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2019 | Buch

Diskursanalyse und Kritik

herausgegeben von: Prof. Dr. Antje Langer, Prof. Dr. Martin Nonhoff, Dr. Martin Reisigl

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Interdisziplinäre Diskursforschung

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Über dieses Buch

Ob und inwiefern Diskursanalyse ein kritisches Unterfangen ist, gilt als strittig. Der Band beleuchtet die Gründe und Gegenstände dieser Debatte über den Zusammenhang von Diskursanalyse und Kritik. Gibt es einen Erziehungs- bzw. Aufklärungsauftrag der Diskursanalyse? Wer und was soll mit der Kritik erreicht werden: die Kritisierten, die Wissenschaft oder ein „allgemeines“ Publikum? Was sind Gegenstände der Kritik: bestimmte diskursive Praktiken, institutionelle Strukturen, die Diskurse ermöglichen, einzelne Akteur*innen oder Diskurseffekte (wie Normalisierungen, Subjektivierungen etc.)? Wie hängen methodisches Vorgehen und kritische Haltung zusammen? Wie wird Kritik versprachlicht? Und schließlich: Soll Diskursanalyse überhaupt einen kritischen Anspruch erheben und, falls ja, wie wäre ein solcher zu verstehen und zu begründen?
Der InhaltDiskursanalyse als Kritik? Theoretische Einlassungen ● Annährungen: Diskursanalyse und kritische Theorie(n) ● Diskursanalytische Praxis der Kritik
Die Herausgeber*innenDr. Antje Langer ist Professorin für Schulpädagogik und Geschlechterforschung am Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Paderborn. Dr. Martin Nonhoff ist Professor für Politische Theorie am Institut für Interkulturelle und Internationale Studien der Universität Bremen. Dr. Martin Reisigl ist Assistenzprofessor für Angewandte Sprachwissenschaft am Institut für Sprachwissenschaft der Universität Wien.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Diskursanalyse und Kritik – Einleitung
Zusammenfassung
Es ist keine Seltenheit, dass Diskursanalyse als kritische Praxis beschrieben wird, und das nicht ausschließlich dort, wo sich ihre Vertreter_innen das Etikett der Kritischen Diskursanalyse oder Kritischen Diskursforschung anheften. Allerdings ist das Verhältnis von Diskursanalyse und Kritik keines, das als geklärt gelten darf. Diese Tatsache sollte uns nicht überraschen, würde eine finale Klärung doch bedeuten, dass Kritik oder zumindest der Diskurs über sie an ein Ende gekommen wäre. Insofern muss das Ziel des vorliegenden Bandes ein bescheideneres sein: nämlich zu skizzieren, wie man über das Verhältnis von Diskursanalyse und Kritik reden und schreiben kann, welche Positionen das Feld abstecken und ihrerseits zur Kritik einladen.
Antje Langer, Martin Nonhoff, Martin Reisigl

Diskursanalyse als Kritik? Theoretische Einlassungen

Frontmatter
Diskursanalyse und/als Kritik
Zusammenfassung
In diesem Beitrag argumentiere ich, dass sich die Beziehung zwischen Diskursanalyse und Kritik als eine äußerliche oder als eine integrierte Beziehung beschreiben lässt. In einer äußerlichen Beziehung liegt zuerst eine Kritik an bestimmten gesellschaftlichen oder politischen Verhältnissen vor, die dann durch eine Diskursanalyse gestützt wird. Doch solange die Beziehung äußerlich bleibt, ist schwer nachzuvollziehen, worin das spezifische kritische Potenzial einer Diskursanalyse bestehen soll, gerade weil die Kritik ja vor und unabhängig von der Diskursanalyse besteht. Erst wenn die Kritik durch die Diskursanalyse selbst zum Vorschein kommt, kann man von einer integrierten Beziehung sprechen: nicht mehr nur von Diskursanalyse und Kritik, sondern von Diskursanalyse als Kritik. Ich argumentiere, dass eine solchermaßen integrierte Beziehung dann sichtbar wird, wenn wir Diskursanalyse selbst als diskursive Formation denken und danach fragen, welche Erschütterungseffekte diese Formation auf ihre Forschungsgegenstände, auf Subjektformationen und auf die akademischen Produktionsverhältnisse hat.
Martin Nonhoff
Kritik als Emanzipation. Zur Produktion sperrigen Wissens
Zusammenfassung
Der Beitrag geht von der Vermutung aus, dass die Form der Kritik – das Kritikmodell – nicht unabhängig von der Weise ist, wie über sie theoretisch reflektiert wird – dem Theoretisierungsmodus, der Form der Selbstreflexion von Kritik. Dieser artikuliert den jeweiligen Begriff der Kritik und zeichnet damit nicht nur ein Bild von der Praxis der Kritik, davon, was dieses Kritikmodell tut, sondern benennt auch die theoretischen Anforderungen, der eine Rechtfertigung dieses Kritikmodells gerecht werden muss. Der Beitrag untersucht daher, wie auf diskursanalytische Kritik reflektiert wird, welche Kritikmodelle sich daraus ergeben und was für Schlussfolgerungen sich aus dem jeweiligen Zusammenspiel von Kritikmodell und Theoretisierungsmodus ziehen lassen.
Frieder Vogelmann
Die Kritik der Macht – die Macht der Kritik
Zusammenfassung
Dieser Beitrag beleuchtet das Verhältnis von Kritik und Macht. Unter Rückgriff auf Überlegungen von Michel Foucault und Judith Butler wird die Macht der Sprache im Hinblick auf Subjektivierungseffekte und Ordnungsbildungen in den Blick gebracht. Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich die Bindungskräfte und die Wirkmächtigkeit von Sprache mit dem Anliegen einer kritischen Praxis und eines anderen Sprechens zu verbinden, ohne diese einem voluntaristischen Subjektbegriff subsumieren zu müssen. Bedingung und Möglichkeit subversiver und kritischer Sprechpraktiken liegen vielmehr in der Offenheit des Begriffs, der Instabilität jeglicher Identität und der Fragilität von Ordnungen. Insofern diese Perspektiven auch der Diskursanalyse zugrunde liegen, werden im Ergebnis des Beitrags die Verbindungen zwischen einer kritischen Praxis und der diskursanalytischen Vorgehensweise aufgezeigt.
Kerstin Jergus
Kritik der Sprache der Kritik
Zusammenfassung
Kritik erfolgt großteils sprachlich. Daher liegt es nahe, nach den sprachlichen Grundbedingungen von Kritik zu fragen. Ebendies ist das Hauptanliegen des Beitrags. Er ist eine reflexive Übung im Sinne Kants, der Kritik als propädeutische Prüfung der Grundlagen von Erkenntnis begriff. Entsprechend geht es mir um eine metapragmatische Voruntersuchung der sprachlichen Konstitutionsbedingungen von Kritik. Die Betrachtungen erfolgen aus diskurshistorischer Perspektive. Nach einer begrifflichen Bestimmung des Kritikbegriffs richtet sich das Interesse auf kritikrelevante Muster der Text- und Diskursbildung und exemplarisch auf grundlegende Text- und Diskursarten der Kritik. Anschließend fokussiere ich Bewertungen und Modalitäten als zentrale Elemente von Kritik. Sodann wird eine sprechhandlungsbezogene Fundierung von Kritik versucht, ehe nach Metaphern der Kritik und nach argumentativen Grundlagen von Kritik gefragt wird. 10 Thesen schließen den Beitrag ab.
Martin Reisigl
Kritikbegriffe in der kritischen Diskursanalyse
Zusammenfassung
Der Beitrag liefert eine Bestandsaufnahme der in der sprachwissenschaftlichen Diskursanalyse gängigen Kritikbegriffe sowie ihrer wissenschaftsgeschichtlichen Entwicklung und versucht, davon ausgehend, eine eigene Perspektivierung des Begriffs einer kritischen Diskursanalyse. Es wird zunächst die Unmöglichkeit einer Definition von Kritik erläutert; anschließend wird das mehrfache Scheitern linguistischer Ansätze beschrieben, die mittels des Diskursbegriffs die Verdinglichung des Sprachbegriffs zu überwinden versuchten. Latente Gemeinsamkeiten und Unterschiede vieler solcher Ansätze werden im vierten Abschnitt systematisch entfaltet, bevor im fünften und sechsten Abschnitt trotzdem die Unabdingbarkeit sprachwissenschaftlicher Analysen für jede Form kritischer Diskursanalyse gezeigt wird.
Franz Januschek
Die kritische Epistemologie der poststrukturalistischen Hegemonietheorie
Zusammenfassung
Dieser Beitrag geht der Frage nach, welche Art von Sozialkritik die an Ernesto Laclaus und Chantal Mouffes Arbeiten anschließende poststrukturalistische Hegemonietheorie ermöglicht und rechtfertigt. Indem die poststrukturalistische Hegemonietheorie davon ausgeht, dass alle Erkenntnisgegenstände diskursiv vermitteltet werden, kann Sie keine für nachträgliche Kritik immune Gesellschaftskritik ausüben. Auch kann die poststrukturalistische Hegemonietheorie keine Stellung für oder gegen bestimmte soziale Bestände beziehen, ohne ihren eigenen Antiessenzialismus zu widersprechen. Dennoch verfügt die poststrukturalistische Hegemonietheorie über eine „kritische Epistemologie“, da sie gesellschaftliche Normen und partikuläre Vorstellungen von der natürlichen Sozialordnung als diskursive Konstrukte entlarven und damit für gesellschaftliche Akteure hinterfragbar machen kann. Auch wenn die poststrukturalistischen Hegemonieanalyse Subjekte aus ihren bisherigen Subjektpositionen und -vorstellungen befreien kann, muss sie gleichzeitig auf Stellungnahmen zugunsten partikulärer diskursiver Projekte verzichten.
Tomas Marttila
Kritik als Praxis der Distanzierung. Zum sozialwissenschaftlichen Analysepotenzial von Michel Foucaults Spätwerk
Zusammenfassung
In dem Beitrag wird das sozialwissenschaftliche Analysepotenzial von Michel Foucaults Spätwerk ausgelotet. Dazu wird erstens Foucaults methodologische Position nachgezeichnet, mit der er in seinem Spätwerk einen engen Fokus auf die diskursive Sphäre überschreitet und neue Analysedimensionen für eine Genealogie von Wissensordnungen erschließt. In einem zweiten Schritt werden dann die Bemerkungen Foucaults zu seinem Kritikverständnis systematisiert, um im Anschluss daran drittens auf seine Studien zur historischen Transformation von Subjektivität einzugehen. Als Fazit dieser drei Schritte werden die Charakteristika von Foucaults Position herausgearbeitet. Es wird gezeigt, dass sich die kritische Haltung Foucaults auf drei ineinander greifenden Ebenen entfaltet: im Zusammenspiel der genealogischen Methodologie mit einem spezifischen Kritikverständnis und dem historischen Beispiel einer Ethik der Distanz in der Antike. Ausgehend von diesen Charakteristika werden mögliche Anschlüsse für kritische Analyseperspektiven identifiziert.
Hilmar Schäfer

Annäherungen: Diskursanalyse und kritische Theorie(n)

Frontmatter
Diskursanalyse und (neo-)marxistische Kapitalismuskritik
Zusammenfassung
Der Beitrag spürt dem spannungsreichen Verhältnis von diskursanalytischen Ansätzen und (neo-)marxistischer Kapitalismuskritik nach und erkundet mögliche Beiträge diskursanalytischer Perspektiven zu Kapitalismusanalysen. In einem ersten Schritt wird anhand einiger ausgewählter Diskurstheoretikerinnen und -theoretiker der Eindruck einer zwischen affirmierter Nähe und skeptischer Abgrenzung schwankenden Positionierung zu marxistischen Ansätzen verdeutlicht. Gegen elementare Grundannahmen marxistischer Wissenschafts- und Gesellschaftskonzepte, so etwa den Begriff der ‚Ideologie‘ oder die Annahme einer klar nachvollziehbaren und damit voraussagbaren gesellschaftlich-politischen Determinierung durch ökonomische ‚Basisprozesse‘ setzten sie die Ansicht, dass Wissen, Wahrheit, soziale Identitäten wie auch gesellschaftliche Praktiken als kontingente und stets unabgeschlossene Ergebnisse sozialer Konstruktionsprozesse zu begreifen seien. Am Beispiel verschiedener marxistischer Grundannahmen, wie der Trennung von Lohnarbeit und Kapital, dem Verwertungszwang des Kapitals, dem Auseinanderfallen von Politik und Ökonomie, wird anschließend dafür plädiert, diese nicht als gegebene Tatsachen hinzunehmen, sondern in ihrer diskursiven Verfasstheit selbst zu untersuchen. Erst dann – so die Annahme – lässt sich zeigen, ob und wie diese Elemente gesellschaftlich wirkmächtig werden.
Stefan Scholl
Welche Waffe der Kritik? Versuch einer Kombination von Diskursanalyse und Ideologiekritik
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie sich für die (Sozial-)Wissenschaften eine kritische Perspektive auf Gesellschaft begründen ließe. Die hiermit verbundenen Probleme beziehen sich auf den Maßstab der Kritik, auf die Position des/der KritikerIn sowie das Verhältnis von Theorie und Praxis. Gegenstand des Textes ist eine Bearbeitung dieser Probleme dadurch, dass die beiden Verfahren der Ideologiekritik und der Diskursanalyse anhand ausgewählter Ansätze (Marx, Kritische Theorie einerseits, Foucault und Butler andererseits) rekonstruiert und auf ihre Potenziale für die Formulierung einer kritischen Perspektive beleuchtet werden sollen. Dabei geht es um die Diskussion der Grenzen und Möglichkeiten einer (Re-)Kombination dieser theoretischen Ansätze.
Imke Schmincke
Diskursanalyse und Kritische Theorie
Zusammenfassung
Sowohl in der Diskursanalyse als auch in der Kritischen Theorie Frankfurter Prägung ist schon seit längerem eine vermehrte Kritik an sprachzentrierten Ansätzen zu vernehmen. Diese parallele Entwicklung ist jedoch bisher noch nicht auf die Möglichkeiten gegenseitiger Bereicherung hin untersucht worden. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, die theoretischen und praktischen Implikationen zu beleuchten, die sich aus der Kombination von Diskurstheorie und Kritischer Theorie ergeben. Neben der Frage der Möglichkeiten und Grenzen des Einschlusses nicht-sprachlicher Elemente in die theoretischen und praktischen Zusammenführungen beider Traditionen wird es vor allem auch um normative Aspekte gehen. Unsere These ist, dass bestimmte, sozialwissenschaftlich fundierte Spielarten der Diskursanalyse und speziell die Anerkennungstheorie Axel Honneths sich nicht nur stärker ähneln als von beiden Seiten wahrgenommen, sondern sich vor allem auch gegenseitig bereichern könnten.
Benno Herzog, Francesc Hernàndez i Dobón
Diskursanalyse und feministische Kritik(en)
Zusammenfassung
Diskursanalyse(n) und -theorie(n) haben vielfache Berührungspunkte zur feministischen Kritiken. Dennoch entwickeln sich Diskursforschung und Gender Studies eher nebeneinander und ihre wechselseitigen Bezüge werden in der Diskursforschung kaum expliziert. In unserem Beitrag fragen wir mit Blick auf unterschiedliche feministische Kritiken und diskursive Kämpfe innerhalb dieser, was Diskursanalyse, so sie sich als kritisch versteht, von diesen Auseinandersetzungen lernen kann. Wie eröffnen die jeweiligen Denkbewegungen ein Verständnis von Diskursanalyse als Möglichkeit der Kritik in und an Macht- und Herrschaftsverhältnissen sowie an der Interdependenz diskursiver/epistemologischer und materieller Gewalt? Welchen Fragen muss sich Diskursanalyse in ihrer Funktion als wissenschaftliche Praxis der Kritik stellen? In Auseinandersetzung mit feministisch-postkolonialen und queeren Kritiken plädieren wir für eine durch Krisen notwendig gemacht Kritik – gerade durch jene Krisen, die in dominanten Diskursen und komfortableren Lebenswelten nicht als solche wahrgenommen werden. Damit geht es uns grade auch um Formen der Kritik, die etablierte (Verständnis-)Ordnungen (auch die eigenen) und Machtverhältnisse in die Krise bringen.
Leonie Bellina, Antje Langer

Diskursanalytische Praxis der Kritik

Frontmatter
Diskursanalyse als kritische Theorie nach Foucault und Bourdieu
Zusammenfassung
Der Beitrag skizziert die Umrisse einer kritischen Diskurstheorie, die ausgehend von den Arbeiten Foucaults und Bourdieus für eine Analytik kulturalisierter Macht plädiert. Gegenüber normativen Ansätzen in der kritischen Theorie werden hier die Vorzüge einer wissenschaftlich-analytischen Kritikperspektive herausgearbeitet. Während erstere auf die Problematik der Begründung wissenschaftlich fundierter Werturteile fokussiert, konzentriert sich eine kritisch-analytische Perspektive auf die Aufdeckung der komplexen Machtdynamiken, die sich auf den unterschiedlichen Ebenen eines diskursivierten Sozialgefüges abspielen. Obwohl bzw. gerade weil die Begriffe „Macht“ und „Wissen“ bei Foucault und Bourdieu so unterschiedlich sind, bieten sie eine wegweisende Grundlage für das Verständnis zeitgenössischer Gesellschaften, die auf der einen Seite durch eher neoliberal-biopolitische Logiken von Macht und Wissen im Sinne von Selbstführungstechniken und ökonomischen Wissensformen gekennzeichnet sind, und die auf der anderen Seite klassenförmig im Sinne von Bourdieus Kapitaltheorie geprägt sind. Anhand einer kurzen Analyse des Bologna-Diskurses als komplexes Macht/Wissen-Phänomen werden die Potenziale dieses Ansatzes illustriert.
Jens Maeße
Vier Modi der Kritik – Überlegungen im Zuge einer Analyse des internationalen Antikorruptionsdiskurses
Zusammenfassung
Der Artikel zeigt vier verschiedene Möglichkeiten von Kritik innerhalb der politikwissenschaftlichen Forschung auf. Dies geschieht am Beispiel der Analyse des internationalen Antikorruptionsdiskurses. Herausgearbeitet und illustriert werden zunächst die beiden Modi der beobachtenden und befremdenden Kritik, die in poststrukturalistischen Studien meist eingenommen werden. Darüber hinaus werden – in Anlehnung an Laclau und Mouffe – die Modi der radikaldemokratischen sowie der gegenüberstellenden Kritik identifiziert. Es wird argumentiert, dass die letzten beiden Kritikschritte die der Analyse immer inhärente Subjektivität der Autorin lediglich explizit machen und somit kritiktheoretisch konsistent sind. Der Artikel positioniert sich gegen eine Konzeption von wissenschaftlicher Kritik als Aussetzen des eigenen Urteils und plädiert im Gegenzug für eine explizite Anpassung der Kritik an die Autorin, wobei die wissenschaftliche Arbeit als politischer Beitrag verstanden wird.
Anja Carolin Gebel
Diskursanalytischer Erklärungsanspruch und Kritik. Wahrnehmung und Wirkmächtigkeit politischer Diskurse quer über heterogene Milieus
Zusammenfassung
Wenn Kritik und Dekonstruktion gesellschaftlich allgegenwärtig werden, zugleich aber ihre politische Rolle oft fragwürdig wird, muss man Diskursanalyse im Sinne einer Dekonstruktion um ihrer selbst willen, die rein auf ‚Verflüssigung der Verhältnisse‘ ausgerichtet ist, neu überdenken. Umgekehrt findet kritische Diskursanalyse im Anspruch, Relevantes zu gesellschaftspolitischen Debatten beizutragen, den ultimativen Prüfstein für die Erklärungskraft ihrer theoretischen Konzepte. Für die Erklärung gesellschaftlicher Wirkungsweisen von Diskursen quer über unterschiedliche soziokulturelle Schichten fehlen aber wichtige Aspekte: Die milieuspezifische Rezeption politischer Diskursstrategien wurde bis jetzt noch überhaupt nicht methodologisch erfasst, und damit auch maßgebliche Mikroprozesse, wie diverse hegemoniale Projekte die öffentliche Wahrnehmung beeinflussen. Der Beitrag stellt ein Forschungsprojekt vor, welches diese Lücke zu schließen versucht. Empirische Erkenntnisse zu milieuspezifischen Verstehensweisen sind nötig, um eine effiziente Kritik zu ermöglichen, die bestimmten politischen Tendenzen gezielt entgegensteuern kann.
Emo Gotsbachner
„Willkommene Kritik“ als Problem der Diskursforschung?
Zusammenfassung
Ausgehend von der Beobachtung, dass sich in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten der Stellenwert von Kritik und die Rolle von KritikerInnen verschoben hat, stelle ich in meinem Text die sich daran anschließende Frage, ob und inwieweit ein verändertes Kritikverständnis Folgen für die Diskursforschung hat und/oder haben müsste. Zu Zeiten Foucaults – als einem der Gründerväter der heutigen Diskursforschung – galt Kritik als eine das Bestehende angreifende Handlung mit dem Ziel, Gegebenes zu verändern. Kritik und KritikerInnen waren GegenspielerInnen des Establishments. Inzwischen wird Kritik jedoch eher als Chance zur Weiterentwicklung eines Systems oder einer bestehenden Ordnung gesehen. Ihr wird eher ein stärkendes Potenzial zugesprochen, als dass sie als Bedrohung verstanden würde. Wie gehen DiskursforscherInnen mit dieser Verschiebung um? Wie können und wollen sie weiterhin kritisch forschen?
Gilles Renout
Metadaten
Titel
Diskursanalyse und Kritik
herausgegeben von
Prof. Dr. Antje Langer
Prof. Dr. Martin Nonhoff
Dr. Martin Reisigl
Copyright-Jahr
2019
Electronic ISBN
978-3-658-02180-1
Print ISBN
978-3-658-02179-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-02180-1