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2009 | Buch

Politische Soziologie

Ein Studienbuch

herausgegeben von: Viktoria Kaina, Andrea Römmele

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Politische Soziologie und der leere Platz im Buchregal — Eine kurze Geschichte von Identitätssuche und Selbstbehauptung
Auszug
Politische Soziologie analysiert Politik im Wirkungszusammenhang der Gesellschaft. Das heißt, sie interessiert sich einerseits für die gesellschaftlichen Bedingungen von Politik und andererseits für die Wirkungen von Politik auf die Gesellschaft. Diese Vorstellung über den Erkenntnishorizont der Politischen Soziologie wurde von (1997: 413) in einem von Arno Mohr herausgegebenen Band über die Grundzüge der Politikwissenschaft formuliert. Ganz ähnlich sieht (2002: 396) das Hauptarbeitsgebiet der Politischen Soziologie darin, die Beziehungen zwischen Politik und Gesellschaft anhand von drei zentralen Problemstellungen zu untersuchen:
  • als Problem der gesellschaftlichen Bedingungen politischen Verhaltens und politischer Ordnungen,
  • als Problem der Einwirkungen der Politik auf die Gesellschaft und
  • als Problem der Struktur von politischen Institutionen und des Ablaufs politischer Prozesse.
Viktoria Kaina, Andrea Römmele
Politische Kultur
Auszug
Mit der Reformation, der Aufklärung und der industriellen Revolution entwickelten sich die Städte zu Zentren des politischen Lebens. Parlamente, Parteien, Verbände und Zeitungen verschafften sich im Laufe des 19. Jahrhunderts ihren Platz in der Politik. Herrschaftspositionen wurden nicht mehr vererbt, sondern durch Volkswahlen auf Zeit vergeben. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war der Demokratisierungsprozess in vielen europäischen Ländern zu einem vorläufigen Abschluss gekommen. Auch wenn die Erfolge des Kommunismus (1917), des Faschismus (1922) und des Nationalsozialismus in den großen europäischen Staaten zunächst einen Rückschlag auf dem Weg zu einer demokratischen Staatengemeinschaft bedeuteten, scheint der Siegeszug der Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg unaufhaltsam geworden zu sein. Die Errichtung demokratischer Ordnungen in Deutschland, Italien und Japan, das Ende der faschistischen Diktaturen in Spanien, Portugal und den wichtigsten südamerikanischen Staaten sowie der unerwartet schnelle Zusammenbruch des Kommunismus in Mittel- und Osteuropa deuten darauf hin, dass die Demokratie aus dem Kampf der Systeme als Sieger hervorgegangen war (vgl. ausführlich: Merkel/Thiery 2006). Damit bestand die Notwendigkeit, eine Erklärung für den Siegeszug des demokratischen Modells politischer Herrschaft zu finden.
Oscar W. Gabriel
Politische Legitimität
Auszug
Der Begriff Legitimität stammt aus dem Lateinischen legitimus, was mit „rechtmäßig“ übersetzt werden kann (vgl. Französisch légitimité für „Rechtmäßigkeit“). Auch der Begriff Legitimation hat seinen Ursprung im Lateinischen legitimus, wobei dieser stärker auf einen Prozess oder ein Ergebnis verweist. In den Sozialwissenschaften steht Legitimität in enger Verbindung mit anderen Konzepten, wie Macht und Herrschaft oder Institution und Staat. Eine Abgrenzung der Begriffe Legitimität und Legalität erscheint sinnvoll, auch wenn diese nicht immer klar vollzogen wird. So schließt die Definition von Legitimität häufig auch Legalität mit ein (Schmidt 2004).
Daniela Braun, Hermann Schmitt
Ideologien
Auszug
Der Begriff der „Ideologie“ bzw. „Ideologien“ ist ein zentrales, zugleich aber auch kontroverses und vielschichtiges Konzept der Politikwissenschaft, das mit zahlreichen Konnotationen aufgeladen ist. Im nachrevolutionären Frankreich als eine erklärtermaßen neutrale Bezeichnung entwickelt, um eine „objektive“ Geschichte der politischen Ideen zu begründen, avancierte es unter dem Einfluss von Karl Marx und Friedrich Engels zu einem politischen Kampfbegriff, der vor allem auf die herrschaftsstabilisierende Funktion der etablierten politischen Philosophien abzielte. Erst im frühen 20. Jahrhundert findet sich im Werk Karl Mannheims ein neuer Versuch, einen positiven bzw. neutralen Ideologiebegriff für die Soziologie fruchtbar zu machen. Unter dem Eindruck der totalitären Diktaturen in Deutschland und der UdSSR wurde „Ideologie“ jedoch bald wiederum in erster Linie mit sinistren philosophischen Systemen assoziiert, die ein verzerrtes Bild der Welt zeichnen, um die Menschen im Sinne der Politik zu beeinflussen und deren Herrschaft zu legitimieren. Erst als in den frühen 1960er Jahren das „Ende der Ideologien“ ausgerufen wurde (Bell 1960), konnte sich der Begriff in der Wissenschaft als allgemeine Bezeichnung für die großen politischen Strömungen der Gegenwart etablieren.
Kai Arzheimer
Werte- und Wertewandelforschung
Auszug
Dieser Beitrag beschreibt zentrale Annahmen, erörtert Fragestellungen und dokumentiert wichtige Befunde der Werteforschung — unter besonderer Zuspitzung auf die Wertewandelforschung, die sich in den zurückliegenden Jahren als eines der ertragreichsten Forschungsfelder erwiesen hat. Die ersten beiden Abschnitte gehen auf Prämissen der Werteforschung und den Stellenwert der Wertewandelforschung ein. Im darauf folgenden Abschnitt werden zentrale Kontroversen dargestellt, um im letzten Abschnitt auf mögliche Konsequenzen des Wertewandels einzugehen.
Christian Welzel
Politische Partizipation
Auszug
Politische Partizipation umfasst — salopp gesagt — alle Aktivitäten von Bürgern mit dem Ziel politische Entscheidungen zu beeinflussen.1 Dazu gehören nicht nur die Beteiligung an Wahlen, sondern auch Aktivitäten wie Unterschriften sammeln, Demonstrieren oder Boykottieren von Produkten. Politische Partizipation betrifft bestimmte Verhaltensweisen: Sich für Politik zu interessieren oder politische Fernsehsendungen anzuschauen sind hingegen keine Formen politischer Partizipation. Partizipation ist nicht nur erforderlich für demokratische Entscheidungsfindung, sondern bietet dem Bürger auch Entwicklungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten. Ohne politische Partizipation wäre eine Demokratie unvorstellbar, da sich Demokratie auf das Regieren durch die Bürger bezieht. Folglich kann Demokratie nicht ohne ein minimales Niveau politischer Partizipation existieren. Ein Mangel an politischer Partizipation ist für jede Demokratie destruktiv. Die Debatten über politische Partizipation betreffen das Ausmaß der Beteiligung — nicht die Notwendigkeit von Partizipation für die Lebensfähigkeit einer Demokratie. Wer Demokratie sagt, meint Partizipation.
Jan W. van Deth
Soziale Partizipation und Soziales Kapital
Auszug
Der Begriff der sozialen Partizipation meint die Unzahl der Beteiligungsmöglichkeiten, die sich dem Individuum in verschiedensten Gruppen der Gesellschaft bieten: dem Fußballverein, der Sängervereinigung, der Selbsthilfegruppe oder der Wohlfahrtsorganisation. Soziale Partizipation reicht immer über rein private Belange hinaus. Wer sich für seine Familie oder Freunde engagiert, mag ein hilfsbereiter, hoch angesehener Mensch sein, sozial engagiert ist er oder sie deswegen noch nicht. Soziale Partizipation meint zudem Beteiligungsformen, die sich entweder an Kollektive richten (Ehrenamtliche beim Betrieb einer Suppenküche) und/oder direkt im Verbund, sozusagen kollektiv, ausgeübt werden (als Mitglied der Bahnhofsmission, die eine Suppenküche betreibt). Soziale Partizipation unterscheidet sich schließlich von politischer Partizipation, die explizit die Beeinflussung von Entscheidungen oder Entscheidungsträgern auf unterschiedlichen politischen Ebenen zum Ziel hat (ausführlich hierzu siehe den Beitrag von Jan van Deth in diesem Band). Soziale Partizipation ist somit ein Sammelbegriff für eine Beteiligungsform, die in der Regel öffentliches, kollektives Handeln ohne direkte politische Motivation beschreibt, aber immer über die private Sphäre hinausreicht.
Sigrid Roßteutscher
Wahlsoziologie
Auszug
Periodisch durchgeführte freie Wahlen sind in modernen repräsentativen Demokratien, die die Legitimität politischer Herrschaft an allgemein akzeptierte Regeln bindet, das Verfahren zur Bestellung und Ablösung von Herrschaftsträgern.1 Sie bilden das Bindeglied zwischen dem demokratischen Souverän und seinen Repräsentanten, die an seiner Stelle gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen treffen. Diese Macht verleihen Bürger in Wahlen auf Zeit. Wahlen bieten daher eine institutionalisierte Möglichkeit, Elitenhandeln zu kontrollieren und politische Eliten mit friedlichen Mitteln auszutauschen. Die Einbettung von Wahlen in die repräsentativ-demokratische Institutionenordnung verschafft Wahlen nicht nur eine herausragende demokratietheoretische Bedeutung (Schmitt 2005), sondern macht Wahlverhalten notwendig zu einer verfassten, standardisierten und von Eliten vorstrukturierten Form politischen Verhaltens. So ist das Repertoire an Verhaltensmöglichkeiten auf die Wahlenthaltung und die Stimmabgabe für eine Partei oder einen Kandidaten beschränkt. Zudem wird das Angebot an Parteien und Kandidaten in der Regel von politischen Eliten vorgegeben, so dass die Wahlentscheidung von Bürgern als Reaktion auf Elitenhandeln zu verstehen ist.
Harald Schoen
Einführung in das Forschungsfeld der Politischen Kommunikation
Auszug
Aus der Perspektive der Politischen Soziologie liegt das Augenmerk der politischen Kommunikation auf der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Politik, Medien und Bürgern. In Anlehnung an (1977) wird der Prozess der politischen Kommunikation daher auch als Handlungssystem verstanden, in dem Veränderungen in einem Element des Systems Veränderungen im Verhalten der anderen Elemente mit sich bringen. Im Mittelpunkt steht somit eine Dynamik, der die politische Kommunikation aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und der technischen Innovationen unterliegt.
Sarah Bastgen, Kim Jucknat, Andrea Römmele
Politische Parteien als Gegenstand der Politischen Soziologie
Auszug
Politische Parteien1 sind ein zentraler Gegenstand der Politischen Soziologie: Sie sollen die gesellschaftliche Verankerung staatlicher Politik und deren Vermittlung gewährleisten, sowie umgekehrt gesellschaftliche Interessen in die staatliche Sphäre hineintragen (siehe Abbildung 1). Sie können als Kommunikations- und Vermittlungsagenturen „mit umfassender politischer Orientierungsfunktion“ (Sarcinelli 2007: 110) gelten. Da politische Parteien in modernen Demokratien ein nicht nur zentraler, sondern auch notwendiger Akteur des politischen Willensbildungsprozesses sind und gerade dort ihre gesellschaftliche Verankerung von eminenter Bedeutung ist, konzentriert sich dieser Beitrag auf die Rolle von Parteien in demokratischen Systemen. Der Parteienwettbewerb gilt als essentieller Bestandteil demokratischer Regierungsweise, die von einer funktionierenden Zivilgesellschaft unterstützt werden soll. Die Konkurrenz um Wählerstimmen soll dem politischen System Legitimität durch Wahlen verleihen, zugleich Responsivität gegenüber den Werten, Interessen und Forderungen der Bürger gewährleisten und durch Oppositionsrechte und dem Aufzeigen wählbarer Alternativen einseitiger Machtkonzentration entgegenwirken. Im ersten Teil dieses Kapitels sollen daher die Position der Parteien in der demokratischen Gesellschaft und ihr Hineinwirken in die Wählerschaft im Vordergrund stehen. Der Blick richtet sich in diesem gesamten Beitrag auf die Relevanz von politischen Parteien als gesellschaftliche Organisationen.
Uwe Jun
Verbändeforschung
Auszug
Moderne Gesellschaften sind ohne freiwillige Vereinigungen, Verbände und Interessengruppen nicht vorstellbar. Der Zusammenschluss von Freien und Gleichen ist konstitutiv für Moderne und Demokratie. Allerdings besteht weder Einigkeit über den Nutzen und die Funktion von Verbänden für demokratische Gesellschaften noch ist der Verbandsbegriff als solcher eindeutig definiert. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum es sich bei der Verbändeforschung nicht um ein klar konturiertes Themenfeld handelt, sondern sich eine Vielzahl von Ansätzen, Perspektiven und Schwerpunktsetzungen feststellen lässt (Willems/ von Winter 2007; Sebaldt/Strasser 2004). Auch macht es einen Unterschied aus welcher disziplinären Perspektive und unter welchem methodologischen Ansatz Verbände betrachtet werden. So sind Verbände aus politikwissenschaftlich-demokratietheoretischer Sicht vorrangig auf der Input-Seite des politisch-administrativen Systems angesiedelt und zuständig für die Bündelung, Artikulation und Durchsetzung von Interessen im politischen Prozess. Aus steuerungstheoretischer Sicht werden Verbände dagegen eher als Mitgestalter von Politikgestaltung betrachtet und als Helfershelfer des Staates auch auf der Output-Seite des politisch-administrativen Systems verortet und hier als wesentlich für eine reibungslose Politikimplementation erachtet. Aus der Perspektive der Soziologie sind Verbände dagegen interessant als „intermediäre Organisationen“, die den Einzelnen in Gemeinschaft, Gesellschaft und Staatswesen integrieren sowie wesentlich dazu beitragen, sozialen Zusammenhalt zu sichern und insofern den „Kitt“ bilden, der die Gesellschaft zusammenhält. Schließlich werden Verbände aus der Sicht der Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaft auch in ihrer Funktion als Dienstleister gesehen, die ein breites Spektrum von Leistungen und Diensten für die Mitglieder aber auch für die allgemeine Öffentlichkeit sowie für bestimmte Zielgruppen erbringen.
Annette Zimmer, Rudolph Speth
Parlamentssoziologie
Auszug
Oft wird „Parlamentssoziologie“ nur in einer sehr engen Bedeutung und letztlich gleichbedeutend mit dem Begriff der „Abgeordnetensoziologie“ verwendet (Kaack 1988), nämlich als zusammenfassende Bezeichnung von Untersuchungen, die sich der Zusammensetzung von Parlamenten und dem sozialen Hintergrund von „legislativen Eliten“ sowie des Parlamentarieranteils an der „politischen Klasse“ widmen. Das ist auch ein gut etabliertes Forschungsfeld, auf dem — für Deutschland überwiegend in der „Zeitschrift für Parlamentsfragen“ — die nach jeder Wahl neu anstehende Pflicht zur „parlamentarischen Sozialberichterstattung“ erfüllt wird: Wie ist das neu gewählte Parlament zusammengesetzt? Welche Veränderungen gab es zumal nach Alter, Beruf, Religion oder Geschlecht, was letzteres seit gut 15 Jahren besonders gründlich untersucht wird (siehe Hoecker 1994; Sawer 2006)? Warum gab es diese Veränderungen, und mit wohl welchen Folgen? Ferner will man immer wieder wissen, ob und wie neue Alterskohorten bzw. neue politische Generationen zunächst ein Parlament prägen und von ihm aus vielleicht das Regierungssystem. Obendrein führen größere Systemumbrüche immer wieder zur Untersuchung der von ihnen ausgelösten, oft auch parlamentarischen Elitenzirkulation (Patzelt 1997; Lock 1998). Ergebnisse zu alledem führen dann weiter zu vergleichenden Fragestellungen: Sind bestimmte Phänomene wohl spezifisch für ein bestimmtes Land und sein Parlament — oder sind sie Ausfluss allgemeiner Entwicklungen, die einen grundsätzlichen Gesellschafts-, System- oder Parlamentswandel anzeigen (Best/Cotta 2000)? Solche Themen ziehen dann besonders stark an, wenn man ein Parlament für „um so repräsentativer“ hält, je zutreffender es — einer unverzerrten „repräsentativen Stichprobe“ gleich — die soziale Zusammensetzung der Repräsentierten widerspiegele.
Werner J. Patzelt
Bürokratieforschung
Abstract
“So why look at bureaucracy? The fact that it is as much part of modern life as the modern amenities it produces (such as electricity, gas, railways and social security, to name a few) means that an understanding of the distinctive issues bureaucracy poses is as relevant and important as it ever was in the era of Kafka and Weber, irrespective of whether we feel they got it right or wrong. We have not invented a better way of organizing public affairs. For all the talk of ‘post-modern’ forms of organization, where hierarchies and other formalities dissolve under constant negotiation between near-equal partners, these are generally at best straws in the wind or possibly only minor exceptions that prove the durability of bureaucratic models” (Jenkins/Page 2004: XIII).
Dieter Grunow
Eliteforschung
Auszug
Vor dem Hintergrund tiefgreifender gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Wandlungsprozesse wecken die Eliten der Bundesrepublik Deutschland seit einigen Jahren neues Interesse. Das belegt nicht nur eine Vielzahl fach- und populärwissenschaftlicher Publikationen (u.a. Bürklin/Rebenstorf et al. 1997; Welzel 1997; Kodalle 2000; Sauer 2000; Krais 2001b; Hartmann 2002, 2004a, 2007; Kaina 2002a; Hradil/Imbusch 2003; Wasner 2004; Herwig 2005; Gabriel et al. 2006; Münkler et al. 2006b). Auch die öffentliche Aufmerksamkeit zeigt sich für das Elitethema zunehmend sensibilisiert. Ausdruck dessen ist die nach dem „PISA-Schock“ ausgelöste und seither kontrovers geführte Debatte, wie die Eliten des Landes künftig gezielt gefördert und ausgebildet werden können (Bluhm/Straßenberger 2006). Besonders heftig aber werden in letzter Zeit Verhalten, Charakter und Kompetenz der Führungskräfte in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft diskutiert, als unverdient empfundene Privilegien deutscher Eliten kritisiert und ihre Orientierung am Gemeinwohl hinterfragt (Münkler 2006: 30f). Diese Auseinandersetzung trifft einen zentralen Nerv der Gesellschaft. Die einen reagieren darauf mit stilistischen Überzeichnungen oder rhetorischen Fehlgriffen, wenn beispielsweise Menschen zu Ungeziefer (z.B. „Heuschrecken“) oder zu „Abschaum“ werden.1 Solche Vereinfachungen und drastischen Zuspitzungen mögen besonders plastisch sein, unmittelbare Empörung über die wahrgenommene Gier und Maßlosigkeit der Privilegierten hervorrufen, vor allem aber tief sitzende Reflexe gegen „die da oben“ erfolgreich aktivieren. Diese Art der Auseinandersetzung birgt aber ebenfalls die Gefahr in sich, die Führungsschicht des Landes insgesamt zu verunglimpfen sowie ihre Mitglieder und die mit einem Aufstieg in die Führungsschicht verknüpften individuellen Anforderungen wie Leistungswillen, Ehrgeiz und Erfolgsstreben zu diffamieren.
Viktoria Kaina
Die Datengrundlage der Politischen Soziologie in Forschung und Lehre
Auszug
Statistische Analysen nehmen in der Politischen Soziologie einen bedeutenden Stellenwert ein. Um diese Verfahren anwenden zu können, müssen zunächst entsprechende Daten vorhanden sein, auf die ein Forscher zurückgreifen kann. Mittlerweile liegt eine breite Datengrundlage vor. Sowohl in nationaler als auch in internationaler Hinsicht können auf Basis bestehender Datensätze eine Vielzahl von Fragen empirisch geprüft werden.
Silke I. Keil
Methoden zur Datenanalyse
Auszug
Die Ziele sozial- und politikwissenschaftlicher Forschung können vielfältig sein. Neben der Beschreibung sozialer und gesellschaftlicher Verhältnisse kann ein Ziel dabei auch in der Testung oder Weiterentwicklung von Theorien liegen, die nicht unmittelbar aktuell politische Relevanz haben. Die spezifischen Ziele einer Sozialforschung manifestieren sich in konkreten Fragestellungen, in erwarteten Implikationen und daraus folgend in der Auswahl und Anwendung spezifischer Datenanalyseverfahren.
Manuela Pötschke
Vergleichende Politische Soziologie: Quantitative Analyse- oder qualitative Fallstudiendesigns?
Auszug
Der Vergleich gilt als „die“ sozial wissenschaftliche Methode, die besonders der vergleichende Politikwissenschaft (comparative politics) ihre Bestimmung gibt. Bereits bei den Klassikern der Politischen Soziologie, Tocqueville, Marx und Weber, nimmt der Vergleich unterschiedlicher politischer Regime, Gesellschaftssysteme und Kulturkreise eine wichtige Rolle ein. Meilensteine der Politischen Soziologie wie Civic Culture von (1963) untersuchten die politische Einstellungen zur Demokratie in fünf Ländern, noch umfassender verglichen Party System and Voter Alignments von (1967b) die politischen Spaltungsstrukturen Westeuropas und The Silent Revolution von (1977) den Wertewandel in westlichen Gesellschaften.
Bernhard Ebbinghaus
Backmatter
Metadaten
Titel
Politische Soziologie
herausgegeben von
Viktoria Kaina
Andrea Römmele
Copyright-Jahr
2009
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-91422-0
Print ISBN
978-3-531-15049-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-91422-0