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Open Access 2024 | OriginalPaper | Buchkapitel

7. Aktuelle Transfers und Ungleichheit

verfasst von : Tamara Bosshardt

Erschienen in: Geld, Generation und Ungleichheit

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Nachdem im ersten empirischen Kapitel 5 die Ausgangslage auf der Makroebene beschrieben wurde, folgten im zweiten empirischen Kapitel 6 detaillierte Analysen von Geld- und Sachgeschenken sowie Zahlungen zwischen Erwachsenen und ihren Eltern auf der Mikroebene. Der dritte Schritt der soziologischen Erklärung ist nun die Rückführung der Analyse aktueller Transfers auf die Makroebene.
Hinweise

Ergänzende Information

Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://​doi.​org/​10.​1007/​978-3-658-43924-8_​7.
Nachdem im ersten empirischen Kapitel 5 die Ausgangslage auf der Makroebene beschrieben wurde, folgten im zweiten empirischen Kapitel 6 detaillierte Analysen von Geld- und Sachgeschenken sowie Zahlungen zwischen Erwachsenen und ihren Eltern auf der Mikroebene. Der dritte Schritt der soziologischen Erklärung ist nun die Rückführung der Analyse aktueller Transfers auf die Makroebene.
Soziale Ungleichheit in der Elterngeneration beeinflusst Generationenbeziehungen und wirkt sich auch darauf aus, ob finanzielle Transfers zwischen Eltern und Kindern fliessen. Um finanzielle Transfers zu erklären, wurde der Blick im vorangehenden Kapitel auf Dyaden, d. h. die Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und Mutter bzw. Vater gelegt. Nun soll genauer geklärt werden, in welchem Verhältnis aktuelle Finanztransfers zwischen Generationen und Ungleichheitsstrukturen unter erwachsenen Kindern stehen.
Dazu muss der Fokus in einem ersten Schritt wieder zurück von der dyadischen Betrachtung der Beziehungen zu Mutter und Vater auf die individuelle Ebene der erwachsenen Kinder gelegt werden. Danach wird untersucht, wie ungleich die Transfers von und an Eltern verteilt sind. Zuletzt werden aktuelle Transfers mit Ungleichheitsstrukturen in der Kindergeneration in Verbindung gebracht. Dabei interessiert auch, wie die Bilanz zwischen Geben und Nehmen für verschiedene gesellschaftliche Gruppen ausfällt und ob es über die Altersspanne zu einem Ausgleich oder einer Verschärfung der Ungleichheiten kommt.

7.1 Finanzielle Transfers auf der Personenebene

Finden Transfers öfter zwischen Kindern und beiden Elternteilen statt oder geben bzw. erhalten Kinder häufiger nur von einem Elternteil etwas? Wie kann man die erhaltenen und gegebenen Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen zusammenrechenen? Welchen Unterschied macht es, wenn die Transfers von und an Mutter und Vater zusammengerechnet werden? Diese Fragen werden in den folgenden Abschnitten geklärt.

Von Dyaden zur Personenebene

Abbildung 7.1 zeigt ein erweitertes Makro-Mikro-Makro-Modell. Das theoretische Modell in Abschnitt 3.​2 verortete auf der Mikroebene Generationenbeziehungen als die Akteure sowie finanzielle Transfers als beobachtbare Handlungen. In Kapitel 6 wurden finanzielle Transfers von Mutter und Vater bzw. an Mutter und Vater aber separat, d. h. als zwei unabhängige Fälle betrachtet. Die Fragestellung im Survey forderte dazu auf, gemeinsame Transfers der Eltern jeweils halb der Mutter und halb dem Vater zuzurechnen (vgl. Abschnitt 4.​3). Generationenbeziehungen bestehen in der Untersuchungsanlage aus der Beziehung zur biologischen Mutter und der Beziehung zum biologischen Vater. Entsprechend müssen für eine Betrachtung auf der Personenebene finanzielle Transfers von bzw. an Mutter oder Vater aufsummiert werden.
In Abschnitt 6.​1 wurden finanzielle Transfers von Eltern an Kinder auf der Dyadenebene erklärt. Die Beziehungen zwischen Erwachsenen und ihren Eltern dienten dabei als Untersuchungseinheiten. Eine Person kann entweder von einem Elternteil etwas erhalten haben, von keinem oder von beiden. In der Analyse wurden Transfers von Mutter und Vater bisher unabhängig voneinander betrachtet. Im Fokus stand die Erklärung der Transfers durch die spezifischen Eigenschaften der Eltern, Kinder und deren Beziehungsmerkmale. Um die Zusammenhänge von Ungleichheitsstruktur und finanziellen Transfers abschätzen zu können, macht es allerdings einen Unterschied, ob eine Person von keinem, von einem oder von zwei Elternteilen etwas bekommen hat.
Der obere Teil von Abbildung 7.2 zeigt die Anteile der Transfers von Eltern über die Altersspanne der Befragten. Insgesamt hat mit 48 % knapp die Hälfte der befragten Personen weder von Mutter noch von Vater einen Transfer erhalten. Etwas weniger als jede*r Vierte hat von einem Elternteil Geldgeschenke, Sachgeschenke oder Zahlungen erhalten. 28 % aller erwachsenen Kinder haben von beiden Elternteilen im letzten Jahr einen finanziellen Transfer erhalten. Mit steigendem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, keinen Transfer zu erhalten. Die Wahrscheinlichkeit von beiden Elternteilen etwas zu erhalten sinkt entsprechend über die Altersspanne. Relativ stabil bleibt aber der Anteil derjenigen, die nur von einem Elternteil einen finanziellen Transfer erhalten. Im Alter von 20 erhalten über 60 % der Befragten von Mutter und Vater Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen, knapp 20 % erhalten von einem Elternteil etwas. Bei den 40-Jährigen sind es je rund 40 % die entweder von keinem oder von beiden Elternteilen einen finanziellen Transfer bekommen. Etwas mehr als jede*r Fünfte der 40-Jährigen erhält von einem Elternteil finanzielle Zuwendungen. Bis zum Alter von 70 nimmt die Wahrscheinlichkeit, von beiden Eltern einen Transfer zu erhalten, weiter kontinuierlich ab.
Die Wahrscheinlichkeit, keinen Transfer zu erhalten steigt entsprechend an. Bei den 60 bis 70-Jährigen erhalten mit bis zu 30 % etwas mehr Befragte Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen von einem Elternteil als in anderen Altersgruppe. Insgesamt zeigen sich die stärksten Veränderungen bei Transfers von und an beide Elternteile. Dies ist zu einem Grossteil darauf zurückzuführen, dass mit dem Alter häufiger nur noch ein Elternteil lebt (siehe Abbildung 5.​9). Die grössten Unterschiede zwischen der Betrachtung von Dyadeninformationen und den zusammengeführten Beträgen ergeben sich somit bei den jüngeren Erwachsenen und damit in de Altersgruppe wo am häufigsten von beiden Eltern Transfers erhalten oder an diese gegeben werden.
Auch bei Geld- und Sachgeschenken sowie Zahlungen, die von Kindern an Eltern gegeben werden, kann sich die Dyadenbetrachtung von der Betrachtung auf der Personenebene unterscheiden. Für eine sinnvolle Abschätzung der Auswirkungen von Transfers auf Ungleichheitsstrukturen ist die Personenebene ausschlaggebend: Wer an beide Eltern etwas gibt, hat mehr Ressourcen aufgewendet als eine Person, die nur ihre Mutter oder nur ihren Vater unterstützt. Umgekehrt kann mehr gegeben haben, wer einen grossen Transfer an nur ein Elternteil gegeben hat, als wenn an beide Elternteile jeweils ein kleines Geschenk gegeben wurde.
Insgesamt hat knapp die Hälfte der erwachsenen Kinder im letzten Jahr vor der Befragung weder an Mutter noch an Vater einen Transfer gegeben. Jeweils ein Viertel hat an einen Elternteil etwas gegeben und ein Viertel sowohl an die Mutter als auch an den Vater. Die untere Darstellung von Abbildung 7.2 zeigt Transfers an einen oder beide Elternteile über die Altersspanne der Befragten. Wie im Falle der von Eltern an Kinder gegebenen Transfers werden auch hier Transfers an beide Elternteile mit steigendem Alter der Befragten seltener und der Anteil von Personen, die weder an Mutter noch Vater etwas geben, nimmt zu. Unter den 20-Jährigen geben je rund 40 % der jungen Erwachsenen entweder keinen Transfer oder an beide – an Mutter und Vater. Ab einem Alter der Kinder von 30 Jahren sinken Transfers an beide Eltern kontinuierlich auf unter 20 % bei den 50-Jährigen und unter 10 % bei den 60-Jährigen erwachsenen Kindern. Die Anteile der Erwachsenen, die keinen Transfer an Mutter oder Vater geben, nehmen mit steigendem Alter von 40 % bei den 20-Jährigen bis auf 60 % bei den fast 70-Jährigen langsam stark zu. Im Gegensatz zum etwa gleichbleibenden Anteil derjenigen, die von einem Elternteil etwas erhalten, nehmen die Anteile der Erwachsenen, die an einen Elternteil etwas geben, mit steigendem Alter zu. Bei den 30-Jährigen liegt er noch bei unter 20 %, bei den 60-Jährigen liegt er mit fast 40 % am höchsten. Auch hier sind es folglich die jüngeren Altersgruppen, bei welchen die Unterschiede zwischen der Betrachtung der Dyaden und der Personenebene am grössten sind.
Um eine genauere Abschätzung der Auswirkungen auf Ungleichheitsstrukturen in der Kindergeneration zu ermöglichen, werden als nächstes Transfers von Eltern an Kinder und danach von Kindern an Eltern genauer vorgestellt. Innerhalb der Abschnitte stehen zunächst die Unterschiede zwischen der Dyaden- und Personenbetrachtung im Vordergrund. Anschliessend wird die Ungleichheit der Transfers mit den Dimensionen Bildung, Geschlecht und Migrationsgeschichte in Verbindung gebracht.

Von Eltern an Kinder

Wie sieht der Erhalt und die Verteilung der Transferbeträge aus, wenn die Transfers von Mutter und Vater berücksichtigt werden? Welche Implikationen haben die Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen auf die Ungleichheitsstruktur in der Kindergeneration? Dieser Abschnitt vergleicht in einem ersten Schritt die Zusammenführung der Transfers von Mutter und Vater mit den Angaben auf der Dyadenebene. Anschliessend stehen die Ungleichheit von finanziellen Transfers und deren Zusammenhänge mit relevanten Ungleichheitsindikatoren im Fokus.
Tabelle 7.1
Von Eltern an Kinder, Vergleich Dyaden-/Personenebene
Kategorie
% Dyaden
% Personen
Kein Transfer
51.6
48.5
Bis 500
31.1
31.1
Bis 1’000
8.2
6.2
Bis 5’000
6.1
7.3
5’000+
3.1
6.9
Quelle: SwissGen, eigene Berechnungen, Dyaden n = 11’032, Personen n = 6’699.
Die linke Spalte von Tabelle 7.1 zeigt die Verteilung der Transfers von Eltern an Kinder auf Dyaden-, d. h. Beziehungsebene. Insgesamt liegen Informationen zu 11’032 Eltern-Kind Beziehungen vor. In gut der Hälfte der Beziehungen gab es in den letzten 12 Monaten vor der Befragung keine finanziellen Transfer vom Elternteil an das erwachsene Kind. In beinahe jeder dritten Eltern-Kind Beziehung haben Kinder kleinere Zuwendungen im Wert von bis zu 500 Franken erhalten. Eines von zwölf Elternteilen gab zwischen 500 und 1’000 Franken, 6 % bis 5’000 Franken und nur 3 % über 5’000 Franken. Die rechte Spalte von Tabelle 7.1 zeigt die Verteilung der zusammengeführten finanziellen Transfers von Mutter und Vater an die erwachsenen Kinder. Untersuchungseinheit sind nun nicht mehr Beziehungen, sondern Personen Es zeigt sich, dass etwas weniger als die Hälfte der Befragten weder von ihrer Mutter noch von ihrem Vater Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen erhielten. Gut 30 % erhielten bis 500 Franken, und etwas weniger als jede*r Zehnte erhielt jeweils bis 1’000 Franken, bis 5’000 Franken oder mehr als 5’000 Franken. Die Zusammenführung der Beträge und die Betrachtung auf der Personenebene lassen also grössere Transfers über 1’000 Franken etwas wahrscheinlicher werden. Dies weist darauf hin, dass erwachsene Kinder, die von einem Elternteil einen grossen Transfer erhalten auch mit höherer Wahrscheinlichkeit von dem anderen Elternteil etwas erhalten.
Abbildung 7.3 zeigt die Verteilung von Geld-, Sachgeschenken und Zahlungen von Eltern an Kinder auf Personenebene in verschiedenen Bildungs-, Geschlechts- und Migrationsgruppen. Die entsprechenden Prozentzahlen sind in Tabelle 8 im elektronischen Zusatzmaterial abgebildet. Zuoberst finden sich zum Vergleich die Gesamtanteile (siehe auch Tabelle 7.1 im vorigen Abschnitt). Darunter zeigen sich Unterschiede nach Bildungsstand der Kinder. Mit dem Bildungsgrad der erwachsenen Kinder steigt die Wahrscheinlichkeit auf mehr und höhere Transfers. Unter denjenigen mit tiefer Bildung erhielt jede*r Dritte Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen von den Eltern; unter Befragten mit mittlerer Bildung ist es gut jede*r Zweite. Deutlich über die Hälfte der erwachsenen Kinder mit hoher Bildung hat einen Transfer erhalten. Einen kleinen Transfer bis 500 Franken haben 17.5 % aller Befragten mit tiefer Bildung erhalten. Bei den hochgebildeten sind es doppelt so viele, bei Befragten mit mittlerer Bildung immerhin gut 30 %. Bei den höheren Transferbeträgen liegen die Anteile in allen Gruppen sehr viel tiefer, auch hier gibt es aber mehr Transfers für höher Gebildete. Nur gut 4 % der Befragten mit tiefer Bildung erhalten Transfers im Wert von über 5’000 Franken. Mit jeweils knapp 8 % sind Transfer bis 5’000 und über 5’000 an Hochgebildete am häufigsten.
Als nächstes werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern betrachtet. Über 55 % der Töchter hat im letzten Jahr einen Transfer erhalten. Bei den Söhnen ist es etwas weniger als die Hälfte. Mehr als jede dritte Tochter erhielt von ihren Eltern Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen im Wert von bis zu 500 Franken. Jeweils rund 7 % erhielten bis 1’000, bis 5’000 und über 5’000 Franken. Söhne erhielten etwas seltener einen kleinen Transfer; nämlich nur knapp 30 %. Auch Transfers bis 1’000 sind seltener als bei Töchtern. Bei Transfers von höherem Wert zeigen sich hingegen keine Unterschiede zwischen Söhnen und Töchtern.
Zuletzt zeigen sich Unterschiede nach Migrationsgeschichte. Gut 40 % der ersten Migrationsgeneration, die also selbst im Ausland geboren wurden, erhielten in den letzten 12 Monaten vor der Befragung einen Transfer von ihren Eltern. Bei Angehörigen der zweiten Migrationsgeneration und solchen ohne Migrationsgeschichte erhielten hingegen jeweils knapp 60 % Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen von den Eltern. Knapp 30 % der eingewanderten Personen erhielten kleinere Transfers von ihren Eltern, bei der zweiten Migrationsgeneration und Personen ohne Migrationsgeschichte sind es jeweils etwas mehr. Grössere Unterschiede zeigen sich aber insbesondere bei den grösseren Transferbeträgen: Personen, die in der Schweiz geboren wurden erhielten rund doppelt so häufig Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen im Wert von über 1’000 Franken als Personen, die im Ausland geboren wurden.
Was lässt sich nun in Bezug auf den Zusammenhang von abwärts Transfers und Ungleichheitsstrukturen der Kindergeneration folgern? Die Betrachtungen der Finanz- und Vermögenssituation der befragten Erwachsenen in Abschnitt 5.​1 haben gezeigt, dass hochgebildete Männer ohne Migrationsgeschichte die beste finanzielle Lage haben. Die Auswertungen in diesem Abschnitt zeigen ebenfalls Zusammenhänge finanzieller Transfers mit den ungleichheitsrelevanten Merkmalen. Einerseits profitieren Töchter eher von Geld-, Sachgeschenken und Zahlungen. Da sie in Bezug auf ihre Finanzlage eher benachteiligt sind, kann angenommen werden, dass finanzielle Transfers hier ungleichheitsreduzierend wirken. Andererseits erhalten tief Gebildete und eingewanderte Personen deutlich weniger Transfers als Hochgebildete und Personen ohne Migrationsgeschichte. In Bezug auf diese Dimensionen wirken finanzielle Transfers von Eltern folglich eher stabilisierend oder gar verstärkend.

Von Kindern an Eltern

Wie sieht die Verteilung der Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen aus, wenn sie auf der Personen- statt auf der Dyadenebene betrachtet wird? Wie viel Prozent der befragten erwachsenen Kinder geben etwas an Mutter oder Vater und wie verändern sich die Anteile der Transferbeträge wenn Transfers an beide Elternteile gemeinsam betrachtet werden?
Tabelle 7.2
Von Kindern an Eltern, Vergleich Dyaden-/Personenebene
Kategorie
% Dyaden
% Personen
Kein Transfer
53.1
48.8
Bis 500
36.6
38.1
Bis 1’000
6.0
5.3
Bis 5’000
3.5
5.6
5’000+
0.8
2.1
Quelle: SwissGen, eigene Berechnungen, Dyaden n = 11’057, Personen n = 6’708.
Tabelle 7.2 zeigt den Vergleich zwischen der Betrachtung der Transfers auf Dyaden- und Personenebene. Während die Dyadenebene 11’057 Eltern-Kind-Beziehungen abbildet, sind Beziehungen zu Mutter und Vater auf der Personenebene mit 6’708 Befragten zusammengefasst. Insgesamt zeigen sich eher geringe Unterschiede. Einerseits ist der Anteil an Dyaden, in welchen kein Transfer stattfand, etwas grösser als der Anteil an Personen, die keinen Transfer an Mutter oder Vater gegeben haben. Während in weniger als der Hälfte der Eltern-Kind Beziehungen Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen von erwachsenen Kindern an Eltern fliessen, geben mit 52 % über die Hälfte der Befragten etwas an Mutter oder Vater. Andererseits sind die höheren Betragskategorien bei der Betrachtung auf Personenebene stärker besetzt, da Transfers an Mutter und Vater zusammengefasst werden. 38 % der Befragten haben in den letzten 12 Monaten vor der Befragung Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen an Mutter, Vater oder beide Elternteile gegeben. Das ist ein etwas höherer Anteil als bei Betrachtung auf der Dyadenebene. Die Kategorie zwischen 500 Franken und 1’000 Franken ist mit 5 % etwas weniger stark besetzt, als wenn die Beziehungen einzeln betrachtet werden. Im Gegenzug zeigt sich, dass der Anteil der Personen, die zwischen 1’000 Franken und 5’000 Franken an ihre Eltern gegeben haben, höher liegt, als die Betrachtung der Beziehungsebene vermuten liess. In nur 3.5 % der Eltern-Kind-Beziehungen geben Kinder zwischen 1’000 Franken und 5’000 Franken Wenn Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen an Mutter und Vater zusammengefasst werden, zeigt sich, dass knapp 6 % der erwachsenen Kinder Transfers in dieser Grössenordnung an ihre Eltern geben. Finanzielle Transfers von Kindern an Eltern im Wert von über 5’000 Franken sind sowohl bei der Betrachtung auf der Dyaden- als auch auf der Personenebene sehr selten. Immerhin zwei von hundert erwachsenen Kindern haben ihre Eltern mit einem solchen Transfer unterstützt. Die Dyadenebene hat hingegen gezeigt, dass nur in einer von hundert Eltern-Kind-Beziehungen Transfers im Wert von über 5’000 Franken gemacht wurden. Grosse Transfers gehen folglich häufiger nur an ein Elternteil.
In welchem Zusammenhang stehen die gegebenen Transfer zu ungleichheitsrelevanten Merkmalen in der Kindergeneration? Abbildung 7.4 zeigt die Verteilung der Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen über die Bildungsgruppen, die Geschlechter sowie nach Migrationsgeschichte. Die zugrunde liegenden Zahlen sind in Tabelle 9 im elektronischen Zusatzmaterial zu finden.
Unter den Gesamtanteilen (siehe Ausführungen zu Tabelle 7.2) sind die Anteile der Transferbeträge nach Bildungsstand der erwachsenen Kinder abgebildet. Es zeigt sich, dass erwachsene Kinder mit höherer Bildung häufiger Transfers an Mutter und Vater gegeben haben als solche mit mittlerer oder tiefer Bildung. Von den Befragten mit tiefer Bildung haben knapp 60 % keinen geldwerten Transfer geleistet. Bei Befragten mit mittlerer Bildung sind es etwas mehr als die Hälfte, unter den Hochgebildeten haben gut 40 % nichts an Vater oder Mutter gegeben. Bis 500 Franken haben etwas mehr als jede*r Vierte mit tiefer Bildung und etwas mehr als jede*r Dritte mit mittlerer Bildung gegeben. Mit zwei von fünf Befragten haben im letzten Jahr Personen mit hoher Bildung am häufigsten kleine Transfers an Mutter und Vater gegeben. Sie leisten auch am häufigsten grössere Transfers. Überraschenderweise geben Befragte mit tiefer Bildung am zweithäufigsten Transfers über 500 Franken an Mutter und Vater, Befragte mit mittlerer Bildung etwas seltener. Dies dürfte auf den überproportional hohen Anteil von Personen mit Migrationsgeschichte unter den Befragten mit tiefer Bildung zurückzuführen sein.
Bevor jedoch die Unterschiede nach Migrationsgruppen betrachtet werden, stehen geschlechtsspezifische Transfermuster im Fokus. Insgesamt gaben Töchter im letzten Jahr häufiger Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen an Mutter oder Vater als Söhne. Mehr als zwei von fünf Töchtern gaben kleine Transfers, je gut 5 % bis 1’000 und bis 5’000 Franken. Lediglich 2 % der befragten Töchter gaben über 5’000 Franken an die Eltern. Bei den Söhnen gab gut jeder fünfte einen kleinen Transfer. Transfers von grösserem Wert kommen hingegen etwas häufiger vor als bei den Töchtern.
Nach Migrationsgruppen zeigen sich grössere Unterschiede. Über die Hälfte der Befragten ohne Migrationsgeschichte haben keine Transfers an Mutter oder Vater gegeben. Bei Befragten der zweiten Migrationsgeneration sind es etwas weniger als die Hälfte. Erwachsene, die im Ausland geboren wurden, haben am häufigsten etwas an ihre Eltern gegeben: Rund 35 % von ihnen gab einen kleinen Transfer, je etwa 10 % gab bis 1’000 bzw. bis 5’000 Franken an die Eltern. 3 % gaben sogar über 5’000 Franken an Mutter und Vater. Nur zwei von fünf Befragten der ersten Migrationsgeneration gab im letzten Jahr nichts an Mutter oder Vater. Bei Befragten der 2. Migrationsgeneration und solchen ohne Migrationsgeschichte gaben rund 40 % einen kleinen Transfer und weniger als 10 % einen grösseren Transfer an die Eltern.
Was lässt sich nun über den Zusammenhang zwischen Transfers von erwachsenen Kindern an ihre Eltern und Ungleichheitsstrukturen in der Kindergeneration sagen? Am häufigsten geben hochgebildete Töchter der ersten Migrationsgeneration Transfers an ihre Eltern. Grössere Transfers werden auch von Befragten mit tiefer Bildung und von Söhnen geleistet. Tief Gebildete und Angehörige der ersten Migrationsgeneration haben in der Kindergeneration eine vergleichsweise schlechte finanzielle Lage (vgl. Abschnitt 5.​1). Trotzdem leisten sie häufig grössere Transfers an ihre Eltern, was ihre finanzielle Situation zusätzlich belastet und zu einer Vergrösserung der Ungleichheit führen kann. Hochgebildete und Söhne haben dagegen die beste finanzielle Situation, sie geben entsprechend auch häufiger bzw. höhere Transfers. Dies weist auf eine ungleichheitsreduzierende Wirkung von Transfers hin.

7.2 Ungleichheit der Transferbeträge

Nach der Zusammenführung der Transfers auf Ebene der Befragten wird in einem nächsten Schritt die Verteilung der Transferbeträge betrachtet. Dazu werden zunächst aus Transferkategorien konkrete Transferbeträge abgeleitet. Anschliessend wird dargestellt, wie sich die transferierten Beträge von Eltern und Kindern auf Bildungsgruppen, die Geschlechter und die Migrationsgruppen aufteilen. Die Aufteilung wird jeweils auch über die Altersspanne der Befragten betrachtet.

Von Prozenten zu Beträgen

Finanzielle Transfers von Mutter oder Vater wurden im SwissGen Fragebogen mit einer Ja-/Nein-Frage und Betragskategorien erfasst (eine ausführlichere Darstellung findet sich in Abschnitt 4.​3). Da keine genauen Transferbeträge abgefragt wurden, kann die Zusammenführung der finanziellen Transfers von Mutter und Vater nicht in einer einfachen Addition erfolgen. Stattdessen wird auf die mittleren Betragswerte der Kategorien zurückgegriffen.
Tabelle 7.3
Mittlere Transferbeträge
Kategorie
\(\varnothing \)
Kein Transfer
0
Bis 500
250
Bis 1’000
750
Bis 5’000
3’000
Bis 10’000
7’500
10’000+
10’000
Quelle: SwissGen, eigene Berechnungen.
Zunächst wurde für jede Kategorie der mittlere Betrag ermittelt (siehe Tabelle 7.​3). Wer in die tiefste Kategorie fällt und bis zu 500 Franken erhalten hat, hat im Schnitt 250 Franken erhalten ((500 + 0)/2). Für die Kategorie bis zu 5’000 Franken wurde eine mittlere Betragskategorie von 3’000 Franken ermittelt ((5’000 + 1’000) / 2). Die mittleren Beträge von Mutter und Vater wurden anschliessend zusammengerechnet (Tabelle 10 im elektronischen Zusatzmaterial). Wer angibt, von der Mutter Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen im Wert von bis zu 500 Franken erhalten zu haben und vom Vater bis zu 5’000 Franken hat also schätzungsweise 3’250 Franken erhalten (3’000 + 250).

Von Eltern an Kinder

Die bisherigen Analysen haben gezeigt, dass finanzielle Transfers zwischen Generationen häufig vorkommen. Zumeist handelt es sich um kleinere Geschenke, die dem Erhalt der Beziehung dienen; grössere Transferbeträge kommen dagegen seltener vor. Dies kann dazu führen, dass die Relevanz von grösseren Transfers und deren Einfluss auf die Ungleichheitsstrukturen unterschätzt wird. Um einen Eindruck der Bedeutung der unterschiedlichen Transferkategorien zu erhalten, vergleicht Tabelle 7.​4 die prozentuale Häufigkeit von Transfers, die in eine bestimmte Kategorie fallen, mit deren relativem Anteil an der gesamten transferierten Summe.
Tabelle 7.4
Von Eltern an Kinder, Vergleich Personen-/Betragsanteile
Kategorie
% Personen
% Beträge
Kein Transfer
48.5
0.0
Bis 500
31.1
12.1
Bis 1’000
6.2
5.2
Bis 5’000
7.3
18.1
Bis 10’000
4.0
25.9
10’000+
2.9
38.7
Quelle: SwissGen, eigene Berechnungen, n = 6’699.
Der Vergleich zeigt, dass knapp die Hälfte der erwachsenen Kinder gar keinen Transfer erhält, und folglich auch keinen Anteil an der gesamten transferierten Summe hat. Die gut 30 % der erwachsenen Kinder, die bis zu 500 Franken von ihren Eltern erhalten bilden zwar die grösste Gruppe der Transferempfänger*innen, auf sie entfällt jedoch nur gut 12 % der Transfersumme. Die gut 6 % der Erwachsenen, die bis zu 1’000 Franken erhalten, machen mit 5.2 % den kleinsten Anteil an der Transfersumme aus. Gut 7 % der befragten Personen erhielten bis zu 5’000 Franken. Ihr Anteil an der Transfersumme ist mit 18 % mehr als doppelt so gross wie der Personenanteil dieser Transferkategorie. Knapp 4 % erhielten bis zu 10’000 Franken von Mutter und Vater und damit über 25 % der Transfersumme. Hier ist der Transferanteil bereits mehr als 6 mal grösser als der Personenanteil. Knapp 3 % der Befragten haben über 10’000 Franken erhalten. Diese drei Prozent teilen sich fast 40 % der gesamten transferierten Summe.
Die transferierten Beträge sind somit höchst ungleich verteilt. Es stellt sich die Frage, inwiefern die ungleiche Verteilung der finanziellen Transfers mit den ungleichheitsrelevanten Merkmalen wie Bildung, Geschlecht und Migrationsgeschichte steht. Abbildung 7.5 zeigt den Vergleich des Anteils von Personen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe mit deren Anteil an der gesamten von Eltern an Kindern transferierten Summe. Abweichungen zwischen den beiden Balken zeigen an, dass eine Bevölkerungsgruppe mehr oder weniger Transfers erhält als dies der Fall wäre, wenn alle erwachsenen Kinder gleichermassen von finanziellen Transfers profitieren würden. Ist der Anteil der Transferbeträge die eine Gruppe erhält grösser als ihr Anteil an der Bevölkerung, erhält sie überdurchschnittlich viele bzw. hohe Transfers. Ist der Anteil der Beträge jedoch kleiner als der Anteil der Personen in einer Gruppe, erhält diese Gruppe unterdurchschnittlich wenig finanzielle Transfers.
Jede*r zehnte Befragte hat eine tiefe Bildung, allerdings erhält diese Gruppe nur knapp 7 % der transferierten Summe. Je 45 % der befragten Erwachsenen haben eine mittlere bzw. hohe Bildung. Auf Personen mit mittlerer Bildung entfällt aber nur gut 40 % der Transfersumme, während Hochgebildete über 50 % der transferierten Beträge erhalten. Befragte mit tiefer und mittlerer Bildung erhalten also einen unterdurchschnittlichen Anteil der finanziellen Transfers von Eltern, hochgebildete Erwachsene entsprechend einen überdurchschnittlich hohen Anteil.
Gleichmässiger sieht es bei den Geschlechtern aus. Frauen machen etwas mehr als die Hälfte der Befragten aus und erhalten mit 51 % auch etwas mehr als die Hälfte der Transfers. Bei den Migrationsgruppen gibt es hingegen grosse Abweichungen. Während über ein Drittel der befragten im Ausland geboren wurde und damit der ersten Migrationsgeneration angehört, erhalten diese weniger als 20 % der Transfers. Die zweite Migrationsgeneration macht knapp 18 % der Personen aus, erhält mit knapp 23 % der Transfersumme aber einen überdurchschnittlichen Anteil. Personen ohne Migrationsgeschichte machen gut 47 % der befragten erwachsenen Kinder aus. Mit gut 57 % der transferierten Summe erhalten auch sie einen überdurchschnittlich grossen Anteil an den Geld-, Sachgeschenken und Zahlungen, die Eltern an ihre Kinder geben.
Insgesamt erhalten also hochgebildete Töchter, die in der Schweiz geboren wurden, überdurchschnittlich viele finanzielle Transfers von ihren Eltern. Söhne mit tiefer oder mittlerer Bildung und Personen, die nicht in der Schweiz geboren wurden erhalten dagegen unterdurchschnittliche Anteile an den transferierten Beträgen.
Erwachsene Kinder profitieren unterschiedlich stark von Geld-, Sachgeschenken und Zahlungen der Eltern. Der letzte Abschnitt hat gezeigt, dass gerade auch das Alter eine relevante Rolle für den Erhalt von Transfers spielt. Nun stellt sich die Frage, ob sich die Verteilung der Transfers zwischen den Bildungs-, Geschlechts- und Migrationsgruppen über die Altersspanne ändert oder ob immer dieselben Gruppen bevorteilt werden.
Abbildung 7.6 zeigt die Abweichung der Betragsanteile von den Personenanteilen der jeweiligen Bevölkerungsgruppen über die Altersspanne der Befragten. Ein durchgehender Wert von Null bedeutet, dass jede Bevölkerungsgruppe über alle Altersjahre hinweg genau so viele Transfers erhält, wie ihr Anteil an der Bevölkerung ausmacht. Linien, die sich über Null bewegen zeigen überdurchschnittlich grosse Transferanteile in den entsprechenden Altersgruppen an. Linien, die unter Null liegen zeigen an, dass die entsprechende Bevölkerungsgruppe in dieser Altergruppe weniger Transfers erhält, als es bei einer Gleichverteilung der Fall wäre.
Der oberste Teil von Abbildung 7.6 zeigt die Betragsanteile der Bildungsgruppen über die Altersspanne der Befragten. Bei den jüngeren Befragten erhalten diejenigen mit tiefer Bildung überdurchschnittlich hohe Anteile an den finanziellen Transfers. Der Transferanteil der tief Gebildeten geht aber schnell zurück und so erhalten bereits die über 25-Jährigen mit tiefer Bildung nur noch einen unterdurchschnittlichen Anteil an der Transfersumme. Über die weiteren Altersgruppen sinkt ihr Transferanteil stetig. Befragte mit mittlerer Bildung erhalten in jüngeren Jahren einen unterdurchschnittlichen Anteil an den finanziellen Transfers. Bis zum Alter von ca. 40 entfernt sich der Transferanteil stetig vom Bevölkerungsanteil und liegt dort rund 10 % tiefer. Bei den über 40-Jährigen nähert sich der Transferanteil mit steigendem Alter wieder dem Bevölkerungsanteil an. Befragte über 60 Jahre mit mittlerer Bildung erhalten sogar überdurchschnittlich viele Transfers. Hochgebildete Befragte erhalten nur im sehr jungen Erwachsenenalter einen leicht unterdurchschnittlichen Transferanteil. Ab einem Alter von 20 Jahren erhalten Hochgebildete einen grösseren Anteil an den Transfers als sie in der Bevölkerung ausmachen. Bis zum Alter von etwa 45 Jahren steigt die Bevorteilung der Hochgebildeten immer weiter an, danach sinkt sie wieder leicht. Aber auch im Alter von 65 Jahren erhalten Hochgebildete einen Transferanteil der um 10 % höher liegt als ihr Anteil an der Bevölkerung ausmacht.
Der mittlere Teil von Abbildung 7.6 zeigt die Abweichung zwischen Transfer- und Bevölkerungsanteil der Geschlechter. Je nach Lebensalter erhalten Töchter oder Söhne einen grösseren Anteil an der Transfersumme. Bis zum Alter von 35 Jahren erhalten Frauen einen leicht überproportionalen Anteil an den Transfers. Zwischen 35 und 45 erhalten hingegen Söhne einen grösseren Anteil an den transferierten Summen. Danach ändern sich die Verhältnisse erneut und bei den 45- bis 60-Jährigen erhalten Töchter mehr als Söhne. Im höheren Alter sind es hingegen erneut Söhne, die überproportional hohe Anteile der transferierten Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen erhalten.
Zuletzt zeigen sich auch bei den Migrationsgruppen Unterschiede über die Altersspanne (siehe unterste Darstellung in Abbildung 7.6). Angehörige der ersten Migrationsgeneration erhalten über alle Altersgruppen hinweg einen unterdurchschnittlich tiefen Anteil an den finanziellen Transfers. Bei den jüngeren Erwachsenen der ersten Migrationsgeneration liegt der Unterschied zwischen Bevölkerungsanteil und Transferanteil bei weniger als 10 %. Danach wächst die Differenz auf 20 % bei den über 35-Jährigen. Junge Erwachsene der zweiten Migrationsgeneration erhalten einen überdurchschnittlich hohen Transferanteil. Ab einem Altern von 25 Jahren liegt ihr erhaltener Transferanteil allerdings nur noch leicht über ihrem Bevölkerungsanteil. Befragte ohne Migrationsgeschichte erhalten im jungen Erwachsenenalter einen unterdurchschnittlichen Transferanteil. Das gilt aber nur für die jüngsten Befragten. Bereits bei den 25-Jährigen erhalten Personen ohne Migrationsgeschichte einen überdurchschnittlichen Transferanteil. Bei den über 30-Jährigen liegt der Transferanteil dieser Gruppe bereits 10 % höher als ihr Anteil an der Bevölkerung. Mit zunehmendem Alter steigt der Transferanteil weiter auf bis zu 20 % bei den 65-Jährigen an.

Von Kindern an Eltern

Gut die Hälfte der erwachsenen Kinder gibt Transfers an Mutter oder Vater. Auch hier stellt sich aber nicht nur die Frage ob etwas an die Eltern gegeben wird, sondern auch wie viel. Die Ausführungen in Abschnitt 7.1 haben gezeigt, dass es grosse Unterschiede bei den an Eltern transferierten Beträgen gibt. Die meisten Kinder geben kleinere Geschenke, einige haben ihre Eltern dagegen mit substantiellen Zahlungen unterstützt.
Tabelle 7.5
Von Kindern an Eltern, Vergleich Personen-/Betragsanteile
Kategorie
% Personen
% Beträge
Kein Transfer
48.9
0.0
Bis 500
38.1
28.9
Bis 1’000
5.3
8.5
Bis 5’000
5.6
27.6
Bis 10’000
1.5
19.6
10’000+
0.6
15.4
Quelle: SwissGen, eigene Berechnungen, Personen n = 6’708.
Tabelle 7.​5 zeigt die Gegenüberstellung der Personen- und Betragsanteile in den abgefragten Kategorien bei Transfers von Kinder an Eltern. Knapp die Hälfte der erwachsenen Kinder hat in den letzten zwölf Monaten nichts an Mutter oder Vater gegeben. Die knapp 40 % der Befragten, die bis 500 Franken transferiert haben, machen weniger als 30 % der gesamten Summe aus. Gut 5 % der Erwachsenen gaben Transfers im Wert von bis zu 1’000 Franken an ihre Eltern. Diese Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen machen 8.5 % der transferierten Summe aus. Mit 5.6 % haben etwas mehr Personen zwischen 1’000 und 5’000 Franken an Mutter und Vater gegeben. Transfers dieser Kategorie machen mit über 27 % aber einen fast fünfmal so grossen Anteil an den Beträgen aus. Nur 1.5 % der Befragten haben zwischen 5’000 und 10’000 Franken an ihre Eltern gegeben. Diese seltenen aber grösseren Transfers machen fast 20 % des gesamten Transferbetrags aus. Der Vergleich der obersten Kategorie beruht auf einer konservativen Schätzung, da für die Berechnungen der Anteile vom tiefstmöglichen Betrag ausgegangen wurde; trotzdem fällt er beeindruckend aus. Über 15 % des gesamten Transferbetrages, der von Kindern an Eltern fliesst gehen auf Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen von weniger als 1 % der befragten Personen zurück.
Abbildung 7.7 zeigt den Zusammenhang zwischen Transferbeträgen und Bildung, Geschlecht sowie Migrationsgeschichte. Sie stellt die Bevölkerungsanteile der verschiedenen Subgruppen (hellgrau) der Verteilung der transferierten Beträge (dunkelgrau) gegenüber.
Auf erwachsene Kinder mit tiefer Bildung entfallen knapp 8.5 % der transferierten Beträge. Da sie aber 10 % der Bevölkerung ausmachen, leisten sie weniger Transfers an ihre Eltern als dies bei einer Gleichverteilung der Fall wäre. Deutlicher ist die Differenz aber bei Personen mit mittlerer Bildung, die über 45 % der Bevölkerung ausmachen, aber nur 37 % der Transfers leisten. Erwachsene mit hoher Bildung machen knapp 45 % der Bevölkerung aus. Mit knapp 55 % entfällt aber mehr als die Hälfte des Wertes aller Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen an Mutter oder Vater auf Transfers von hochgebildeten Kindern.
Beim Geschlecht zeigen sich nur geringe Unterschiede. Töchter geben etwas weniger, Söhne dagegen etwas mehr als bei einer Gleichverteilung erwartet würde. Im Gegensatz dazu zeigen sich grosse Unterschiede zwischen den Migrationsgruppen. Befragte der ersten Migrationsgeneration machen nur 35 % der Bevölkerung aus. Sie geben aber fast die Hälfte aller Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen an Eltern. Angehörige der zweiten Migrationsgeneration geben etwas weniger als ihr Bevölkerungsanteil es bei einer Gleichverteilung erwarten liesse. Erwachsene Kinder ohne Migrationsgeschichte machen knapp die Hälfte der Personen aus. Sie haben mit 37 % aber einen unterdurchschnittlichen Anteil an den transferierten Beträgen.
In einem nächsten Schritt wird genauer untersucht, ob und wie sich die Transferanteile der Bildungs-, Geschlechts- und Migrationsgruppen in den verschiedenen Altersgruppen unterscheiden. Abbildung 7.8 zeigt die Differenz zwischen dem prozentualen Bevölkerungsanteil einer Gruppe und deren Anteil an den transferierten Beträgen über die Altersspanne. Bei keiner Differenz entsprechen sich Bevölkerungs- und Transferanteil. Eine positive Differenz entspricht überdurch-schnittlichen Transfers, eine negative Differenz steht für unterdurchschnittliche Transferanteile.
Der oberste Teil von Abbildung 7.8 zeigt die Transferanteile der Bildungsgruppen über die Altersspanne. Befragte mit tiefer Bildung sind über alle Altersgruppen unterdurchschnittlich an Transfers an Eltern beteiligt. Die Differenz zwischen Bevölkerungs- und Transferanteil beträgt bis zum Alter von 45 Jahren aber nur wenige Prozentpunkte. Danach nimmt sie mit steigendem Alter immer mehr zu und beträgt bei den 65-Jährigen mit tiefer Bildung ca. 15 %. Weiter fällt auf, dass unter den Jüngsten zunächst Personen mit mittlerer Bildung überdurchschnittliche Transfers an die Eltern leisten. Bei den über 25-Jährigen ist dies hingegen bereits nicht mehr der Fall und der Anteil der mittel Gebildeten sinkt bis zu den über 50-Jährigen kontinuierlich. Zwischen 50 und 65 Jahren steigt der Transferanteil der mittel Gebildeten wieder etwas an, bleibt jedoch unterdurchschnittlich. Erwachsene mit hoher Bildung transferieren unter 20-Jährig noch etwas weniger als dies bei einer Gleichverteilung der Fall wäre. Sie steigern ihren Transferanteil mit zunehmendem Alter aber rasch. Bei den über 50-Jährigen stellt sich bei einer Differenz von knapp 20 % ein Plateaueffekt ein.
Die mittlere Darstellung in Abbildung 7.8 zeigt die Transferanteile der Töchter und Söhne über die Altersspanne. In der Gesamtbetrachtung (siehe Abbildung 7.7) zeigten sich nur geringe Unterschiede zwischen Bevölkerungs- und Transferanteilen der Geschlechter. Über die Altersspanne zeigen sich hingegen durchaus grosse Unterschiede. Unter den jüngeren Erwachsenen geben Töchter einen deutlich grösseren Anteil der Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen an Mutter und Vater als Söhne. Die beiden Anteile nähern sich einander bis zu den 35-Jährigen an. Anschliessend geben Söhne mehr als Töchter, wobei die Transferanteile bei den zwischen 35- und 50-Jährigen nahe beieinander liegen. Danach vergrössert sich die Differenz zwischen Söhnen und Töchter und liegt bei den 65-Jährigen bei etwa 30 %.
Zuletzt zeigen sich interessante Zusammenhänge zwischen Migrationsgeschichte und Altersspanne. Angehörige der ersten Migrationsgeneration geben im jüngeren Erwachsenenalter unterdurchschnittliche Transferanteile. Sie steigern ihren Transferanteil aber schnell und geben bereits bei den 25-Jährigen entsprechend ihres Bevölkerungsanteils. Danach geben Personen, die im Ausland geboren wurden überdurchschnittlich hohe Transferanteile. Bei den 45-Jährigen zeigen sich die grössten Differenzen, danach geht der Transferanteil wieder zurück. Befragte der ersten Migrationsgeneration, die über 60 Jahre alt sind, geben wieder unterdurchschnittliche Transferanteile an ihre Eltern. Die zweite Migrationsgeneration zeigt weniger starke Schwankungen über die Altersspanne der Befragten. Bis zum Alter von 30 Jahren geben sie etwas mehr an Mutter und Vater als einer Gleichverteilung entsprechen würde. Bei den über 30-Jährigen der zweiten Migrationsgeneration sinken die Transferanteile mit steigendem Alter. Mit 50 Jahren beträgt die Differenz ca. 10 %. Anschliessen nähern sich Bevölkerungs- und Transferanteile wieder an. Im Alter von 65 geben Söhne und Töchter der zweiten Migrationsgeneration sogar überdurchschnittliche Transferanteile. Erwachsene Kinder ohne Migrationsgeschichte geben bis zum Alter von 25 Jahren überdurchschnittlich hohe Transfers. Danach ist ihr Transferanteil kleiner als ihr Anteil an der Bevölkerung und sinkt bis zum Alter von 35 Jahren auf eine Differenz von über 10 % ab. Bei den über 35-Jährigen nähern sich Bevölkerungs- und Transferanteil wieder an.

7.3 Finanzielle Transfers und ökonomische Ungleichheit

Die beiden letzten Abschnitte haben gezeigt, dass finanzielle Transfers ungleich in der Bevölkerung und über die Altersspanne der Befragten verteilt sind. Dabei wurden Transfers von und an Eltern separat betrachtet. Dieser Abschnitt widmet sich nun der Frage, welche Bevölkerungsgruppen in einer Gesamtrechnung vom finanziellen Austausch mit den Eltern profitieren. Dazu werden in einem ersten Schritt die erhaltenen und vergebenen aktuellen Transfers miteinander verrechnet. Anschliessend wird die Transferbilanz in verschiedenen Gruppen und über die Altersspanne betrachtet. In einem zweiten Schritt wird der Frage nachgegangen, wie sich die transferierten Summen in verschiedenen Gruppen kumulieren. Zuletzt wird ein Blick auf die Vermögenswerte verschiedenen Bevölkerungsgruppen geworfen. Dadurch kann abgeschätzt werden, welche Relevanz aktuelle finanzielle Transfers zwischen Generationen auf die Ungleichheitsstrukturen in der Generation der erwachsenen Kinder haben.

Geben und Nehmen verrechnen

Die Verrechnung der erhaltenen und gegebenen aktuellen finanziellen Transfers ist der nächste Schritt der Aggregation. Abbildung 7.9 zeigt die durchschnittliche Summe der von Eltern erhaltenen und an diese gegebenen Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen im direkten Vergleich. Die entsprechende Tabelle 11 findet sich im elektronischen Zusatzmaterial.
Im Schnitt haben die Befragten in den letzten 12 Monaten Transfers im Wert von knapp 1’000 Franken von Mutter und Vater erhalten. Demgegenüber stehen Transfers an die Eltern im Wert von etwas über 500 Franken. Daraus ergibt sich ein Nettotransfers von fast Franken zugunsten der erwachsenen Kinder. Sowohl das Niveau als auch das Verhältnis der erhaltenen und vergebenen Transfers variieren über verschiedene Bevölkerungsgruppen. Mit dem Bildungsniveau der Kinder steigt sowohl das Niveau der finanziellen Transfers als auch der Nettoertrag. Tief Gebildete habe im Schnitt gut 650 Franken erhalten und 425 an ihre Eltern gegeben. Daraus resultiert eine positive Differenz von rund 240 Franken zugunsten der erwachsenen Kinder. Mittel Gebildete erhielten im Schnitt 900 Franken und gaben etwas über 400 Franken. Somit haben sie unter dem Strich fast 500 Franken von ihren Eltern erhalten. Hoch Gebildete erhalten mit über 1’100 Franken die höchsten Beträge, sie geben im Schnitt mit über 600 Franken auch am meisten. Unter dem Strich ergibt sich für Hochgebildete ein Plus von über 500 Franken.
Töchter erhielten in den letzten 12 Monaten durchschnittlich über 1’000 Franken von ihren Eltern. Im Gegenzug gaben sie gut 500 Franken an Mutter und Vater. Insgesamt haben sie also gut 500 Franken erhalten. Söhne erhielten im gleichen Zeitraum etwas weniger als 1’000 Franken, sie gaben durchschnittlich hingegen etwas mehr als Töchter und haben dadurch unter dem Strich nur gut 450 Franken von den Eltern erhalten.
Die grössten Unterschiede zeigen sich im Hinblick auf die Migrationsgeschichte. Personen der ersten Migrationsgeneration haben im letzten Jahr knapp 600 Franken von den Eltern erhalten, diesen aber über 700 Franken gegeben. Daraus resultiert eine Differenz von über 100 Franken zugunsten der Elterngeneration. Wer der zweiten Migrationsgeneration angehört oder keine Migrationsgeschichte hat, profitiert hingegen stark von finanziellen Transfers der Eltern. Die zweite Migrationsgeneration hat im Schnitt knapp 1’300 Franken von Mutter und Vater erhalten und über 400 an diese gegeben. Daraus resultiert ein Nettotransfer von gut 850 Franken zugunsten der erwachsenen Kinder. Personen ohne Migrationsgeschichte erhielten gut 1’200 Franken und gaben gut 400 Franken an ihre Eltern. Sie erhalten damit unter dem Strich gut 800 Franken.
Insgesamt erhält die Kindergeneration mehr als sie der Elterngeneration gibt. Am stärksten profitieren Personen der zweiten Migrationsgeneration, dicht gefolgt von Personen ohne Migrationsgeschichte. Wer in erster Generation migriert ist erhält hingegen am wenigsten von Mutter und Vater, gibt im Gegenzug aber am meisten an diese. Hier profitieren Eltern stärker von der finanziellen Solidarität zwischen Familiengenerationen als die erwachsenen Kinder. Mit dem Bildungsniveau der erwachsenen Kinder steigt auch deren Nettoertrag aus finanzieller Generationensolidarität. Zwischen Söhnen und Töchtern zeigen sich die geringsten Unterschiede. Töchter profitieren aber etwas stärker von Generationentransfers, da sie etwas mehr von den Eltern erhalten und gleichzeitig etwas weniger an diese geben als Söhne.

Transferbilanzen über die Altersspanne

Bestehen diese Unterschiede in allen Altersgruppen oder sind sie auf bestimmte Lebensphasen zurückzuführen? Abbildung 7.10 zeigt, wie sich die Verrechnung von erhaltenen und gegebenen finanziellen Transfers in verschiedenen Bevölkerungsgruppen über die Altersspanne der Befragten verhält.
Der oberste Teil zeigt die Nettotransfers über die Bildungsgruppen. Es fällt auf, dass junge Befragte mit tiefer Bildung die grössten Transferbeträge erhalten. Bei den 18-Jährigen mit tiefer Bildung sind es im Schnitt fast 3’000 Franken. Dieser Betrag geht aber mit steigendem Alter rasant zurück. Die 25- bis 50-Jährigen mit tiefer Bildung geben mehr an ihre Eltern, als sie von diesen bekommen. Die 40- bis 45-Jährigen mit tiefer Bildung verlieren durch Generationentransfers im Schnitt über 500 Franken. Ab einem Alter von 55 Jahren fällt die Bilanz für Befragte mit tiefer Bildung wieder positiv aus. Detailiertere Auswertungen zeigen aber, dass dies auf vereinzelte grössere erhaltene Transfers zurückzuführen ist und die Bilanz für einen Grossteil der tief Gebildeten über 55-Jährigen um Null liegt.
Junge Erwachsene mit mittlerer Bildung erhalten rund 1’000 Franken mehr von ihren Eltern als sie diesen geben. Dieser Nettobetrag geht mit zunehmendem Alter langsam zurück und liegt im mittleren Erwachsenenalter bei 200 bis 300 Franken. Bei den über 60-Jährigen steigt die Transferbilanz wieder auf über 1’000 Franken. Unter den hochgebildeten Befragten zeigt sich eine ähnlich Entwicklung über die Altersspanne. Der Höhepunkt der Transferbilanz wird jedoch erst etwa 5 Jahre später erreicht und der anschliessende Rückgang der Transferbeträge entwickelt sich etwas langsamer als bei Befragten mit mittlerer Bildung. Ein nicht unerheblicher Teil der jungen Erwachsenen ist noch in Ausbildung. Dadurch vollziehen sich gerade in diesen Altersjahren viele Wechsel der Bildungskategorien. Es kann also nicht davon ausgegangen werden, dass Personen mit tiefem Bildungsstand in den jungen Jahren von grösseren Transfers profitieren. Die multivariaten Ergebnisse in Tabelle 6.​2 haben gezeigt, dass grössere Transfers in jungen Jahren insbesondere an Befragte aus hochgebildetem Elternhaus fliessen, die sich in einer Ausbildung befinden.
Die mittlere Darstellung in Abbildung 7.10 zeigt die Transferbilanz von Söhnen und Töchtern. Die beiden Linien verlaufen sehr ähnlich. Bei den unter 20-Jährigen, sowie bei den 30- bis 40-Jährigen haben Söhne eine leicht höher positive Bilanz. Unter den über 50-Jährigen erhalten dagegen Töchter mehr, während Söhne im Alter von rund 55-Jahren sogar eine leicht negative Transferbilanz aufweisen.
Zuletzt zeigen sich Unterschiede bei den Migrationsgruppen. Angehörige der ersten Migrationsgeneration erhalten über die gesamte Altersspanne am wenigsten Transfers. Ab einem Alter von 30 Jahren weisen sie eine negative Transferbilanz auf und geben mehr an ihre Eltern als die von diesen bekommen. Diese Entwicklung könnte einerseits darauf zurückzuführen sein, dass jüngere und ältere Angehörige der ersten Migrationsgeneration andere Voraussetzungen für Generationenbeziehungen haben. Unter den jungen Erwachsenen der ersten Migrationsgeneration dürften viele Personen sein, die zusammen mit ihren Eltern eingewandert sind. Ältere Eingewanderte sind häufiger alleine migriert und unterstützen ihre Eltern, die noch im Ausland leben.
Befragte ohne Migrationsgeschichte sowie Angehörige der zweiten Migrationsgeneration weisen dagegen über die gesamte Altersspanne eine positive Transferbilanz auf. Mit über 3’000 Franken haben junge Erwachsene, deren Eltern im Ausland geboren wurden, den grössten Transferüberschuss. Die zwischen 25- und 30-Jährigen der zweiten Migrationsgeneration liegen hingegen mit rund 1’000 Franken Nettotransfer, leicht unter den Personen ohne Migrationsgeschichte. Die Transferbilanzkurven der in der Schweiz geborenen Personen gehen bis zu den 60-Jährigen stetig zurück und steigen danach wieder an. Unter Befragten ohne Migrationsgeschichte zeigt sich aber ein stabilerer und steilerer Anstieg als unter Personen der zweiten Migrationsgeneration. Bei den über 60-Jährigen liegen allerdings nur wenige Datenpunkte für Personen der zweiten Migrationsgeneration vor.

Kumulierte Transfers im Lebenslauf

Der letzte Abschnitt hat gezeigt, dass die Transferbilanz für die meisten erwachsenen Kinder zwar positiv ausfällt, sich über die Altersspanne aber durchaus verändert. Wenn es sich bei den Veränderungen über die Altersspanne vorrangig um Lebenslauf- und weniger um Kohorteneffekte handelt, kann eine Aufsummierung der erhaltenen und gegebenen Beträge Aufschluss über die Entwicklung der Transferungleichheit über den Lebenslauf geben. In Folgenden werden zu diesem Zweck kumulierte Nettotransfers betrachtet.
Abbildung 7.11 zeigt die Entwicklung der aufsummierten durchschnittlichen Transfers von Eltern an Kinder, von Kindern an Eltern und der Nettotransfers, die sich aus der Differenz ergeben. Aufsummiert erhielten die 18-, 19- und 20-jährigen Befragten im Durchschnitt bereits knapp 7’000 Franken und gaben etwas mehr als 1’500 Franken an ihre Eltern; daraus resultiert eine kumulierter Nettotransfer von über 5’000 Franken. Die erhaltenen Transfers steigen weiter steil an, die gegeben etwas langsamer. Im Alter von 35 wurden aufsummiert bereits knapp 30’000 Franken von Mutter und Vater erhalten während Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen im Wert von rund 10’000 Franken an die Eltern gegeben wurden. Die Bilanz liegt hier bei knapp 18’000 Franken. Im mittleren Erwachsenenalter steigen die erhaltenen und gegebenen Transfers weiter an, nun aber parallel. So liegt die Transferbilanz im Alter von 50 mit rund 21’000 Franken nicht viel höher als im Alter von 35. Insgesamt flossen nun aber knapp 40’000 Franken an die Kinder und knapp 19’000 Franken an Eltern. Ab 60 Jahren steigen die von Kindern erhaltenen Transfers nochmal etwas steiler an als die gegebenen. Im Alter von 65 Jahren wurden im Schnitt knapp 50’000 Franken von den Eltern erhalten und rund 25’000 Franken an diese gegeben. Daraus resultiert ein Plus von gut 25’000 Franken, die im Erwachsenenalter durch Geld-, Sachgeschenke oder Zahlungen von den Eltern erhalten wurden.
Bei diesen Zahlen handelt es sich aber um Durchschnittswerte. Da die transferierten Beträge in verschiedenen Bevölkerungsgruppen höchst unterschiedlich ausfallen werden als nächstes Bildungs-, Geschlechts- und Migrationsgruppen separat betrachtet.
Der oberste Teil von Abbildung 7.12 zeigt die kumulierten Nettotransfers über die Bildungsgruppen. Im Alter von 20 Jahren haben Befragte mit tiefer Bildung gut 6’000 Franken von Mutter und Vater erhalten. In den folgenden Jahren geben sie aber mehr an die Eltern als sie erhalten und so sinkt die Transferbilanz bis zum Alter von 50 gegen Null. Im höheren Alter werden wieder etwas mehr Transfers erhalten als gegeben. Die 65-Jährigen mit tiefer Bildung haben unter dem Strich rund 6’500 Franken mehr erhalten als sie an Mutter und Vater gegeben haben. Die Transferbilanz von Befragten mit mittlerer und hoher Bildung entwickelt sich hingegen durchgehend positiv: Im jüngeren Erwachsenenalter steigt sie steiler an, danach etwas langsamer. Ausserdem liegt die Bilanz von Erwachsenen mit hoher Bildung auf einem etwas höheren Niveau. Im Alter von 35 Jahren haben Befragte mit mittlerer Bildung knapp 9’000 Franken mehr erhalten als gegeben, hochgebildete dagegen knapp 12’000 Franken. Bis zu den 40-Jährigen erhöht sich der Unterschied; Befragte mit mittlerer Bildung stehen bei knapp 13’500 Franken, Hochgebildete bereits bei 22’500 Franken. Im höheren Erwachsenenalter nähern sich die beiden Gruppen einander wieder leicht an. Im Alter von 65 haben Personen mit mittlerer Bildung rund 21’500 Franken mehr von ihren Eltern erhalten, als sie diesen gegeben haben, bei Hochgebildeten sind es rund 28’500 Franken.
Die mittlere Darstellung in Abbildung 7.12 zeigt die Transferbilanz von Töchtern und Söhnen. Die beiden Kurven verlaufen praktisch gleich. Im jüngeren Erwachsenenalter gibt es einen steileren Anstieg bis zu einem Nettotransfer von rund 18’000 Franken im Alter von 35. Bis zum Alter von 50 steigt die Transferdifferenz nochmals um etwa 3’000 Franken. Im höheren Altern kommt es erneut zu einer etwas steiler steigenden Episode. Töchter erhalten im höheren Alter etwas mehr finanzielle Transfers von ihren Eltern als sie diesen geben. Möglicherweise als Gegenleistung für praktische Hilfe und Pflegeleistungen. Im Alter von 65 haben Töchter eine Transferbilanz von gut 27’000 Franken, Söhne liegen bei knapp 25’000 Franken.
Die grössten Differenzen zeigen sich in Bezug auf die Migrationsgruppen. Die Entwicklung ihrer Transferbilanz ist im untersten Teil von Abbildung 7.12 zu sehen. Während Befragte der zweiten Migrationsgeneration und Personen ohne Migrationsgeschichte einen kontinuierlichen Anstieg der Transferbilanz zeigen, geht es bei Eingewanderten nur in jungen Jahren leicht nach oben und danach stetig zurück. Im Alter von 20 haben Eingewanderte rund 2’500 Franken mehr von ihren Eltern erhalten als sie diesen gegeben haben. Die Transferbilanz der ersten Migrationsgeneration erreicht ihren Höhepunkt mit 9’000 Franken im Alter von 27 Jahren. Danach geben eingewanderte Personen stetig mehr an ihre Eltern als sie von diesen erhalten. Im Alter von 50 bleibt noch eine positive Bilanz von 3’000 Franken, im Alter von 65 hat sich die Bilanz gedreht und die erste Migrationsgeneration hat 2’000 Franken mehr an die Eltern gegeben als sie von diesen erhalten hat. Befragte, die in der Schweiz geboren wurden, haben in Alter von 65 hingegen eine positive Transferbilanz von rund 40’000 Franken. Ähnlich sieht es bei Angehörigen der zweiten Migrationsgeneration aus. Sie haben über die ganze Altersspanne etwas mehr erhalten als Personen ohne Migrationsgeschichte.

7.4 Zwischenfazit

Soziale Ungleichheiten in der Elterngeneration wirken sich auf soziale Ungleichheiten in der Kindergeneration aus. Finanzielle Transfers zwischen Generationen sind ein sozialer Prozess, der zur Reproduktion und Verstärkung von Ungleichheiten führt. Während finanzielle Transfers auf der Mikroebene zwischen individuellen Akteuren stattfinden, zeigen sie ihre ungleichheitsrelevanten Auswirkungen auf der gesellschaftlichen Makroebene.
Zur Einordnung dieser Auswirkungen wurden in diesem Kapitel verschiedene Arten der Aggregation finanzieller Transfers zwischen Erwachsenen und ihren Eltern vorgeschlagen. In einem ersten Schritt wurden Transfers von und an beide Elternteile zusammengefasst. Dies führt zu leichten Verschiebungen der Transferanteile: Im Vergleich mit der Betrachtung auf Dyadenebene, zeigen sich auf der Personenebene etwas geringere Anteile ohne finanziellen Transfer und etwas höhere Anteile in den höheren Transferbetragskategorien.
Die bivariate Betrachtung von finanziellen Transfers und Ungleichhheitsstrukturen in der Kindergeneration zeigt ähnliche Muster wie in der Elterngeneration: Mit höherer Bildung steigt die Transferwahrscheinlichkeit, tief Gebildete geben aber auch häufiger grosse Transfers an ihre Eltern als Befragte mit mittlerer Bildung. Töchter erhalten und geben mehr kleine Zuwendungen als Söhne; Söhne leisten etwas häufiger grosse Transfers an die Eltern. Erwachsene Kinder, die im Ausland geboren wurden, erhalten sehr viel seltener finanzielle Transfers als solche, die in der Schweiz geboren wurden. Wer zur ersten Migrationsgeneration gehört, gibt häufiger und deutliche höhere Transfers an die Eltern, als die zweite Migrationsgeneration und Personen ohne Migrationsgeschichte.
Um eine Vorstellung der Verteilung der finanziellen Transferbeträge zu erhalten, wurden den progressiv gestalteten Antwortkategorien in einem nächsten Schritt konkrete Transferbeträge zugeordnet. Daraus wurde ersichtlich, dass grössere Transfers zwar selten vorkommen, aber den Grossteil der transferierten Geldsumme ausmachen. Rund 7 % der erwachsenen Kinder teilen sich über 60 % der transferierten Summe von Eltern an Kinder auf. Gleichzeitig sind Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen von knapp 8 % der erwachsenen Kinder für über 62 % des Transferwerts an Eltern verantwortlich.
Hochgebildete Kinder und solche ohne Migrationsgeschichte profitieren überdurchschnittlich von finanziellen Transfers der Eltern. Im Gegenzug geben hochgebildete Kinder auch überdurchschnittliche Transferwerte an die Eltern zurück. Die Transferanteile von Befragten ohne Migrationsgeschichte liegen hingegen unter dem erwarteten Anteil. Überdurchschnittlich hohe Transfers leisten Erwachsene der ersten Migrationsgeneration und dies obschon sie beim Erhalt von finanziellen Transfers benachteiligt sind.
Zur genaueren Klärung der Frage, welche Gruppen wie stark von finanzieller Solidarität zwischen Generationen profitiert, wurden erhaltene und gegebene Transfers in einem letzten Schritt miteinander verrechnet. Im Gesamtdurchschnitt wurden rund 500 Franken an die Eltern gegeben, im Gegenzug wurden Geld-, Sachgeschenke und Zahlungen im doppelten Wert von diesem erhalten. Bis auf die erste Migrationsgeneration haben alle untersuchten Bevölkerungsgruppen deutlich mehr von ihren Eltern erhalten, als sie an diese gegeben haben. Die Betrachtung über die Altersspanne zeigt tendenziell u-förmige Verläufe mit höheren Transfergewinnen in jüngeren Jahren und leicht steigenden unter den älteren erwachsenen Kindern – je nach Bevölkerungsgruppe aber auf unterschiedlichem Niveau. Im Gegensatz dazu ist bei Angehörigen der ersten Migrationsgeneration nur im jungen Erwachsenenalter eine positive Bilanz sichtbar.
Zuletzt wurden kumulierte Transferunterschiede über den Lebenslauf visualisiert. Basierend auf Querschnittsdaten sind die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren. Sie veranschaulichen aber auf eindrückliche Weise, wie kleinere Unterschiede über den Lebenslauf zu grösseren Ungleichheiten anwachsen können. Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen verstärken sich mit zunehmendem Alter. Die unterschiedlichen Transfermuster zwischen den Geschlechtern gleichen sich hingegen aus. Die grössten Unterschiede bestehen zwischen Personen, die in der Schweiz geboren wurden, und Eingewanderten: Im Alter von 65 haben in der Schweiz Geborene im Schnitt 40’000 Franken mehr von ihren Eltern erhalten, als sie an diese gegeben haben. Bei Befragten der ersten Migrationsgeneration beläuft sich die kumulierte Transferbilanz auf gerade mal 2’000 Franken.
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Anhänge

Elektronisches Zusatzmaterial

Metadaten
Titel
Aktuelle Transfers und Ungleichheit
verfasst von
Tamara Bosshardt
Copyright-Jahr
2024
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-43924-8_7

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