2002 | OriginalPaper | Buchkapitel
Soziale Gerechtigkeit
verfasst von : Bernd Wegener
Erschienen in: Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Enthalten in: Professional Book Archive
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Gerechtigkeit (G.) gilt als zentraler moralischer Maßstab des sozialen Lebens (Cohen 1986), weswegen insbesondere die Sozialwissenschaften sich des Themas annehmen. Selbstverständlich erheben auch andere Disziplinen — Philosophie, Theologie und Jurisprudenz — in jeweils langen, Jahrhunderte zurückreichenden Traditionen Anspruch auf die Klärung des Begriffs, aber erst in jüngerer Zeit — ausgelöst durch Rawls‘A Theory of Justice (1972) — kommt es zwischen den verschiedenen „G.-Wissenschaften“zu einem interdisziplinären Diskurs (Müller/Wegener 1995). Man unterscheidet üblicherweise zwischen formaler G. (vornehmlich bezogen auf das Recht) und materialer G. (in Moral und Politik), aber in neueren G.-Theorien wird argumentiert, daß beide Konzepte ineinander übergehen, da rechtliche Zuweisungen von Bestrafungen nicht weniger Fragen der Verteilungs-G. aufwerfen als die auf moralischer oder politischer Stufe. In beiden Fällen geht es 1. um die Zuweisung von knappen Gütern (oder Bürden), 2. um Unparteilichkeit und 3. die Angemessenheit von Verteilungsprinzipien. Der aristotelischen Begrifflichkeit folgend wird auch von retributiver im Gegensatz zur sozialen (oder distributiven) G. gesprochen, womit gemeint ist, daß derjenige, der sich vergeht, bestraft werden muß allein wegen der Verwerflichkeit der Tat, nicht weil Bestrafung abschreckend wirkt oder andere vorteilhafte soziale Konsequenzen hat.