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Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft 3-4/2024

Open Access 02.02.2024 | Originalbeitrag

Skalierungseffekte in einer Fließstrecke mit deklinanten Buhnen in Modellversuchen mit den Maßstäben 1:1 und 1:5

verfasst von: PD DI Mag. Dr. Christine Sindelar, DI Dr. Petr Lichtneger, DI Matthias Buchinger, DI Dominik Worf, DI Sebastian Pessenlehner, Bakk., Univ.-Prof. DI. Dr. Dr. h.c. Helmut Habersack

Erschienen in: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft | Ausgabe 3-4/2024

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Zusammenfassung

Diese Studie befasst sich mit Skalierungseffekten anhand einer Modellfamilie. Zwei Versuchsanordnungen in den Maßstäben 1:1 und 1:5 wurden untersucht, die bis auf den Maßstab gleich waren. Aufgrund der Skalierung nach Froude-Ähnlichkeit waren die Reynolds-Zahlen in der Größenordnung 105 für den Maßstab 1:5 und 106 für den Naturmaßstab. In einer gerade Fließstrecke mit einer Kiessohle wurden linksufrig vier deklinante Buhnen angeordnet. Die Buhnen waren leicht überströmt. Es wurden zeitaufgelöste 3D-Geschwindigkeiten gemessen, woraus zeitlich gemittelte Geschwindigkeiten und die turbulente kinetische Energie (TKE) berechnet und anschließend normiert wurden. In Übereinstimmung mit früheren Studien und einer komplementären numerischen Studie zeigte sich, dass die zeitlich gemittelten Geschwindigkeiten in Hauptfließrichtung gut in den beiden untersuchten Maßstäben übereinstimmten. Die normierte TKE hingegen wies deutliche Unterschiede in den beiden Maßstäben auf. Sie war im Maßstab 1:1 größer als im Maßstab 1:5. Besonders groß waren die Unterschiede im Bereich hinter der Buhne, wo sich die Strömung ablöste. Dies ist ein starkes Indiz für einen Skalierungseffekt aufgrund der unterschiedlichen Reynolds-Zahlen. Die Reynolds-Zahlen der Studie lagen in einem Bereich, in dem sich häufig das Widerstandsverhalten umströmter Körper ändert. Das liefert eine Erklärung, warum sich die Unterschiede in TKE vor allem im Bereich des Buhnenfelds zeigten.
Die Studie unterstreicht die Wichtigkeit von 1:1-Versuchen, wenn turbulente Vorgänge oder das Widerstandsverhalten umströmter Körper oder der Sedimenttransport eine wesentliche Rolle spielen. Das neue BOKU-Wasserbaulabor bietet mit Durchflüssen bis zu 10 m3/s ideale und einzigartige Voraussetzungen für (nahe) 1:1-Versuche.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Skalierte Modellversuche haben sich seit Ende des 19. Jahrhunderts als wesentliche Methode zur Untersuchung wasserbaulicher Fragestellungen etabliert. Um ein verkleinertes Modell mit dem 1:1-Naturmaßstab vergleichbar zu machen, müssen geometrische, kinematische und dynamische Ähnlichkeiten gegeben sein. Um diese Ähnlichkeiten bestmöglich herzustellen, bedient man sich häufig dimensionsloser Größen, die sowohl im verkleinerten Modell als auch im 1:1-Prototyp gleich sein müssen. Bei hydrodynamischen Vorgängen sind die Froude-Zahl und die Reynolds-Zahl die bestimmenden dimensionslosen Zahlen. Während die Froude-Zahl angibt, ob eine Strömung strömend oder schießend ist, gibt die Reynolds-Zahl Auskunft, ob die Strömung laminar oder turbulent ist. Stimmen beide dimensionslosen Zahlen in Natur und Modell überein, spricht man von Froude- bzw. Reynolds-Ähnlichkeit.
Fordert man nun in einem Freispiegel-Modell Froude-Ähnlichkeit, so ergibt sich daraus zwingend, dass die Zähigkeit des Fluids im verkleinerten Modell reduziert werden muss, wenn man gleichzeitig auch Reynolds-Ähnlichkeit gewährleisten will. Da die Herabsetzung der Zähigkeit in aller Regel nicht praktikabel ist, verwendet man im verkleinerten Modell zumeist das gleiche Fluid – nämlich Wasser – wie im 1:1 Prototyp. In diesem Fall ist dann jedoch die Reynolds-Zahl im verkleinerten Modell um den Faktor L3/2 kleiner als im Naturmaßstab, wobei L den geometrischen Längenmaßstab bezeichnet (Sindelar et al. 2019).
Die Reynolds-Zahl spielt bspw. beim Widerstandsverhalten umströmter Körper eine große Rolle. Für simple Körper wie bspw. Kugeln ist der Widerstandsbeiwert in Abhängigkeit von der Reynoldszahl gut erforscht. Für Reynolds-Zahlen zwischen 105 und 106 kommt es zu einem plötzlichen Abfall des Widerstandsbeiwerts (Southard 2023). Dies ist insofern relevant, da die Reynolds-Zahlen in Fließgewässern typischerweise > 106 sind, während in skalierten Modellen häufig Reynolds-Zahlen der Größenordnung 105 oder kleiner vorherrschen. Es ist darüber hinaus zu erwarten, dass auch das Widerstandsverhalten anderer „Körper“ von der Reynolds-Zahl abhängen. Diese Körper können Steine, Fische, Pflanzen aber auch große wasserbauliche Bauwerke wie bspw. Buhnen sein. Alle Reynolds-abhängigen Prozesse werden im verkleinerten mit Wasser betriebenen Modell nicht korrekt abgebildet. Es gibt kaum Forschungsarbeiten, die sich mit der Quantifizierung der Skalierungsfehler aus diesem Maßstabseffekt beschäftigen (Sindelar et al. 2019; Sindelar 2022). Eine der wenigen Studien zu diesem Thema weist Skalierungseffekte in der Rezirkulationszone hinter einer leicht überströmten konischen Insel nach (Tartandyo et al. 2023). Die Studie vergleicht experimentelle Ergebnisse mit Large-Eddy-Simulationen in verschiedenen Skalen.
Mit dem Bau des BOKU-Wasserbaulabors und dem dazu gehörenden Forschungsgerinne besteht die Möglichkeit, 1:1-Versuche mit Reynolds-Zahlen, wie sie in natürlichen Fließgewässern vorkommen, zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser 1:1-Versuche kann man dann mit jenen eines verkleinerten Modells des gleichen Versuchssettings vergleichen. Man spricht von einer sogenannten Modellfamilie. Das Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung wendete die Methode der Modellfamilie bereits an, um die Strömung über eine Kiessohle in den Maßstäben 1:1, 1:5 und 1:16,6 zu untersuchen. Es zeigte sich, dass die mittleren normierten Fließgeschwindigkeiten in allen Maßstäben eine sehr gute Übereinstimmung zeigten, dass jedoch die normierte turbulente kinetische Energie in den drei Maßstäben teils große Abweichungen aufwies (Sindelar et al. 2019).
Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurde das Konzept der Modellfamilie auch bei einer Untersuchungsserie mit Buhnen angewandt. Ausgangspunkt waren wieder 1:1-Versuche. Diese Versuche wurden im Rahmen des EU-Projekts SEDDON II durchgeführt und dienten der Untersuchung des Effekts von deklinanten und inklinanten Buhnen unterschiedlicher Höhen auf das Strömungsfeld und die Turbulenzcharakteristik (Habersack et al. 2022).
Die 1:1-Versuchsserie der deklinanten Buhnen wurde zusätzlich auch im Maßstab 1:5 untersucht. In diesem Beitrag werden die Strömungs- und Turbulenzcharakteristika dieser Modellfamilie vorgestellt und auf mögliche Skalierungseffekte analysiert. Die Reynolds-Zahlen sind in 1:1 und 1:5 unterschiedlich, und liegen genau in jenem Bereich, wo sich das Widerstandsverhalten umströmter Körper häufig ändert. Komplementäre numerische Modellierungen sind in (Glas et al. 2024, in diesem Heft) zusammengefasst.

2 Versuchs-Setup und Messtechnik

2.1 Versuchs-Setup

Die 1:1-Versuchsserie der deklinanten Buhnen wurde im Forschungsgerinne des BOKU-Wasserbaulabors durchgeführt. In dem 5 m breiten Rechteckgerinne aus Stahlbeton wurde eine 19 m lange Versuchsplattform mit einer Kiessohle im Gefälle S = 0,007 aufgebaut. Die Kiessohle hatte als charakteristische Korndurchmesser d10 = 15,2 mm, d50 = 24,4 mm und d90 = 34,0 mm. Linksufrig wurden vier deklinante Buhnen angeordnet, die ein Drittel der Gerinnebreite einnahmen und einen Abstand von 4,4 m hatten, was in etwa zweimal der Buhnenlänge entspricht (Abb. 1a). Die Buhnen hatten einen Inklinationswinkel von 60 Grad (Buhnenrücken zu flussab gelegener Ufermauer). Die Buhnen wurden aus Kantkorn der Größen von 15 bis 30 cm hergestellt und etwa 20 cm in die Sohle eingebunden. Rund um den Buhnenkopf wurde mit demselben Material die Sohle vor Auskolkungen gesichert. Der Querschnitt der Buhnen war trapezförmig, der Buhnenrücken horizontal.
Eine Besonderheit des Forschungsgerinnes ist, dass es zwei Kurven im Grundriss aufweist, bevor das Gerinne in den offenen Versuchsabschnitt mündet. Am Beginn des offenen Versuchsabschnitts sind deshalb sogenannte Strömungsbrecher angeordnet. Dabei handelt es sich um zwei Reihen aus versetzten vertikalen Stahlrohren, deren Stababstände variiert werden können. Im Außenbogen, d. h. auf der linken Gerinneseite, sind die Stäbe enger gesetzt, da hier höhere Geschwindigkeiten auftreten. Im Innenbogen sind die Stäbe lockerer gesetzt. In Abb. 1a sind die Strömungsbrecher ersichtlich. Referenzmessungen haben gezeigt, dass mit den Strömungsbrechern die asymmetrische Geschwindigkeitsverteilung stark reduziert, jedoch noch nicht vollkommen eliminiert wird.
Es wurden fünf deklinante Buhnenvarianten untersucht (Glas et al. 2024, in diesem Heft). In diesem Beitrag wird die Buhnenvariante mit einer Buhnenhöhe von hb = 75 cm, einer Wassertiefe von H = 1,1 m und einem Durchfluss von Q = 4,5 m3/s untersucht.
Die wesentlichen Strömungsparameter sind in Tab. 1 für die Maßstäbe 1:1 und 1:5 zusammengefasst. Die Froude-Zahlen sind in beiden Maßstäben gleich. Da jedoch in beiden Modellen Wasser als fließendes Medium verwendet wurde, unterscheiden sich die Reynolds-Zahlen um den Faktor L3/2 = 11,2. Dabei bezeichnet L = 5 den geometrischen Längenmaßstab. Das 1:1-Modell weist eine Reynolds-Zahl > 106 auf, und liegt damit in einem Bereich, in dem sich auch viele natürliche Flüsse bewegen. Die Reynolds-Zahl des 1:5-Modells liegt hingegen in der Größenordnung von 105, weshalb die Reynolds-Zahlen genau jene Bereiche abdecken, in denen sich das Widerstandsverhalten von umströmten Körpern – wie bspw. Buhnen – abrupt ändern kann.
Tab. 1
Strömungsbedingungen des deklinanten Buhnenversuchs in 1:1 und 1:5, Buhnenhöhe hb = 0,75 cm in 1:1 bzw. hb = 15 cm in 1:5
Maßstab
Wassertiefe
H (m)
Durchfluss
Q (m3/s)
Sohlgefälle
S (–)
Energieliniengefälle
IE (–)
U (m/s)
Fr = U / √gH
Re = 4RH U / ν
1:1
1,10
4,50
0,007
0,0025
0,818
0,25
2,5 × 106
1:5
0,22
0,0805
0,007
0,0025
0,366
0,25
2,2 × 105
U Querschnittsgemittelte Geschwindigkeit im Referenzquerschnitt, Fr Froude-Zahl (–), Re Reynoldszahl (–), Rh hydraulischer Radius (m), ν kinematische Viskosität (m2/s2) = 10−6
Die Wassertiefe H = 1,1 m wurde mit dem Spülschütz am Ende des Forschungsgerinnes hergestellt. Die freie Abflusstiefe wäre niedriger. Es herrschten demnach leicht verzögerte Abflussbedingungen, die ein Energieliniengefälle IE = 0,0025 ergaben.
Das 1:5-Modell wurde in analoger Weise zum 1:1-Modell aufgebaut. Im Wasserbaulabor stand eine 1 m Glasrinne mit eigenem Wasserkreislauf zur Verfügung, die über eine 12,5 m lange experimentelle Strecke verfügt. Die Kiessohle aus dem 1:1-Versuch wurde um den Faktor 5 verkleinert und mittels Siebung verschiedener Fraktionen bestmöglich an die 1:1 Sohle angenähert. Analog zum 1:1-Versuch wurden die vier deklinanten Buhnen auch im verkleinerten Modell in die Sohle eingebunden und um den Buhnenkopf herum gesichert. Dafür wurde Kantkorn zwischen 32 und 64 mm verwendet. In Abb. 1b ist der Versuchsaufbau abgebildet.

2.2 Messtechnik im 1:1-Modell

Die Steuerung des Versuchs erfolgt mittels SPS (Speicherprogrammierbare Steuerung). Der Durchfluss wird über das sogenannte Revisionsschütz am Beginn des Forschungsgerinnes eingestellt. Etwa 25 m flussab ist das Durchflussmesssystem angeordnet. Es besteht aus drei am Boden befestigten Ultraschall-Sensoren, die kontinuierlich je 16 Geschwindigkeiten über die Wassertiefe messen. Daraus ergeben sich 48 Messwerte für die Geschwindigkeit, aus denen der Durchfluss berechnet wird. Nach weiteren 15 m beginnt die offene Versuchsstrecke mit der Versuchsplattform. Die Wassertiefe kann über das Spülschutz am Ende des Forschungsgerinnes reguliert werden. Über das Spülschütz mündet das Wasser in den Donaukanal.
Am Beginn und am Ende der Plattform befinden sich zwei Ultraschallsensoren, um die Wassertiefen kontinuierlich zu erfassen. In Abb. 1a ist einer der beiden Ultraschallsensoren rot eingerahmt ersichtlich.
Die 3D-Geschwindigkeiten wurden mit einer ADCP-Sonde (Acoustic Doppler Current Profiler) erfasst, die an einer Messbrücke befestigt war, die in Längsrichtung manuell verfahrbar war. ADCP ist ein Gerät, das primär für Ermittlung des Abflusses in Gewässern eingesetzt wird. Als Messgröße wird eine Signalfrequenz-Verschiebung durch den Doppler-Effekt aufgenommen. Ein akustisches Signal wird vom Ultraschallwandler in die Strömung gesendet und mit der Rückstreuung von im Wasser schwebenden Partikeln abgeglichen. Aufgrund der bekannten Richtung der Aussendung des Signals und der Laufzeit vom Wandler und zurück wird die Richtung als auch die zugehörige Position der gemessenen Strömungsgeschwindigkeit bekannt. Werden mehrere Ultraschallstrahlen (Wandler) in unterschiedlichen aber bekannten Richtungen verwendet, kann der komplette Strömungsvektor rekonstruiert werden.
Im aktuellen Experiment wurde die ADCP-Sonde an der Messbrücke des Forschungsgerinnes fixiert. Der Sensorkopf wurde in ein eigens hergestelltes, stromlinienförmiges „Mini-Messboot“ eingebettet, sodass er im Schnitt 6 cm unter dem Referenzwasserspiegel eingetaucht war. Der Sensorkopf wurde nahezu bündig mit dem Rumpf des Messboots abgeglichen, sodass sich keine Strömungsablösungen und Lufttaschen am Wandler-Kopf bilden konnten.
Die Messung einer Messlotrechte erfolgte stationär mit der sogenannten „section-by-section-Methode“. In einer Messlotrechte wurden 21 Messwerte in einem Abstand von 4 cm mit einer Aufnahmefrequenz von 1 Hz gemessen. In jedem dieser 21 Punkte wurde der Geschwindigkeitsvektor in drei Komponenten gemessen. Die Messdauer war minimal 90 s, daher konnten auch die Geschwindigkeitsfluktuationen sowie die Turbulente Kinetische Energie (TKE) berechnet werden.
Insgesamt wurden im 1:1-Versuch elf Querprofile mit jeweils neun Messlotrechten gemessen. Diese elf Querprofile umfassten das gesamte Buhnenfeld zwischen der zweiten und der dritten Buhne. Das Querprofil 8, das sich unmittelbar flussab der zweiten Buhne befand, wurde als Referenzquerschnitt ausgewählt und hatte insgesamt 17 Messlotrechte. In Abb. 2 sind die Querprofile mit den Messlotrechten für die 1:5-Versuchsanordnung dargestellt. Sie haben die gleichen Bezeichnungen und die gleiche Lage wie im 1:1-Versuch. Mit Ausnahme des Referenzprofils 8 fehlen jedoch die Querprofile mit den geraden Nummern, da diese im 1:5-Versuch nicht gemessen wurden.

2.3 Messtechnik im 1:5-Modell

Die 1 m breite Glasrinne im Wasserbaulabor besitzt einen eigenen Wasserkreislauf. Der Durchfluss wird über drei frequenzgeregelte Pumpen gesteuert und mittels magnetisch-induktiver Durchflussmessung erfasst. Das Wasserspiegel kann mit einem Lamellenwehr am unteren Ende der Rinne eingestellt werden. Die Wasserstände wurden mittels Stechpegel erfasst und händisch abgelesen. Es gibt eine manuell verfahrbare Messbrücke, auf der die Sonde zur Messung der Geschwindigkeiten montiert wurde.
Zur Messung der 3D-Geschwindigkeiten kam das Messgerät Nortek Vectrino Current Profiler in der sogenannten down-looking-Variante zum Einsatz. Gemessen wird die Phasenverschiebung einer akustischen Welle, die teilweise von den mit der Strömung transportierten Partikeln reflektiert wird. Der Vectrino Current Profiler (im weiteren nur Vectrino Profiler genannt) liefert in einem zylindrischen Volumen über einen Bereich von 30 mm 3D-Geschwindigkeiten mit einer Auflösung von bis zu 1 mm und einer Abtastrate von bis zu 100 Hz (Nortek 2018). Vectrino Profiler haben vier Empfängerarme. Jedes Paar, bestehend aus zwei gegenüberliegenden Empfängern, misst die horizontale und die vertikale Geschwindigkeitskomponente. Die Horizontalkomponente ist einmal die Hauptfließrichtung u und einmal die Querströmung v. Für die Vertikalkomponente w gibt es demnach zwei unabhängige Messungen w1 und w2 (Nortek 2018). Die Ähnlichkeit der beiden Messungen w1 und w2 ist u. a. auch ein Maß für die Qualität der Messung.
Der Profiler ist besonders geeignet für langsame, schnell variierende Strömungen sowie in Grenzschichten und Scherzonen (Nortek 2018).
In Abb. 2 ist der Versuchsaufbau für den Maßstab 1:5 dargestellt. Im Grundriss sind die gemessenen Querprofile mit den Messlotrechten dargestellt. Das Referenzprofil 8 wird für die Auswertung herangezogen. Anders als bei der ADCP-Sonde der 1:1-Versuche müssen für die Erfassung einer Messlotrechte mit dem Vectrino Profiler mehrere vertikale Positionen im Abstand von 3 cm angefahren und gemessen werden. Da das 30 mm Messvolumen in 40 mm Abstand der Sonde beginnt, war die unterste Position des Vectrino Profilers 80 mm über der Sohle, womit der unterste gemessene Wert 10 mm über der Sohle lag. Die vier vertikalen Messpositionen sind im Längenschnitt in Abb. 2 unten dargestellt.

3 Auswertemethoden

Für beide Versuche der Modellfamilie liegen die gemessenen Geschwindigkeiten in drei Komponenten und zeitaufgelöst vor. Die Variablen u, v und w bezeichnen die zeitlich gemittelten Komponenten in Hauptfließrichtung, Querrichtung und Vertikalrichtung. Zieht man von den Momentangeschwindigkeiten den zeitlichen Mittelwert ab, erhält man die Geschwindigkeitsfluktuationen u′, v′ und w′. Berechnet man die Standardabweichungen der Fluktuationen jeder Komponente, so haben diese ebenfalls die Einheit (m/s). Sie werden mit std (u′), std (v′) bzw. std (w′) bezeichnet. Quadriert man die Standardabweichungen, ist dies ein Maß für die kinetische Energie, die in der turbulenten Strömung steckt. Die turbulente kinetische Energie (TKE) bezogen auf die Masseneinheit berechnet sich demnach wie folgt:
$$TKE=k=\frac{1}{2}\left(\mathrm{std}\left(u'\right)^{2}+\mathrm{std}\left(v'\right)^{2}+\mathrm{std}\left(w'\right)^{2}\right)$$
TKE besitzt die Einheit (m2/s2). Statt TKE verwendet man auch häufig die Variable k.
Um die zeitlich gemittelten Geschwindigkeiten und TKE in der Modellfamilie vergleichen zu können, werden diese geeignet normiert, d. h. dimensionslos gemacht. Die zeitlich gemittelten Geschwindigkeiten werden mit der querschnittsgemittelten Hauptfließgeschwindigkeit U im Referenzprofil normiert. U wird mithilfe der Kontinuitätsbedingung für stationäre Strömungen berechnet als Q/A. Die turbulente kinetische Energie wird üblicherweise mit dem Quadrat der Schubspannungsgeschwindigkeit \({u}_{*}^{2}=gR_{h}I_{E}\) normiert, wobei gilt:
$$u_{*}=\sqrt{\frac{\tau }{\rho }}\mathrm{mit}\tau =\sqrt{\rho gR_{h}I_{E}}$$
Dabei bezeichnen τ und IE die Sohlschubspannung und das Energieliniengefälle.
Betrachtet man nun die querschnittsgemittelten Hauptfließgeschwindigkeiten UN im Maßstab 1:1 und UM im Maßstab 1:5, so folgt aus der geforderten Froude-Ähnlichkeit, dass
$$\frac{U_{N}}{U_{M}}=\sqrt{L}$$
Die Geschwindigkeiten im verkleinerten Modell sind also um den Faktor \(\sqrt{L}\) kleiner als im 1:1-Maßstab. Die normierten Geschwindigkeiten sollten im Maßstab 1:1 und 1:5 übereinstimmen. TKE hat als Einheit das Quadrat der Geschwindigkeit. Die turbulente kinetische Energie TKEM ist im verkleinerten Modell um den Faktor L kleiner als TKEN. Die normierten TKE-Werte in Natur und Modell sollten gleich sein.

4 Ergebnisse und Diskussion

Die Ergebnisse werden für beide Versuche der Modellfamilie im Referenzprofil (vgl. Abb. 3 oben) als Konturplot dargestellt. Es werden die normierten zeitlich gemittelten Geschwindigkeiten sowie die normierten Werte der turbulenten kinetischen Energie dargestellt.
In Abb. 4 sind die normierten, zeitlich gemittelten Fließgeschwindigkeiten u/U im Referenzprofil in den Maßstäben 1:5 und 1:1 dargestellt. Die laterale Stationierung y ist mit der Gerinnebreite W normiert, die vertikale Stationierung z mit der Wassertiefe H. Die Geschwindigkeitsmessungen der 1:5-Versuche reichen deutlich näher an die Sohle und den rechten Gerinnerand als die 1:1-Versuche, dafür liegen letztere bis nahe an den Wasserspiegel vor.
Es zeigt sich eine gute Übereinstimmung der beiden Maßstäbe. Erwartungsgemäß ist hinter der Buhne im Bereich z/H < 0,4 und y/W < 0,33 eine stark strömungsberuhigte Zone mit Geschwindigkeiten nahe 0 und teilweise auch mit negativen Geschwindigkeiten. Im Hauptstrom ab y/W > 0,5 werden die größten Geschwindigkeiten erreicht, die im Bereich der 1,5-fachen querschnittsgemittelten Geschwindigkeit U liegen. Im sohlnahen Bereich von y/W > 0,7 sind die Geschwindigkeiten bei 1:1 höher als bei 1:5. Eine Erklärung hierfür ist, dass die Zuströmbedingungen durch die Kurvenströmung nicht ganz ideal sind. Diese werden zwar durch den Einsatz der Strömungsbrecher so gut wie möglich reduziert, können jedoch nicht gänzlich ausgeschaltet werden. Insgesamt ist die Übereinstimmung der normierten Geschwindigkeitsprofile in einem guten Maß gegeben.
In Abb. 5 ist die normierte turbulente kinetische Energie für die Maßstäbe 1:5 (a) und 1:1 (b) dargestellt. Die laterale Stationierung y ist mit der Gerinnebreite W normiert, die vertikale Stationierung z mit der Wassertiefe H. Hier zeigen sich in den Maßstäben qualitative Unterschiede. Beim 1:1-Versuch ist TKE im Hauptstrom deutlich niedriger als im Buhnenfeld. Beim 1:5-Versuch ist TKE im Hauptstrom ebenfalls niedrig. Dies gilt jedoch auch für das Buhnenfeld für z/H < 0,5. Dies ist ein qualitativer Unterschied zum 1:1-Versuch, wo über die gesamte Höhe des Buhnenfelds TKE gegenüber dem Hauptstrom deutlich erhöht ist.
Im Bereich hinter der Buhne ist TKE im Bereich 0,5 < z/H < 0,7 durch Strömungsablösungen am Buhnenkopf und am Buhnenrücken naturgemäß am größten. Dies ist bei beiden Maßstäben zu beobachten. Die höchsten gemessenen Werte für TKE treten beim 1:5-Versuch jedoch rechts neben dem Buhnenkopf bei y/W = 0,4 auf. Vergleicht man die Werte von TKE unter den Maßstäben, die ja aufgrund der Normierung übereinstimmen sollten, ergeben sich durchwegs höhere Werte für den 1:1-Maßstab. Besonders groß ist der Unterschied hinter der Buhne für den Bereich z/H < 0,4. Hier ist TKE beim 1:1-Versuch um den Faktor 3 bis 8,3 höher als beim 1:5-Versuch. Die Unterschiede sind demnach ein starkes Indiz für einen Skalierungseffekt, der seine Ursache in den unterschiedlichen Reynolds-Zahlen haben könnte.
Die wenigen verfügbaren Studien berichten übereinstimmend, dass die normierten, zeitlich gemittelten Fließgeschwindigkeiten skaleninvariant sind und über die Maßstäbe hinweg eine gute bis sehr gute Übereinstimmung aufweisen (Sindelar et al. 2019; Clark 2021; Glas et al. 2024, in diesem Heft; Tartandyo et al. 2023). Die hier vorgestellte Studie ist konsistent mit diesem Ergebnis. Die Indizien auf Skaleneffekte dieser Studie zeigen sich im Turbulenzparameter TKE, in Übereinstimmung mit (Sindelar et al. 2019; Clark 2021; Glas et al. 2024, in diesem Heft). In einer weiteren Studie werden Skalierungseffekte in der Wirbelstärke nachgewiesen (Tartandyo et al. 2023).

5 Schlussfolgerungen und Ausblick

In diesem Beitrag wurden Skalierungseffekte in einer Buhnenstrecke anhand einer Modellfamilie im Maßstab 1:1 und 1:5 untersucht. Die Versuche fanden im Rahmen des EU-Projekts SEDDON II als systematische Studie über die Auswirkung der Buhnenparameter Inklinationswinkel und Buhnenhöhe auf Strömungs- und Turbulenzcharakteristika statt. Die Modellfamilie wurde für eine Buhnenvariante mit vier linksufrig angeordneten, deklinanten Buhnen durchgeführt. Die Buhnen waren leicht überströmt. Ein und dieselbe Versuchsanordnung wurde einmal als 1:1-Versuch und einmal im Maßstab 1:5 getestet. Während die Froude-Zahlen in den beiden Maßstäben identisch waren, unterschieden sich die Reynolds-Zahlen um den Faktor L3/2 = 11,2, womit Reynolds-abhängige Prozesse im Maßstab 1:5 nicht korrekt abgebildet wurden. In einem Referenz-Querprofil flussab der zweiten Buhne wurden in 17 Messlotrechten 3D-Geschwindigkeiten und ihre Fluktuationen erfasst. Die normierten, zeitlich gemittelten Geschwindigkeiten in Hauptfließrichtung sowie die normierte turbulente kinetische Energie wurden für beide Maßstäbe verglichen. Während sich in den zeitlich gemittelten Geschwindigkeiten eine gute Übereinstimmung zeigte, war dies für TKE nicht der Fall. TKE war im 1:1-Versuch über weite Strecken größer als im 1:5-Versuch, was ein starkes Indiz für einen Skalierungseffekt aufgrund der unterschiedlichen Reynolds-Zahlen ist. Dieses Ergebnis ist konsistent mit früheren Forschungsarbeiten am Institut für Wasserbau, Hydraulik und Fließgewässerforschung (IWA), aber auch mit einer aktuellen internationalen Studie, die unabhängig vom IWA entstand.
Die Ergebnisse belegen einmal mehr die große Bedeutung von 1:1-Versuchen. Dies liegt einerseits daran, dass bestimmte „Körper“ nicht skaliert werden können, deren Interaktion mit der Strömung untersucht werden soll. Dazu gehören bspw. Vegetation, Fische oder Menschen. Ebenso ist es in einem verkleinerten Modell nicht möglich, die gesamte Bandbreite heterogener Sedimente eines Flusses zu modellieren. Dies ist nur im 1:1-Versuch möglich. Die in diesem Beitrag vorgestellten Buhnenversuche eignen sich wie viele andere Fragestellungen des Wasserbaus und des Flussbaus prinzipiell für eine Skalierung. Es ist jedoch wichtig, sich möglicher Grenzen dieser Modelle bewusst zu sein. Aussagen über turbulente Vorgänge oder die Ermittlung von Widerstandsbeiwerten sind im verkleinerten Modell potenziell fehlerbehaftet. Das neue BOKU-Wasserbaulabor bietet einzigartige Möglichkeiten, bewährte skalierte Modelle mit (nahe) 1:1-Versuchen zu kombinieren, um noch nicht vollständig verstandene Prozesse in Fließgewässern adäquat beschreiben zu können. Die Vision ist, in den nächsten Jahrzehnten auf Basis exzellenter Grundlagen- and angewandter Forschung Antworten auf zentrale Fragen der Fließgewässerforschung, wie bspw. klimawandelbedingte Hochwasser- und Dürreereignisse, Stauraumverlandung oder morphologische Entwicklungen bei Renaturierungsmaßnahmen, zu liefern.

Danksagung

Die präsentierten Forschungsergebnisse wurden von der Europäischen Union kofinanziert (SEDDON II –Interreg V‑A Österreich – Ungarn). Die finanzielle Unterstützung durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) wird dankend anerkannt. Weiters danken wir für die finanzielle Unterstützung durch das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft und die Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung. Dank gebührt außerdem Silvia Heufler, Ulisse Viezzoli und Julia Sandberger sowie den Werkstätten des Wasserbaulabors.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
Zurück zum Zitat Clark, A. (2021): Reynolds-basierte Skalierungsfehler über Kiessohlen. Masterarbeit an der Universität für Bodenkultur Wien. Clark, A. (2021): Reynolds-basierte Skalierungsfehler über Kiessohlen. Masterarbeit an der Universität für Bodenkultur Wien.
Zurück zum Zitat Glas, M., Tritthart, M., Pessenlehner, S., Sindelar, C., Buchinger, M., Baranya, S., Haimann, M., Habersack, H. (2024): Numerische Untersuchung von Skaleneffekten auf die Hydrodynamik in einem Buhnenexperiment, Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft, 76(3–4), in diesem Heft Glas, M., Tritthart, M., Pessenlehner, S., Sindelar, C., Buchinger, M., Baranya, S., Haimann, M., Habersack, H. (2024): Numerische Untersuchung von Skaleneffekten auf die Hydrodynamik in einem Buhnenexperiment, Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft, 76(3–4), in diesem Heft
Zurück zum Zitat Habersack, H. Pessenlehner, S., Sindelar, C., Lichtneger, P., Buchinger, M. Schobesberger, J., Glas, M., Tritthart, M., Haimann, M., Baranya, S., Török, G. (2022): D.T1.3.2 Physical modelling activities within the SEDDON II project – EN. Project report. EU Interreg SEDDON II (AT HU10). Habersack, H. Pessenlehner, S., Sindelar, C., Lichtneger, P., Buchinger, M. Schobesberger, J., Glas, M., Tritthart, M., Haimann, M., Baranya, S., Török, G. (2022): D.T1.3.2 Physical modelling activities within the SEDDON II project – EN. Project report. EU Interreg SEDDON II (AT HU10).
Zurück zum Zitat Nortek (2018): The Comprehensive Manual for Velocimeters. 119. Nortek (2018): The Comprehensive Manual for Velocimeters. 119.
Zurück zum Zitat Sindelar, C. (2022): Secondary Currents and Coherent Structures in Natural River Systems and Engineering Applications. Habilitation at the University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna. Sindelar, C. (2022): Secondary Currents and Coherent Structures in Natural River Systems and Engineering Applications. Habilitation at the University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna.
Metadaten
Titel
Skalierungseffekte in einer Fließstrecke mit deklinanten Buhnen in Modellversuchen mit den Maßstäben 1:1 und 1:5
verfasst von
PD DI Mag. Dr. Christine Sindelar
DI Dr. Petr Lichtneger
DI Matthias Buchinger
DI Dominik Worf
DI Sebastian Pessenlehner, Bakk.
Univ.-Prof. DI. Dr. Dr. h.c. Helmut Habersack
Publikationsdatum
02.02.2024
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft / Ausgabe 3-4/2024
Print ISSN: 0945-358X
Elektronische ISSN: 1613-7566
DOI
https://doi.org/10.1007/s00506-024-01026-7

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