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04.01.2023 | Thermodynamik + Thermomanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Campinggas Propan in Klimaanlagen?

verfasst von: Michael Reichenbach

7:30 Min. Lesedauer

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Mit dem Blasformen werden Kühlmittelschläuche um bis zu 30 % leichter. Propan könnte CO2 als Kältemittel in Klimaanlagen ablösen. Dafür untersucht TI Fluid Systems das Thermomanagement von E-Autos im neuen Innovation Center in Rastatt ganzheitlich. 

Bei Thermomanagementsystemen und Klimaanlagen für Elektro-Pkw, kurz BEVs genannt, stehen Innovationen bevor: Zum einen sind wieder einmal neue chemische Stoffe für Kältemittel (nach dem Streit vor acht Jahren über das ungeliebte R1234yf) im Gespräch, die noch umweltfreundlicher sind. Dazu zählt das schon bekannte CO2, neu für den Automobilbereich ist nun Propan. Zum anderen schreitet bei Kühlmitteln die Integration weiter voran. Es werden immer mehr Elemente zu Submodulen und Modulen zusammengefasst, die auf diese Art und Weise multiple Funktionen in sich vereinen und vormontierte Einheiten für die Endmontage beim OEM erlauben. Die Submodule bestehen zum Beispiel aus Schläuchen, Leitungen, Rohren, Anschlüssen, Halterungen, Schellen, Sensoren, Ventilen und Pumpen, die das Wasser-Glykol-Gemisch an die richtigen Stellen im Pkw verteilen. Gerade die Fahrzeuggattung BEV mit batterieelektrischem Traktionsantrieb weist mehrere komplexe thermische Kreisläufe für Kabine, Antrieb und Energiespeicher auf, die es zu beherrschen gilt. Alles ordnet sich dem Ziel unter, die Reichweite von Elektrofahrzeugen weiter zu erhöhen, um eine breitere Bevölkerungsschicht vom Kauf eines BEVs zu überzeugen. 

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Die prozesssichere Beherrschung von Rohren und Schläuchen hat sich der Zulieferer TI Fluid Systems, der im Dezember 1922 genau vor hundert Jahren von Harry Bundy in Detroit, Michigan (USA), gegründet wurde, auch in diesen Tagen genauer vorgenommen. Er strukturierte seine Entwicklungsprozesse neu und hat sie in sechs aufeinander aufbauende Schritte aufgeteilt, die auf den Kernkompetenzen des Unternehmens basieren: Sie reichen vom Virtual Engineering, Design und Processing bis zu Prototyping, Product Testing und Vehicle Testing.

Bereits im Jahr 2021 hatte der Automobilzulieferer dafür im baden-württembergischen Rastatt sein erstes E-Mobility Innovation Center (e-MIC) eröffnet. Hier entwickeln 230 Mitarbeitende aus 30 Nationen Thermomanagementtechnologien, die auf die individuellen und globalen Bedürfnisse der OEMs abgestimmt sind. "Unser e-MIC verkörpert unsere Mission, Veränderungen wohlwollend anzunehmen, strategisches Denken in den Vordergrund unserer Arbeit zu stellen und Innovationen im gesamten Unternehmen zu fördern", sagte Hans Dieltjens, Präsident und CEO bei TI Fluid Systems, bei einem Media Day im Oktober 2022 in Rastatt. Der gebürtige Belgier ist seit 1. Oktober 2021 Nachfolger von William L. Kozyra, der in den Ruhestand ging. Die enge, kollaborative Zusammenarbeit mit den Kunden sei eines der vielen Aushängeschilder des neuen Zentrums. Denn das Thermomanagement sei eigentlich essenziell, allerdings werde dies von den OEMs etwa aufgrund ihr Priorisierung und Fokussierung auf zu entwickelnde Skateboard-Architekturen oft vernachlässigt. Eine Lücke, die das e-MIC jetzt schließt. Johannes Helmich, CTO von TI Fluid Systems, fügte hinzu: "Wir können mit unserer 3-D-Simulations-Anlage die Fahrzeugdaten eines OEMs hochladen und dann die 3-D-Modelle der Thermosysteme, -module und -komponenten in einer vollelektrischen Fahrzeugarchitektur darstellen, analysieren und umgestalten. Das bedeutet, dass wir die Hardware nicht schon in den frühen Phasen des Entwicklungszyklus bauen müssen. So sparen wir unglaublich viel Zeit und arbeiten zudem besonders kosteneffizient."

Kältemittel im Wettstreit

Die richtige Temperierung wird im Automobil immer wichtiger. Jahrzehnte lang wurde das Kältemittel R134a, ein Tetrafluorethan, in fast allen Pkw weltweit eingesetzt. Mit dem steigenden Bewusstsein für den Umweltschutz änderte sich dies. Seit 2011 ist laut der EU-Richtlinie 2006/40/EG der Einsatz dieser Fluorkohlenwasserstoffe mit einem globalen Treibhauspotenzial (GWP) größer als 150 (dazu zählt auch R134a mit einem GWP-Wert von 1430) in Klimaanlagen von Pkw mit neuer Typenzulassung nicht mehr erlaubt, seit 2017 für alle neu verkauften Pkw. Daher stieg man auf das Kältemittel R1234yf um, ein Tetrafluorpropen, das eine GWP-Zahl von nur noch 4 aufweist, aber sich bei Bränden zu ätzender Flusssäure wandeln, schwere Wunden verursachen und sogar zu Atemstillstand führen kann.

Klimaneutral wäre nur das preiswerte Kältemittel R744, Kohlenstoffdioxid, weil es ein GWP von genau 1 hat. Aber bislang haben nur Mercedes (E-Klasse und S-Klasse) und BMW (i3) dieses Gas in ihren Pkw seit 2014 eingesetzt; nach einigen Jahren jedoch stellten sie diese Option wieder ein. Volkswagen nutzt CO2 als Zusatzausstattung zusammen mit einer Wärmepumpe in der Klimaanlage des Elektro-Autos ID.3 seit 2020 bis heute. Wie das Umweltbundesamt feststellt, wurde CO2 zum ersten Mal im Jahr 1850 in einem Patent des US-amerikanischen Wissenschaftlers Alexander Catlin Twinning erwähnt. In den folgenden Jahrzehnten kam Kohlendioxid unter anderem in Schiffskältemaschinen und Lebensmittelbetrieben zum Einsatz. In den 1930er-Jahren sei es vermehrt durch Ammoniak ersetzt worden, sodass es in Vergessenheit geriet. Ende der 1980er-Jahre wurde CO2 vom Norweger Gustav Lorentzen als Kältemittel wiederentdeckt: zunächst für Pkw-Klimaanlagen, wo CO2 allerdings bis heute nur sporadisch verwendet wird, danach für Lebensmittel-Tiefkühlgeräte im Supermarkt.

Der Nutzen von Propan, R290 als Kohlenwasserstoff-Gas, wird neuerdings in Europa für den Kfz-Bereich wieder stärker diskutiert. Jeder kennt es seinen Gebrauch vom Camping her. Propan lässt sich mit geringen Füllmengen einsetzen und ist schwerer als Luft, sodass es nicht wie CO2 zu Ersticken führt, wenn es bei einem Unfall in die Kabine zu den Insassen strömt. Es hat ein GWP von nur 3,3, benötigt weniger Druck und ist kostengünstiger als R1234yf. Denn die Druckniveaus sind für Handling und Absicherung der Kältemittel für Pkw entscheidend: Bei der Verwendung von CO2 muss man mit relativ hohen Drücken zwischen 20 und 130 bar (Volkswagen: 160 bar) sicher umgehen können, was im Lauf der Fahrzeuglebensdauer (Leckage) und bei Werkstattaufenthalten (Wiederauffüllen) beachtet werden muss. Bei R1234yf sind nur 1 bis 20 bar und bei Propan 1 bis 28 bar zu beherrschen. Aber eigentlich spricht die gute Thermodynamik für die Verwendung von CO2 in Automotive-Klimaanlagen, zumal die Zulieferer ihre CO2-Systeme relativ einfach herunterskalieren könnten, wenn sich die OEMs doch für Propan entscheiden sollten.

Blasformen versus Spritzgießen

Für die Modularisierung und Integration ist die Blasformtechnik ideal. TI Fluid Systems kann hier aus 40 Jahren Expertise beim Blasformen von Kraftstofftanks schöpfen. Im Vergleich zum sonst gern verwendeten Spritzguss ergeben sich Kostenersparnisse bis zu 25 %. Derzeit verwendete Werkstoffe wie Gummi und Aluminium werden mit dem Blasformen zu Polyamid-Kunststofflösungen übergehen, wobei auch Faserzumischungen möglich sind. Dadurch können Bauteilgewicht, Handling- und Montagezeiten sowie -kosten reduziert werden. Herkömmlich geformte mehrschichtige Kunststoffleitungen mit Verbindungsstücken und anderen Teilkomponenten von Wettbewerbern wie Kayser und Aisin können kompliziert in der 3-D-Linienführung zu entwickeln, aber auch schwer zu montieren sein.

Genereller Wunsch der Thermomanagementexperten: Sie werden beim Konzipieren der Layouts für Schläuche, Rohre und Leitungen meist recht spät von den Automobilherstellern hinzugerufen, sodass eine direkte Linienführung innerhalb des Pkw oft unmöglich wird und somit viel getrickst werden muss. Bisher werden in einem Pkw rund 30 m Schlauch oft kreuz und quer verlegt, "in einigen Fahrzeugen sieht es oft aus wie Spaghetti", sagte Helmich. Das müsse besser gehen.

Kühlmittelströme optimal verteilen – Klipse entfallen

TI Fluid Systems bietet aus diesen Gründen als patentierte Lösung sein Modul Integrated Thermal Manifold (ITMa) für die Verteilung von Kühlmittelströmen an, das dem Einzel-Stück-Ansatz folgt und aus einem einzigen blasgeformten Kunststoffteil besteht, wo vorher fünf hin und her flatternde Leitungen einzeln auf eine Träger verklipst werden mussten. Das Modul dient zum Temperieren der Batterie (ein Bereich zwischen 20 und 30 °C verlängert ihre Lebensdauer), und zum Kühlen des Elektromotors. Die Wandstärke der Leitungen konnte von 3 auf 1,5 mm verringert werden (Leichtbauvorteil), während ihr Querschnitt nicht mehr rund sein muss, sondern rechteckig ausgeformt sein kann (Packagevorteil). Die Stückliste lässt sich mit dieser Innovation deutlich verkürzen, die Teilanzahl sinkt mit dem Modul um 35 %, es sind weniger Schnittstellen vorhanden, sodass es weniger Stellen für Undichtigkeiten (Leckagen) gibt. Die Strömungsverhältnisse sind günstiger, Druckverluste niedriger. Im Vergleich zur bisherigen Lösung ergibt sich eine Gewichtsreduzierung um 25 %, weniger Werkzeug- und Anschaffungskosten.

Einen Schritt weiter geht der neue Verteiler ITMa 1.2, weil er noch weitere Funktionen integriert. Ein Sechs-Wege-Ventil kann die Richtung des Kühlmittelstroms wechseln. Eine Elektro-Förderpumpe sowie ein Temperatursensor werden platzsparend integriert.

Das e-MIC in Rastatt ist zunächst einzigartig, federführend dient es der Grundlagenentwicklung. Sein Konzept soll auf weitere Zentren für die Applikationsarbeit in anderen Standorten ausgerollt werden. Im Rahmen dieser Strategie wird TI Fluid Systems vier weitere e-MICs in den USA (Michigan), China, Japan und Südkorea noch im Jahr 2023 einrichten und damit seine Kapazitäten und Fähigkeiten weltweit ausbauen. 

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