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09.08.2016 | Risikomanagement | Kommentar | Online-Artikel

Dealen mit der D&O-Versicherung

verfasst von: Dr. Armin Sieber

4 Min. Lesedauer

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Ob Siemens, Deutsche Bank oder VW: Pflichtverletzungen eines Managers können für die Unternehmen teuer werden. Viele schließen mit ihren Top-Führungskräften daher Manager-Haftpflichtversicherungen ab. Die Konsequenz: Im Schadensfall geraten Führungskräfte vor den Medienpranger, kommentiert Gastautor Armin Sieber. 

Wendelin Wiedeking ist raus. Seit kurzen ist der Prozess gegen den früheren Porsche-Chef endgültig vorbei. Sein Freispruch ist rechtskräftig. Die Strafverfolger hatten ihm und dem ehemaligen Finanzvorstand Härter vorgeworfen, sich mit wahrheitswidrigen öffentlichen Dementis beim Übernahmepoker von Porsche und Volkswagen 2008 der Marktmanipulation schuldig gemacht und den Kapitalmarkt gezielt getäuscht zu haben. Das Landgericht hatte alle Beweise der Staatsanwaltschaft als haltlos zurückgewiesen. Nun ist auch die Revision vom Tisch, der Entlastungsbeweis ist erbracht. Wiedeking kann sich ein Stück mehr auf seine neue Rolle als Pizza-Gastronom konzentrieren.

Das gelingt längst nicht allen so gut. Trotz vielfach unbewiesener Schuld, werden immer mehr Manager an den Medienpranger gestellt. Das Klima an der Spitze ist rau und einige dieser Fälle sind auch ein Lehrstück über die Gnadenlosigkeit der Medienmaschinerie, denn bei vielen Zeitungslesern bleibt viel zu schnell der Eindruck hängen: Alle Manager sind Verbrecher.

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Damoklesschwert persönliche Haftung – Schutzschild D&O-Versicherung?

Es besteht Einigkeit, dass es zu den Kernaufgaben von Vertretungsorganen juristischer Personen gehört, geeignete und zumutbare Schutzvorkehrungen zu treffen, um Normenverstöße durch die Mitarbeiter des Unternehmens zu verhindern. Vorstände von Aktiengesellschaften sind hierbei aufgrund gesetzlicher und gesetzesähnlicher Vorgaben noch stärker in der Pflicht als GmbH-Geschäftsführer.


Ein Grund dafür ist eine aus dem Ruder gelaufene Haftungspraxis. Pflichtverletzungen eines Managers können für die Unternehmen teuer werden. Viele schließen daher mit ihren Top-Führungskräften Manager-Haftpflichtversicherungen ab. Die Versicherungen zahlen im Schadensfall mitunter zwei- oder dreistellige Millionenbeträge – und ziehen dabei verstärkt das Medieninteresse auf sich, weil die Unternehmen in zunehmendem Maß versuchen, sich an den Versicherungen schadlos zu halten. Und sie nützen dabei gerne die Medien als Drohkulisse.

Absurde Haftungspraxis 

In der Praxis hat sich dabei eine Art Dreiecks-Kuhhandel etabliert. Um die Bilanzen zu sichern oder um Handlungsfähigkeit zu zeigen, versuchen Vorstände und Aufsichtsräte oft maßlose Ansprüche geltend zu machen – oftmals ungeachtet von der Frage, ob eine Schuld wirklich beweisbar ist. Gerne werden da Forderungen in voller Höhe der Deckungssumme der Police geltend gemacht, egal ob eine solche Summe jemals eintreibbar ist. Aber: Gegenüber den Stakeholdern klingt es gut, wenn die handelnden Organe die Muskeln spielen lassen – auch wenn in der Regel bei so einem Deal nur Bruchteile der geforderten Summe heraus kommen.

Dealen mit der D&O (Directors-and-Officers-Versicherung) ist in Mode gekommen. "Dabei besteht durchaus auch Missbrauchspotenzial," erläutert der Anwalt und Haftungsrechtsexperte Tobias Lenz. "Unternehmen können durchaus versucht sein, D&O-Versicherungen zu instrumentalisieren, um ihre Bilanzen zu schützen. Nicht selten ist ein Heer von Anwälten damit beschäftigt, Ansprüche zu kreieren. Sie nutzen dabei eine durchaus breite Grauzone, die große Auslegungsspielräume zulässt."

Das wissen auch die Versicherer. Der D&O-Experte Michael Hendricks hat unlängst in einem Interview gezeigt, dass es in Deutschland inzwischen mehr Haftungsfälle als in den USA gibt: "Deutschland ist für die D&O-Versicherer eines der schadensträchtigsten Länder – dies betrifft sowohl die Schadenssummen als auch die Schadenshäufigkeit."

Das liegt nicht daran, dass deutsche Manager krimineller sind als andere. Die Anspruchsmentalitäten haben sich geändert, wenn man am Beklagten vorbei gleich den Deal mit dem Versicherer sucht. "Insgesamt sehe ich hier dringenden Handlungsbedarf in Sachen Risikobegrenzung und Absicherung von Organen," meint Hendricks. Wohl wahr: Wer will angesichts eines derart virulenten Haftungsrisikos noch Verantwortung übernehmen? Im Zweifel sind das eher die falschen Manager-Typen.

Der Medienpranger tut sein übriges 

Auch die Medien spielen bei diesem Spiel ein Rolle, denn sie werden von den Klägern gerne auch als Druckmittel verwendet: Die Prangerwirkung ist für die betroffenen Manager oft so groß, dass sie lieber auf einen faulen Kompromiss eingehen, als einen lautstarken Rechtsstreit öffentlich zu Ende führen. Nur wenige haben, wie Wendelin Wiedeking, die Nerven, bis zum endgültigen Beweis der Unschuld jahrelang in den Medien zu stehen. Der Schutz der weiteren Erwerbsbiographie spielt dabei eine Rolle. Aber manch einer kommt auch mit den sozialen Folgen durch die Vorverurteilung nicht klar. Eine lange Reihe von Selbstmorden, wie etwa der des früheren Siemens-Finanzchefs Heinz-Joachim Neubürger im vergangenen Jahr, sprechen eine deutliche Sprache über die psychische Belastung am Medienpranger.

Eines ist klar: Es darf keinen Statusschutz für gescheiterte Manager geben. Sie müssen sich ihrer Verantwortung genauso stellen, wie jeder andere Arbeitnehmer – im Zweifelsfall auch mit dem Ersatz von entstandenem Schaden. Wenn aber die Schadensersatzpraktik zum taktischen Deal verkommt, wenn Menschen in der Öffentlichkeit losgelöst von einer tatsächlichen Schuld an den Pranger gestellt werden, dann öffnet das der Vorverurteilung von ganzen gesellschaftlichen Gruppen Tür und Tor – und das geht bei den Betroffenen oft über die Grenzen des Erträglichen hinaus. Es ist kein Wunder, dass immer mehr Manager in Haftungsstreitigkeiten, die öffentlich eskalieren, die Hilfe von Litigation-PR Profis in Anspruch nehmen. Die können den Rechtsstreit nicht verhindern, aber die Folgen des Reputationsverlust am Medienpranger deutlich abmildern.

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