jahren v. a. mit dem Begriff der „geplanten Obsoleszenz“ einen Höhepunkt erhalten (ebd., s. zur geplanten Obsoleszenz auch Poppe und Longmuß 2019). Von „geplanter Obsoleszenz“ wird im Zusammenhang mit werkstofflicher und funktionaler Obsoleszenz gesprochen, wenn eine „absichtliche Lebensdauerverkürzung der Produkte durch den bewussten Einbau von Schwachstellen durch die Hersteller“ (Prakash et al. 2016, S. 21) unterstellt wird. Prakash et al. (2016) untersuchen die verschiedenen Dimensionen von Obsoleszenz u. a. am Beispiel von Fernsehgeräten, Smartphones/Mobilfunkgeräten und Notebooks. Sie zeigen für den Austausch von Fernsehgeräten, dass die Gründe für den Neukauf neben dem Bedürfnis nach einem größeren Bildschirm auch eine bessere Bildqualität sowie die fallenden Preise seien (ebd., S. 157) – jedoch nicht zwingend der Defekt der Geräte. Bei der Untersuchung zur Obsoleszenz bei Notebooks zeigt sich, dass hier die psychologische Obsoleszenz eine geringere Rolle spielt als zu Beginn der 2000er Jahre, was die Autoren auch damit begründen, dass das Notebook als Modeaccessoire an Bedeutung verloren habe und hier Smartphones und Tablets relevanter geworden seien (ebd., S. 183).
Nach einer Befragung durch Stiftung Warentest tauschen 42 % der Nutzer*innen in Deutschland ihr Mobiltelefon alle zwei Jahren aus (was sicherlich auch an den entsprechenden Laufzeiten von Mobilfunkverträgen begründet lag), etwa 16 % alle drei Jahre, weitere 12 % alle vier Jahre, etwa 20 % der Befragten ersetzen ihr Mobiltelefon seltener als alle fünf Jahre (s. in Prakash 2016, S. 130). Die Smartphones sind bei dem Austausch oftmals noch funktionsfähig, auch hier dominiert die psychologische Obsoleszenz (ebd., S. 173). Die psychologische Obsoleszenz wird u. a. durch technische Innovationen und Medienwandel hervorgerufen, denn durch diese ist die Nutzungsdauer von Medientechnologien beschränkt und werden Mediengeräte regelmäßig ausgetauscht. So ersetzt z. B. das Smartphone alte Mobilfunkgeräte, oder weckt die Entwicklung des Tablets neue Bedürfnisse, die durch den Kauf entsprechender Geräte gestillt werden. Der Medienwandel18 führt hier im Sinne eines technologischen Wandels der Geräte zu Anregung des Konsums.
Es ist u. a. auch der Konsum im Sinne eines Verbrauchs und Neukaufs von Medientechnologien, der in den empirisch untersuchten Fallbeispielen von den Akteur*innen hinterfragt wird. Damit kritisieren die Akteur*innen auch die derzeitige Form der Konsumgesellschaft bzw. die Konsumgesellschaft an sich (s. Abschn. 4.​5). Denn in der Konsumgesellschaft steht nicht mehr der Besitz der konsumierten Gegenstände im Vordergrund, sondern der Akt des Konsumierens selbst (Oetzel 2012). Konsum kann als Akt der Partizipation an der Konsumgesellschaft gedeutet werden: „To consume is to participate in an arena of competing claims for what society produces and the ways of using it“ (Canclini 2003, S. 39).
Dabei kann Konsum insofern politisch sein, als durch den Akt des Konsumierens bewusst versucht wird, Gesellschaft zu gestalten und zu verändern (zum Begriff des Politischen s. Abschn. 3.​2.​5) „Bei politischem Konsum geht es […] inhaltlich […] darum, Antworten auf Fragen nach dem Guten und dem, was man selbst vertreten kann, zu finden“ (Witterhold 2017, S. 304) und diese Antworten dann auch umzusetzen. Konsum kann dann auch eine „Politik mit dem Einkaufswagen (Baringhorst 2010b) werden, wenn bewusst nach bestimmten Werten Güter gekauft oder nicht gekauft werden bzw. bestimmte Güter gekauft werden (s. hierzu oben die Definition der Begriffe Buykott und Boykott). Konsum ist also auch an die Identität der Konsumierenden und ihre Wertvorstellungen geknüpft. Insofern wird der Konsum durch den Lebensstil geprägt: „[Lebensstile] rahmen Konsumentscheidungen, und zwar zum einen als individuelle Speicher von Routinen, Wertvorstellungen und Selbstbildern, zum anderen als symbolische Muster des Vergleichs und der sozialen Ähnlichkeit mit anderen“ (Lüdtke 2004, S. 103). Der Lebensstil ist ein „Feld symbolischer Kommunikation“ (ebd., S. 118), mit dem nicht nur Individualität, sondern auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe ausgedrückt wird. Wenn der Lebensstil den Konsum rahmt (ebd., S. 103), dann wird das, was und wie wir konsumieren also zum Ausdruck unserer Identität und Zugehörigkeit. Diese These wird in der späteren Diskussion der Studie erneut aufgegriffen, da Konsum hier ein Ausdruck von Individualität und Zugehörigkeit wird.
Die politische Bedeutung des Lebensstils in Hinblick auf Konsum erfasst Bennett (2003) mit dem Begriff der „lifestyle politics“. Sowohl Konsum als auch Lebensstil sind politische Praxis (Baringhorst 2015). Internetmedien bieten nicht nur neue Möglichkeiten des Konsums (s. o.), sondern auch für die Herausbildung von Lebensstilgemeinschaften (Baringhorst 2015, S. 24 ff.; zur Vergemeinschaftung s. Abschn. 3.​2.​4), wie in der Diskussion der Fallstudien gezeigt wird.
Die ökologischen Auswirkungen der Konsumgesellschaft wurden bereits in den 1970er Jahren in Politik und Wissenschaft zunehmend diskutiert und das auf Wachstum basierende kapitalistische System der Konsumgesellschaft hinterfragt (z. B. Meadows 1972; Baudrillard 2015 [1970]). Als Alternativen zur auf Wachstum basierenden Konsumgesellschaft wurden u. a. die Gemeinwohl-Ökonomie (Felber 2010)19 und die Postwachstumsökonomie entworfen (u. a. Paech 2012a, s. Abschn. 2.1.1).
Paech konstatiert, dass das Wachstum kapitalistischer Gesellschaften nur durch ökologische Plünderung möglich werde und die Menschen der Konsumgesellschaften über ihre Verhältnisse leben: „Sie entgrenzen ihren Bedarf erstens von den gegenwärtigen Möglichkeiten, zweitens von den eigenen körperlichen Fähigkeiten und drittens von den lokal oder regional vorhandenen Ressourcen.“ (vgl. Paech 2012a, S. 10).
Er kritisiert die entgrenzte Produktions- und Konsumkette von Gütern:
„Durch Konsum greifen Individuen auf Güter zurück, deren Herstellung und Verbrauch zwei getrennte Sphären sind. Konsumenten verbrauchen prinzipiell Dinge, die sie selbst niemals herstellen könnten oder wollten – andernfalls wären sie Produzenten oder Selbstversorger. Mehr noch: Mit zunehmendem Konsumwohlstand nehmen der räumliche Radius und die Komplexität des Produktionssystems, dem die in Anspruch genommenen Leistungen entstammen, kontinuierlich zu. Das Wesensprinzip des Konsumierens besteht darin, sich die von anderen Menschen an anderen Orten geleistete Arbeit und insbesondere den materiellen Ertrag andernorts verbrauchter Ressourcen und Flächen zunutze zu machen.“ (Paech 2012a, S. 37)
Die Produktion von Konsumgütern ist also entgrenzt und die Güter werden nicht mehr dort hergestellt, wo sie produziert werden, mehr noch: „Sweat Shops in Asien, Lateinamerika und absehbar in Afrika sind zu einem Symbol für die globusweite Verlagerung des ‚schmutzigen‘ Teils der Herstellungsketten geworden.“ (Paech 2012a, S. 39 f.) Auch Medientechnologien werden auf diese entgrenzte Weise produziert und konsumiert, wie bereits in Abschn. 2.2.2 gezeigt wurde. Wachstumskritische Ansätze kritisieren die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen sowie die Umweltzerstörung und weisen auf die Endlichkeit der Ressourcen hin, was auch das Wachstum endlich mache (z. B. Paech 2012a). Die Endlichkeit der Ressourcen verdeutlichen die Wachstumskritiker*innen oftmals am „Peak Oil“, dem Fördermaximum des Rohöls (ebd., S. 67 ff.). Paech erweitert „Peak Oil“ zum „Peak Everything“, denn die Herstellung der derzeit stark nachgefragten Konsumgüter wie Mobiltelefone, Computer und Flachbildschirme benötigten nicht nur Rohöl, sondern auch Lithium, Coltan und Seltene Erden (ebd., S. 69), Ressourcen, die ebenso endlich sind und die unter oftmals verheerenden sozial-ökologischen Bedingungen abgebaut werden.
Postwachstumsökonom*innen entwerfen daher ein Wirtschaftsmodell, das eine Alternative ohne Wachstum darstellt:
„Das einzig noch verantwortbare Gestaltungsprinzip für Gesellschaften und Lebensstile im 21. Jahrhundert heißt Reduktion – und zwar verstanden als Befreiung von jenem Überfluss, der nicht nur unser Leben verstopft, sondern unsere Daseinsform so verletzlich macht. [...] Das Alternativprogramm einer Postwachstumsökonomie würde zwar auf eine drastische Reduktion der industriellen Produktion hinauslaufen, aber erstens die ökonomische Stabilität der Versorgung (Resilienz) stärken und zweitens keine Verzichtsleistung darstellen, sondern sogar die Aussicht auf mehr Glück eröffnen.“ (Paech 2012a, S. 11)
Ein System der Postwachstumsökonomie erfordere nicht nur eine Reform des gegenwärtigen Wirtschaftssystems, sondern vielmehr die Etablierung eines neuen Modells, in dem die derzeitigen Produktions- und Konsumketten wieder „begrenzt“ werden, „also eine geringere Distanz zwischen Verbrauch und Herstellung“ (ebd., S. 58 f.) bestehe. In der Postwachstumsökonomie verändert sich gleichzeitig die Rolle der Individuen, die nicht mehr nur „passive“ Konsument*innen sind, sondern sich der Güter ermächtigen, d. h. die Güter „verstehen“ und nicht nur (ver)brauchen, sondern auch zu deren (nachhaltigen) Existenz beitragen:
„Handwerkliche und manuelle Tätigkeiten müssen nicht notwendigerweise innerhalb industrieller Prozesse zum Einsatz gelangen oder diese (teilweise) ersetzen. Sie könnten stattdessen im Anschluss an die eigentliche Produktion dazu beitragen, dass die Güter länger genutzt und ausgeschöpft werden. Mittels eigener Instandhaltungs-, Pflege-, und Reparaturmaßnahmen ließe sich die Nutzungsdauer der Produkte verlängern. So könnte eine verringerte Produktionsmenge durch ergänzte handwerkliche Leistungen „gestreckt“ werden, und zwar eigenhändig von den Nutzern. [...] Zusätzlich könnte eine verstärkte Gemeinschaftsnutzung dafür sorgen, dass eine verringerte Anzahl von Gebrauchsgegenständen den Bedarf möglichst vieler Menschen befriedigt.“ (ebd., S. 60 f.)
Der Erhalt von Gütern durch handwerkliche Leistungen der Menschen ist eine Herausforderung, erlernen doch immer weniger Menschen solche Fähigkeiten (ebd. 55). Das Reparieren, welches Gegenstand eines der Fallbeispiele der hier diskutierten Studie ist, wird in diesem Ansatz als eine Praktik auf Mikroebene eines Postwachstumssystems diskutiert (s. Abschn. 4.​5).
Der Trend der Do-it-yourself-Bewegung zeigt, dass handwerkliche Tätigkeiten und das Selbermachen zunehmend populär werden (s. beschreibend Baier et al. 2013). Medien spielen hier nicht nur als Objekte des Selbermachens eine Rolle (indem sie z. B. repariert werden), sondern v. a. zur Mobilisierung und Vernetzung dieser Bewegung (Ratto und Boler 2014b; s. Abschn. 4.​6). Trotz des Aufkommens der Do-it-yourself-Bewegung stehen solche handwerklichen Praktiken in der heutigen Konsumgesellschaft nicht im Vordergrund, sondern die Bedürfnisbefriedigung des Menschen durch den Konsum: „In a consumer society, well-being is in large part defined by consumer ideals that focus on the consuption of desired products and services (Briggle et al. 2012, S. 5). Konsum wird hier auch in Hinblick auf das Wohlbefinden des Menschen diskutiert: „Of course, it is certainly not novel to correlate happiness with consumerism; the insinuation that things would generally be better if we owned and used some specific item has long been a core tactic of advertising.“ (Vorderer 2016, S. 2) Doch führt der Konsum materieller Güter nur zu einer kurzen Bedürfnisbefriedigung, an die eine erneute Unzufriedenheit und weitere Konsumwünsche anschließen (Patterson und Biswas-Diner 2012). Nur solche Konsumgüter, welche bei Konsumierenden zu aktiven Anschlusshandlungen führen, könnten längerfristig positive Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Konsumierenden haben (ebd.).
Mit Bezug zu Bourdieu weist Jansson darauf hin, dass die Mitglieder der „neuen bourgeoisie“ (Jansson 2014, S. 285), ein „vested interest in expressive consumption“ (ebd.) haben. Dabei hänge der Konsum im Sinne eines Erwerbens neuer Medientechnologien und die Einschätzung, welche Technologien Menschen als notwendig oder unverzichtbar einstufen, von den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen ab (ebd., S. 285).
Zusammenfassend lässt sich für das Forschungsfeld, welches sich mit Konsum, Konsumkritik und Medien(-kommunikation) beschäftigt, zeigen, dass dieses v. a. den Fokus auf Medieninhalte setzt und untersucht, wie (viele) Medieninhalte konsumiert werden oder wie Medieninhalte zur Artikulation von Konsumkritik genutzt werden. Dass aber auch der Konsum von Medientechnologien selbst wissenschaftlich untersucht werden muss, zeigen der theoretische Ansatz der Postwachstumsökonomie und auch die hier diskutierte Studie. Will man verstehen, wie Akteur*innen den Zusammenhang von Nachhaltigkeit, Konsum(-kritik), und Medien(-technologien) gestalten, müssen neben der Medieninhaltsebene auch Medien als Technologien berücksichtigt werden.

2.3 Digitale Medien, Nachhaltigkeit und das „gute Leben“ in der Kommunikations- und Medienwissenschaft: Medienpraktiken als Forschungsdesiderat

Der bis hierher aufgearbeitete Forschungsstand zu Nachhaltigkeitskommunikation und dem kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschungsfeld, das sich mit dem „guten Leben“ auseinandersetzt, zeigt, dass Nachhaltigkeit in der Kommunikations- und Medienwissenschaft ein facettenreiches, wenn auch kleines Forschungsfeld darstellt. Der Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation lässt sich in drei Gebiete unterteilen: 1) das Feld der Kommunikator*innenforschung, also der Journalismus- und Public-Relations-Forschung, sowie der Wissenschaftskommunikation, welches die Produktion der Medieninhalte untersucht, die (Aspekte von) Nachhaltigkeit thematisieren, 2) der Bereich, der diese Medieninhalte in den Blick nimmt, sowie 3) das Feld der Medienwirkungsforschung und Rezeption, das untersucht, wie diese Medieninhalte rezipiert werden und welche Wirkung sie haben. Die Aufarbeitung des Forschungsfeldes zeigt, dass Nachhaltigkeit hier v. a. auf Umwelt- bzw. Klimafragen reduziert wird.
Die Aufarbeitung des kommunikations- und medienwissenschaftlichen Forschungsfeldes, welches sich explizit mit dem „guten Leben“ beschäftigt, zeigt, dass hier das individuelle Wohlbefinden und die Relevanz der Mediennutzung für dieses im Fokus stehen. Weiterhin wurde die Forschung aufgearbeitet, welche implizit für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem „guten Leben“ und Medien(-kommunikation) relevant ist, nämlich die, welche sich mit den Problemen beschäftigt, die im Zusammenhang von Medien(-technologien) und dem „guten Leben“ zu finden sind. Im Mittelpunkt stehen hier die sozial-ökologischen Auswirkungen der Produktion, Aneignung und Entsorgung von Medientechnologien. Kritisch untersucht werden die Arbeitsbedingungen in der Herstellung von Medienapparaten und der Extraktion der dafür benötigten Ressourcen sowie die Umweltschäden, welche im Ressourcenabbau, in der Produktion der Technologien und ferner durch die unsachgemäße Entsorgung des elektronischen Mülls verursacht werden. Dass der Konsum von Medientechnologien im Sinne eines Verbrauchens und Neukaufens die sozial-ökologischen Problematiken in der Produktion und Entsorgung der Apparate forciert, konnte durch die Aufarbeitung des entsprechenden Forschungsfeldes gezeigt werden – wenn auch deutlich wurde, dass Konsum in der Kommunikations- und Medienwissenschaft v. a. als Konsum von Medieninhalten gedacht und untersucht wird und weniger als Konsum der Mediengeräte selbst.
Die Aufarbeitung des Forschungsstandes zeigt, dass digitale Medien zunehmend relevant sind, zum einen für das Feld der Nachhaltigkeitskommunikation, zum anderen für die Produktions- und Entsorgungsprozesse von Medientechnologien sowie die Fragen nach Konsum(-kritik) und Medien. Was aber verschiedene Akteur*innen mit Medien(-technologien) machen, um zu einer nachhaltigen Gesellschaft beizutragen, ist noch zu wenig im Blick der Kommunikations- und Medienforschung, ist jedoch vor dem Hintergrund der „multiplen Krise“ (Bader et al. 2011, s. Einleitung) eine drängende Frage, mit der sich das vorliegende Buch beschäftigt. Denn wie gezeigt wurde, hat der Konsum von Medientechnologien bzw. die Produktion, Nutzung und Entsorgung dieser weitreichende negative sozial-ökologische Folgen, die Menschen und andere Lebewesen an einem „guten Leben“ hindern und die Umwelt zerstören. Es ist daher von großem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Interesse zu untersuchen, was verschiedene Akteur*innen mit Medien(-technologien) machen, um diese sozial-ökologischen Auswirkungen zu vermeiden und durch ihre Medienpraktiken Alternativen zu entwickeln.
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Fußnoten
1
Hauff und Claus (2012, S. 60) visualisieren diese Verwobenheit in einem integrierten Nachhaltigkeitsdreieck.
 
2
Der Begriff Klima meint die „statistisch ermittelten und beschriebenen Mittelwerte (und typischen Abweichungen davon) von Wettergrößen wie Temperatur, Niederschlag oder Wind“ (Claussen 2003, S. 25 nach Neverla und Schäfer 2012, S. 9). Der Begriff des Klimawandels bezieht sich auf die Erkenntnis, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten die mittlere globale Temperatur deutlich erhöht hat (Neverla und Schäfer 2012, S. 10).
 
3
Mediatisierung bezeichnet die zunehmende „Komplexität der Medienumgebung der Individuen […] und [verweist] auf eine Bedeutungszunahme medienvermittelten Erlebens und Erfahrens auch für Meso- und Mikroprozesse und -strukturen.“ (Krotz 2008, S. 154)
 
4
Eine Skizze des Forschungsstands zu Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen ist zu finden bei Prexl 2009, S. 150 ff.
 
5
Zur Kritik am Konzept des Grünen Wachstums s. u. a. Paech (2012b), der kritisiert, dass in einer Welt mit endlichen Ressourcen Wachstum eben nicht unendlich sein könne, und dass auf die sozial-ökolgischen Folgen des grünes Wachstums hinweist.
 
6
Da mit dem Forschungsgegenstand Utopia.de eine Onlineplattform im Mitttelpunkt einer der Fallstudien steht, die das Thema Nachhaltigkeit verfolgt, wird der Forschungsstand zu Nachhaltigkeit und Internetmedien detaillierter in Abschn. 2.2.3 aufgearbeitet.
 
7
Für Medieninhaltsanalysen zur Klimaberichterstattung in US-amerikanischen Medien s. z. B. Antilla 2005; Boykoff 2008; Boykoff und Boykoff 2004; Boykoff und Boykoff 2007; Bohr 2020. Für komparative Analysen zu einem Vergleich US-amerikanischer und britischer Medienberichterstattung über Klimawandel s. Boykoff 2007 oder zum Vergleich US-amerikanischer und schwedischer themenrelevanter Medieninhalte s. Shehata und Hopmann 2012, für einen Vergleich US-amerikanischer, britischer und australischer Printmedieninhalte s. O'Neill 2013, sowie für einen Vergleich 41 verschiedener Länder Barkemeyer et al. 2017, für eine Analyse der
 
8
Als Greenwashing bezeichnet man eine Praktik mit der Konsumierende durch falsche oder unklare Informationen getäuscht werden (Naderer et al. 2017, S. 106).
 
9
Zu Quantified-Self aus Kommunikations- und Medienwissenshcaftlicher Perspektive s. z. B. Fotopoulou 2018.
 
10
Vorderer und Kohring (2013) beobachten u. a. aufgrund dieser Angst eine andauernde Nutzung von Onlinemedien, ein „permanently online, permanently connected“ und Turkle (2008) zuvor ein „always on/always connected“.
 
11
Zum Begriff der Entfremdung im Kapitalismus siehe Marx (1970[1867]).
 
12
Unter der digitalen Kluft werden Ungleichheiten im Zugang zu digitalen bzw. Internetmedien zusammengefasst, die zum einen im fehlenden Zugang zu digitalen Technologien begründet liegen können, aber auch in geringer oder nicht vorhandener Medien- oder Sprachkompetenz, fehlenden finanziellen Ressourcen oder Motivation (s. z. B. van Dijk 2006 und Zillien 2009).
 
13
Siehe in aller Kürze auch Kannengießer und McCurdy 2020.
 
14
Streaming wird definiert als „die Nutzung von audiovisuellen Medien in Form eines Datenstroms statt auf einem physischen Datenträger.“ (Sühlmann-Faul 2019, S. 32)
 
15
Siehe z. B. der Kohlenstoffdioxidrechner des Umweltbundesamtes https://​uba.​co2-rechner.​de/​.
 
16
„Allgemein betrachtet, können Kampagnen verstanden werden als ein Komplex aufeinander abgestimmter kommunikativer und sozialer Praxen zur Erreichung eines oder mehrerer zuvor definierter Ziele bezogen auf eine zuvor definierte Zielgruppe in einem zuvor definierten Zeitraum und mit zuvor definierten Ressourcen. […] Politische Kampagnen sind strategische Formen der Kommunikation, deren Hauptziel darin besteht, die öffentliche Meinungsbildung zu beeinflussen. Sie sollen nicht nur informieren, sondern auch die Akzeptanz bestimmter Prinzipien oder Akteure fördern“ (Baringhorst 2010a, S. 21).
 
17
Baudrillard (2015 [1970], S. 59) wies bereits 1970 auf Obsoleszenz und deren schädliche Folgen auf die Umwelt hin.
 
18
Mehr zu Theorien des Medienwandels s. u. a. im Sammelband Kinnebrock et al. 2015.
 
19
Als Alternative zum kapitalistischen System entwirft Felber (2010) die „Gemeinwohl-Ökonomie“, in der das Ziel aller Unternehmen „das Streben nach dem allgemeinen Wohl“ (ebd., S. 24) sei: „Ein Unternehmen ist nicht länger erfolgreich, wenn es einen hohen Finanzgewinn erzielt, sondern wenn es einen größtmöglichen Beitrag zum Gemeinwohl leistet.“ (ebd.) Diesen Beitrag will Felber in einer „Gemeinwohlbilanz“ messen, die er durch eine Matrix ermitteln will, welche neben ökologischer Nachhaltigkeit (messbar u. a. an dem Einsatz von Vorprodukten aus der Region oder am Mobilitätsmanagement) und sozialer Gerechtigkeit (messbar u. a. an der maximalen Einkommensschere und Fair-Trade-Prozessen) auch demokratische Mitbestimmung (messbar durch Partizipationsmöglichkeiten der Mitarbeiter*innen und Kund*innen) und Menschenwürde (messbar durch Selbstorganisation der Arbeitszeit und Weiterbildungen) umfasst (s. ebd., S. 28 ff.).
 
Metadaten
Titel
Nachhaltigkeit, digitale Medien(-kommunikation) und das „gute Leben“
verfasst von
Sigrid Kannengießer
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36167-9_2