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12.07.2023 | Filiale | Schwerpunkt | Online-Artikel

Das zweite Leben der Bankfiliale

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

8 Min. Lesedauer

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Über Jahre fielen tausende Bankfilialen den Sparplänen der Institute zum Opfer. Mittlerweile laufen ihnen Online und Mobile Banking den Rang ab. Doch Totgesagte leben länger. Das zeigen neue Konzepte vor allem regionaler Institute.

Die Anzahl der Bankfilialen in Deutschland sinkt seit vielen Jahren. Da macht auch das Jahr 2022 keine Ausnahme: Von Januar bis Dezember sind über alle Säulen hinweg 1.266 Zweigstellen geschlossen worden, heißt es in der im Juli veröffentlichten Bankstellenstatistik der Deutschen Bundesbank. Ende Dezember zählte die Notenbank insgesamt 20.446 Filialen. Die Sparkassen trennten sich im vergangenen Jahr von 406 Dependancen, 418 waren es bei den Genossenschaftsbanken und immerhin 318 bei den Großbanken. Auch die privaten Bausparkassen haben 18 Präsenzen dicht gemacht, bei den Landesbanken hat es 35 getroffen. Damit schrumpfte das deutsche Filialnetz zwar nicht so stark wie in den Vorjahren, dennoch ist der Trend ungebrochen.  

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Die Präsenz vor Ort neu entwerfen

Die Digitalisierung des Geschäfts führt dazu, dass weniger Kunden die Filiale besuchen. Entsprechend dünnen einige Geldhäuser ihr Filialnetz aus. Doch wer zu drastisch reduziert, verärgert seine Kundschaft oder verliert sie sogar.

Präsenzen müssen sich rechnen

Vor Ausbruch der Corona-Pandemie hat der enorme Profitabilitätsdruck viele Institute, allen voran die Regionalbanken, veranlasst, die personal- und kostenintensiven Zweigstellen aufzugeben. Bereits vor zehn Jahren berichtete Anja Kühner in der Zeitschrift "Bankmagazin", dass die Kostenstruktur des Filialgeschäfts "einfach nicht mehr zu den potenziellen Erträgen" passe. Die "Präsenz muss sich rechnen", titelte die Autorin deshalb. 

Allerdings wollte sie im Sommer 2012 ausdrücklich nicht von einem "Filialsterben" sprechen. Die Prognosen gingen vor elf Jahren davon aus, dass es im Jahr 2020 bundesweit noch immer rund 32.500 Zweigstellen geben wird. Tatsächlich waren es laut Bundesbank-Statistik nur 24.100.    

Pandemie als Dolchstoß für viele Bankfilialen

Neben der dynamischen Entwicklung digitaler Finanzdienstleistungen, die vielfach durch branchenfremde US-Tech-Konzerne und Fintechs angetrieben wurde, hat der Ausbruch von Covid-19 ab 2020 zu einem zusätzlichem Digitalisierungsschub bei Banken und Sparkassen geführt. Das Angebot an mobilen und Online-Services nahm innerhalb weniger Monate deutlich zu - zulasten der Filialen. Oliver Geiseler und Christiane Neumüller bezeichnen die Pandemie im "Bankmagazin" sogar als "Tiefschlag für das stationäre Geschäft". 

In ihrem Beitrag von Mai 2023 berichten die beiden Banking-Experten der Unternehmensberatung Capco, "dass 41 Prozent der Kundinnen und Kunden im vergangenen Jahr ausschließlich das Online Banking ihres Geldhauses genutzt haben, Tendenz steigend". 

"Waren vor Corona noch über ein Viertel aller Privatkunden in Europa reine Offline-Banking-Kunden, wird für das Jahr 2025 eine Reduktion dieses Anteils auf rund zehn Prozent prognostiziert", schreiben hierzu die Branchenexperten des Beratungshauses Zeb in ihrem aktuellen Filialkompass. "Die Bankfiliale gerät im Omni-Channel-Mix ins Hintertreffen", erläutert Zeb-Partner Ulrich Hoyer.

Auch Firmenkunden agieren lieber online

Dabei sind es nicht nur Verbraucher, die lieber am heimischen PC oder per Smartphone ihre Geldgeschäfte erledigen. Auch mittelständische Firmenchefs zieht es immer seltener in die Filiale, wie die Förderbank KfW in einer Sonderauswertung ihres Mittelstandspanels im Frühjahr 2023 festgestellt hat. "Im Jahr 2021 nahm nur noch die Hälfte aller Unternehmen einen Geschäftstermin vor Ort in einer Bank- oder Sparkassenfiliale wahr", heißt es dort. Insgesamt haben 1,88 Millionen Betriebe eine Zweigstelle aufgesucht "und damit 560.000 Unternehmen weniger als noch im Jahr 2017". 

Das schwindende Interesse von Privat- wie Firmenkunden, der anhaltende Sparzwang sowie stark gestiegene Nebenkosten für Strom oder Heizung schieben das Filialnetz vieler Häuser deshalb erneut ins Zentrum von Cost-Cutting-Initiativen, erläutern Geiseler und Neumüller. Und das gelte für Sparkassen, genossenschaftliche Institute und große Häuser gleichermaßen. 

Commerzbank setzt auf zentrale Beratungscenter

So baute etwa die Commerzbank im Rahmen ihrer Anfang 2021 aufgestellten "Strategie 2024" nicht nur Personal ab, sondern reduzierte auch die Zahl ihrer Standorte bis Mitte 2022 von 790 auf 450. Weitere Dependancen sollen folgen, hieß es bei der Vorstellung der Geschäftszahlen im Februar 2023. Stattdessen hat das Frankfurter Geldhaus im Herbst 2022 insgesamt zwölf zentrale Beratungscenter installiert, in denen Mitarbeitende "telefonisch, per Mail oder Video auch abends und am Wochenende" mit Kunden in Kontakt treten. So wolle sich das Unternehmen hin zu einer "digitalen Beratungsbank" entwickeln. 

Dennoch sind einige Kunden auf die analogen Finanzdienstleistungen vor Ort angewiesen. "Zu dieser Gruppe gehören nicht zuletzt viele Senioren", betonen Geiseler und Neumüller. Auch für tiefgreifende Lebensentscheidungen wünschen sich den Bankexperten zufolge viele Bürger weiterhin die Möglichkeit, Produkte wie etwa Immobilienkredite oder Altersvorsorgeleistungen mit Fachpersonal vor Ort zu besprechen. "In der Regel bleibt die Filiale der wichtigste Absatzkanal."

Digitale Interaktion vor Ort ausbauen

Einen Ausweg sehen die Autoren des Zeb-Filialkompass in zusätzlichen digitalen Angeboten vor Ort. Doch gerade hieran hapere es vielerorts, lautet ihre Kritik: 

Der Digitalisierungsgrad der Services in Filialen Deutscher Retail-Banken bleibt weiterhin auf einem niedrigen Stand. Rund zehn Prozent weisen nach wie vor ein vollständig analoges Servicebild mit Fokus auf persönlicher und stark papiergebundener Interaktion auf. Die Mehrheit der Filialen - rund 45 Prozent - ist semidigital beziehungsweise hybrid aufgestellt. Nur rund fünf Prozent werden einem rein digitalen Anspruch und Approach gerecht."

Damit gehe ein künftig noch steigender Anteil des Geschäfts über digitale Kanäle an den Niederlassungen vor Ort vorbei. Das habe weitreichenden Folgen für Offline-Banking-Kunden in der Fläche. Gefragt ist laut Andreas Eder, Senior Consultant bei Zeb, ein ganzheitlicher Ansatz von Strategie, Funktion, Abläufen und Gestaltung. Denn die Filiale bleibe wichtig für den Kanalmix, "aber ihre Rolle wird sich in Zukunft durch vielerlei Einflüsse nicht nur auf digitaler Ebene drastisch verändern", ist der Experte überzeugt.

Barrierefreheit und Markenidentität

Laut Filialkompass sollten die Repräsentanzen "Raum für barrierefreie Interaktion bieten, der alle gleichermaßen willkommen heißt". Dabei spiele neben der Markenidentität des Kreditinstituts auch der aktive Kunde eine zentrale Rolle. Die Filiale sei kundenorientiert unter anderem durch eine flexibel und hybrid verfügbare Beratung sowie papier- und bargeldlos ausgerichtet.

Wie eine solche Neuausrichtung ihrer Vor-Ort-Angeboten aussehen kann, damit befassen sich derzeit vor allem lokale Banken. "Bereits heute lässt sich verschiedentlich beobachten, wie Institute ihre Filialen in puncto Design, Ausstattung, Beratung und nicht zuletzt auch der spezifischen Mitarbeiter vor Ort an verschiedene Zielgruppen anpassen", berichten Geiseler und Neumüller.

Mit Zielgruppenausrichtung punkten

Sie verweisen dabei unter anderem auf das Konzept "Smoney" der Stadtsparkasse Düsseldorf. Mit einer innerstädtischen Filiale hat das sehr junge Zielpublikum eine eigene Anlaufstelle erhalten, in der es zum Beispiel eine Lounge-Ecke gibt und einen Kaffeevollautomaten. 

Die Beweggründe für den Besuch sind dabei ganz unterschiedlich. So kommen Schüler, Auszubildende, Studierende und Berufsstarter zum Beispiel regelmäßig für Events oder persönliche Beratungsgespräche zu uns, wobei wir uns mit ihnen bei Bedarf natürlich auch digital oder im Lieblingscafé ihrer Wahl treffen", erklärt Jan Strauch, der im sogenannten Smoney-Hub als Ansprechpartner tätig ist, im Gespräch mit springerprofessional.de. 

Schüler und Studierende nutzen die Räume aber auch als Co-Working-Space, um Hausaufgaben zu erledigen oder Seminararbeiten zu besprechen. 

Ein vergleichbares Projekt gibt es den Capco-Experten zufolge auch in der Bundeshauptstadt. Die Berliner Sparkasse versuche mit ihrem "Klub zur hohen Kante" ebenfalls junge Verbraucher anzulocken. Das sei auch deshalb besonders wichtig, weil gerade diese schneller für Digitalangebote und einen Bankwechsel zu gewinnen ist. 

Vorreiterfiliale für ältere Kunden

Aber auch für ältere Kunde gibt es bereits ein entsprechendes Modell: So habe die Sparkasse Göttingen mit ihrer "Best Zeit"-Niederlassung ein Vorreiterprojekt an den Start gebracht, dessen Angebot auf Menschen ab 50 zugeschnitten ist. "Die Schwerpunkte dort liegen auf den Themen Umstrukturierung der Altersvorsorge, Ruhestandsplanung und Vermögensübergang." 

Auch andere, spezifischere Angebote werden häufiger genutzt als gewöhnliche Zweigstellen. "In Berlin sind hoch frequentierte Filialen der Deutschen Bank häufig jene, deren migrantische Mitarbeiter Beratung in verschiedenen Sprachen anbieten können", schreiben Geiseler und Neumüller. 

Geno-Banken und Sparkassen kooperieren

Andernorts suchen Institute verschiedener Bankengruppen den Schulterschluss, um weiterhin ihre Geschäftsstellen mit geringerem Personal- und Kosteneinsatz betreiben zu können. 2019 eröffneten zum Beispiel die Frankfurter Volksbank und die Taunus Sparkasse mit ihrem ersten sogenannten Finanzpunkt eine gemeinsame Filiale. In insgesamt 26 Niederlassungen im Hochtaunus- und im Main-Taunus-Kreis bieten die beiden Institute mittlerweile ihre Dienstleistungen unter einem gemeinsamen Dach an. 

Ein Lichtsignal gibt Auskunft, Bankberater welcher Bank am jeweiligen Tag für Kunden zur Verfügung stehen. Rot steht dabei für die Sparkasse, blau für die Volksbank. Auch Geldautomaten beider Häuser stehen zur Verfügung. "Die Technik ist strickt DSGVO-konform getrennt. Lediglich Bildschirm und Dockingstation am Welcome-Cube werden gemeinsam genutzt", berichtete Michael Sudahl im "Bankmagazin" im November 2019 über die Vorstellung des neuen Filialkonzepts. 

Andere Häuser folgen bereits diesem Beispiel. So arbeiten unter anderem die Sparkasse Oberpfalz Nord und die Raiffeisenbank Oberpfalz Nordwest sowie die Volksbank Main-Tauber und die Sparkasse Tauberfranken in gemeinsamen Repräsentanzen. 

Angebote an Megatrends ausrichten

Letztlich können aber auch Megatrends wie ESG (Environment/Umwelt, Social/soziale Gerechtigkeit und Governance/gute Unternehmensführung) dem Angebot der Banken vor Ort eine ganz neuen Charakter geben, meinen Geiseler und Neumüller: 

Die Filiale könnte auch als Treffpunkt für grüne Initiativen bei Geschäften mit Firmenkunden dienen. Vermehrt wird es darum gehen, kleine und mittlere Betriebe (KMU) bei Fragen rund um die nachhaltige Ausgestaltung ihres Geschäfts zu beraten und Investitionen zu lenken. Die Filiale muss hier die eigenen Ansprüche spiegeln, um als Berater zur Transformation wahrgenommen zu werden."

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