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19.07.2023 | Controlling | Schwerpunkt | Online-Artikel

Agile Methoden erobern das Controlling

verfasst von: Sylvia Meier, Angelika Breinich-Schilly

4 Min. Lesedauer

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Agilität ist in Krisenzeiten für Unternehmen überlebenswichtig - und das in allen Bereichen. Doch das Controlling mit seinen klassischen Steuerungsinstrumenten muss bei agilen Entwicklungen häufig passen. Ein neues Rollenbild und flexible Prozesse sind gefragt.

Die aktuellen Krisen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten fordern von der Wirtschaft ein hohes Maß an Flexibilität. Lockdownmaßnahmen, Energiekrise oder Lieferkettenprobleme zwingen Unternehmen schnell zu reagieren. Viele sehen in agilen Methoden einen Schlüssel, um den sich rasch verändernden Bedingungen anzupassen. Laut der Studie Agile Pulse 2022, für die das Beratungshaus Bearingpoint mehr als 1.100 Teilnehmende online befragt hat, nutzen 75 Prozent der Unternehmen bereits agile Methoden. Im Schnitt sind diese auch bereits seit rund fünf Jahren im Einsatz. Als Frameworks dienen insbesondere Scrum und Kanban. Fast alle Befragten (96 Prozent) sind überzeugt, dass deren Relevanz in Zukunft weiter steigt. 

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Klassisches Controlling erfasst agile Prozesse nicht

Bei der agilen Entwicklung werden unterschiedliche Prozessschritte iterativ, also wiederholt, sowie teilweise parallel ausgeführt. "Sie verzichtet außerdem auf vorab klar definierte Liefergegenstände. Vielmehr begnügt sie sich mit einer 'weicheren' Projektbeschreibung", erläutern Jonas Lechermeier und Katja Jensen-Beuers in der Zeitschreift "Controlling & Management Review" den Unterschied zu klassischen Unternehmensprozessen anhand einer Grafik:  

Da herkömmliche Prozesse in unterschiedliche Phasen aufgeteilt sind, die nacheinander abgearbeitet werden, berücksichtigen die Steuerungsinstrumente der Controller in der Praxis die Besonderheiten agiler Entwicklung oft nicht, so die beiden Experten. 

Das Controlling steuert im klassischen Entwicklungsansatz, indem es die für ein Projekt geplanten Kosten, die Projektpläne und den vereinbarten Lieferumfang freigibt, budgetiert und nachhält. Das alles entfällt bei der agilen Entwicklung", konstatieren die Autoren. 

Werden Projekte agil gesteuert, muss sich daher auch der Controlling-Bereich von bisher bewährten Abläufen und Instrumenten verabschieden. So ist etwa für die Kanban-Methode charakteristisch, dass zu erledigende Aufgaben und die verfügbaren Ressourcen effektiv gesteuert also bedarfsgerecht verteilt werden. Für Transparenz sorgt in diesem Fall das sogenannte Kanban-Board, so Springer-Autor Christoph Feichtinger. "Hierzu gehören der Burn-up-Chart, die Kennzahl Velocity mit der Anzahl der im Projektzeitraum umgesetzten Teilaufgaben und Backlogs." Letztere sind dynamisch anzupassende Listen von Arbeitsaufträgen. Die verschiedenen Arbeitsschritte werden so visualisiert. 

Controlling frühzeitig in agile Prozesse einbinden

Lechermeier und Jensen-Beuers erläutern am Beispiel der agilen Softwareentwicklung, welche Herausforderungen das Controlling im Kanban-Prozess bewältigen und wo Wege sind, um sich ideal einzubringen. Die Autoren empfehlen, dass das Controlling bereits auf Portfolio-Ebene in die agilen Entwicklungsroutinen eingebunden werden sollte. Dies sei besonders an drei Stellen sinnvoll: 

  1. im strukturierten Arbeitsprozess (Kanban-Prozess) zur Erstellung des Portfolio-Backlogs, also eines Speichers von für die Umsetzung priorisierten Entwicklungsvorhaben,
  2. bei der Definition und dem Setzen von Portfolio-Leitplanken, sogenannten Guardrails, also Richtlinien und Praktiken für Budgetierung, Ausgaben und Governance für ein bestimmtes Portfolio, sowie
  3. bei der Durchführung eines schlanken und flexiblen Budgetierungsprozesses ("Lean Budgeting").

"Zur Steuerung agiler Entwicklungseinheiten eignen sich die Analyse relevanter Key Performance Indicators (KPIs), der Einsatz und die Überwachung von Guardrails sowie die Betrachtung der Portfolio Epic Roadmap der Agile Release Trains (ARTs)", führen Lechermeier und Jensen-Beuers aus. 

Wege zu neuen Budgetierungsprozessen

Im Lean Budgeting könne zum Beispiel den Entwicklungseinheiten auf Basis rückblickender Leistungsbeurteilung Ressourcen zugeteilt werden - sowohl kurzfristig als auch strategisch. Anstatt an bisherigen, teilweise sehr aufwendigen Abläufen festzuhalten, sollte das Controlling einen Prozess etablieren, der eine schlanke, flexible, unterjährige und zukunftsgerichtete Budgetierung ermöglicht. 

Dieser Budgetierungsprozess sollte durch die Integration der Ziele des Lean Budgetings ergänzt und verfeinert werden. Damit wird a) Transparenz für alle Beteiligten geschaffen, b) die Wertschöpfung als Maßgabe beim Ausschöpfen der Budgets bestimmt sowie c) die Budgetvergabe am Portfolio und an der Erfüllung von Steuerungskriterien ausgerichtet. "Am besten verwirklichen lassen sich diese Ziele in einem sogenannten Lean Budgeting Event, bei dem das Budget gemeinschaftlich den Umsetzungseinheiten zugeteilt wird", so die Autoren.

Um die Performance zu messen, sind laut Springer-Autor Feichtinger schließlich die OKR-Methode sowie die Balanced Scorecard sinnvoll. OKR-basierte Ziele sollen dabei für jeden einsehbar sein und das gesamte Anreizsystem nicht auf den einzelnen Mitarbeiter heruntergebrochen werden, "sondern nur auf Teamebene". 

Kooperation der Funktionen ist unerlässlich

Ein zentraler Erfolgsfaktor der Steuerung agiler Entwicklungsprojekte ist dabei die enge Zusammenarbeit mit den entwickelnden Fachbereichen. So lassen sich in Teamarbeit die bestmöglichen Entscheidungsgrundlagen für eine wertschöpfende, kurz- und langfristige Ressourcenzuteilung aufbauen.

Letztendlich erfordert dieser Ansatz einer Neudefinition des Controllings agiler Entwicklungen in großen Organisationen aber auch etwas Mut: Denn die Fachbereiche müssen das agile Steuerungsmodell über traditionelle Abteilungsgrenzen hinweg etablieren, und das Controlling muss einen stärkeren Fokus auf die inhaltliche Mitgestaltung legen", lautet das Fazit von Lechermeier und Jensen-Beuers.

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