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28.03.2024 | Verwaltungsmanagement | Gastbeitrag | Online-Artikel

Schöner gärtnern, schöner schreiben

verfasst von: Petra van Laak

3:30 Min. Lesedauer

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Nirgends gibt es so viele Sprachblüten wie im öffentlichen Sektor. In ihrer monatlichen Kolumne blickt Agenturchefin Petra van Laak auf die Auswüchse – mit einem Augenzwinkern, aber immer konstruktiv.

Ein Freund berichtete mir kürzlich, er habe sich ein Reservat gekauft. Ich hatte lauter Fragezeichen im Gesicht. Es handle sich um ein Stückchen Land auf einem Friedhof, um eine Grabstelle, erklärte er mir. (Meine Fragezeichen wurden dadurch nicht weniger.) Er wolle eben vorsorgen und wissen, wo er nach seinem Ableben bestattet werde. Warum er mir das erzähle? Ich sei doch so sprachaffin. Er habe von der Friedhofsverwaltung ein Blatt in die Hand gedrückt bekommen, und mich würde dieser Text sicherlich interessieren. 

„Haben Sie das Nutzungsrecht an einer Grabstelle erworben, so ist diese von Ihnen innerhalb von drei Monaten nach Erwerb des Nutzungsrechts entsprechend den Gestaltungsvorschriften gärtnerisch anzulegen, soweit die Witterung es zulässt. Diese Regelung gilt auch für die vorab erworbenen Vorbehaltsstellen, auf denen noch nicht beigesetzt worden ist.“

Eine „Vorbehaltsstelle“ hatte der Freund sich also gekauft, genauer: Er hatte das Nutzungsrecht erworben. Der Text des Infoblattes beschreibt im Grunde eine schöne Sache: Es geht um gärtnerische Gestaltung. Warum nur kommt das so streng rüber?

Mehr direkte Anrede bitte

Der Textausschnitt beginnt vielversprechend mit „Sie“. Dann aber gleitet er sofort ab in die typische Verwaltungssprache: Dies und das ist zu tun. Das klingt immer streng und distanziert. Mit der direkten Anrede bleibt der Ton freundlich und entspannt. Natürlich lässt sich auch an anderen Schrauben drehen: kürzere Sätze, Nominalkonstruktionen raus – und schon liest sich das flotter: 

„Sie haben jetzt das Nutzungsrecht an einer Grabstelle. Bitte legen Sie die Fläche innerhalb von drei Monaten gärtnerisch an. Wenn Frost ist, können Sie sich mehr Zeit lassen. Diese Regelung ist unabhängig davon, ob auf Ihrer Grabstelle schon beigesetzt wurde oder noch nicht.“

Das Infoblatt hält noch andere Details bereit, und so richtig schön liest sich dies auch nicht:

„Für die Verkehrssicherheit einer Grabstätte, z. B. den sicheren Stand eines Grabmales, hat der jeweilige Nutzungsberechtigte Sorge zu tragen. Wurde ein Mangel festgestellt, wird dieser unverzüglich informiert und aufgefordert, den verkehrssicheren Zustand wiederherzustellen.“

Woran liegt’s?

  • hat … Sorge zu tragen – Infinitivkonstruktionen mit „hat zu“ oder „ist zu“ verlangen Pflichterfüllung 
  • wurde … festgestellt – Passivkonstruktionen klingen immer hölzern
  • unverzüglich, aufgefordert – Wortwahl impliziert Strenge und Strafe
  • verkehrssicherer Zustand – juristische Umschreibung, die kaum einer versteht

Verkehr auf dem Friedhof?

Wer sich mit der juristischen Fachsprache nicht auskennt, könnte beim Begriff „Verkehrssicherheit“ an Ampeln und Autos auf dem Friedhof denken. Warum schreibt die Friedhofsverwaltung nicht das, frage ich mich:
„Bitte achten Sie darauf, dass die Grabstätte Besucherinnen und Besucher des Friedhofs nicht gefährdet. Steht das Grabmal sicher? Könnte man eventuell über die Grabeinfassung stolpern? Wir schauen ein Mal im Jahr nach, ob alles sicher ist. Wir geben Ihnen Bescheid, wenn etwas zu tun ist. Dann müssen Sie schnell handeln.“

Ich gab das Infoblatt meinem Freund zurück mit der Frage, ob er denn schon auf seinem Reservat gegärtnert habe. „Oh ja!“, war die Antwort. Dort blühten jetzt Narzissen und Hyazinthen. Er sah irgendwie glücklich aus. Und das kann man auf einem Friedhof ja tatsächlich nicht von jedem Menschen behaupten.

In meiner gestrigen Mittagspause, die Sonne schien so schön, ging ich über einen kleinen Friedhof in meinem Berliner Kiez spazieren. Er liegt ein paar Gehminuten von meinem Agenturbüro entfernt und beherbergt eine stattliche Anzahl von Ehrengräbern. An einer dieser Grabstellen von berühmten Persönlichkeiten blieb ich stehen. Hm, dachte ich, so ein Reservat, zwei Meter neben Marlene Dietrich – das wär’ doch was!

Bleiben Sie offen für neue Gedanken und schöne Formulierungen!

Sind Ihnen in letzter Zeit Sprachblüten aufgefallen? Schicken Sie sie gerne an die Autorin! Hier geht es zu Petra van Laaks Kontaktdaten.

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