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2012 | Buch

Wirtschaftliche Rationalität

Soziologische Perspektiven

herausgegeben von: Anita Engels, Lisa Knoll

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Über dieses Buch

Finanzkrise, ökologische Wachstumsdebatte, Zukunftsfähigkeit - Wirtschaft steht derzeit unter verschärfter Beobachtung. Eine soziologische Auseinandersetzung mit der Bedeutung und den Prämissen von wirtschaftlicher Rationalität erscheint deshalb aktuell: Gibt es eine spezifisch wirtschaftliche Rationalität? Was wären ihre Determinanten, wie ist ihre Reichweite einzuschätzen, und mit welchen gesellschaftlichen Folgen wird sie wirksam?

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung: Wirtschaftliche Rationalität

Einleitung: Wirtschaftliche Rationalität
Zusammenfassung
Wirtschaftliche Rationalität bedeutet zugleich eine Handlungsaufforderung und ein Erfolgsversprechen. Mit dem Begriff sind Eigenschaften benannt, die als Erwartungen an die Qualität von Handlungen und Entscheidungen herangetragen werden. Gleichzeitig, so das Versprechen, mündet die konsequente Ausrichtung an den Erwartungen in dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg und allgemeine Prosperität. Das hat bereits Adam Smith schon (in etwas anderen Worten) formuliert, und es stellt heute die kulturelle und legitimatorische Grundlage der kapitalistischen Wirtschaft dar. Allerdings drängen sich von verschiedenen Seiten auch kritische Nachfragen auf.
Anita Engels, Lisa Knoll

Wirtschaftliche Rationalität – Möglichkeiten eines Konzepts

Frontmatter
Ökonomische Rationalität, Wettbewerb und Organisation. Eine wirtschaftssoziologische Perspektive
Zusammenfassung
Die Geschichte soziologischer Teilgebiete in Form so genannter Bindestrich-Soziologien elegt eindrucksvoll, dass diese erheblichen Konjunkturen ausgesetzt sind. Die Gründe solcher „ups & downs“ sind vielfältig, wobei sowohl inner- als auch außerwissenschaftliche Faktoren zu berücksichtigen sind.
Raimund Hasse, Georg Krücken
Wirtschaftliche Rationalitäten
Zusammenfassung
Der Verweis auf eine spezifisch wirtschaftliche Rationalität muss tautologisch erscheinen, gilt doch der homo oeconomicus in weiten Kreisen der Ökonomie und der Soziologie als der Prototyp wirtschaftlich rationalen Handelns. Wirtschaft und Rationalität erscheinen wie zwei Seiten einer Medaille. In diesem Beitrag wird diese Eindeutigkeit in Frage gestellt, indem genauer beleuchtet wird, inwiefern und in Bezug worauf wirtschaftliches Handeln rational sein kann. Anders ausgedrückt: Es wird gezeigt, dass wirtschaftliches Handeln auf ganz unterschiedliche Art und Weise rational sein kann.
Lisa Knoll
Märkte, Verträge, Netzwerke: Kompossibilität. Über Verträge als kollaborative Interaktionen.
Zusammenfassung
Märkte werden in der Ökonomie über optimale exchanges definiert. Diese tauschtheoretische Fundierung wurde in letzter Zeit durch den Transaktionsbegriff ersetzt.,Transaktion’ ist nicht identisch mit dem auf Wertäquivalenz basierten, Tausch’ (vor allem wird empirisch nirgends getauscht, nur ge- und verkauft).,Tausch’ operiert ohne Geld, oder nur mit Geld als Index. Transaktionen’ benötigen notwendig Geld. Geld steht nicht beliebig zur Verfügung. Selbst als vorhandene Liquidität kann es ertragsreicher verliehen werden: die Opportunitätskosten des Verzichts auf Leihe für die Transaktion ändern jeweils den Transaktionswert. Solche Transaktionskosten entstehen auch, wenn umgekehrt Geld für die Transaktion geliehen wird (Zinskosten). In diesem Sinne variieren die Transaktionswerte je nach den aufzuwendenden Transaktionskosten. Wir haben es nicht mehr mit schlichten exchanges zu tun. Möglich
Birger P. Priddat

Finanzmärkte als Kernbereich wirtschaftlicher Rationalität?

Frontmatter
Konfligierende Rationalitäten – wie Nachhaltigkeit die Rationalitätsordnung des Finanzmarktes irritiert
Zusammenfassung
Als Konsequenz aus den Erschütterungen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise steht die Rationalitätsordnung des Finanzmarktes weltweit auf dem Prüfstand. Die bis dato als anderen Rationalitätsformen überlegen erachtete spezifische Finanzmarktrationalität (Kädtler 2009) hat ihren umfassenden Geltungsanspruch eingebüßt. Der Kollaps des US-amerikanischen Immobilienmarktes und seine weltweiten Folgen (Lounsbury und Hirsch 2009) haben in vielfacher Hinsicht die dominierenden wirtschaftlichen Handlungslogiken des Finanzmarktes in Zweifel gezogen: Finanzialisierung und Vermarktlichung, Mathematisierung und Modellhaf- tigkeit, Diversifikation und Verbriefung, Shareholder-Value-Orientierung und Profitmaximie- rung – all diese Prämissen haben zum Zusammenbruch der Märkte beigetragen. Die Einbeziehung wenig bis nicht-kreditwürdiger (subprime) Schuldner in den Hypothekenmarkt, die Diversifikation der damit eingegangen Risiken durch die Konstruktion und den weltweiten Vertrieb verbriefter Finanzprodukte, deren (zum Teil aggressiver) Weiterverkauf an Sparer und Privatanleger auf der ganzen Welt, motiviert durch das Ziel Marktanteile zu gewinnen und die Renditen in die Höhe zu treiben – alle diese Faktoren haben nicht zu einer optimalen Allokation von Kapital und Ressourcen geführt, sondern zur größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren.
Stefanie Hiß
Mathematische und professionelle Rationalität an Finanzmärkten
Zusammenfassung
Der vorliegende Artikel nimmt sich vor, durch eine theoretische Charakterisierung von Finanzmärkten als Treffpunkten von zweierlei Perspektiven auf Handlungsrationalität Problematiken finanzwirtschaftlicher Operationen neu zu fassen, auf diese Weise empirisch bearbeitbare Fragen zu generieren und so neue Forschungsfelder zu erschließen. Die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, dass Finanzmärkte hoch integrierte und zugleich sehr instabile Gebilde sind. Sie sind hoch integriert in dem Sinne, dass sich einzelne Marktsegmente empirisch nur noch unter größten Anstrengungen voneinander abgrenzen lassen. Das war daran zu sehen, dass sich die Immobilienkreditkrise – die subprime-Krise – in einem sehr kurzen Zeitraum, von Anfang September bis Mitte Oktober 2008, vom Kreditgeschäft auf praktisch die gesamten Finanzmärkte einschließlich der Aktien-, Devisen- und Derivatenmärkte ausbreitete. Gleichzeitig, und genau aus diesem Grund, sind Finanzmärkte hochgradig instabil im Sinne von irritierbar und einsturzgefährdet. Dies zeigt sich an Zusammenbrüchen bestimmter Märkte, etwa denen für credit default swaps, die mittlerweile in unbekannter Höhe als unhandelbarer Ballast in den ins Gerede gekommenen „Kellern" verschiedener Banken liegen. Diese nachdrückliche Erinnerung an die Einsturzgefahr, der Finanzmärkte ausgesetzt sind, bildet den Hintergrund der Frage, die hier verhandelt werden soll. Denn diese Prekarität macht es weniger erforderlich, nach den Gründen für Finanzmarktkrisen zu fragen, sondern eher nach Gründen für ihre Kontinuierung solchen Krisen zum Trotz, wenn, um mit Keynes zu sprechen, „the ocean is flat again" (Keynes 1971: 65). Wie also kontinuieren sich Finanzmärkte, oder anders gefragt: Wie sind sie möglich?
Andreas Langenohl
Rationalität und Anlageverhalten auf Finanzmärkten
Zusammenfassung
„Die Tür zum Paradies bleibt versiegelt. Durch das Wort Risiko." Als Niklas Luhmann (1991: 26) dieses „himmlische" Verdikt niederschrieb, hatte er nicht den Anleger auf Kapitalmärkten im Sinn, jedenfalls nicht explizit. Vielmehr wollte er verdeutlichen, dass Risiken jeder Art auf Entscheidungen zurückgehen, deshalb auch Fehlentscheidungen möglich seien, und wegen des Unterschiedes zum Begriff der Gefahr folglich zwischen Entscheidern und Betroffenen differenziert werden müsse. Nicht erst in unserer Zeit, sondern bereits seit Francis Ba- con, so Luhmann, nehme das Vertrauen in die Machbarkeit der Verhältnisse zu, nicht zuletzt deshalb, weil von einem Zusammenhang zwischen dem zunehmenden Wissen und der vermeintlichen Herstellbarkeit dieser Verhältnisse ausgegangen werde. Dabei sei es doch ganz offenkundig selbst denjenigen nicht möglich, die Zukunft hinreichend zu kennen, die sie durch die eigenen Entscheidungen beeinflusst haben. Einhergehend mit der historischen Wandlung des Sicherheitsbegriffes von einer zunächst subjektiven Konnotation hin zu verobjektivier- baren Bedeutungen wurde vor allem von Ökonomen zunehmend unterstellt, dass es möglich wäre, für diese unsichere Zukunft mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsberechnungen sichere Entscheidungsgrundlagen zu finden. Darauf auch gehe die Vorstellung zurück, nunmehr gegen Misserfolge immun zu sein, wenn man nur lerne, Fehler zu vermeiden (vgl. ebd.: 21–26).
Rolf von Lüde

Wirtschaftliche Rationalität in nicht-wirtschaftlichen Feldern

Frontmatter
Die Ware Wissenschaft: Die fremdreferentiell finalisierte wirtschaftliche Rationalität von Wissenschaftsverlagen
Zusammenfassung
Die Frage nach den Spezifika wirtschaftlicher Rationalität macht nur, aber auch genau dann Sinn, wenn man davon ausgeht, dass die Wirtschaft zumindest in der modernen Gesellschaft ein eigenständiger, sich von anderen Gesellschaftsbereichen unterscheidender Teilbereich ist. Erst dieser differenzierungstheoretische Minimalkonsens, der weit über eine im engeren Sinne differenzierungstheoretische Perspektive hinaus reicht, kann und will wirtschaftliche Rationalität etwa von politischer, wissenschaftlicher oder erzieherischer Rationalität abgrenzen.
Uwe Schimank, Ute Volkmann
Vom Betrieb zum Unternehmen – Zur gesellschaftlichen Konstruktion der rationalen Organisation
Zusammenfassung
Trotz der Entzauberung allzu optimistischer Vorstellungen sind Organisationen nach wie vor anspruchsvollen Rationalitätszumutungen ausgesetzt. Das gilt nicht zuletzt für Wirtschaftsorganisationen, denen Rationalität jedoch häufig bereitwillig zuerkannt wird: Was auf Märkten bestehen kann, taugt zum Referenzmodell für die Organisationsgestaltung in ganz unterschiedlichen sozialen Kontexten. Insbesondere der öffentliche Sektor lässt sich inzwischen durch Unternehmen inspirieren und greift Strukturelemente auf, die als Ausdruck effektiven und effizienten Organisierens erscheinen. Wenn es um die rationale Gestaltung von Organisationen geht, verfügt die Wirtschaft offenbar über eine gewisse Autorität – ungeachtet aller faktischen Irrationalitäten des Wirtschaftslebens und der Ambivalenz, mit der ökonomische Prinzipien gerade dann betrachtet werden, wenn sie in andere gesellschaftliche Bereiche ausgreifen.
Frank Meier
Gesundheit und Kirche – zwei Fälle ineffizienter Rationalisierung
Zusammenfassung
Die Forderung nach Rationalität ist allgegenwärtig. Nicht nur von Unternehmen wird erwartet, dass sie rational organisiert werden, sondern auch von Universitäten, Museen und sogar von Kirchen. Analog sind nicht nur Fragen der privaten Haushaltsführung rational zu entscheiden, sondern auch Fragen der Kindererziehung, Karriereplanung und Gesundheitsvorsorge. Selbst wo stattdessen Freiräume für innovative Kreativität oder emotionale Intelligenz in den Vordergrund gestellt werden, geht es um einen rationalen Einsatz solch kreativer Elemente.
Anna Henkel

Voraussetzungen und Grenzen wirtschaftlicher Rationalität

Frontmatter
Geld und die Rationalität wirtschaftlichen Handelns
Zusammenfassung
Im wirtschaftlichen Alltag ist Geld allgegenwärtig. In der Mikroökonomie, dem Kern der Wirtschaftstheorie, ist es demgegenüber abwesend. Diese merkwürdige Konstellation versuche ich in diesem Beitrag auf die zu weit gehenden Rationalitätsannahmen in der Neoklassik zurückzuführen. Wenn die dort postulierte Form von perfekt informiertem, rationalem Handeln möglich wäre, könnten wir unsere wirtschaftlichen Koordinationsprobleme in der Tat ohne Geld lösen. Zu einer angemesseneren Gelderklärung kommt man demgegenüber dann, wenn man von in Interaktionen generierter Unsicherheit ausgeht und Geld als Mittel der Unsicherheitsabsorption versteht. Diese Theorielage wirft die Frage auf, inwieweit der Geldgebrauch sich allein aus rationalem Handeln erklären lässt. Die Prüfung des Zusammenhangs von Geldgebrauch und Rationalität zeigt: Geldbenutzer kommen nicht ohne eine Art von Glaubenskomponente aus – oder vielleicht besser: Der Geldgebrauch erfordert die Suspension von Unglauben.
Heiner Ganßmann
Begrenzte Rationalität: Ökonomische und soziologische „Lösungen" des Problems der Managementkontrolle
Zusammenfassung
Die Rationalität wirtschaftlichen Handelns wird in den verschiedenen wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Konnte man sich als Soziologin bzw. Soziologe in der Vergangenheit von der Ökonomie noch mit leichter Hand durch eine Kritik am Modell des „homo oeconomicus" abgrenzen, so haben sich maßgebliche Strömungen der Ökonomie inzwischen von diesem unrealistischen Handlungskonzept abgewandt. Gegenüber der in institutionenökonomischen Ansätzen gängigen Annahme unvollständig informierter Akteure mit eingeschränkter Rationalität fällt eine handlungstheoretische Abgrenzung der soziologischen Position nicht mehr leicht, zumindest dann, wenn man nicht bereit ist, Vertretern des eigenen Faches „großzügig" die Gemeinschaft aufzukündigen. Dementsprechend ist in den letzten Jahren die disziplinäre Eigenständigkeit der Soziologie (und insbesondere der Wirtschaftssoziologie) verstärkt zu einem Thema wissenschaftlicher Beiträge geworden (vgl.u. a. Beckert 1996; Lopreato und Crippen 2001; Mayntz 2005; Richter 2001; Velthuis 1999; Rona-Tas und Gabay 2007; Zuckerman 2003). Dies kann man als professionspolitisch motivierten Versuch zur Abgrenzung von Zuständigkeitsbereichen deuten. Die Diskussion möglicher disziplinärer Unterschiede in der Thematisierung und Beantwortung gemeinsamer Forschungsfragen macht aber auch dann Sinn, wenn man nicht primär an der dezidierten Abgrenzung von, sondern eher an einem „natürlichen Dialog" mit Nachbardisziplinen interessiert ist (Swedberg 2003: 5). Sie ist immer dann besonders angebracht, wenn eine Sichtweise Dominanz erlangt hat und Alternativpositionen nur unzureichend wahrgenommen werden (Ferraro et al. 2005).
Jürgen Beyer
Backmatter
Metadaten
Titel
Wirtschaftliche Rationalität
herausgegeben von
Anita Engels
Lisa Knoll
Copyright-Jahr
2012
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-531-93354-2
Print ISBN
978-3-531-18003-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-93354-2

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