Derzeit baut die Europäische Zentralbank (EZB) die Vermögenswerte aus dem Anleihekaufprogramm PSPP mit 15 Milliarden Euro pro Monat ab. Bei diesem Tempo würde der Abbau bis 2042 dauern. Das zeigt ein Anfang April veröffentlichtes Update einer Dauerstudie des ZEW Mannheim.
Seit März 2015 kauft die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen des Public Sector Purchase Programme (PSPP) Anleihen von im Euroraum ansässigen Zentralstaaten, Emittenten mit Förderauftrag und europäischen Institutionen auf. Im Zuge der Corona-Pandemie kam mit dem Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) ein zeitlich befristetes Ankaufprogramm für Anleihen öffentlicher und privater Schuldner hinzu. "Der Umfang betrug ursprünglich 750 Milliarden Euro. Am 4. Juni 2020 erhöhte der EZB-Rat das Volumen um 600 Milliarden Euro, am 10. Dezember 2020 erneut um 500 Milliarden Euro auf insgesamt 1.850 Milliarden Euro", so die Deutsche Bundesbank.
Gesamtvolumen in Höhe von 4,41 Billionen Euro
Bis Juni 2022 reichten die Nettokäufe in beiden Programmen ein Gesamtvolumen von 4,41 Billionen Euro, berichtet das ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim. Seitdem habe die europäische Notenbank die Bestände im PSPP mit einem durchschnittlichen Tempo von 15 Milliarden Euro pro Monat abgebaut. "Bei dieser Geschwindigkeit dauert ein vollständiger Abbau bis zum Jahr 2042 und selbst bei einer Verdoppelung der Geschwindigkeit noch bis 2032." Insgesamt halte das Eurosystem einen Anteil der gesamten Staatsschuld der Eurostaaten von über 30 Prozent.
Die Daten hat das ZEW im Rahmen einer fortlaufenden Studie zu Größenordnungen und Kapitalschlüssel-Abweichungen der EZB-Wertpapierkaufprogramme zusammengetragen. Unterstützt werden die Ökonomen von der Brigitte Strube Stiftung. Der zufolge ist es die Zielsetzung des Forschungsprojekts,
- die Folgen der krisenpolitischen Weichenstellungen unter dem Leitmotiv der Fiskaltransparenz mit Blick sowohl auf die neuen deutschen und die neuen europäischen Verschuldungstöpfe zu analysieren,
- für Deutschland den Verdacht der Umgehung der Schuldenbremse empirisch zu überprüfen, und
- Methoden zum verbesserten Monitoring der nationalen und europäischen Verschuldungssituation aufzuzeigen und auf diesem Weg zu einer erhöhten Fiskaltransparenz beizutragen.
"Die Netto-Ankäufe waren bei hoher Deflationsgefahr weit aggressiver als die Netto-Verkäufe bei hoher Inflation. Hier entsteht der Eindruck einer asymmetrischen Geldpolitik, die eine zu hohe Inflation weniger entschlossen bekämpft als eine zu niedrige", bewertet Co-Studienautor Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft, die Ergebnisse.
Reinvestitionen in PEPP noch bis Ende 2024
Obwohl der Pandemieschock überwunden ist, weiche die EZB weiterhin von ihrem Kapitalschlüssel ab und habe zuletzt sogar noch die Übergewichtung Italiens und Spaniens im Rahmen von PEPP verstärkt. Als bedenklich bezeichnete dies Studienautor und ZEW-Ökonom Carlo Birkholz. "Die zum Ende der Nettoankäufe bestehende Übergewichtung Italiens von 1,5 Prozentpunkten gemessen am EZB-Kapitalschlüssel hat sich über die Periode der vollständigen Reinvestitionen noch verstärkt. Italien und Spanien werden nunmehr bereits in einer Größenordnung von zwei Prozent ihres jährlichen Bruttoinlandsproduktes gestützt."
"Eine starke Asymmetrie bei Anleihekäufen und -verkäufen, die Übergewichtung hoch verschuldeter Staaten, die noch stärkere PEPP-Nutzung zur Stützung Italiens trotz überwundener Corona-Pandemie werfen Fragen auf. All das sind Indizien, dass die EZB eine Agenda verfolgt, bei der auch fiskalische Interessen keine unwesentliche Rolle spielen", mutmaßt Heinemann.
Da die Käufe im Rahmen des PEPP flexibel durchgeführt wurden, waren "Schwankungen bei der Verteilung der Ankäufe im Zeitverlauf hinsichtlich der Anlageklassen und der Länder möglich", heißt es bei der Bundesbank. "Reinvestitionen der fälligen Tilgungsbeträge aus PEPP-Beständen sollen mindestens bis Ende 2024 erfolgen und können flexibel wieder angelegt werden, um pandemiebedingten Risiken für den Transmissionsmechanismus entgegenzuwirken."