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16.02.2015 | Bodenschutz | Interview | Online-Artikel

Lebensgrundlage Boden – eine vernachlässigte Ressource?

verfasst von: Günter Knackfuß

6 Min. Lesedauer

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Böden sind Grundlage unserer Ernährung, sorgen für sauberes Grundwasser und sind gigantische Kohlenstoffspeicher. Wir sprachen mit Knut Ehlers über das fehlende Bewusstsein für Bodenschutz und die Perspektiven.

Die Vereinten Nationen haben 2015 zum "Internationalen Jahr des Bodens" erklärt. Der Boden des Jahres in Deutschland ist der meist bewaldete Stauwasserboden.

Springer für Professionals: Im Bewusstsein der Bevölkerung hat der Bodenschutz nur einen unbedeutenden Stellenwert. Das Umweltbundesamt möchte das jetzt verändern…

Knut Ehlers: Nicht erst jetzt, sondern wir arbeiten bereits seit Jahren dran. Wir bohren da allerdings ein recht dickes Brett, denn Boden ist im Gegensatz zum Thema Artenschutz, wo sie beispielsweise mit Bildern von Pandabären an die Öffentlichkeit gehen können schwer emotionalisierbar. Auch kommen wir im Alltag in der Regel nicht unmittelbar mit dem Thema Boden in Berührung. Hier haben es Themen wie Luftverschmutzung oder Wasserqualität einfacher, denn beides nutzt jeder Mensch jeden Tag unmittelbar. Gleichwohl ist das Thema Klimawandel trotz seines hohen Abstraktionsgrades heute sehr gut im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen. Auch komplexe, langfristige Umweltzusammenhänge kann man also an Mann und Frau bringen. Das sollte uns "Bodenleuten" Hoffnung geben.

Das Jahr des Bodens 2015 ist sicherlich eine Steilvorlage, die es nun zu nutzen gilt um das Thema Boden in Gesellschaft und Politik stärker zu verankern. Dabei ist es wichtig, dass die diversen Aktivitäten, die zum Bodenthema 2015 stattfinden, publik gemacht und gut miteinander vernetzt werden. Der Bodenkalender des Umweltbundesamtes beispielsweise hat genau dies zum Ziel.

Welche Gefährdungen belasten die Böden in Deutschland?

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Deutschland ist im internationalen Vergleich dicht besiedelt. Daher ist bei uns die Bodenversiegelung besonders relevant. Im mehrjährigen Schnitt beträgt der Flächenverbrauch, also die Umwidmung land- und forstwirtschaftlicher Flächen in Siedlungs- und Verkehrsfläche, in Deutschland derzeit 73 ha pro Tag. Etwa die Hälfte davon wird versiegelt.

Hinzu kommen Formen der Bodendegradation die insbesondere auf eine nicht nachhaltige landwirtschaftliche Nutzung zurückzuführen sind. Dazu zählen insbesondere die Bodenerosion, Bodenverdichtung und der Humusabbau. Letzterer findet insbesondere dann statt, wenn wir die Nutzungsart in Richtung einer Intensivierung der Nutzung, also von Wald zu Grünland und von Grünland zu Acker verändern. In den letzten 20 Jahren hat die Grünlandfläche in Deutschland stetig abgenommen, während die Ackerfläche gleich geblieben ist. Die bisherigen Bemühungen zum Grünlanderhalt z.B. über die Cross-Compliance Regelungen waren also nicht ausreichend. Es ist zu hoffen, dass sich dies mit der ab 2015 geltenden Regelung zum Erhalt von Dauergrünland im Rahmen der EU-Agrarpolitik ändert.

Belastungen für die Böden entstehen auch nach wie vor durch Bodenkontamination. Über eine Phosphordüngung können sich beispielsweise nach wie vor Böden mit Cadmium und Uran anreichern und auch die langfristige Verwendung von Kupfer in der Landwirtschaft als Fungizid ist problematisch.

Wie sehen sie diesbezüglich die globale Dimension?

Die Datenlage lässt auf globaler Ebene nur sehr grobe Schätzungen zu, doch müssen wir davon ausgehen, dass weltweit 20-25% aller Böden degradiert sind, also ihre Fähigkeit Ökosystemleistungen zu erbringen zumindest teilweise eingebüßt haben. Pro Jahr kommen 5 – 10 Mio. Hektar hinzu.

Flächenmäßig sind insbesondere die Wind- und Wassererosion relevant, die unter anderem durch Waldrodung und Überweidung begünstigt wird.

Auf globaler Ebene kommen auch noch Prozesse hinzu, die bei uns kaum eine Rolle spielen wie beispielsweise die Versalzung durch falsche Bewässerung oder die Nährstoffverarmung durch unzureichende Düngung.

Der Blick durch die globale Brille macht Eines deutlich: Wir verbrauchen Boden anstatt ihn nachhaltig zu nutzen. Und das, obwohl wir die Böden in Zukunft noch dringender benötigen werden als heute, denn die globalen Konsumansprüche und die Weltbevölkerung wachsen. Das diese Rechnung auf Dauer nicht aufgehen kann ist offensichtlich. Die Folgen werden irgendwann uns alle treffen und nicht an Ländergrenzen halt machen. Dennoch bin ich nicht pessimistisch – wir können gegensteuern, denn wir haben das Wissen und die Mittel dazu. Die Frage ist, wann wir uns entscheiden auf globaler Ebene durch einen koordinierten und engagierten Ansatz aktiv zu werden. Je eher wir das tun desto besser, denn auch im Bodenschutz gilt in der Regel, dass die Vorsorge günstiger ist als die Nachsorge.    

 

Und wie muss man die europäische Perspektive für den Schutz der Böden bewerten?

Nachdem der Vorschlag für eine Bodenrahmenrichtlinie nach acht Jahren fruchtloser Diskussionen von der EU-Kommission zurückgezogen wurde, ist die europäische Perspektive sehr durchwachsen. Die EU-Kommission hatte ja bei der Rücknahme der Bodenrahmenrichtlinie betont, dem Bodenschutz weiter verpflichtet zu bleiben und Maßnahmen diesbezüglich zu prüfen. Ob und wie die neue EU-Kommission diesen Prozess angeht bleibt abzuwarten. Die Bundesregierung hat bereits zugesagt, sich an einer Diskussion über alternative Instrumente zum europäischen Bodenschutz konstruktiv zu beteiligen. Ich hoffe, dass diesbezüglich bald wieder ein ernst zu nehmender Dialog entsteht, denn es wird zunehmend schwierig aus einer deutschen Position heraus auf die Bedeutung eines globalen Bodenschutzes hinzuweisen während Deutschland auf der europäischen Ebene bremst.

Deutschland benennt zum Tag des Bodens jährlich einen schützenswerten Boden. In diesem Jahr ist es der Pseudogley. Welche Bedeutung hat dies?

Die Idee jährlich einen Boden des Jahres zu küren ist insbesondere für die Öffentlichkeitsarbeit sinnvoll, denn so kann kommuniziert werden, dass Boden eben nicht gleich Boden ist. Die große Vielfalt an Böden trägt zu unserem ökologischen Reichtum bei. Es sind eben nicht nur die Hochertragsböden schützenswert sondern auch jene, die aus rein landwirtschaftlicher Sicht suboptimal sind – wie beispielsweise der Pseudogley. Das Beispiel Pseudogley macht auch deutlich, wie eng vernetzt der Bodenschutz mit Aspekten des Landschaftswasserhaushalts ist.

Welche öffentlichen und wissenschaftlichen Aktivitäten werden das Internationale Jahr des Bodens bestimmen?

2015 kommt sicherlich den Verhandlungen zu den globalen Nachhaltigkeitszielen (englisch: Sustainable Development Goals; SDGs) eine zentrale Bedeutung zu. Dieses Set an global vereinbarter Ziele wird für den Zeitraum von 2016 – 2030 quasi definieren, wann eine Entwicklung als nachhaltig angesehen werden kann und wann nicht. Aus meiner Sicht ist es unerlässlich, dass hier auch der Bodenschutz adressiert wird und wir haben uns seit der Rio+20 Konferenz 2012 kontinuierlich dafür eingesetzt. Auch die Bundesregierung verfolgt dieses Ziel. Die endgültigen Verhandlungen werden voraussichtlich bis September 2015 an den Vereinten Nationen in New York laufen. Bisher bin ich eingeschränkt optimistisch, dass die SDGs auch den Bodenschutz auf globaler, regionaler und nationaler Ebene voranbringen können, denn die globalen Ziele werden sich anschließend in den nationalen Politiken wiederspiegeln. Bis dies tatsächlich geschieht, liegt aber noch ein gutes Stück Überzeugungsarbeit vor uns und es besteht auch die Gefahr, dass Bodenschutzaspekte am Ende bei den SDG-Verhandlungen ganz hinten runterfallen. Deswegen ist es wichtig, 2015 deutlich zu machen, dass Bodenschutz eben nicht nur dem Boden dient, sondern vielmehr der Ernährungssicherung und dem Schutz von Wasser, Klima und Artenvielfalt.

Das Interview führte Günter Knackfuß, freier Autor, für Springer für Professionals.

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