10.3.1 Methodisches Vorgehen
Die Neukonzeption, Implementierung und Weiterentwicklung des neuen EPLA wurden mit einem Design-based-Research-Ansatz begleitend beforscht, um u. a. das Erreichen der Lernziele sowie das dazu aufgestellte Konzept mit Seminar und Projektarbeit zu prüfen, die wahrgenommene Relevanz sowie damit die lehramtsspezifische Ausrichtung zu untersuchen und Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Das neue EPLA wurde bisher in den Sommersemestern 2020 (\({N}_{1}=16\)) und 2021 (\({N}_{2}=10\)) durchgeführt. Die Erhebung umfasste Fragebögen (2020: nur Post, \({n}_{F1}=10\); 2021 Prä und Post, \({n}_{F2}=6\)) und Interviews (2020: \({n}_{I1}=6\); 2021: \({n}_{I2}=3\)). 2021 wurden anhand der Befunde aus 2020 bereits kleinere Überarbeitungen (u. a. ein stärkerer Bezug zum Physikunterricht und ein Übungsprojekt vor der eigenständigen Projektarbeit) umgesetzt, sodass die Daten beider Jahre nur bedingt zusammengefasst werden können. Aufgrund der geringen Stichprobengröße ist eine statistische Auswertung nur eingeschränkt möglich. Um dennoch erste Aussagen über das Konzept zu erhalten, wurden die Fragebogen-Daten deskriptiv und die Interviews qualitativ analysiert.
Die Erhebung ist explorativ angelegt, um eine große Bandbreite an Hinweisen zum Lernerfolg und zu Verbesserungsmöglichkeiten des EPLA zu erhalten. Die hier vorgestellte Studie konzentriert sich – auch bedingt durch die kleine Stichprobe – auf die nachfolgende Auswahl an erhobenen Konstrukten. Eine Basis dabei war der etablierte PraQ-Fragebogen zur Erfassung der Praktikumsqualität von Rehfeldt (
2017), der in Bezug auf Lernzuwachs und Vorwissen auf Selbsteinschätzungen der Studierenden beruht und als Post-Fragebogen eingesetzt wird. Der PraQ-Fragebogen wurde adaptiert um die Selbsteinschätzungen der Studierenden im EPLA bzgl. ihres Vorwissens vor dem EPLA in Bezug auf den praktischen Umgang mit elektronischen Schaltungen und Erfahrungen im Programmieren (5 Items,
\({\alpha }_{1}=0{,}84, {\alpha }_{2}=0{,}71\)) sowie bzgl. ihres Lernzuwachses aufgrund des EPLA in Bezug auf Fachwissen (6 Items,
\({\alpha }_{2}=0{,}88\)), elektronische Schaltungen (10 Items,
\({{\alpha }_{1}=0{,}90, \alpha }_{2}=0{,}86\)), Programmierung (14 Items,
\({{\alpha }_{1}=0{,}96, \alpha }_{2}=0{,}96\)) und Steuerung (8 Items,
\({{\alpha }_{1}=0{,}95, \alpha }_{2}=0{,}93\)) zu erfassen. Des Weiteren wurden motivationale Orientierung zum Einsatz des Arduino im Unterricht (6 Items,
\({{\alpha }_{1}=0{,}89, \alpha }_{2}=0{,}79\), adaptiert nach Vogelsang et al.,
2019), Einstellung gegenüber dem Erarbeiten neuer digitalen Technologien
aufgrund des EPLA (5 Items,
\({\alpha }_{2}=0{,}73\) entwickelt basierend auf Vogelsang et al.,
2019 und Rehfeldt,
2017) und wahrgenommene Relevanz des Praktikums für die spätere Lehrtätigkeit (8 Items,
\({{\alpha }_{1}=0{,}87, \alpha }_{2}=0{,}65\), adaptiert nach Schiefele et al.,
2002) erhoben. Diese Skalen wurden im zweiten Durchlauf für den Prä- und Post-Fragebogen um Computational Thinking (23 Items,
\({{\alpha }_{2pre}=0{,}95, \alpha }_{2post}=0{,}67\), übersetzt nach Weese & Feldhausen,
2017) ergänzt. Das strukturierte Leitfadeninterview (Einzelinterviews, online mit Tonaufnahme, durchschnittliche Dauer ca. 40 min) adressierte offene Fragen zu den Lernzielen, dem Seminar, der Projektarbeit und zum Praktikum im Allgemeinen.
10.3.2 Ergebnisse
Die Selbsteinschätzungen der Studierenden zeigten, dass die Vorkenntnisse in Bezug auf den praktischen Umgang mit elektronischen Schaltungen und Erfahrungen im Programmieren, sowohl in Bezug auf den Arduino als auch im Allgemeinen, wie erwartet, mit Mittelwerten unterhalb der Skalenmitte eher niedrig sind (Tab.
10.1). Die Interviews verdeutlichen zusätzlich die Heterogenität des Vorwissens. Die meist geringen Vorkenntnisse stammen dabei aus unterschiedlichen Quellen außerhalb des Lehramtsstudiums im Fach Physik (z. B. Schule, Zweitfach im Studium, persönliches Interesse).
Tab. 10.1
Deskriptive Statistik zu den erhobenen Konstrukten mit Mittelwert und Standardfehler (Likert-Skalen von 1 = „trifft nicht zu“ bis 4 (bzw. 5 oder 6) = „trifft voll zu“)
Selbsteinschätzung Vorwissen | Post | \(2{,}5 \pm 0{,}4\) | \(2{,}5 \pm 0{,}4\) | 6-stufig |
Selbsteinschätzung Lernzuwachs - Elek. Fachwissen - Elek. Schaltungen - Programmierung - Steuerung | Post | – \(4{,}1 \pm 0{,}2\) \(4{,}5 \pm 0{,}3\) \(4{,}1 \pm 0{,}3\) | \(4{,}4 \pm 0{,}3\) \(4{,}2 \pm 0{,}2\) \(5{,}1 \pm 0{,}3\) \(4{,}8 \pm 0{,}2\) | 6-stufig |
Computational Thinking | Prä Post | – – | \(2{,}8 \pm 0{,}2\) \(4{,}1 \pm 0{,}1\) | 5-stufig |
Motivation, Arduino im Unterricht einzusetzen | Post | \(3{,}2 \pm 0{,}2\) | \(3{,}3 \pm 0{,}2\) | 4-stufig |
Einstellung zur Einarbeitung in neue Technologien für den Unterricht aufgrund des EPLA | Post | \(2{,}8 \pm 0{,}2\) | \(3{,}0 \pm 0{,}2\) | 4-stufig |
Wahrgenommene Relevanz | Post | \(3{,}7 \pm 0{,}2\) | \(4{,}0 \pm 0{,}2\) | 5-stufig |
Diese Ergebnisse stützen damit nicht nur die Notwendigkeit einer spezifischen Lerngelegenheit für die Lehramtsstudierenden zur Entwicklung von Programmierkenntnissen, sie rechtfertigen auch die schrittweise Vermittlung basaler Programmierkenntnisse im EPLA. Gleichzeitig zeigt die Heterogenität des Vorwissens, dass eine Binnendifferenzierung erforderlich ist. Diese wurde im Rahmen der offenen Projektarbeit realisiert, in der die Studierenden ihr Projekt abhängig von ihrem Vorwissen auswählten und umsetzten. Studierende mit Vorkenntnissen wählten tendenziell komplexere Projekte als Studierende mit keinen oder wenig Vorkenntnissen. Dies reflektiert auch, dass alle Studierenden in der Projektphase für sie anspruchsvolle Themen gesucht haben und damit auch bei nennenswerten Vorkenntnissen vom EPLA profitieren können.
Selbsteinschätzungen des Lernzuwachses der Studierenden aufgrund des EPLA im Post-Test weisen auf Lernzuwächse in den Bereichen Fachwissen, elektronische Schaltungen und Programmierung hin (Tab.
10.1). Anhand der Fragebogendaten zeigt sich, dass die Selbsteinschätzungen des Computational Thinking
der Studierenden vor und nach dem zweiten Durchlauf des EPLA signifikant und mit großem Effekt zugenommen haben (Tab.
10.1, abhängiger t-Test:
\(t(6)= 5,98\),
\(p<0,001\), Cohens
\(d=1,22\)). In Bezug auf den Lernerfolg bzgl. Elektronik, Arduino und Programmierung zeigen die Interviews, dass die Studierenden die Lernziele, die sie für das EPLA erkannt haben, aus ihrer Sicht überwiegend erreicht haben („Ich würde im Großen und Ganzen schon sagen, dass ich die [Lernziele] erreicht habe“, TN 2020).
Auch wenn diese Indizien aufgrund der geringen Stichproben und der subjektiven Einschätzungen im Einzelnen einen Lernerfolg in Bezug auf die Grundlagen der Elektronik und Programmierung nicht belastbar nachweisen können, sind sie in ihrer Gesamtheit konsistent und weisen dadurch auf einen Lernerfolg im EPLA hin. Ferner wurden keine Hinweise gefunden, dass das Erreichen der klassischen fachlichen Lernziele (Vertiefung Elektronik) durch die neuen Lernziele zur Förderung digitaler Kompetenzen (Programmieren und selbstständiges Arbeiten mit digitalen Technologien) benachteiligt wurde. Dies spricht für ein Gelingen der Integration der Lerninhalte zur Förderung digitaler Kompetenzen in eine bestehende Lehrveranstaltung.
Die Neukonzeption zielte nicht nur auf die Vermittlung von Inhaltswissen ab, sondern auch von Strategien, sich selbst neue Technologien zu erarbeiten. Dieses Lernziel wurde von etwa der Hälfte der Studierenden auch als solches benannt. Von den befragten Studierenden wurden im Interview explizit die Anwendung von Strategien wie das Hinzunehmen von Beispielen aus verschiedenen im Seminar genutzten Quellen (9 von 9 TN), die Nutzung von Datenblättern (2 von 9 TN) und die Anwendung von Strategien beim Programmieren (2 von 9 TN) geäußert. Auch die Auswahl und Umsetzung anspruchsvoller Projekte ist ein Indiz dafür, dass die Studierenden die Strategien zur Aneignung von Neuem erfolgreich genutzt haben. Neben dem Erlernen von Strategien half das Seminar dabei, Hemmungen gegenüber dieser Einarbeitung in den Arduino abzubauen: „[Es] wurde so ein bisschen die Hemmung genommen, dass man sich damit mehr auseinandersetzt“ (TN 2020). Ebenso scheint das EPLA das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestärkt zu haben, sich auch in andere neue Technologien einarbeiten zu können: „Wenn man irgendwie was Anderes hat, was ähnlich funktioniert …, aber [man] sich halt schon mal irgendwie da eingearbeitet hat, dann wird es einem da ja auch leichter fallen“ (TN 2020). Ferner zeigen die Fragebogenerhebungen, dass die Motivation zur Nutzung des Arduino im Unterricht am Ende des Praktikums eher hoch ist und die Studierenden aufgrund des Praktikums der Einarbeitung in neue digitale Technologien
eher positiv gegenüberstehen (Tab.
10.1).
Damit zeigt sich insgesamt eine Reihe an konsistenten Indizien, dass die eingeübten Strategien zur Einarbeitung in digitale Technologien sinnvoll eingesetzt wurden. Darüber hinaus deuten Hinweise aus den Daten und Interviews konsistent darauf hin, dass sich die Einstellungen der Studierenden bzgl. der selbstständigen Einarbeitung in digitale Technologien durch das EPLA zum Positiven verändert haben (zumindest in der Selbsteinschätzung). Es ließen sich auch Hinweise finden, dass mit einem zukünftigen Einsatz von digitalen Technologien
im Unterricht durch die angehenden Lehrkräfte zu rechnen ist. Im Vergleich zum Lernerfolg bzgl. der Strategien ist in den Interviews besonders auffällig, dass die Entwicklung von positiven Einstellungen häufiger von den Studierenden explizit als Lernerfolg hervorgehoben wurde (4 von 9 TN) als die Aneignung der Arbeitsweise selbst (1 von 9 TN). Das kann zum einen darauf hindeuten, dass die Entwicklung dieser positiven Einstellungen auch eine Konsequenz der entwickelten Strategien sein kann, die für die Studierenden ein deutliches wahrnehmbares Resultat ist. Zum anderen kann es darauf hinweisen, wie bedeutend es für die Studierenden ist, sich an die Einarbeitung des Arduinos herangetraut zu haben. Interessanterweise wird aus den Aussagen der Studierenden, die angeben, dass im Praktikum Hemmungen genommen wurden, auch oft deutlich, dass das Praktikum oder ein Aspekt davon (z. B. das Projekt) ein Erfolgserlebnis war. Gleichzeitig kann einem Interview auch entnommen werden, dass das Zutrauen, den Arduino im Unterricht einzusetzen, geringer ist, wenn ein Unwillen gegenüber dem selbstständigen Einarbeiten in die Thematik besteht und das Praktikum von der Person als weniger erfolgreich wahrgenommen wird. Diese Ergebnisse geben Hinweise darauf, dass das Erfolgserlebnis bei der Einarbeitung in neue Technologien wichtig für die Entwicklung von Selbstwirksamkeitserwartungen
und von positiven Einstellungen der Lehramtsstudierenden ist. Da Selbstwirksamkeitserwartungen bedingen, ob sich Lehrkräfte an neue Herausforderungen heranwagen (Schmitz & Schwarzer,
2000) – sich im Kontext dieser Studie also selbst in neue digitale Technologien
einarbeiten und diese auch im Unterricht einsetzen –, ist es wichtig, die Studierenden zu motivieren, ihre Komfortzone zu verlassen und nicht nur Wissen zu konsumieren, sondern auch mit Erfolg eigenes Wissen zu generieren. Insgesamt stützen die Ergebnisse das Konzept des EPLA, selbstständige Arbeitsmethoden zu vermitteln und genau diese Erfolgserlebnisse zu erzielen, damit sich die Studierenden in ihrer zukünftigen Lehrtätigkeit an neue Technologien heranwagen.
Das neue EPLA wurde von den Studierenden als relevant wahrgenommen (Tab.
10.1). Studierende sehen die Relevanz von Programmierkenntnissen aufgrund des digitalen Wandels und der damit verbundenen Anforderungen in der Schule (z. B. „Bestimmt immer mehr, weil man bestimmt immer mehr auch so nen bisschen Richtung Programmieren gehen muss und vermutlich müssen das auch Physiklehrer ein bisschen abdecken“, TN 2021). Dabei bemessen sie am Nutzen für die Schule zum einen ihren Lernerfolg („… ich hab echt viel aus dem Praktikum mitgenommen und wüsste … wie ich damit auch vor ne Klasse treten kann“, TN 2021) und zum anderen auch die Relevanz („... es ist … vorstellbar, dass man sowas … mit Schülern und Schülerinnen macht. Deswegen ist es dann halt sehr wichtig, wenn ich mich damit auf jeden Fall auskenne“, TN 2021). Ferner werden Schwierigkeitsgrad, Zeitaufwand und Materialaufwand für die Einarbeitung in den Arduino für die Beurteilung der Nutzbarkeit in der Schule und damit der Relevanz herangezogen („Aber ich habe dann auch beim Erarbeiten des Ganzen gemerkt, dass es ja gar nicht so schwierig ist und ich glaube, dass bekommen auch Oberstufenschüler ganz gut hin“, TN 2020). Mit Ausnahme einer Person (TN 2021) scheinen den Studierenden die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des Arduinos im Physikunterricht jenseits von Programmier-AGs oder Projektwochen jedoch noch nicht klar geworden zu sein. Das macht deutlich, dass eine Anbahnung der fachdidaktischen Komponente (TPACK) im EPLA bereits sinnvoll ist.
Die Vielzahl an Indizien, dass die Lerninhalte des EPLA als relevant wahrgenommen werden, sind bedeutsam für das Konzept des EPLA, weil sich gezeigt hat, dass eine höhere wahrgenommene Relevanz mit einem höheren Interesse und einem höheren Lernerfolg einhergeht (Andersen,
2020). Die Bewertung der Relevanz von Lerninhalten aus einer oft schulpraktischen Perspektive deckt sich mit früheren Studien (Lorentzen et al.,
2019; Andersen,
2020). Jedoch wurde auch deutlich, dass der Bezug zum Physikunterricht im EPLA durch die Darstellung der Einsatzmöglichkeiten des Arduinos im Physikunterricht in seiner ganzen Bandbreite noch mehr verdeutlicht werden sollte. Dazu wurden im Seminar 2021 bereits vermehrt praktische Aufgaben mit dem Arduino gestellt, die im Physikunterricht anwendbar sind (z. B. Umsetzung und Anwendung Temperatursensor). Auch wenn weitere Optimierungsschritte in diese Richtung wünschenswert sind, wurde insgesamt bzgl. der Relevanz bereits ein wesentliches Ziel der Konzeption des EPLA erreicht.