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2017 | Buch

Politische Persönlichkeiten und ihre weltpolitische Gestaltung

Analysen in Vergangenheit und Gegenwart

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Über dieses Buch

Der Sammelband widmet sich der Frage nach dem Einfluss politischer Persönlichkeiten auf weltpolitische Entscheidungen in Vergangenheit und Gegenwart. Dazu werden zu Beginn des Bandes diskutierte Grundannahmen über die Einflussmöglichkeiten einzelner Persönlichkeiten mit Hilfe von detaillierten Fallstudien untersucht und so ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und Politik an ausgewählten Beispielen und in entscheidenden Situationen der Weltgeschichte herausgearbeitet. Der Band versteht sich damit als ein Beitrag zum lange vernachlässigten personenbezogenen Ansatz der Politikwissenschaft.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung

Frontmatter
Kapitel 1. Wer macht Politik? Überlegungen zum Einfluss politischer Persönlichkeiten auf weltpolitische Gestaltung
Zusammenfassung
Die Autoren widmen sich in ihrem Beitrag der Frage nach der Möglichkeit des Einflusses politischer Persönlichkeiten auf weltpolitische Gestaltung. Neben einer Darstellung von Entwicklung und Forschungsstand des personenbezogenen Ansatzes in der Politikwissenschaft werden dessen Relevanz und Erklärungsgehalt erörtert. Dabei werden insbesondere zwei zentrale Grundannahmen des Ansatzes diskutiert: erstens, dass politische Prozesse und Ereignisse zumindest zum Teil von den Interessen und Entscheidungen einzelner Individuen beeinflusst werden und zweitens, dass Persönlichkeit und Charaktereigenschaften des jeweiligen Akteurs dabei eine entscheidende Rolle spielen. Kann also angenommen werden, dass die jeweilige „Umwelt“ eines Akteurs diesem bestimmte Handlungsoptionen zur Verfügung stellt, so geht der personenbezogene Ansatz der Politikwissenschaft davon aus, dass es letztlich individuelle Entscheidungsträger sind, die zwischen verfügbaren Optionen wählen und dabei von ihrer jeweiligen Persönlichkeit beeinflusst werden. Die Autoren verdeutlichen so, dass einzelne Entscheidungsträger in der Tat in der Lage sein können, „Geschichte bzw. Politik zu machen“.
Xuewu Gu, Hendrik W. Ohnesorge

Fallstudien

Frontmatter
Kapitel 2. Josef Stalin: Der Einfluss seiner Sozialisation auf das außenpolitische Handeln der Sowjetunion nach 1945 am Beispiel der Stalin-Note vom 10. März 1952
Zusammenfassung
Josef Stalin (dt: „Der Stählerne“), der Sowjetführer und zugleich eine der skrupellosesten und unberechenbarsten politischen Figuren des 20. Jahrhunderts, stellt bis heute eine kontroverse Persönlichkeit der neueren Geschichte da. Die Analyse stellt die Sozialisation und Herkunft der mannigfaltigen Persönlichkeit Stalin in den Fokus und erläutert anhand prägnanter Erlebnisse aus der Kindheit und Jugend des späteren Generalsekretärs des Zentralkomitees der KPdSU sowie weiterer historischer Ereignisse, die das ehemalige Zarenreich nachhaltig prägten, wie dem einst armen Georgier die Machtergreifung gelang. Im Besonderen beschäftigt sich die Untersuchung mit der Frage nach dem persönlichen Einfluss Josef Stalins auf eine explizite außenpolitische Entscheidung der Sowjetunion nach 1945: der Stalin-Note. In diesem Kontext dient die bereits von Gerhard Wettig vorgenommen Dreiteilung der Deutung der Note in Angebots-, Disziplinierungs- und Propagandathese als Grundlage. Die Machtstrukturen in der UdSSR erlaubten, dank des ausgeprägten Personenkults, eine autoritäre Herrscherfigur, weshalb man in den Noten nicht bloß Stalins Handschrift, sondern auch Charaktereigenschaften sowie Persönlichkeitsstrukturen erkennt. Die Untersuchung stellt demnach einen Beitrag zur Personenforschung in der Politikwissenschaft dar und erläutert, inwiefern von Macht und Wirkung des Einzelnen in einem festen System auszugehen ist.
Nadine Vetter
Kapitel 3. Mao Zedong: Das Schisma des Weltkommunismus und seine Auswirkungen
Zusammenfassung
Mao Zedong zählt zu den großen Diktatoren des 20. Jahrhunderts. Über ein halbes Jahrhundert bestimmte er die chinesische Geschichte. Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei Chinas und wird in den 1940er Jahren zur maßgeblichen Führungsfigur des chinesischen Kommunismus. Seit dem Zeitpunkt der Gründung der Volksrepublik China wurde das Land rund dreißig Jahre lang stark von der Herrschaft Maos geprägt, die gekennzeichnet war durch Rechtlosigkeit, Terror und diktatorische Gewalt. Unter Verfolgung eines personenbezogenen Ansatzes macht die Untersuchung deutlich, dass sich entscheidende Ereignisse, die in Maos Kindheit und Jugend eine Rolle gespielt haben und seine Persönlichkeit formten, in Verbindung zu seinem späteren Handeln als Politiker setzen lassen. Insbesondere sein Vorgehen innerhalb des „Großen Sprungs nach vorn“, eine der größten von Mao Zedong initiierten Kampagnen, verdeutlicht dabei sehr anschaulich den Einfluss unterschiedlicher Facetten seiner Persönlichkeit.
Yvonne Laskowski, Alissa Urban
Kapitel 4. Konrad Adenauer: Rheinländer, Deutscher, Europäer
Zusammenfassung
Konrad Adenauer gilt als einer der wichtigsten Politiker in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sein politisches Handeln in der jungen Bundesrepublik war äußerst einflussreich und die Auswirkungen seiner Entscheidungen sind heute spürbar. Im vorliegenden Aufsatz wird untersucht, wie Adenauer zu der prägnanten Persönlichkeit geworden ist. Statt darauf einzugehen durch welche politischen Rahmenbedingungen Konrad Adenauer geprägt worden ist, wählt der Aufsatz einen personenbezogenen Ansatz der Politikwissenschaft. Im ersten Teil des Aufsatzes wird dabei besondere Aufmerksamkeit auf seine Kindheit und seinen Charakter gelegt. Um die Gründe für Adenauers politische Entscheidungen verstehen zu können, ist es von zentraler Bedeutung, seine Charakterzüge nachzuvollziehen, die zum großen Teil durch seine Erziehung geprägt wurden. Im zweiten Teil des Aufsatzes werden zwei Fallbeispiele der Politik Adenauers vorgestellt: der Umgang und die Reaktion auf die Stalin-Noten und die deutsch-französische Freundschaft. Beide Fälle stehen im Kontext der Westintegration, die eine zentrale Rolle im Denken und Handeln Adenauers gespielt hat.
Felix Engels, Jan-Malte Hunfeld, Christian Lüttke, Wladislaw Roginsky
Kapitel 5. John F. Kennedy: Persönlichkeit in der Berlin-Krise
Zusammenfassung
Inwiefern hatte John F. Kennedys Charakter und Naturell Einfluss auf seine Entscheidungsfindung in der Berlin-Krise? Um diese Frage zu beantworten, werden im ersten Schritt Leben und Charakter Kennedys anhand von fünf Kernpunkten beschrieben: die Beziehung zu seinen Eltern, zu seinem Bruder, die Erfolgs-Doktrin des Vaters, der Katholizismus sowie Kennedys Krankheiten. Im zweiten Schritt werden die erarbeiteten Merkmale in Bezug gesetzt zu Kennedys Entscheidungen in der Berlin-Krise des Jahres 1961. Nach dem Gipfeltreffen zwischen Kennedy und Chruschtschow in Wien im Juni 1961 entschied sich Kennedy für ein Beharren auf den „Three Essentials“: dem amerikanischen Zugang nach West-Berlin, dem Recht der Truppenstationierung und der Überlebensfähigkeit der Stadt. Da diese „Essentials“ durch den Bau der Berliner Mauer nicht verletzt wurden, sah Kennedy von einer militärischen Eskalation ab. Unter Verwendung des personenbezogenen Ansatzes der Politikwissenschaft zeigt der Aufsatz, dass Kennedy in seinen Entscheidungen in der Berlin-Krise vor allem durch seine Erfahrungen als Bruder, als Offizier im Zweiten Weltkrieg sowie als Oberbefehlshaber der Armee in der missglückten Invasion der Schweinebucht beeinflusst wurde.
Benjamin Möller
Kapitel 6. Deng Xiaoping: Ein aufgeklärter Reformer?
Zusammenfassung
Ein tief gehendes Verständnis der politischen, sozialen und besonders wirtschaftlichen Realitäten in der heutigen Volksrepublik China ist ohne eine nähere Betrachtung der Persönlichkeit Deng Xiaopings nur bedingt möglich. Sein Geschichtsbild ist in der Öffentlichkeit durchaus umstritten. Einerseits ist die Reform- und Öffnungspolitik, die China bis heute nachhaltig prägt und zu einem rasanten wirtschaftlichen Aufschwung geführt hat, untrennbar mit seiner Person verbunden. Andererseits hat das Tian’anmen Massaker zum Ende seiner politischen Laufbahn weltweit Entsetzen ausgelöst. Mit Hilfe von Methoden der personenbezogenen Politikforschung untersucht die vorliegende Studie die Rolle der Persönlichkeit Deng Xiaopoings in Hinblick auf Entscheidungen mit weltpolitischer Tragweite. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf die Rolle Dengs bei der Einleitung der Reform- und Öffnungspolitik sowie während der Niederschlagung der Studentenproteste im Juni 1989. Dabei wird deutlich, dass insbesondere in Krisensituationen der Persönlichkeit und zentralen Eigenschaften eines politischen Entscheidungsträgers – wie etwa Deng Xiaopings Pragmatismus – ein erkennbarer Einfluss zukommt, der den Lauf der Geschichte entscheidend prägen kann.
Florian Siekmann, Varvara Stegarescu
Kapitel 7. Michail Gorbatschow und die deutsche Wiedervereinigung
Zusammenfassung
Im 20. Jahrhundert hat wohl kein Staatsoberhaupt weltweit so polarisiert wie Michail Sergejewitsch Gorbatschow. Der Westen verdankt dem ehemaligen Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) eine zuvor nie dagewesene progressive Öffnungs- und Entspannungspolitik, die in der Überwindung des Eisernen Vorhangs mündete und zur sowjetischen Zustimmung zur Deutschen Einheit führte. In seinem Heimatland Russland hingegen wird der Staatsmann vielfach verdammt und geradezu verteufelt. Der Aufsatz arbeitet heraus, warum speziell Michail Gorbatschow zu diesen enormen, zuvor nie dagewesenen innen- und außenpolitischen Kraftanstrengungen in der Lage war. Welche Charaktereigenschaften unterscheiden Gorbatschow grundlegend von anderen sowjetischen Machthabern und inwieweit haben diese unterschiedlichen Eigenschaften Gorbatschows einen tiefer gehenden Wandel in der Geschichte des 20. Jahrhunderts ermöglicht?
Lenno Götze, Lynn Kellermann-Gummersbach, Lukas Schmitz
Kapitel 8. Freiheit – Frieden – Einheit: Helmut Kohl als außenpolitischer Erbe Konrad Adenauers am Beispiel der Euro-Einführung
Zusammenfassung
Helmut Kohl hat sich selbst gerne mit seinem politischen Vorbild Konrad Adenauer verglichen und als sein Nachfolger stilisiert. Inwieweit der promovierte Historiker und geschichtsbewusste Helmut Kohl tatsächlich als außenpolitischer Erbe Konrad Adenauers bezeichnet werden kann und welche Bedeutung die Adenauersche Trias „Freiheit – Frieden – Einheit“ in seiner Deutschlandpolitik hatte, soll bis zur Einführung des Euro mit einem persönlichkeitsorientierten Ansatz nachvollzogen werden. Der Stellenwert der EU-Integration wird in Kohls oft wiederholtem Ausspruch aus dem Jahr 1991 „Für mich sind deutsche Einheit und Europäische Einigung zwei Seiten der gleichen Medaille.“ deutlich. Hinzufügen könnte man, dass auch die Wirtschafts- und Währungsunion und die Politische Union für Kohl „zwei Seiten der gleichen Medaille“ waren. Insgesamt wird gezeigt, dass die Persönlichkeit Helmut Kohls für den Prozess der Euro-Einführung von besonderer Bedeutung war. Ob der Euro letztlich als Preis für die Wiedervereinigung gelten kann, wird in diesem Zusammenhang ebenfalls diskutiert.
Jennifer Ten Elsen, Anna Sophie Zell
Kapitel 9. Barack Obama: Die Persönlichkeit des 44. US-Präsidenten als entscheidender Faktor für seinen politischen Aufstieg und seine (außen-) politische Agenda?
Zusammenfassung
War die Persönlichkeit Barack Obamas sowohl ein entscheidender Faktor für seinen politischen Aufstieg vom Underdog zum Präsidenten als auch für die spätere Entzauberung des „schwarzen Messias“ des 21. Jahrhunderts? Zur Beantwortung dieser Leitfrage wird Obamas Weg von seinen Kindertagen auf Hawaii bis ins Weiße Haus in Washington nachgezeichnet und die prägenden Erfahrungen aus Jugend- und Studienzeiten des 44. US-Präsidenten werden in Bezug zu seiner (außen-) politischen Agenda gesetzt. Der Fokus der Analyse liegt dabei vor allem auf dem bereits früh gesteckten Ziel der politischen Einigung und innen- sowie außenpolitischen Versöhnung Amerikas und auf Obamas Fähigkeit, die eigene Biografie und seine charismatische Wirkungskraft für den politischen Erfolg zu instrumentalisieren. Anhand des Vergleichs der Großprojekte einer gescheiterten Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo und dem erfolgreich ausgehandelten Atomabkommen mit Iran wird der größte außenpolitische Erfolg Obamas in Kontrast zur wohl schmerzhaftesten Niederlage seiner Amtszeit gesetzt und diskutiert, ob Obamas Erfolg und Scheitern als Versöhner durch seine Persönlichkeit oder doch besser durch die ihn umgebenden politischen Strukturen seiner Zeit zu erklären sind.
Arne Cremer, Bernhard Weiskirch
Kapitel 10. „Wir schaffen das!“ Hat die Persönlichkeit Angela Merkels Einfluss auf ihre Flüchtlingspolitik?
Zusammenfassung
Für Angela Merkel hat sich die Flüchtlingsdebatte zur größten Krise ihrer, zum heutigen Zeitpunkt gut zehnjährigen, Kanzlerschaft entwickelt. Ihrer Flüchtlingspolitik wird nicht nur innerhalb ihrer eigenen Partei und der Regierungskoalition, sondern auch über die Grenzen des Landes hinaus viel Kritik entgegengebracht. Doch ein grundlegender Umschwung ist für Angela Merkel nach wie vor keine Option. Im Gegenteil verteidigt sie ihren Kurs mit einer für sie eher untypischen Emotionalität und Leidenschaft. Beispielhaft dafür steht ihr viel diskutierter Appell vom August 2015: „Wir schaffen das “, der sich zu einer Art Slogan ihrer Politik entwickelt hat. Auf Grundlage des personenbezogenen Ansatzes der Politikwissenschaft, werden mögliche Gründe für ihre Vorgehensweise herausgearbeitet. Im Mittelpunkt der Analyse steht dabei die Frage, ob die Persönlichkeit Angela Merkels sowie ihr biografischer Werdegang mögliche Einflussfaktoren auf ihr Verhalten darstellen.
Katharina Mück

Conclusio

Frontmatter
Kapitel 11. Persönlichkeit und Politik: Bemerkungen und Ausblick zum personenbezogenen Ansatz der Politikwissenschaft
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund einer Reihe empirischer Untersuchungen diskutieren die Autoren den Erklärungsgehalt personenbezogener Ansätze in der Politikwissenschaft. Angesichts der im Sammelband vorgelegten Untersuchungen wird deutlich, dass bei der Analyse politischer Entscheidungen die jeweils zentralen Figuren und ihre Persönlichkeiten nicht ausgeblendet werden sollten und der personenbezogene Ansatz daher eine wichtige Ergänzung im Instrumentarium zeitgeschichtlicher und politikwissenschaftlicher Forschung darstellt. Neben einer Diskussion der durch die empirischen Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse wird eine Forschungsagenda personenbezogener Ansätze vorgeschlagen.
Xuewu Gu, Hendrik W. Ohnesorge
Metadaten
Titel
Politische Persönlichkeiten und ihre weltpolitische Gestaltung
herausgegeben von
Xuewu Gu
Hendrik W. Ohnesorge
Copyright-Jahr
2017
Electronic ISBN
978-3-658-16100-2
Print ISBN
978-3-658-16099-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-16100-2

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