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22.02.2023 | Personalmanagement | Interview | Online-Artikel

"Gerade sehr gute Teams benötigen Teamführung"

verfasst von: Andrea Amerland

4 Min. Lesedauer

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Nicht jeder Transfer im Profifußball bringt den gewünschten Erfolg. Das liegt nicht unbedingt am Versagen des Neuzugangs, sondern an Teamkonstellationen. Was das für das Onboarding in Fußballvereinen und Unternehmen bedeutet, sagt Expertin Prisca Brosi im Interview. 
 

Springer Professional: Sie haben im europäischen Profifußball untersucht, was beim Transfer in Hinblick auf die Leistung des Neuzugangs passiert. Was haben Sie kurz zusammengefasst herausgefunden?

Prisca Brosi: Wir – Marvin Schuth, Nicholas Folger, Gilad Chen, Robert Ployhart und ich - haben herausgefunden, wie sich der Teamkontext auf die Leistung auswirkt – abhängig von der Zeit, welche für die Integration in das Team gegeben ist. Während talentiertere Neuzugänge immer bessere Leistung zeigen, erhöht die Teamleistung die Performance des neuen Spielers nur, wenn genügend Zeit für die Eingliederung vorhanden ist, sonst senkt sie die Leistung. Auch dessen Engagement mit jeder zusätzlichen Neuerwerbung, wenn nicht genügend Zeit für die Einbettung vorhanden ist. Unabhängig von der Dauer dafür zeigt sich, dass talentiertere Neuzugänge von schlechteren Teams besser unterstützt werden.   

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Welche Empfehlungen leiten Sie daraus für die Personalpolitik von Fußballvereinen ab?

Erstens: Onboarding ist insbesondere für sehr gute Fußballvereine wichtig. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Top-Teams die besten Talente nicht optimal unterstützen, während sehr gute Neuzugänge in schlechteren Teams eine bessere Leistung abliefern. Teams mit höherer Leistung müssen also daran arbeiten, offen für ein neues Mitglied in ihren Reihen zu sein.  

Zweitens: Fußballvereine sollten bei Transfers in der Saisonmitte vorsichtig sein, denn dann fehlt die Zeit, den Wechselnden optimal einzubinden. Die Personalstrategie sollte sich daher auf wenige und dafür sehr gute Erwerbungen fokussieren, da mit jedem Transfer die vorhandenen Teamprozesse potenziell gestört werden, worunter die Leistung jedes einzelnen Neuzugangs leidet.

Was lässt sich von ihren Studienergebnissen auf das Personalmanagement in Unternehmen übertragen?

Für das Personalmanagement in Unternehmen geben die Ergebnisse wichtige Rückschlüsse für die Stellenbesetzung. Sehr häufig werden Mitarbeiter für bereits vorhandene Teams rekrutiert. Dabei testen Personaler primär den Kandidaten. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass nicht nur die Kompetenzen des Bewerbers wichtig sind, sondern auch die Teamsituation, welche bisher viel zu wenig beachtet wird. Auch wenn Profifußball definitiv physischere Fähigkeiten erfordert als in den meisten Unternehmen, beziehen sich unsere Ergebnisse auf die Zusammenarbeit im Team, was unserer Meinung durchaus übertragbar ist.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus Ihrer Sicht für das Onboarding in Firmen?

Teams, die bereits bestehen und gerade in einer arbeitsintensiven Phase sind, sollten sich Zeit nehmen, um neue Kollegen in ihre Reihen aufzunehmen. Wenn man sich ein Team vorstellt, das gerade auf eine wichtige Deadline hinarbeitet, kann es leicht geschehen, dass ein neuer Mitarbeiter 'ins kalte Wasser geschmissen wird', weil niemand die Zeit hat, sich um ihn oder sie zu kümmern. Gerade in dieser Situation ist es jedoch wichtig, dass sich das Team Zeit nimmt – das ist insbesondere für sehr leistungsstarke Gruppen wichtig, da diese zu niedrigerer Offenheit tendieren.

Zudem sollten Mitarbeitende idealerweise sequenziell in Teams eingestellt werden, um Disruption in den Teamprozessen zu vermeiden. Teammitglieder sind aufeinander eingestellt, so dass Kollegen Zeit benötigen, um ihre Funktion in ihrem neuen Umfeld zu verstehen. Werden mehrere Positionen gleichzeitig verändert, erschwert dies zusätzlich die Orientierung. Selbstverständlich kann diese Veränderung auch produktiv genutzt werden, um die Teamprozesse zu verbessern. Dafür müssen Arbeitskollektive aber den Wandel bewusst vollziehen, um die neuen Teamprozesse zu klären.

Welche Implikationen sehen Sie für das Teambuilding und die Teamführung in Unternehmen vor dem Hintergrund Ihrer Analyse?

In unserer Studie haben wir die Zeit für die Integration, das heißt, das Teambuilding für Neuzugänge, als Black Box untersucht, ohne genau zu unterscheiden, wie die verschiedenen Teams diese Zeit genutzt haben. Aus der Literatur wissen wir aber, dass sich leistungsstarke Teams durch Kognition, Emotion, und Verhalten differenzieren. Kognition bezieht sich auf das Wissen über die Abläufe, aber auch die Stärken und Schwächen aller. Emotion beinhaltet Faktoren wie Identifikation, die Stimmung im Team, Vertrauen, und Konfliktmanagement. Verhalten umfasst die Koordination, Kooperation und Kommunikation im Team. Während unsere Studie zeigt, dass Teambuilding notwendig ist, damit Neuzugänge direkt Leistung zeigen können, ist es demnach wichtig alle drei Dimensionen im Teambuilding zu adressieren.

Darüber hinaus ist für Personalverantwortliche wichtig, gerade in Situationen einzugreifen, in denen man unter Umständen intuitiv nicht eingreifen würde. So sollte die Teamführung gerade dann sicherstellen, dass ein Team Zeit für die Integration von Neuzugängen hat, wenn dieses in einer Leistungsphase ist, das heißt, wenn die Zeit knapp ist. Denn Performance ist kein Selbstläufer und gerade sehr gute Teams benötigen auch Führung, damit neue Leistungsträger integriert werden. Diese Punkte sind sowohl für die Teamführung in Unternehmen als auch im Profifußball wichtig.

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