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06.10.2015 | Automobilelektronik + Software | Schwerpunkt | Online-Artikel

Der lange Weg zu mehr Spannung

verfasst von: Stefan Schlott

3:30 Min. Lesedauer

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Schon über 20 Jahre arbeitet die Fahrzeugindustrie an einer Steigerung der Bordnetzspannung, um der zunehmenden Elektrifizierung von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Die Beschäftigung mit hybriden Antriebstechniken bringt nun neuen Schwung in das Thema.

Der elektrische Leistungsbedarf der Fahrzeuge steigt seit Jahren unaufhaltsam an. Insbesondere Pulslasten wie eine elektrische Lenkunterstützung oder der Anlassvorgang selbst mit Startströmen bis zu 1100 A bringen das 12-V- Bordnetz an den Rand des Kollabierens. Bereits im Jahr 2000 warnte der damalige BMW-Entwicklungsvorstand Dr. Burkhard Göschel: "In den letzten 30 Jahren sind die Generatorleistungen um fast 500 Prozent und die Kapazitäten der Bordbatterie um fast 200 Prozent gestiegen."

Mit gutem Grund: Heizbare Heckscheibe, Türschließsysteme, Sitzverstellung, Scheibenheber, Schiebedach, ABS oder elektronische Motor- und Getriebesteuerung sind selbst in schlechter ausgestatteten Automodellen längst zum Standard geworden und haben den Stromverbrauch in die Höhe getrieben.

Vervielfachter Strombedarf

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Und dabei wird es nicht bleiben. "Wir gehen davon aus, dass sich der Strombedarf in den nächsten Jahren nochmals mindestens verdoppeln wird", schätzte Göschel damals. Als Ursache dafür nannte er die angekündigten X-by-wire-Techniken ebenso, wie Multimediaanwendungen oder die Klimatisierung von Fahrzeugen im Stand.

Herkömmliche Stromversorgungssysteme geraten bei derlei Anforderungen schnell an ihre Grenzen. Immer größere Generatoren zur Stromerzeugung oder immer aufwendigere mechanische Riemenantriebe für Nebenaggregate belasten zudem den Wirkungsgrad des Gesamtsystems Automobil.

Das 42-V-Bordnetz verlief im Sande

Der bereits früher vollzogene Wechsel von der 6-V-Bordnetzspannung auf das 12-V-Bordnetz war im Wesentlichen im gesteigerten Leistungsbedarf der angeschlossenen Verbraucher begründet. Entsprechend rüstete sich die Branche in den späten 90er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf den nächsten Schritt, ein 42-V-Bordnetz, und leistete die Basisarbeiten dazu.

So beleuchtete Karsten Ehlers in seinem Artikel "Das 42-V-Bordnetz mit Energie-Management in der Matrixarchitektur des elektrischen Systems im Automobil" aus der ATZ 6-2001 zahlreiche Details dieser neuen Technik. Doch die Initiative der Branche zur Einführung des 42-V-Bordnetzsystems verlief damals im Sande. Zu hohe Kosten und eine wenig geeignete Batterietechnik waren nur zwei der Gründe dafür.

Neuer Schub durch Hybidantriebe

Neuen Schub in Bordnetze mit höherer Betriebsspannung bringt nun die Auseinandersetzung mit hybriden Antriebssträngen. Im Kapitel "Die neue Spannungsebene 48 V im Kraftfahrzeug" aus dem Buch Energieeffiziente Antriebstechnologien beschreiben die Springer-Autoren Historie und Rahmenbedingungen der Technik und kommen zu dem Schluss, dass eine 48-V-E-Maschine weitere Möglichkeiten zur CO2-Einsparung ermögliche, da sie sowohl im generatorischen als auch im motorischen Betrieb den Lastpunkt des Verbrennungsmotors in einen günstigeren Betriebspunkt verschieben könne.

Die Industrie hat das Thema bereits erkannt und besetzt. Schaeffler zum Beispiel erprobt und demonstriert die Leistungsfähigkeit der 48-V-Hybridisierung mittlerweile mit einer Reihe von Konzeptfahrzeugen. So verfügt das gemeinsam mit Ford und Continental realisierte Gasoline Technology Car (GTC) ebenso über eine 48-V-Architektur, wie auch das 2015 auf der Detroit Motor Show (NAIAS) vorgestellte Schaeffler Efficient Future Mobility North America, mit dem das Unternehmen darstellt, wie sich bereits heute mit einem Mid-Size-SUV die für 2025 definierten gesetzlichen Verbrauchsvorgaben in Nordamerika erreichen lassen. Ein weiterer Technologieträger ist das auf Basis eines Audi TT realisierte Schaeffler-Konzeptfahrzeug namens Schaeffler System 48 V.

Auch Bosch hat einen 48-V-Hybrid angekündigt. Statt eines großen Elektromotors wird die Lichtmaschine auf die vierfache Leistung aufgerüstet. Der Motor/Generator unterstützt den Verbrennungsmotor dann über einen Riemen mit bis zu 10 kW. Die Leistungselektronik ist das Bindeglied zwischen der zusätzlichen Niedervolt-Batterie und dem Motor/Generator. Ein DC/DC-Wandler versorgt das 12-V-Bordnetz des Fahrzeugs aus dem 48-V-Bordnetz. Die neu entwickelte Lithium-Ionen-Batterie fällt zudem deutlich kleiner aus.

Dreifache Bordnetztopologie

Mit der Einführung des 48-V-Bordnetzes ergibt sich im Rahmen der weiteren Elektrifizierung des Antriebsstrangs beziehungsweise mit der Durchsetzung des elektrischen Antriebsstrangs ein weiterer Bordnetztopologie-Ansatz in Form des Dreispannungsbordnetzes Hochvolt/48 V/12 V, das sich am Markt jenseits des Jahres 2020 etablieren wird. Darauf weist Marc Nalbach von Hella in seinem Artikel "Bordnetztopologie - Weichenstellung für 2025" im ATZelektronik-Sonderheft 7-2015 hin. Nalbach kommt zu dem Schluss: "Wenn entsprechende Aktuatorik und Verbraucher sinnvoll auf 48 V ausgelegt werden, wirkt sich die Einführung einer 48-V-Spannungsebene positiv für die Reichweite des rein elektrischen Fahrens aus. Dadurch steigt die Berechtigung für den Dreispannungsbordnetzansatz."

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