Unter den derzeit gebeutelten Abnehmerindustrien für Werkzeugmaschinen verspricht die Medizintechnik noch Wachstum. VDMA und Fraunhofer IWU warnen jedoch vor einem überstürzten Einstieg.
In Zeiten von Brexit, Handelskonflikten und Corona-Pandemie entwickelt sich die Medizintechnik entgegen des allgemeinen Trends positiv. So berichtet der Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) von einer anhaltend hohen Innovationsfreudigkeit und Investitionsbereitschaft sowie einer selbst in Corona-Zeiten zuverlässig steigenden Nachfrage. Entsprechend rechnen sich Hersteller von Werkzeugmaschinen Umsatzmöglichkeiten in der Medizintechnik aus, denn für die Fertigung von Implantaten, chirurgischen Instrumenten oder Prothesen bleibt die Zerspanung auch künftig elementar, wie Christian Rotsch, Leiter der Abteilung Medizintechnik beim Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU), weiß. Ein großes Nachfragepotenzial und damit gute Chancen für KMU sieht Rotsch für Speziallösungen und Sondermaschinen etwa im Bereich der Mikro- und Endbearbeitung sowie bei kompletten robotergestützten Prozessketten. Neue Impulse sieht er zudem durch Verfahren der additiven Fertigung, sofern die Nachbearbeitung automatisiert werden kann, und im Trend von Massen- zu Individualprodukten.
Wirtschaftlicher Erfolg frühestens nach zwei Jahren
Trotzdem warnt der Wissenschaftler vor einem überstürzten Einstieg in die Medizintechnik und begründet dies mit der sehr hohen Reglementierung der Branche, die mit der neuen europäischen Medizinprodukteverordnung noch einmal gesteigert werde. Werkzeugmaschinen müssten entsprechend ein Höchstmaß an Präzision und Zuverlässigkeit bieten und strengsten Maßstäben der Qualitätssicherung genügen. Eine Zertifizierung nach ISO 9001 sei für den Einstieg in die Medizintechnik nur die Grundvoraussetzung. Trotzdem könne sich der Einstieg lohnen. Auch Niklas Kuczaty, Geschäftsführer der VDMA-Arbeitsgemeinschaft Medizintechnik, ist von den Wachstumsaussichten der Branche überzeugt, auch wenn sie nicht das Volumen der Automobilbranche erreichen werde. Dafür sei die Medizintechnik aber deutlich weniger konjunkturabhängig. Unternehmen, die sich für den Einstieg entscheiden, müssten jedoch davon ausgehen, dass sie mindestens zwei bis drei Jahre investieren müssen, bevor sich ein Erfolg einstellt.