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20.02.2013 | Fahrzeugtechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Ökobilanz: Wann macht der Einsatz von Elektroautos Sinn?

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4:30 Min. Lesedauer

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Bei der Auseinandersetzung mit alternativen Antriebssystemen sind nicht nur rein technische Fragen zu klären, sondern auch Fragen nach der Umweltbilanz. Ein Elektroauto muss eine echte Alternative zum konventionell betriebenen Fahrzeug sein – und zwar in ökologischer als auch ökonomischer Hinsicht. Hier setzt die Ökobilanz und darauf aufbauend die ganzheitliche Bilanzierung an.

Wie sinnvoll ist ein Elektroauto? Ist die Herstellung der Batteriesysteme für ihren Antrieb umweltfreundlicher als das Tanken mit fossilen Kraftstoffen? Erfüllen Elektroautos künftig die Bedürfnisse der Menschen nach nachhaltiger und frei verfügbarerer Mobilität? Mit diesen Fragen, die die Nachhaltigkeit von technischen Entwicklungen betreffen, beschäftigt sich die Automobilbranche immer intensiver. Auch für Michael Held sind diese Fragen Basis seiner täglichen Arbeit. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe „Energie und Mobilität“ am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP). Sein Forschungsgebiet ist die Ökobilanzierung, genauer die Ökobilanzierung von Energie- und Mobilitätssystemen.

Die Ökobilanz sei eine systematische Analyse aller Umweltwirkungen eines Produkts, Verfahrens oder einer Dienstleistung entlang des gesamten Lebensweges. "Dabei soll sie den wirtschaftlichen und technischen Aspekt nicht ausblenden oder gar ersetzen", erklärt Held. Denn die wesentliche Frage sei immer die nach der Sinnhaftigkeit. In diesem Fall müssen die Wissenschaftler erforschen, in wie weit sich die Umweltbilanz des Fahrzeuglebenszyklus durch den Einsatz der alternativen Antriebskomponenten verändert. Welcher Energiemix ist zur Betankung von Elektroautos am effektivsten. Ist es zweckmäßig, Strom zu tanken, wenn dieser von konventionellen Kraftwerken (fossilen Energieträgern) erzeugt wird? Diese Fragen stehen ebenso im Mittelpunkt der Forschung wie der zu erreichende ökologische Mehrwert beim Einsatz von Elektrofahrzeugen.

Faktor Mensch

Gleichzeitig dürfe dabei aber auch nie der Faktor Mensch und seine Bedürfnisse ausgeklammert werden. "Das macht meine Arbeit immer sehr fallspezifisch", erläutert Held die Vielfalt seines Forschungsbereichs. Trotzdem könne man Trends ermitteln und somit Aussagen zu möglichen Bandbreiten und erforderlichen Rahmenbedingungen treffen. "Ein Auto hat viele Komponenten, die wir im Rahmen der Ökobilanzierung bewerten. Wir schauen uns den Fahrzeugbau, die verwendeten Materialien sowie die Art ihrer Verwendung bis hin zur Entsorgung des Autos an – also von der Wiege bis zur Bahre", so Held. Eine der verwendeten Komponenten, die den Fraunhofer-Forscher interessiert, ist die Batterie. Die Herstellung der eingesetzten High-Tech-Werkstoffe erforderten oftmals einen aufwendigen Abbau seltener Rohstoffe und eine energieintensive Verarbeitung. Das mache sich wiederum in der Ökobilanz der Elektrofahrzeuge bemerkbar. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten Automobilhersteller und auch ihre Zulieferer beispielsweise die Ressourcenverfügbarkeit oder die Einhaltung der Umweltrichtlinien in den abbauenden Ländern berücksichtigen. Diese Umweltbeiträge beeinflussen nämlich den Fahrzeuglebenszyklus maßgeblich. Darüber hinaus fließe auch das Recycling der Batterie, ebenso wie das der restlichen Autoteile in die Ökobilanz mit ein. "Maßgeschneiderte Lösungen tragen letztlich dazu bei, sicherzustellen, dass ein Produkt langfristig einen ökologischen Mehrwert hat", erklärt Held.

Dimensionierung des Batteriesystems

Eine Batterie, die in der Ökobilanz eines Fahrzeugs im Bereich ihrer Herstellung schwer ins Gewicht gefallen ist, könne das an anderer Stelle der Bilanz allerdings auch wieder ausgleichen. So ließe sich beispielsweise, abhängig von der Dimensionierung des Batteriesystems, die Klimabilanz der Fahrzeugherstellung im Vergleich zum konventionellen Auto verdoppeln. Verwenden die Autofahrer unter anderem einen durch erneuerbare Energien gewonnen Strommix zum Tanken und fahren vergleichsweise viele Kilometer, lassen sich diese gewichtigen Aspekte im Vergleich zum konventionellen Fahrzeug amortisieren. "Je früher dieser so genannte Break Even eintritt, desto größer ist der ökologische Mehrwert", so Held. Die Anschaffung eines Elektroautos bringe also nichts, wenn die erforderliche Fahrleistung möglicherweise nicht erreicht werden kann. Beim Thema Batterie käme derzeit allerdings auch noch ein anderes Problem hinzu, und zwar die Reichweite. Elektrofahrzeuge von heute sind in diesem Bereich immer noch kaum mit konventionellen Autos vergleichbar. Gleichzeitig nimmt die Ladung der Batterien bisher deutlich mehr Zeit in Anspruch als ein normaler Tankvorgang. "Autofahrer wünschen sich eine hohe Reichweite, selbst wenn das eigentlich nur ein psychologischer Faktor ist." Die meisten, so der Wissenschaftler, würden pro Tag nämlich durchschnittlich nur maximal 50 Kilometer mit dem Auto zurücklegen. Eine Distanz, die auch ein Elektroauto locker schafft. Somit biete sich ihr Einsatz vor allem im Stadtverkehr an. Hier könnten sie einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von städtischen Emissionen sowie zur Lärmminderung leisten.

Stärkere Vernetzung der Verkehrsmittel

"Viele Menschen denken, dass die Elektromobilität die konventionelle Mobilität auf lange Sicht ablösen wird. Dieser Meinung bin ich nicht", erklärt Held. "Vielmehr muss sich eine stärkere Vernetzung der Verkehrsmittel ergeben, in deren Rahmen sich Elektro- sowie konventionelle Mobilität dort ergänzen, wo es Sinn macht." Und genau aus diesem Grund sei die Ökobilanzierung als Teil der Nachhaltigkeitsbewertung ein bedeutender Faktor. "Aus unseren bisherigen Erkenntnissen heraus werden wir uns jetzt damit auseinandersetzen müssen, wie die Akzeptanz von Elektroautos im Privatgebrauch oder im öffentlichen Nahverkehr in Städten gesteigert werden kann. Und schließlich müssen wir Mittel und Wege finden, diese Konzepte von der Stadt auf den ländlichen Raum auszuweiten."

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