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15.08.2018 | Tribologie | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie Reibung Verschleiß verursacht

verfasst von: Dieter Beste

4 Min. Lesedauer

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Wissenschaftler konnten jetzt belegen, dass Verschleiß bereits bei der ersten Berührung zweier Bauteile auftritt und sich immer an einer ganz bestimmten Stelle im Material abspielt.

Wo Objekte aneinander haften, übereinander gleiten oder rollen, tritt Reibung auf. Und die bei diesem Prozess auf die Materialien einwirkenden Kräfte verursachen Verschleiß. In Deutschland kosten Reibung und Verschleiß nach Angaben des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) rund 1,2 bis 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – im Jahr 2017 also zwischen 42,5 bis 55,5 Milliarden Euro. 

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Bei Reibung verändert sich gleichzeitig vieles. "Aber wie diese Veränderung genau beginnt, wo Verschleißpartikel wirklich entstehen und wie sich die Reibungsenergie auswirkt, ist bis heute weitgehend unverstanden, da wir bisher kaum direkt unter die Oberfläche der Reibpartner schauen konnten", sagt Peter Gumbsch, Lehrstuhlinhaber für Werkstoffmechanik am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Werkstoffmechanik (IWM) in Freiburg. "Mit unseren neuen mikroskopischen Methoden gelingt uns das heute. Dann sieht man im Material eine scharfe Grenzfläche, und an dieser Grenze werden die Verschleißpartikel abgelöst. Die Frage ist, wo diese Schwächung im Material herkommt?" 

Die Deutsche Gesellschaft für Tribologie definiert den Begriff der Verschleißerscheinungen als ‚sich durch Verschleiß ergebende Veränderungen der Oberflächen eines Körpers sowie die Art und Form der entstandenen Verschleißpartikel‘. Für einen Rückschluss auf die Schadensursache enthalten sowohl die Oberflächenmodifikationen als auch die Verschleißpartikel wichtige Hinweise." Karl Sommer, Rudolf Heinz, Jörg Schöfer: "Verschleiß metallischer Werkstoffe", Seite 1.

Scharfe Linie direkt unter der Materialoberfläche

Tatsächlich fanden die Werkstoffwissenschaftler bei ihren tribologischen Experimenten immer eine scharfe Linie in 150 bis 200 Nanometer Materialtiefe. Sie entsteht schon nach dem ersten Kontakt und ist nicht umkehrbar. Damit ist bereits der Grundstein für die zukünftige Schwachstelle im Material gelegt. Die Forscher experimentierten mit verschiedenen Materialien, etwa Kupfer, unterschiedlichen Messinglegierungen, Nickel, Eisen oder Wolfram, immer mit dem gleichen Resultat: "Diese Ergebnisse sind völlig neu. Wir haben mit so etwas überhaupt nicht gerechnet", sagt Gumbsch. 

Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse jetzt in einer Fachzeitschrift vorgestellt. Die neuen Erkenntnisse trügen dazu bei, Vorgänge, die sich bei der Reibung abspielen, auf einer molekularen Ebene grundlegend nachvollziehen zu können. "Wenn wir die auftretenden Effekte verstehen, können wir gezielt eingreifen. Mein Ziel ist es, Richtlinien zu entwickeln, mit deren Hilfe man zukünftig Legierungen oder Materialien mit besseren Reibungseigenschaften herstellen kann", so Gumbsch.

Das Material macht eine Welle

Bei dem aufgetretenen Defekt im Material handelt es sich um sogenannte Versetzungen. Diese sind für plastische, also unumkehrbare Verformungen verantwortlich. Der Effekt entsteht, wenn sich Atome gegeneinander verschieben. Im Material entsteht dabei gewissermaßen eine atomare Welle ähnlich der Bewegung einer Schlange. "Wir haben festgestellt, dass sich diese Versetzungen während des Reibvorgangs selbst organisiert zu der beobachteten linienartigen Struktur zusammenfügen. Dieser Effekt ist bei jedem Versuch in gleicher Weise aufgetreten", erläutert Christian Greiner vom Institut für Angewandte Materialien – Computational Materials Science (IAM-CMS) des KIT. Die Wissenschaftler verglichen in einem nächsten Schritt den beobachteten Effekt mit der mechanischen Spannungsverteilung im Material, die sich analytisch berechnen lässt. Diese Berechnungen bestätigten, dass sich bestimmte Versetzungstypen in einem Spannungsfeld mit einer Materialtiefe zwischen 100 und 200 Nanometer selbst organisieren.

Schnellere Oxidation durch Reibung

Darüber hinaus untersuchten die Wissenschaftler an Kupferproben, wie sich Reibung auf die Oxidation von Oberflächen auswirkt. Nach wenigen Reibungszyklen bildeten sich auf der Oberfläche Kupferoxidflecken, die mit der Zeit zu halbkreisförmigen nanokristallinen Kupferoxidclustern anwuchsen. Die etwa drei bis fünf Nanometer großen Kupfer-2-Oxid-Nanokristalle waren von einer amorphen Struktur umgeben und wuchsen immer mehr in das Material hinein, bis sie überlappten und eine geschlossene Oxidschicht bildeten. Dieses Phänomen, so Greiner, sei schon lange bekannt, aber auch hier sei noch nicht erforscht, wie es zu dem Effekt käme. "Es ist sehr wichtig zu verstehen, wie durch Reibung verursachte Oxidation vonstattengeht. In materialwissenschaftlichen Untersuchungen ist Kupfer ein sehr häufiges Material. Aber auch als Ausgangsmaterial für bewegliche Teile spielt es eine wichtige Rolle", so Greiner. Viele Lager bestehen aus Kupferlegierungen wie Bronze oder Messing. 

Harte Kugel trifft auf weiches Kupfer

Der Versuchsaufbau für beide Untersuchungen ist denkbar einfach: Eine Kugel aus Saphir wird dazu sehr sanft, langsam und kontrolliert in gerader Linie über ein Plättchen aus hochreinem Kupfer gezogen. Die Saphirkugel wurde gewählt, da sie einen immer gleichen, reproduzierbaren Kontaktpunkt garantiert und außerdem der Reibungseffekt auf die Kugel selbst wegen der Härte von Saphir vernachlässigbar ist. Nach jeder Überfahrung maßen die Forscher die entstandenen Verformungen und die dadurch hervorgerufenen strukturellen Veränderungen im Inneren der Metalle. In einzigartiger Weise koppelten sie dazu Reibexperimente mit Methoden der zerstörungsfreien Prüfung sowie mit Data-Science-Algorithmen und hochauflösender Elektronenmikroskopie.

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