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08.04.2024 | Fahrwerk | Nachricht | Nachrichten

Wie validiert man Bremssysteme?

verfasst von: Michael Reichenbach

4:30 Min. Lesedauer

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Hitachi Astemo verfolgt eine mehrstufige Validierungsstrategie, um seine Bremssysteme bis zur Serienreife zu entwickeln. Das umfasst neben mechanischen Komponententests auch Softwareprüfungen.

In einem Presse-Webinar Mitte März 2024 hat Hitachi Astemo einen virtuellen Rundgang durch sein Entwicklungs- und Produktionsstandort in Drancy bei Paris (Frankreich) dargeboten, der einen Überblick über die vielfältigen Test- und Validierungsverfahren in die Bremsenentwicklung bei diesem Zulieferer gibt.

Die Digitalisierung von Pkw und die Konversion der Branche hin zur Elektromobilität machen die Entwicklung leistungsfähiger und sicherer Bremssysteme komplexer. So wird erwartet, dass der Markt für umweltfreundliche und sichere Fahrzeuge stetig wächst. Hideo Hatagi, Senior Vice President und Head of Europe Region bei Hitachi Astemo, deutet die Trends in der Automobilindustrie für sein Unternehmen so: "Die Digitalisierung schreitet mit Blick auf den Markt für das softwaredefinierte Fahrzeug (SDV) weiter voran, und die E/E-Architektur im Automobil wird sich immer schneller von Domänen in Richtung Zonen verlagern. Mit Sensoren, Software und Connectivity-Technik bestückt, werden sich Fahrzeuge stärker über das Internet vernetzen, Daten austauschen und das Internet of Vehicles (IoV) mehr und mehr zum Leben erwecken." Hatagi schlussfolgert, dass "Hitachi Astemo deshalb für dieses neue SDV-Zeitalter die Unternehmensbereiche xEV, AD/ADAS und Advanced Chassis um einen neuen vierten Bereich IoV ergänzt".

Eine mehrstufige Strategie fahren

"Leistungsstarke Bremsen sind wichtige Wegbereiter für das hochautomatisierte Fahren", erläutert Thibault Hoguet, Global Head of Engineering Test & Validation, Brake Business Unit, und Manager des Pariser Werks. "Sie sollen sich leicht in eine zentrale und/oder zonale E/E-Architektur einpassen und nahtlos mit Brake-by-Wire-Technologien zusammenarbeiten. Sind sie gut konzipiert und gebaut, vereinfachen moderne Bremssysteme die Fahrzeugmontage und Wartung."

Denn trotz steigender Komplexität müsse die Sicherheit und Funktionalität von Bremssystemen jederzeit gewährleistet sein – auch und jederzeit bei Elektro-Pkw, die viel seltener mechanisch bremsen müssen, weil die Verzögerungsenergie vom Generator beim Rekuperieren aufgenommen wird. Im Ernstfall muss jedoch die volle Bremsleistung zur Verfügung stehen. Deshalb validiere Hitachi Astemo alle seine Bremsen von der einzelnen Komponente bis hin zum vollständigen System über verschiedene Entwicklungs- und Produktionsphasen hinweg.

Produktkonzept vorantreiben und Materialauswahl treffen

Das Team von Hoguet nutzt bereits in der Entwurfsphase computerbasierte Simulationen, um das Bremsendesign und deren Werte zu verbessern. Effiziente Funktionalität und hoher Benutzerkomfort für das Ingenieurteam sind dabei das Ziel. Ein leistungsfähiges Rechenzentrum unterstützt die Simulationen und macht sie mithilfe von KI besser und schneller.

Für die Sicherheit einer Bremse ist die Qualität ihrer Materialien essenziell. Zentrale Prüfelemente dafür sind Festigkeit, Korrosionsbeständigkeit, und Dauerhaltbarkeit. Das Unternehmen nutzt hierfür optische Prüfungen per Mikroskop, aber auch die Röntgenanalyse. Damit lassen sich Werkstoffe sehr detailliert analysieren. Mit elektrochemischen Prüfungen werde das Korrosionsverhalten von Bremsscheiben und -belägen charakterisiert. Zug- und Druckprüfungen an Gummi- und Kunststoffmaterialien testen deren Haltbarkeit. Die Korrosionsbeständigkeit in aggressiven Umgebungen nimmt Hitachi Astemo in Salzsprühkammern unter die Lupe.

Das NVH-Verhalten verbessern

Richtig angewendete NVH-Techniken sorgen für ein ruhiges, komfortables Fahrerlebnis. Um das zu für die Bremse erreichen, nutzt Hitachi Astemo Rollenprüfstände, die das Fahren auf der Straße simulieren. So lassen sich Quietsch- und Klappergeräusche und strukturelles Verhalten analysieren. Eine reflexionsarme Akustikkammer dient dazu, Betriebsgeräusche für kritische Komponenten auszubalancieren. Im Strukturlabor misst man breitbandig Frequenzen, um Komponentenschwingungen besser zu verstehen.

Performance steigern

Die Performance eines Bremssystems zeigt sich in der Zuverlässigkeit, Dauerhaltbarkeit und Leistungsfähigkeit. Nur damit kann es die Sicherheit der Insassen unter allen Betriebsbedingungen gewährleisten. Hitachi Astemo unterzieht seine Produkte auf Prüfständen extremen Bremstests mit Scheibentemperaturen von über 700 °C, um nicht nur eine höchste Sicherheit, sondern auch das optimale Leistungsvermögen zu erreichen.

Vom Teiletest über das System bis zur Teststrecke

Die Validierung des Gesamtsystems Bremse gewährleistet die korrekte Integration von mechanischen, Software- und Hardwarekomponenten. Die Software wird dabei gemäß ASPICE-Prozess und ISO-26262-Normen validiert. Hitachi Astemo verwendet SiL-Prüfstände (Software in the Loop) und HiL-Tests (Hardware in the Loop), um unter verschiedenen klimatischen Bedingungen Robustheit und Leistung sicherzustellen. Die Validierung umfasst auch Tests von mechanischen Komponenten, Stellmotoren, Hardware und Software. Ein spezielles Hardwarelabor gewährleistet die Beherrschung und Optimierung der Produkte.

Schließlich werden wichtige Bremsenvalidierungen unter realen Bedingungen am Fahrzeug auf einer gemieteten Teststrecke in Mortefontaine nördlich von Paris durchgeführt. Dazu gehören beispielsweise Untersuchungen des zehnköpfigen Testteams zu Bremsleistung, Laufleistung der Bremsbeläge, Restbremsmoment, NVH-Verhalten, APB-Funktion (Automated Parking Brake) und Software für die EPB-Steuerung (Electric Parking Brake). Unter gesicherten Bedingungen werden aber auch Tests auf öffentlichen Straßen sowie spezielle Erprobungsfahrten auf ausgewählten Straßen und auf speziellen Testgeländen durchgeführt.

Hatagi fasst das Ziel der mehrstufigen Validierungsstrategie wie folgt zusammen: "Wir wollen zu einer nachhaltigen Gesellschaft und einer verbesserten Lebensqualität beitragen, indem wir weltweit führende fortschrittliche Mobilitätslösungen anbieten, die unsere Kunden zufriedenstellen."

Bremsenspezialist auf der chassis.tech plus 2024

Übrigens: Auf dem 15. Internationalen Münchner Fahrwerk-Symposium chassis.tech plus wird Masayoshi Kimura von der Hitachi Astemo Europe GmbH am 5. Juni 2024 den Vortrag "A Study of Roll Angle Control Based on a Passenger Comfort Index" halten. Dort wird es auch die bekannte Sektion brake.tech wieder mit neun Vorträgen zu Bremssystemen geben. Nehmen Sie teil: Chassis.tech plus 2024

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